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Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung

Oberfinanzdirektion Niedersachsen: Information für Angehörige der steuerberatenden Berufe (AdStB) Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung

Für die Aufbewahrung digitaler Daten gelten die allgemeinen Ordnungsvorschriften der Abgabenord­nung (AO), insbesondere die §§ 145 bis 147 AO. Daneben gibt es mehrere Verwaltungsanweisungen. Dies sind die BMF-Schreiben vom 26. November 2010 IV A 4 – S 0316/08/10004-07 und

9. Januar 1996, IV A 8 – S 0310 – 5/95, die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungs­systeme (GoBS) vom 7. November 1995 – IV A 8 – S 0316 – 52/95 – und die Grundsätze zum Datenzu­griff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) vom 16. Juli 2001 – IV D 2 – S 0316 – 136/01 -. Das BMF hat außerdem einen mehrfach aktualisierten Fragen- und Antworten-Katalog zum Datenzu­griffsrecht der Finanzverwaltung veröffentlicht.

Insbesondere im Hinblick auf das BMF-Schreiben vom 26. November 2010 – a. a. O. – wird künftig im Rahmen von Außenprüfungen oder auch (ggf. unangemeldeten) Nachschauen verstärkt darauf geachtet, dass prüfungsrelevante Datenbestände vollumfänglich aufbewahrt und zur Verfügung gestellt werden. Kasseneinzeldaten wurden bisher häufig gelöscht. In Praxisfällen wurde weiterhin festgestellt, dass Ausdrucke von Speicherinhalten auf dem Kassenbon oder dem Tagesendsummenbon unterdrückt wur­den. Die Prüferinnen und Prüfer werden insbesondere darin geschult, die Programmierung der Kasse

(z. B. Bediener, Preise, Artikel, Berichtswesen sowie Unterdrückung von Daten und Speicherinhalten) festzustellen und auszuwerten. Im Falle der Löschung von aufbewahrungspflichtigen Daten oder bei fehlender Aufbewahrung ist die Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung nicht gegeben.

Nach den vorliegenden Prüfungserfahrungen sind sich die Unternehmen offenbar nicht bewusst, welche Daten und Unterlagen zwingend aufzubewahren sind. Die Qualifizierung steuerlich relevanter Daten ge­hört seit Inkrafttreten des Datenzugriffsrechts der Finanzbehörden zu den Vorbehaltsaufgaben der AdStB nach § 33 Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Die AdStB haben bei der Vorbereitung auf digitale Außenprüfungen die Aufgabe, steuerrelevante Daten möglichst vollständig zu identifizieren und die Mandantin/den Mandanten auf die geltenden Aufbewahrungspflichten der Datenbestände hinzuweisen.

 

Datenzugriff bei Außenprüfungen mit elektronischen Kassendaten

Dieses Schreiben soll insbesondere über die Verpflichtungen beim Einsatz elektronischer Kassensyste­me informieren, weil der Datenzugriff auf Kassendaten einen Prüfungsschwerpunkt in Außenprüfungen der Barzahlungsbranche darstellt. Ziel ist es, dass der Betriebsprüferin/dem Betriebsprüfer zu Beginn der Prüfung regelmäßig ein Datenträger mit sämtlichen Kasseneinzeldaten und maschinell auswertbaren Strukturinformationen zur Verfügung gestellt wird.

 

PC-Kassen

Die rechtliche Verpflichtung zur Einzeldatenaufzeichnung besteht bereits seit dem 1. Januar 2002 für alle PC-Kassen oder elektronischen Registrierkassen mit einem angeschlossenen PC-System (oftmals mit speziellen Branchenlösungen verbunden wie z. B. bei Franchisenehmern mit elektronischer Versen­dung von Daten an den Franchisegeber oder Verbindung mit einem PC-gestützten vor- oder nachgela­gerten System – sog. Back-Office-Systeme). Werden im Rahmen einer Außenprüfung elektronische Da­ten angefordert, sind die Journaldateien der chronologisch verbuchten Geschäftsvorfälle mit maschinell auswertbaren Strukturinformationen als Datenbasis bereitzustellen. Ggf. können einzelfallbezogen wei­tere Anforderungen erfolgen.

 

Elektronische Registrierkassen

Für elektronische Registrierkassen gilt die Einzeldatenaufzeichnungsverpflichtung auf der Bonebene seit dem 26. November 2010. Im BMF-Schreiben vom 26. November 2010 – a. a. O. – wird u. a. ausge­führt: „Seit dem 1. Januar 2002 sind Unterlagen i. S. des § 147 Abs. 1 AO, die mit Hilfe eines Datenverarbei­tungssystems erstellt worden sind, während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar, un­verzüglich lesbar und maschinell auswertbar aufzubewahren (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 AO). Die vorgenannten Geräte sowie die mit ihrer Hilfe erstellten digitalen Unterlagen müssen seit diesem Zeitpunkt neben den „Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS)“ vom 7. November 1995 (BStBl I S. 738) auch den „Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)“ vom 16. Juli 2001 (BStBl I S. 415) entsprechen (§ 147 Abs. 6 AO). Die Feststellungslast liegt beim Steuerpflichtigen. Insbesondere müssen alle steuerlich relevanten Einzeldaten (Einzelauf­zeichnungspflicht) einschließlich etwaiger mit dem Gerät elektronisch erzeugter Rechnungen i. S. des § 14 UStG unveränderbar und vollständig aufbewahrt werden. Eine Verdichtung dieser Daten oder aus­schließliche Speicherung der Rechnungsendsummen ist unzulässig. Ein ausschließliches Vorhalten auf­bewahrungspflichtiger Unterlagen in ausgedruckter Form ist nicht ausreichend. Die digitalen Unterla­gen und die Strukturinformationen müssen in einem auswertbaren Datenformat vorliegen. Ist die kom­plette Speicherung aller steuerlich relevanten Daten – bei der Registrierkasse insbesondere Journal-, Auswertungs-, Programmier- und Stammdatenänderungen – innerhalb des Geräts nicht möglich, müssen diese Daten unveränderbar und maschinell auswertbar auf einem externen Datenträger gespeichert wer­den. Ein Archivsystem muss die gleichen Auswertungen wie jene im laufenden System ermöglichen. Die konkreten Einsatzorte und -zeiträume der vorgenannten Geräte sind zu protokollieren und diese Protokolle aufzubewahren (vgl. § 145 Abs. 1 AO, § 63 Abs. 1 UStDV). Außerdem müssen die Grundla­genaufzeichnungen zur Überprüfung der Bareinnahmen für jedes einzelne Gerät getrennt geführt und aufbewahrt werden. Die zum Gerät gehörenden Organisationsunterlagen müssen aufbewahrt werden, insbesondere die Bedienungsanleitung, die Programmieranleitung und alle weiteren Anweisungen zur Programmierung des Geräts (§ 147 Abs. 1 Nr. 1 AO). Soweit mit Hilfe eines solchen Geräts unbare Geschäftsvorfälle (z. B. EC-Cash, ELV – Elektronisches Lastschriftverfahren) erfasst werden, muss aufgrund der erstellten Einzeldaten ein Abgleich der baren und unbaren Zahlungsvorgänge und deren zutreffende Verbuchung im Buchführungs- bzw. Aufzeich­nungswerk gewährleistet sein.“

Kann die elektronische Registrierkasse nicht alle Kasseneinzeldaten für 10 Jahre im Gerät speichern, ist die Kasse mit Speichererweiterungen auszustatten. Ist dies nicht möglich, sind die Daten auf einem ex­ternen Datenträger zu speichern. Dem Unternehmen obliegt der Nachweis, dass die Daten manipulati­onssicher und unveränderbar gespeichert werden. Hierfür wird das Unternehmen in der Regel die Hilfe von IT-Kassendienstleistern benötigen. Diese werden auch über derzeitige und zu erwartende technische Aufrüstungsmöglichkeiten informieren können. Ist das Datenformat für das Finanzamt nicht auswertbar, sind die Daten unverzüglich in ein auswertbares Format zu konvertieren. Die Kosten trägt das geprüfte Unternehmen. Werden mehrere Registrierkassen miteinander verbunden, gelten die vorgenannten Rege­lungen für jedes Gerät.

 

Ausnahmeregelung

Das BMF-Schreiben vom 26. November 2010 – a. a. O. – sieht einen Übergangszeitraum bis zum

31. Dezember 2016 vor, in dem Erleichterungen gewährt werden, wenn eine Registrierkasse nicht „auf­gerüstet“ werden kann. In diesem Fall müssen mindestens die Anforderungen des BMF-Schreibens vom 9. Januar 1996 – a. a. O. – erfüllt werden. Wörtlich heißt es im BMF-Schreiben vom 26. November 2010 – a. a. O. – : „Soweit ein Gerät bauartbedingt den in diesem Schreiben niedergelegten gesetzlichen An­forderungen nicht oder nur teilweise genügt, wird es nicht beanstandet, wenn der Steuerpflichtige dieses Gerät längstens bis zum 31. Dezember 2016 in seinem Betrieb weiterhin einsetzt. Das setzt aber voraus, dass der Steuerpflichtige technisch mögliche Softwareanpassungen und Speichererweiterungen mit dem Ziel durchführt, die in diesem Schreiben konkretisierten gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Bei Registrierkassen, die technisch nicht mit Softwareanpassungen und Speichererweiterungen aufgerüstet werden können, müssen die Anforderungen des BMF-Schreibens vom 9. Januar 1996 weiterhin vollum­fänglich beachtet werden.“ Im Einzelnen bedeutet dies: „1. Nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO sind die zur Kasse gehörenden Organisationsunterlagen, insbesondere die Bedienungsanleitung, die Programmieranleitung, die Programmabrufe nach jeder Änderung (u. a. der Artikelpreise), Protokolle über die Einrichtung von Verkäufer-, Kellner- und Trainingsspeichern u.Ä. sowie alle weiteren Anweisungen zur Kassenprogrammierung (z. B. Anweisungen zum maschinellen Ausdrucken von Pro-forma-Rechnungen oder zum Unterdrücken von Daten und Speicherinhalten) auf­zubewahren.

  1.  Nach § 147 Abs. 1 Nr. 3 AO sind die gem. R 21 Abs. 7 Sätze 12 und 13 EStR 1993 mit Hilfe von Re­gistrierkassen erstellten Rechnungen aufzubewahren.
  2.  Nach § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO sind die Tagesendsummenbons mit Ausdruck des Nullstellungszählers (fortlaufende sog. „Z-Nummer“ zur Überprüfung der Vollständigkeit der Kassenberichte), der Stornobu­chungen (sog. Managerstornos und Nach-Stornobuchungen), Retouren, Entnahmen sowie der Zahlungs­wege (bar, Scheck, Kredit) und alle weiteren im Rahmen des Tagesabschlusses abgerufenen Ausdrucke der EDV-Registrierkassen (z. B. betriebswirtschaftliche Auswertungen, Ausdrucke der Trainingsspei­cher, Kellnerberichte, Spartenberichte) im Belegzusammenhang mit dem Tagesendsummenbon aufzube­wahren.

Darüber hinaus ist die Vollständigkeit der Tagesendsummenbons durch organisatorische oder durch pro­grammierte Kontrollen sicherzustellen.“

Zusätzlich ist es ratsam, alle weiteren Unterlagen und Daten aufzubewahren, auch wenn diese im BMF-Schreiben vom 9. Januar 1996 – a. a. O. – nicht ausdrücklich genannt werden (z. B. GrandTotal-Speicher und Journalrollen), um die Vollständigkeit der vorgelegten Tagesendsummenbons zu belegen. Weiter sollten alle ungewöhnlichen Vorfälle protokolliert werden (z. B. Defekt der Registrierkasse etc.).

 

Einsatz einer offenen Ladenkasse

1.Bei der sog. „offenen Ladenkasse“ sind die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassenführung ­im Gegensatz zur Kassenführung mit Hilfe einer Registrierkasse/PC-Kasse – deutlich schwieriger zu er­füllen und mit hohem Aufwand verbunden. Auch hier ist prinzipiell die Aufzeichnung eines jeden ein­zelnen Handelsgeschäftes, also jeder Betriebseinnahme und Betriebsausgabe, jeder Einlage und Entnah­me, soweit zumutbar, mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalls erforderlich. Jeder einzelne Vorgang muss identifizierbar sein. Zu erfassen sind Inhalt des Geschäfts, Name, Firma und Adresse der Vertragspartnerin/des Vertragspartners. Da sich die Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Betriebseinnah­men auch aus dem Umsatzsteuergesetz (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. 63 ff. UStDV) ergibt, besteht die Verpflichtung zudem unabhängig von der Gewinnermittlungsart. Aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität sind aber bestimmte Berufsgruppen von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung entbunden, soweit sie Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkaufen. Damit die fortlaufende, vollständige und richtige Verzeichnung der Geschäftsvorfälle dennoch gewährleistet wird, müssen Bareinnahmen an­hand eines sog. Kassenberichts nachgewiesen werden, in dem sie täglich mit dem Anfangs- und Endbe­stand der Kasse abgestimmt werden. Für die Anfertigung eines Kassenberichts ist der gesamte geschäft­liche Bargeldendbestand täglich zu zählen, weil die Feststellung des Kassenbestandes eine unentbehrli­che Grundlage für die Berechnung der Tageslosung bildet. Der Kassenbestand ist sodann rechnerisch um die belegmäßig festgehaltenen Entnahmen und Ausgaben zu erhöhen und um die ebenfalls doku­mentierten Einlagen zu mindern, sodass sich die Einnahme ergibt (summarische Bareinnahmeermittlung = Tageslosungsermittlung). Nur ein in solcher Weise erstellter Kassenbericht für offene Ladenkassen dokumentiert diese Rechenschritte hinreichend, schreibt sie unveränderbar fest und macht sie damit nachprüfbar. Mit Standardsoftware (z. B. Office-Programme) erstellte Tabellen sind nicht manipulati­onssicher und entsprechen somit nicht den Vorschriften (§ 146 Abs. 4 S. 1 AO). Am Markt erhältliche Software wird nur dann als ordnungsgemäß anerkannt, wenn eine nachträgliche Änderung unmöglich bzw. – sofern möglich – mit einem entsprechenden automatisch vom Programm gesetzten Vermerk er­sichtlich ist. Die/der Steuerpflichtige sollte die Ermittlung des Geldbestandes am Ende des Tages durch ein sog. Zählprotokoll nachweisen. Auch das Hartgeld in der Kasse und das Wechselgeld in den Handkassen sind exakt zu erfassen. Run­dungen oder Schätzungen sind unzulässig und führen zur Versagung der Beweiskraft der Kassenfüh­rung.

 

Folgen von Mängeln

Ist die Kassenführung nicht ordnungsgemäß, hat dies bei einem Betrieb mit nicht untergeordneten Barumsätzen den Verlust der Ordnungsmäßigkeit der gesamten Buchführung zur Folge. Das Ergebnis der Buchführung (Umsatz, Gewinn) entfaltet somit keine Beweiskraft für die Besteuerung (§ 158 AO). Das Finanzamt kann die Besteuerungsgrundlagen schätzen (§ 162 AO). Sofern die Finanzbehörde dar­über hinaus durch Schlüssigkeitsverprobungen Differenzen feststellt, die nicht substantiell widerlegt werden können, folgt daraus neben Umsatz- und Gewinnzuschätzungen regelmäßig auch ein Steuer­strafverfahren.

Es ist bekannt, dass Kassenvertriebsunternehmen teilweise mit Unterstützung bei Manipulationen wer­ben. Gelegentlich ist es z. B. vorgekommen, dass IT-Kassendienstleister unmittelbar vor dem Auslesen von Kassen bei einer Prüfung Speicherinhalte oder Daten gelöscht bzw. programmierte Manipulationen wieder ausgeschaltet haben. Solche Eingriffe können eine Strafbarkeit nach § 274 Abs. 1 StGB (Urkundenunterdrückung) oder nach § 370 AO (Steuerhinterziehung/Beihilfe zur Steuerhinterziehung) für die Unternehmerin/den Unternehmer und den IT-Kassendienstleister nach sich ziehen.

Oberfinanzdirektion Niedersachsen