Die klagende Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Österreich betrieb eine sog. Konzertdirektion, d.h. sie verpflichtete Künstler und Künstlergruppen und stellte diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Veranstaltern für Auftritte in der BRD zur Verfügung. Für die in den Streitjahren durchgeführten Veranstaltungen meldete der Veranstalter als Schuldner der Vergütungen Steuerabzugsbeträge an und führte sie an das Finanzamt ab. Später beantragte er die Aufhebung der Steueranmeldungen, was das Finanzamt ablehnte. Dagegen wandte sich die Klägerin und machte geltend, dass die Besteuerung dem deutsch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen sowie dem Gemeinschaftsrecht widerspreche. Zudem müssten Betriebsausgaben bereits im Abzugsverfahren Berücksichtigung finden.
Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Dabei hat es zunächst die Voraussetzungen für die Anmeldung, Einbehaltung und Abführung der Steuer bejaht und darauf hingewiesen, dass aus der Sicht des Veranstalters von einer – für die Steueranmeldung ausreichenden – ernsthaften Möglichkeit einer beschränkten Steuerpflicht der Klägerin auszugehen gewesen sei. Bei dem gezahlten Festpreis einschließlich Materialleihgebühren und Tantieme handele es sich um eine einheitliche Vergütung, die durch künstlerische Darbietungen im Inland erzielt worden sei; auf die höchstpersönliche Darbietung künstlerischer Leistungen komme es nicht an, so dass die Rechtsform der Klägerin unerheblich sei.
Ferner habe der Veranstalter die Steueranmeldung auch mit Blick auf die sich aus dem Doppelbesteuerungsabkommen ergebende Befreiung der Einkünfte von der deutschen Besteuerung nicht unterlassen dürfen. Eine Freistellungsbescheinigung des Bundesamtes für Finanzen habe die Klägerin nicht vorgelegt. Die Befreiung könne daher nur im Erstattungsverfahren erreicht werden.
Schließlich hat das Gericht die verfassungs-/europarechtlichen Bedenken nicht geteilt und von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bzw. den Europäischen Gerichtshof abgesehen. Die europarechtlich gebotene Berücksichtigung von Betriebsausgaben scheitere daran, dass die Klägerin die Aufwendungen dem Veranstalter nicht rechtzeitig mitgeteilt habe.
Die Entscheidung im Volltext: 15 K 1802/09 E
Finanzgericht Düsseldorf, 15 K 1802/09 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG- 1997/1999 bei Einkünften aus der Überlassung von Künstlern.
3Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in „T-Stadt“, Österreich. Im Streitzeitraum – dem 4. Quartal 1998 und dem 1. Quartal 1999 – hatte sie keine Betriebsstätte in der Bundesrepublik Deutschland.
4Die Klägerin betrieb eine sog. Konzertdirektion, d. h. sie verpflichtete Künstler und Künstlergruppen und stellte sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Veranstaltern für Auftritte in der Bundesrepublik zur Verfügung. Im Streitzeitraum überließ sie der Beigeladenen folgende Gruppen gegen folgende Vergütungen:
5
05.11.1998 | „A” | DM 26.119 |
22.11.1998 | „B“ | DM 18.050 |
24.02.1999 | „C“ | DM 18.750 |
6Die Überlassung erfolgte zu einem Festpreis. Für Honorare sowie Kosten der Reise, Unterkunft und Verpflegung der Künstler hatte regelmäßig die Klägerin aufzukommen. Zum Teil zahlte die Beigeladene zusätzlich zum Festpreis „Nebenkosten“, wie Materialleihgebühren, oder Tantieme an die Klägerin.
7Nach Aufforderung durch den Beklagten meldete die Beigeladene als Vergütungsschuldnerin am 26.11.2001 für das 4. Quartal 1998 sowie das 1. Quartal 1999 Steuerabzugsbeträge i.H.v. insgesamt DM 16.592 für die oben genannten Veranstaltungen an und führte sie an den Beklagten ab.
8Mit Schreiben vom 01.08.2002 beantragte die Beigeladene die Aufhebung der Steueranmeldungen, da – nach ihrer Auffassung – eine Pflicht zu deren Abgabe nicht bestanden habe. Mangels Betriebsstätte der Klägerin in der Bundesrepublik fehle es an einem deutschen Recht zur Besteuerung der gezahlten Vergütungen. Die Beigeladene berief sich insoweit auf das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen -DBA-Österreich- sowie auf das Ergebnis eines 1984/85 durchgeführten Verständigungsverfahrens. Darüber hinaus sei der Steuerabzug nach § 50a EStG nicht europarechtskonform.
9Der Beklagte lehnte den Antrag auf Aufhebung der Steueranmeldungen mit Schreiben vom 21.08.2002 ab. Er verwies auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 21.05.1997 I R 79/96, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1998, 113, Entscheidungen des BFH -BFHE- 184, 281, gemäß der das Steuerfreistellungsverfahren die sich aus dem DBA-Österreich ergebende Steuerfreistellung nicht einschränke, sondern lediglich das innerstaatliche Verfahren zur Durchsetzung der Steuerbefreiung regele.
10Hiergegen legte die Klägerin am 16.09.2002 Einspruch ein. Sie vertrat die Ansicht, der Steuerabzug sei von den Einkünften (i. S. der Nettobeträge), nicht von den „Umsätzen“ (i. S. der Bruttobeträge) vorzunehmen. Sie habe in dem vom 01.09.1998 bis zum 31.08.1999 laufenden Geschäftsjahr Einkünfte i. H. v. 0,69% der „Umsätze“ erzielt. Entsprechend müsse der Steuerabzug von 0,69% der „Umsätze“ aus den Veranstaltungen vorgenommen werden. Zudem machte sie geltend, der Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG sowie der Steuersatz i. H. v. 25% verstießen gegen Gemeinschaftsrecht.
11Das Einspruchsverfahren ruhte im Hinblick auf beim BFH (Az. I R 75/01 und I R 57/02) und beim Gerichtshof der Europäischen Union -EuGH- anhängige Verfahren (Az. C-234/01) bis zum 11.03.2008. Danach erhielt die Klägerin ihren Einspruch unter Verweis auf ein beim Bundesverfassungsgericht -BVerfG- anhängiges Verfahren (Az. 2 BvR 1178/07) und auf ein durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaft gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren weiter aufrecht. Der Aufforderung des Beklagten, Betriebsausgaben, die mit den inländischen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, darzulegen und nachzuweisen, kam sie nicht nach.
12Mit Einspruchsentscheidung vom 26.02.2009 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. In Ergänzung zu seinem bisherigen Vorbringen führte er im Wesentlichen Folgendes aus: Die Klägerin könne ihre Auffassung nicht auf das Verständigungsverfahren stützen, denn die zu diesem Verfahren vorgelegten Unterlagen vom 21.08.1984 und vom 01.04.1985 enthielten keine Aussage dazu, auf welche Weise die Freistellung der Einkünfte von der deutsche Steuer zu erfolgen habe. Eine Freistellung sei nur im Wege des beim Bundesamt für Finanzen (heute: Bundeszentralamt für Steuern) durchzuführenden Freistellungsverfahrens nach § 50d Abs. 3 EStG i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Finanzverwaltungsgesetz -FVG- zu erreichen. Der Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG verstoße nicht gegen Europarecht. Der EuGH habe das Steuerabzugsverfahren in seinen Urteilen vom 12.06.2003 (Rs. C-234/01 – Gerritse, Slg. 2003, I-5933, BStBl II 2003, 859) und vom 03.10.2006 (Rs. C-290/04 – Scorpio, Slg. 2006, I-09461, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2007, Beilage 1, 36) jedenfalls für die Zeit bis zum Inkrafttreten der EG-Beitreibungs-richtlinie 2001/44/EG i. V. m. dem EG-Beitreibungsgesetz zum 01.07.2002 und damit auch für den hier streitigen Zeitraum nicht beanstandet. Zwar müssten Ausgaben des beschränkt Steuerpflichtigen, die mit seiner Tätigkeit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, bereits im Abzugsverfahren berücksichtigt werden, vorausgesetzt, sie seien dem Vergütungsschuldner mitgeteilt worden; § 50a Abs. 4 Sätze 5 und 6 EStG sei entsprechend gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Die Klägerin habe es jedoch versäumt, konkrete Aufwandspositionen mitzuteilen und zu belegen. Daher sei der Steuerabzug zu Recht auf Bruttobasis vorgenommen worden.
13Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie wendet sich zunächst gegen das Bestehen einer beschränkten deutschen Steuerpflicht nach nationalen Vorschriften und vertritt die Auffassung, die bisher einheitlich als Einkünfte aus künstlerischen Darbietungen behandelten Vergütungen seien aufzuteilen in (nur in Österreich steuerpflichtige) gewerbliche Einkünfte der Klägerin aus werkschaffender Tätigkeit und in (in Deutschland beschränkt steuerpflichtige) Einkünfte der Künstler aus künstlerischer Darbietung; juristische Personen – wie die Klägerin – könnten schon keine Einkünfte aus höchstpersönlicher künstlerischer Tätigkeit erzielen. Sie stützt ihre Rechtsansicht auf die BFH-Urteile vom 08.04.1997 I R 51/96, BStBl II 1997, 679, vom 18.07.2001 I R 26/01, BStBl II 2002, 410 und vom 28.07.2010 I R 93/09, BFH/NV 2010, 2263.
14Auf das Bestehen einer Steuerpflicht nach nationalen Vorschriften komme es letztlich jedoch nicht an, da sich Deutschland im – den nationalen Regelungen vorgehenden – DBA-Österreich verpflichtet habe, die Vergütungen von der deutschen Besteuerung freizustellen. Soweit nationales Recht – wie § 50d EStG – die Steuerfreistellung einschränke oder ausschließe, handele es sich um ein sog. Treaty Overriding, das gegen Verfassungsrecht verstoße (vgl. Vorlagebeschluss des BFH vom 10.01.2012 I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056). In den Streitjahren sei es nicht möglich gewesen, Freistellungsbescheinigungen zu erhalten; das Bundesamt für Finanzen habe deren Ausstellung verweigert. Deshalb müsse der Klägerin heute – auf Basis der damaligen Rechtsnormen und unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung – die Freistellung gewährt werden. Dies gelte insbesondere angesichts des Schreibens des Bundesministers der Finanzen -BMF- vom 21.04.1987, mit dem der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass ihre aus der Bundesrepublik Deutschland stammenden Einkünfte aufgrund des Art. 4 DBA-Österreich nach Auffassung des BFH (Az. I R 261/82) nicht dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG unterlägen; hieran müsse sich die Finanzverwaltung festhalten lassen. Das Schreiben hat die Klägerin dem Gericht vorgelegt.
15Im Übrigen verstoße das Steuerabzugsverfahren trotz der Entscheidung des EuGH in der Sache Scorpio gegen Gemeinschaftsrecht, weil im Streitzeitraum ein Amtshilfeabkommen mit Österreich existiert habe, mithin die Sicherung der Steueransprüche durch einen Steuerabzug entbehrlich gewesen sei. Zumindest aber müssten Betriebsausgaben der Klägerin bereits im Abzugs-, nicht erst im – gänzlich unpraktikablen – Erstattungsverfahren, berücksichtigt werden. Hierfür lasse es der EuGH nach seinen Entscheidungen Gerritse und Scorpio genügen, dass der Vergütungsgläubiger dem Vergütungsschuldner seine Aufwendungen mitteile; Nachweise in Form von Rechnungskopien brauche er nicht zu erbringen, denn die Offenlegung seiner Vertragspartner und seiner internen Kalkulation sei ihm nicht zuzumuten. Auch aus Gründen der Praktikabilität könne die Vorlage von Belegen nicht verlangt werden. Nicht mitgeteilte Betriebsausgaben seien – auch im Abzugsverfahren – nach Maßgabe des § 162 der Abgabenordnung -AO- zu schätzen. Ihre Aufwendungen hat die Klägerin wie folgt beziffert:
16
Projekt | Empfänger | Aufwendungen | Höhe in DM |
„A” | „A1” | Künstlerhonorar | 13.500 |
Übernachtungskosten | 23 Personen x 40 = 920 | ||
Transportkosten | 700 | ||
„B“ | „B1“ | Tagesdiäten | 2.700 |
Künstlerhonorar | 1.200 | ||
Produktionskostenbeteiligung | 400 | ||
Übernachtungskosten | 54 Personen x 30 = 1.620 | ||
Transportkosten | zu schätzen | ||
„C“ | „C1“ | Künstlerhonorar | 15.100 |
Transportkosten | zu schätzen |
17Die Klägerin beantragt,
18den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 21.08.2002 und der Einspruchsentscheidung vom 26.02.2009 zu verpflichten, die Steueranmeldungen für das 4. Quartal 1998 sowie das 1. Quartal 1999 vom 26.11.2001 aufzuheben und die abgeführten Steuerabzugsbeträge zu erstatten,
19hilfsweise, das Verfahren dem BVerfG bzw. dem EuGH vorzulegen.
20Der Beklagte beantragt,
21 die Klage abzuweisen.
22Er verweist zunächst auf die Begründung der Einspruchsentscheidung. An der bisherigen Beurteilung der Einkünfte der Klägerin als einheitliche Vergütung i. S. des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG halte er fest. Der Vorschrift unterfielen alle gewerblichen Einkünfte, die durch künstlerische Darbietungen im Inland erzielt würden. Davon würden auch ausländische Unternehmen erfasst, die einem inländischen Veranstalter Künstler im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zur Verfügung stellten. Denn der Begriff der Darbietung beschränke sich nicht auf die persönliche Leistung des Künstlers. Zudem schließe der Gesetzestext Einkünfte aus anderen mit der künstlerischen Darbietung zusammenhängenden Leistungen ein. Bei Künstlerverleihgesellschaften falle hierunter eine in der vereinbarten Gesamtvergütung enthaltene Vergütung für technische Nebenleistungen. Im Streitfall müsse von einer Gesamtvergütung ausgegangen werden, da weder Tatsachen dargelegt noch Nachweise erbracht worden seien, die gegen eine zusammenhängende Leistung sprächen.
23Um die abkommensrechtliche Freistellung der Vergütungen von der deutschen Steuer geltend zu machen, hätten der Klägerin das Erstattungs- und das Freistellungsverfahren offengestanden. Bei diesen und dem Abzugsverfahren handele es sich nicht um ein Treaty-Overriding, sondern um die – verfassungsgemäße – nationale Ausgestaltung der im DBA getroffenen Vereinbarung. Das Schreiben des BMF vom 21.04.1987 habe seine Gültigkeit verloren; die Auskunft sei auf Basis der alten Rechtslage erteilt worden. Die Klägerin habe es offenbar versäumt, Freistellungsbescheinigungen für die streitgegenständlichen Veranstaltungen zu beantragen. Für andere Veranstaltungen habe sie solche erhalten. So sei ihr auf Antrag vom 07.10.1999 am 25.11.1999 ein Freistellungsbescheid für die Aufführung „D“ erteilt worden.
24Im vorliegenden Verfahren könne die nachträgliche Freistellung der Vergütungen und die Erstattung der Steuerabzugsbeträge nicht erreicht werden. Als Vergütungsgläubigerin könne die Klägerin die angefochtene Steueranmeldung nur darauf überprüfen lassen, ob die Beigeladene berechtigt gewesen sei, Steuerabzugsbeträge einzubehalten, anzumelden und abzuführen. Dies sei jedoch bereits dann zu bejahen, wenn die sachliche Steuerpflicht der Vergütungen Zweifeln unterlegen habe. Für eine weitergehende Überprüfung, bspw. hinsichtlich der Höhe der abgezogenen Steuer, fehle das Rechtsschutzinteresse. Entsprechend scheide die nachträgliche Berücksichtigung von Betriebsausgaben aus. Hierfür stehe das Erstattungsverfahren beim Bundeszentralamt für Steuern zur Verfügung. Der Beigeladenen habe die Klägerin bis zur Vornahme des Steuerabzugs keine Betriebsausgaben mitgeteilt. Nachweise in Form von Rechnungskopien, die zur Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen unerlässlich seien, seien – trotz mehrfacher Aufforderung – bis heute nicht vorgelegt worden.
25Die Beigeladene hat zur Sache nicht Stellung genommen und keinen eigenen Antrag gestellt.
26Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe
28Die Klage ist unbegründet.
29Der Bescheid vom 21.08.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 26.02.2009 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-); die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Steueranmeldungen und auf Erstattung der Steuerabzugsbeträge.
30I. Die Voraussetzungen für die Anmeldung, Einbehaltung und Abführung der Steuer lagen vor.
31Gemäß § 49 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes -KStG- 1998/1999 i. V. m. § 50a Abs. 4 Satz 1 EStG 1997/1999 wird bei beschränkt Steuerpflichtigen die Körperschaftsteuer in bestimmten Fällen im Wege des Steuerabzugs erhoben. Dann muss der Vergütungsschuldner den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers vornehmen und die einbehaltene Steuer an das zuständige Finanzamt abführen (§ 50a Abs. 5 Sätze 2 und 3 EStG 1997/1999). Gleichzeitig hat er eine Steueranmeldung über den Gläubiger und die Höhe der Vergütungen sowie die Höhe des Steuerabzugs nach § 73e der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung -EStDV- zu übersenden. Gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO kann der Vergütungsschuldner innerhalb der Festsetzungsfrist jederzeit die Aufhebung seiner Steueranmeldung beantragen, da die Steueranmeldung für ihn einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, §§ 168 Satz 1, 164 Abs. 1 AO (Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 168 Rz. 10, 16; BFH-Beschluss vom 15.10.1993 I B 89/93, BFH/NV 1994, 292). Auch der Vergütungsgläubiger und Steuerschuldner darf die Aufhebung einer Steueranmeldung des Vergütungsschuldners aus eigenem Recht begehren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13.08.1997 I B 30/97, BStBl II 1997, 700, und vom 07.11.2007 I R 19/04, BStBl II 2008, 228 m. w. N.). Im Rahmen des Antrags des Vergütungsgläubigers kann – wenn der Vergütungsschuldner nicht selbst die Aufhebung der Steueranmeldung beantragt – jedoch nur geprüft werden, ob der Vergütungsschuldner zur Vornahme der Steueranmeldung sowie zum Einbehalt und zur Abführung der Steuerabzugsbeträge berechtigt war. Denn die Steueranmeldung des Vergütungsschuldners enthält keine Steuerfestsetzung gegen den Vergütungsgläubiger, sondern entfaltet diesem gegenüber nur eine begrenzte Drittwirkung dergestalt, dass er die Abführung eines Teils seiner Vergütung an das Finanzamt dulden muss. Zur Vornahme der Steueranmeldung sowie zum Einbehalt und zur Abführung der Steuerabzugsbeträge war der Vergütungsschuldner zur Vermeidung eines eigenen Haftungsrisikos (vgl. § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 1997/1999) bereits dann berechtigt, wenn die sachliche Steuerpflicht der Vergütungen jedenfalls zweifelhaft war, wenn also aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Vergütungsschuldners von der ernstlichen Möglichkeit einer beschränkten Steuerpflicht des Vergütungsgläubigers ausgegangen werden konnte. Ist die beschränkte Steuerpflicht zweifelhaft, ist der Vergütungsgläubiger gehalten, seine Einwendungen gegen ihr Vorliegen und gegen die Höhe der Steuer im Rahmen eines eigenständigen Freistellungs- oder Erstattungsverfahrens in unmittelbarer oder analoger Anwendung von § 50d Abs. 1, 3 EStG 1997 und § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG 1997/1999 geltend zu machen (BFH-Beschlüsse vom 13.08.1997 I B 30/97, BStBl II 1997, 700, und vom 07.11.2007 I R 19/04, BStBl II 2008, 228; Loschelder in Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 50a Rz. 40; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 17.05.1995 I B 183/94, BStBl II 1995, 781, vom 26.07.1995 I B 182/94, BFH/NV 1996, 318, und vom 08.04.2009 I B 78/08, zitiert nach juris).
32Nach diesen Maßstäben war die Beigeladene als Vergütungsschuldnerin, die sich dem Aufhebungsantrag der Klägerin als Vergütungsgläubigerin nicht angeschlossen hat, zur Vornahme der Steueranmeldung und zum Einbehalt und zur Abführung der Steuerabzugsbeträge berechtigt. Denn aus ihrer Sicht war von der ernstlichen Möglichkeit einer beschränkten Steuerpflicht der Klägerin auszugehen.
33Beschränkt steuerpflichtig sind Körperschaften, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, mit ihren inländischen Einkünften (§§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 49 EStG). Voraussetzung für den Steuerabzug ist das Vorliegen von Einkünften i. S. des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG 1997/1999. Das bedeutet, dass die vom Vergütungsschuldner geleisteten Zahlungen dem dort angeführten Einkünftekatalog unterfallen müssen. Der Tatbestand des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997/1999 erfasst Einkünfte, die durch im Inland ausgeübte oder verwertete künstlerische, sportliche, artistische oder ähnliche Darbietungen erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen, unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen; die Regelung entspricht insoweit derjenigen in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG 1998/1999.
34Aus Sicht der Beigeladenen bestand die ernstliche Möglichkeit, dass die Klägerin mit ihren Einkünften im Inland gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG 1998/1999 i. V. m. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997/1999 beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist.
35Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft österreichischen Rechts ohne Sitz, Geschäftsleitung oder Zweigniederlassung im Inland. Ihre Einkünfte aus der Überlassung der drei Künstlergruppen an die Beigeladene erfüllen die Tatbestände der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG 1998/1999, 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997/1999. Mit dem Anbieten künstlerischer Leistungen gegen Entgelt, ohne dieselben in eigener Person zu erbringen, übte die Klägerin eine selbständige nachhaltige Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr – mithin ein Gewerbe i. S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG – aus. Bei dem für die Überlassung der Künstler gezahlten Festpreis einschließlich der Materialleihgebühren und Tantieme handelt es sich um eine einheitliche Vergütung, die durch künstlerische Darbietungen im Inland erzielt wurde. Die Vorschriften der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG 1998/1999, 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997/1999 verlangen nicht, dass der Vergütungsgläubiger höchstpersönlich künstlerische Leistungen darbietet. Die Vorschriften gelten vielmehr auch für ausländische Unternehmen ohne inländische Betriebsstätte oder ständigen Vertreter, die als sog. Konzertdirektionen einem inländischen Veranstalter Künstler im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zur Verfügung stellen. Erforderlich sind nämlich keine Einkünfte aus, sondern solche durch künstlerische Darbietungen; diese Darbietungen werden hier durch die überlassenen Ensemble erbracht. Entsprechend ist die Rechtsform der Klägerin für die Anwendbarkeit der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG 1998/1999, 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997/1999 unmaßgeblich (BFH-Beschlüsse vom 01.12.1993 I R 48/93, BFH/NV 1994, 549, Tz. 22, und vom 02.02.1994 I B 143/93, BFH/NV 1994, 864; Urteil des Finanzgerichts -FG- Rheinland-Pfalz vom 11.02.1998 1 K 2637/94, juris, Tz. 46; Loschelder in Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 49 Rz. 36; anders noch BFH-Urteil vom 20.06.1984 I R 283/81, BStBl II 1984, 828 zur Rechtslage vor dem Steuerbereinigungsgesetz 1986). Soweit die Klägerin Materialleihgebühren erstattet erhalten hat, liegen Einkünfte aus einer mit der künstlerischen Leistung „zusammenhängenden Leistung“ i. S. der Vorschriften vor. Der hierfür notwendige personelle Zusammenhang mit der künstlerischen Hauptleistung ist gegeben, denn Künstler und Material wurden von der Klägerin „aus einer Hand“ bereitgestellt (vgl. BFH-Urteil vom 28.07.2010 I R 93/09, BFH/NV 2010, 2263).
36Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus dieser Entscheidung zu den Zusammenhangleistungen und aus den Urteilen des BFH vom 08.04.1997 I R 51/96, BStBl II 1997, 679, und vom 18.07.2001 I R 26/01, BStBl II 2002, 410, kein anderes Ergebnis. Letztere behandeln lediglich die abkommensrechtliche Auslegung des Künstlerbegriffs und führen aus, dass Art. 17 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development -OECD-MA- nur auf vortragende Künstler und damit nicht auf den – werkschaffenden – Theater- oder Opernregisseur Anwendung findet. Zum Steuerabzug nach nationalem deutschen Recht und zur Auslegung der Tatbestände der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG, 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG treffen sie hingegen keine Aussage.
37Die Beigeladene durfte die Steueranmeldung, den -einbehalt und die -abführung auch nicht aufgrund der sich – unstreitig – aus Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 DBA-Österreich 1954 ergebenden Befreiung der Einkünfte der Klägerin von der deutschen Besteuerung unterlassen. Denn gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 1997 sind die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer ungeachtet des Abkommens anzuwenden. Von der Steueranmeldung, dem -einbehalt und der -abführung hätte die Beigeladene nach § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG 1997 nur dann absehen dürfen, wenn die Klägerin die Steuerfreistellung ihrer Einkünfte im Abzugsverfahren durch eine Bescheinigung des damaligen Bundesamtes für Finanzen nachgewiesen hätte. Dies ist jedoch – zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig – nicht geschehen: Für die hier streitgegenständlichen Veranstaltungen hat die Klägerin keine Freistellungsbescheinigung vorgelegt.
38Liegt eine Freistellungsbescheinigung nicht (rechtzeitig) vor, kann die Befreiung der Einkünfte von der Besteuerung und die Erstattung der abgeführten Beträge nach der für den Streitzeitraum maßgeblichen Rechtslage nur im Erstattungsverfahrens nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1997 i. V. m. § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG 1997/1999 erreicht werden. Allein in diesem Verfahren ist über eine Steuerbefreiung nach dem DBA-Österreich zu entscheiden (vgl. BFH-Beschluss vom 01.12.1993 I R 48/93, BFH/NV 1994, 549). Dem Verweis auf das Erstattungsverfahren kann die Klägerin nicht das im hiesigen Klageverfahren vorgelegte Schreiben des BMF vom 21.04.1987 entgegenhalten. Darin war ihr unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 22.10.1986 I R 261/82, BStBl II 1987, 171, BFHE 148, 143, mitgeteilt worden, dass nach dem DBA-Österreich von der deutschen Besteuerung freigestellte Einkünfte nicht dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG unterlägen. Die Klägerin übersieht, dass der Gesetzgeber auf die in dem Schreiben zitierte Rechtsprechung mit der Einführung des § 50d EStG durch das Steuerreformgesetz 1990 reagiert und so der Auskunft des BMF die Grundlage entzogen hatte (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 50d Rz. 1). Auch der Einwand, das Bundesamt für Finanzen habe in den Streitjahren generell keine Freistellungsbescheinigungen erteilt, greift nicht durch. Dass diese Behauptung tatsächlich zutrifft, ist angesichts in den Akten befindlicher Freistellungsbescheinigungen, die in den Monaten Juni, Juli und November 1999 sowie April 2000 für andere als die streitgegenständlichen Veranstaltungen ausgestellt worden waren, zumindest zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Denn eine Weigerung der Behörde hätte die Klägerin veranlassen müssen, ihre rechtlichen Möglichkeiten – Einspruch / Untätigkeitseinspruch, Klage / Untätigkeitsklage – im Freistellungs- und im Erstattungsverfahren auszuschöpfen.
39II. Dass die Klägerin von der abkommensrechtlichen Freistellung ihrer Einkünfte nur dann profitieren kann, wenn sie das nationale Freistellungs- oder Erstattungsverfahren erfolgreich durchgeführt hat, steht nach Auffassung des erkennenden Senats mit Verfassungs- und Völkerrecht im Einklang. Der Senat sieht daher von einer Vorlage an das BVerfG ab.
40Der BFH hat in seinem Beschluss vom 01.12.1993 I R 48/93, BFH/NV 1994, 549, und in seinem Urteil vom 21.05.1997 I R 79/96, BStBl II 1998, 113, die ebenfalls Einkünfte einer österreichischen Konzertdirektion betrafen, entschieden, dass § 50d Abs. 1 und 3 EStG nicht dem DBA-Österreich widersprechen. Die Vorschriften schränken die sich aus Art. 15 Abs. 2 DBA-Österreich ergebende Steuerbefreiung nicht ein, sondern bestimmen lediglich das innerstaatliche Verfahren zur Durchsetzung der Steuerbefreiung. Da die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zur Steuerfreistellung nachkommt, bedeuten die nationalen Regelungen des Abzugs-, Freistellungs- und Erstattungsverfahrens weder ein Treaty Overriding noch einen Verstoß gegen den Grundsatz pacta sunt servanda und die Art. 26 und 27 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (vgl. auch die Kategorisierung des Treaty Overriding im deutschen Steuerrecht durch Gosch, IStR 2008, 413, 415). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.
41Mangels Verstoßes gegen Abkommensrecht bedarf es im vorliegenden Fall – auch vor dem Hintergrund des Beschlusses des BFH vom 10.01.2012 I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056 – keiner Vorlage an das BVerfG. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. § 80 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht -BVerfGG- hat der Senat das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn er ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei seiner Entscheidung ankommt, für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz hält. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
42Mit der Entscheidung, die Frage der Vereinbarkeit des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 2003 mit Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 25 sowie Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes -GG- dem BVerfG vorzulegen, hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des Treaty Overridings aufgegeben. In der Vergangenheit war er zusammen mit großen Teilen der Literatur davon ausgegangen, dass die Modifizierung von DBA-Regelungen durch den nationalen Gesetzgeber zwar rechtspolitisch nicht begrüßenswert, verfassungsrechtlich aber nicht relevant sei (vgl. BFH-Beschluss vom 17.05.1995 I B 183/94, BFHE 178, 59, BStBl II 1995, 781). Denn DBAs genössen in Deutschland keinen Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht. Sie würden vielmehr nur mittelbar in Form eines Zustimmungsgesetzes angewendet (Art. 59 Abs. 2 GG) und bekleideten dadurch den Rang eines einfachen Bundesgesetzes, das infolge der normhierarchischen Gleichrangigkeit mit Vorbehalten versehen, aufgehoben oder geändert werden könne. An dieser Auffassung hält der BFH unter Verweis auf die zwischenzeitliche Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG nicht länger fest. Das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet den Gesetzgeber, Völkervertragsrecht zu beachten. Ausnahmen bedürfen einer besonderen Rechtfertigung durch das Grundgesetz oder die Menschenwürde. Für den Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsprinzipien von Rechtsstaat und Demokratie kommt es darauf an, ob dem Gesetzgeber gegenüber dem Vertragsbruch ein gleich sicheres, aber milderes Mittel – wie die Vertragskündigung – zu Gebote steht. Nach diesen Maßstäben ist § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG, weil er ein Treaty Overriding bedeutet, verfassungswidrig. Die Regelung gewährt die in einem DBA ohne weitere Nachweispflichten vereinbarte Steuerfreiheit von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzte Steuer entrichtet wurde. Dadurch soll eine sog. Keinmalbesteuerung verhindert werden. Der vorliegende Fall liegt allerdings anders – er stellt kein Treaty Overriding dar. Denn die in einem DBA für gewerbliche Einkünfte aus künstlerischer Darbietung vorbehaltlos und unbedingt vereinbarte Steuerfreistellung wird ebenso vorbehaltlos und unbedingt durch das deutsche Steuerrecht gewährt. Zwar hat der Vergütungsschuldner Körperschaftsteuer einzubehalten und abzuführen. Der Vergütungsgläubiger kann dem aber entweder mittels Freistellungsbescheinigung von vornherein begegnen oder aber die Steuer nachträglich erstattet verlangen. Das Abkommen wird dadurch nicht gebrochen.
43III. Der erkennende Senat teilt auch die Bedenken der Klägerin gegen die Gemeinschaftsrechtskonformität des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 EStG 1997/1999 nicht. Er macht daher von der Möglichkeit einer Vorlage an den EuGH keinen Gebrauch.
44Der Bereich der direkten Steuern fällt zwar nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft; die Mitgliedstaaten müssen die ihnen verbliebenen Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (EuGH-Urteil vom 14.02.1995 C-279/93 –Schumacker, Entscheidungen des EuGH -EuGHE- I 1995, 225). Insofern ist die europäische Dienstleistungsfreiheit zu beachten. Nach Art. 49 des EG-Vertrages -EG- (Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union -AEUV-) sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der Art. 49 ff. EG (Art. 56 ff. AEUV) verboten. Gemäß Art. 50 EG (Art. 57 AEUV) sind Dienstleistungen im Sinne der Verträge Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten. Nach der Rechtsprechung des EuGH verlangt die Dienstleistungsfreiheit die Aufhebung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs, die darauf beruhen, dass der Dienstleister in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen niedergelassen ist, in dem die Leistung erbracht wird (EuGH-Urteil vom 26.02.1991 C-180/89 –Kommission/Italien, Slg. 1991, I-709 m. w. N.). Dabei verleiht die Dienstleistungsfreiheit nicht nur dem Erbringer von Dienstleistungen selbst, sondern auch dem Empfänger dieser Dienstleistungen Rechte (EuGH-Urteil vom 26.10.1999, C-294/97 – Eurowings Luftverkehr, Slg. 1999, I-7447 m. w. N.).
45Mit Urteil vom 03.10.2006 (Rs. C-290/04 – Scorpio, a. a. O.) hat der EuGH entschieden, dass die Artikel 49 und 50 EG (Art. 56 und 57 AEUV) dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen auf die Vergütung eines Dienstleisters, der im Mitgliedstaat der Leistungserbringung nicht ansässig ist, ein Steuerabzugsverfahren Anwendung findet, während die Vergütung eines in diesem Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters diesem Verfahren nicht unterliegt. Zwar können solche Rechtsvorschriften Dienstleistungsempfänger davon abhalten, in anderen Mitgliedstaaten ansässige Dienstleister in Anspruch zu nehmen, und somit eine grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen. Sie sind jedoch durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Effizienz der Beitreibung der Einkommensteuer zu gewährleisten. Das Steuerabzugsverfahren stellt, zumindest wenn es keine Gemeinschaftsrichtlinie oder andere Regelung über die gegenseitige Amtshilfe zur Beitreibung steuerlicher Forderungen gibt, ein verhältnismäßiges Mittel zur Beitreibung steuerlicher Forderungen des Besteuerungsstaats dar. Diese Rechtsprechung hat der EuGH in seinem Urteil vom 18.10.2012 (Rs. C-498/10 – X, Internationales Steuerrecht -IStR- 2013, 26 Tz. 47) nun auch für die Zeit der Geltung der EG-Beitreibungsrichtlinie 2001/44/EG ab dem 01.07.2002 bestätigt. Soweit eine nationale Regelung durch die Verpflichtung zum Einbehalt einer Quellensteuer wegen des zusätzlichen Verwaltungsaufwands eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs bewirkt, kann diese Beschränkung – auch in Anbetracht der Möglichkeiten der gegenseitigen Unterstützung im Bereich der Beitreibung der Steuern – durch die Notwendigkeit, eine effiziente Erhebung der Steuer zu gewährleisten, gerechtfertigt sein (Tz. 53 des Urteils). Der Auffassung hat sich der BFH im Hinblick auf bestehende bilaterale Vereinbarungen über Amts- und Vollstreckungshilfe angeschlossen: Die möglichen grenzüberschreitenden Amtshilfe- oder Vollstreckungsersuchen können die Nachteile, die der Finanzverwaltung aus ihrer fehlenden Ermittlungsmöglichkeit im EU-Ausland erwachsen, nicht ausgleichen (BFH-Urteil vom 05.05.2010 I R 104/08, BFH/NV 2010, 1814).
46Darüber hinaus hat der EuGH jedoch entschieden, dass nationale Rechtsvorschriften die Dienstleistungsfreiheit verletzen, wenn der Dienstleistungsempfänger, der Schuldner der an einen gebietsfremden Dienstleister zu zahlenden Vergütung ist, im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die der Dienstleister ihm mitgeteilt hat und die im unmittelbaren Zusammenhang mit dessen Tätigkeit im Mitgliedsstaat der Leistungserbringung stehen, nicht steuermindernd geltend machen kann, während bei einem gebietsansässigen Dienstleister nur die Nettoeinkünfte der Steuer unterliegen. Das gilt jedoch nicht für nur mittelbar mit jener Tätigkeit zusammenhängende Betriebsausgaben; diese sind gegebenenfalls in einem anschließenden Erstattungsverfahren zu berücksichtigen (Urteile vom 03.10.2006, Rs. C-290/04 – Scorpio, a. a. O., und vom 15.02.2007, Rs. C-345/04 – Centro Equestre da Leziria Grande, Slg. 2007, I-1425, BFH/NV 2007, Beilage 3, 277).
47Nach Maßgabe dieser – aufgrund des Vorrangs von Gemeinschaftsrecht verbindlichen – Auslegung von Art. 49 und Art. 50 EG durch den EuGH sind § 50a Abs. 4 Sätze 2 und 4 EStG 1997/1999, gemäß denen der Steuerabzug 25% der Einnahmen ohne Abzug von Betriebsausgaben beträgt, in gemeinschaftsrechtskonformer Weise auszulegen: Dem Vergütungsschuldner mitgeteilte Aufwandspositionen sind prinzipiell bereits bei Vornahme des Steuerabzugs zu berücksichtigen. Ansonsten bleibt es für den Vergütungsgläubiger bei dem Erfordernis, ein Freistellungs- oder Erstattungsverfahren einzuleiten und innerhalb dieses Verfahrens seine beschränkte Steuerpflicht zu klären. Ein Grund dafür, das Abzugsverfahren wegen dessen vorbehaltloser tatbestandlicher Orientierung an der geleisteten Bruttovergütung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gänzlich unangewandt zu belassen, besteht nicht. Es genügt, die einschränkenden tatbestandlichen Voraussetzungen in normerhaltender Weise zu reduzieren, die Norm aber als solche weiter anzuwenden. Eine weitergehende Rechtswirkung kommt dem prinzipiellen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht nicht zu (BFH-Urteil vom 10.01.2007 I R 87/03, BStBl II 2008, 22; BFH-Beschluss vom 07.11.2007 I R 19/04, BStBl II 2008, 228, BFHE 219, 300; Gosch, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2007, 1553, 1554 ff.; bestätigt durch Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 09.02.2010 2 BvR 1178/07, BFH/NV 2010, 1069).
48Nach diesen Grundsätzen können im vorliegenden Verfahren – trotz der Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung – keine Betriebsausgaben der Klägerin berücksichtigt werden.
49Bis zur Abgabe der Steueranmeldung und Abführung der Steuer hatte die Klägerin der Beigeladenen keine Betriebsausgaben mitgeteilt. Der Steuerabzug von den geleisteten Vergütungen auf Bruttobasis ist deshalb nicht zu beanstanden. Mangels rechtzeitiger Mitteilung braucht nicht darüber entschieden zu werden, ob die bloße Benennung und Bezifferung von Betriebsausgaben für deren Berücksichtigung im Abzugsverfahren ausreicht oder ob der Vergütungsschuldner die Vorlage von Nachweisen und damit die Offenlegung der Kalkulation und der Vertragspartner des Vergütungsgläubigers verlangen kann.
50Der von der Klägerin im Einspruchsverfahren geforderte überschlägige Abzug von Betriebsausgaben dergestalt, dass der Steuerabzug vom anteiligen Bilanzgewinn bzw. von 0,69% der Bruttoeinnahmen vorzunehmen sei, kommt nicht in Betracht. Einer Schätzung abzugsfähigen Aufwands steht das Abzugsverfahren entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zur Herstellung der Gemeinschaftsrechtskonformität notwendig, aber auch ausreichend, dass im Abzugsverfahren die im unmittelbaren Zusammenhang mit der steuerpflichtigen Tätigkeit stehenden, vom Vergütungsgläubiger „mitgeteilten“ Betriebsausgaben berücksichtig werden. Eine weitergehende Einschränkung des § 50a Abs. 4 Satz 4 EStG 1997/1999 dahin, dass auch vom Vergütungsgläubiger nicht mitgeteilte Betriebsausgaben nach Maßgabe von § 162 AO zu schätzen und in Abzug zu bringen wären, erfordert der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht. Vielmehr steht dem Vergütungsgläubiger zur nachträglichen Geltendmachung seiner Aufwendungen das Erstattungsverfahren offen (BFH-Urteile vom 05.05.2010 I R 104/08 und I R 105/08, BFH/NV 2010, 1814 und 2043; BFH-Beschluss vom 09.12.2010 I B 28/10, BFH/NV 2011, 971).
51Als Vergütungsgläubigerin hat die Klägerin keine Möglichkeit, die Steueranmeldung der Beigeladenen nachträglich zu ändern, um Betriebsausgaben zum Ansatz zu bringen. Auch existiert im Abzugsverfahren kein Rechtsbehelf, um ein solches Interesse durchzusetzen. Wegen der prinzipiellen Unterscheidung zwischen der „eigentlichen“ Steuerschuld der Vergütungsgläubigerin einerseits und der Entrichtungssteuerschuld der Vergütungsschuldnerin andererseits bleibt es unbeschadet der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen bei dem oben dargestellten reduzierten Prüfungsumfang bei einer Anfechtung der von der Vergütungsschuldnerin abgegebenen Steueranmeldung allein durch die Vergütungsgläubigerin. Die Klägerin muss sich auch bezüglich der (nachträglichen) Geltendmachung von Betriebsausgaben auf das Erstattungsverfahren verweisen lassen. Ein erweitertes Anfechtungsrecht gegen die Steueranmeldung steht ihr als Drittbetroffener nicht zu; ein solches Recht fordert auch das Gemeinschaftsrecht nicht ein. Weder wird insoweit über das hinzunehmende Maß hinaus die Verfahrens- und Rechtsschutzposition der Klägerin eingeschränkt noch erleidet sie hierdurch gegenüber einer uneingeschränkten Überprüfung der Steueranmeldung besondere zusätzliche Liquiditätsnachteile, letzteres schon deswegen nicht, weil sie mittels Anfechtung der Anmeldung ohnehin keine Steuererstattung an sich selbst erreichen könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 13.08.1997 I B 30/97, BStBl II 1997, 700) und infolgedessen nach einem für sie positiven Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Anmeldung nach wie vor gehalten wäre, erst entsprechende zivilrechtliche Ansprüche gegenüber der Vergütungsschuldnerin geltend zu machen (so BFH-Beschluss vom 07.11.2007 I R 19/04, a. a. O.).
52Der Senat sieht von einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV (Art. 234 EG) ab. Gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. a) AEUV entscheidet der EuGH im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Verträge. Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedsstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen (Art. 267 Abs. 2 AEUV). Der erkennende Senat macht von der Möglichkeit der Vorlage an den EuGH keinen Gebrauch, da die Auslegung der Dienstleistungsfreiheit hinsichtlich der streitentscheidenden Vorschriften in Anbetracht der gefestigten Spruchpraxis des EuGH nicht zweifelhaft ist.
53IV. Über den Antrag der Klägerin auf Erstattung der Steuerabzugsbeträge kann im vorliegenden – die Rechtmäßigkeit der Steueranmeldung betreffenden – Verfahren nicht entschieden werden. Da die Klägerin bislang – soweit ersichtlich – kein Erstattungsverfahren eingeleitet und die Behörde über ein Erstattungsbegehren entsprechend nicht entschieden hat, ist die Klage insoweit unzulässig.
54Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
55Gründe für eine Revisionszulassung bestehen nicht. Die Entscheidung beruht auf einer tatrichterlichen Einzelfallwürdigung auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung.