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II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die Würdigung des FG, dass es sich bei der Überlassung der Draisinen um eine einheitliche Leistung gehandelt hat, die als Vermietung eines Beförderungsmittels zu beurteilen ist und damit nicht von der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr (2006) geltenden Fassung (UStG) erfasst wird, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Da zulässige und begründete Revisionsgründe gegen die Würdigung des FG nicht vorgebracht worden sind, ist sie für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). |
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1. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für "die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt". |
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Die Regelung beruht auf Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie Nr. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach sind die Mitgliedstaaten ermächtigt, einen ermäßigten Steuersatz auf die "Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks" anzuwenden. Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG gibt den Mitgliedstaaten lediglich einen Rahmen vor, den diese nicht überschreiten dürfen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist auch eine selektive Anwendung der Ermächtigung zur Einführung eines ermäßigten Steuersatzes erlaubt (EuGH-Urteile vom 8. Mai 2003 C-384/01, Kommission/Frankreich, Slg. 2003, I-4395 Rdnr. 27; vom 6. Mai 2010 C-94/09, Kommission/Frankreich, Slg. 2010, I-4261 Rdnr. 29), wenn die nationale Regelung insoweit –wie hier mit der Beschränkung der Ermäßigung auf kurze Strecken der Personenbeförderung– den in der Richtlinie vorgegebenen Rahmen nicht überschreitet. |
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2. Die für die Frage, ob mehrere zusammenhängende Leistungen als eine einheitliche Leistung zu behandeln sind, erforderliche Gesamtbetrachtung aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 27. Oktober 2005 C-41/04, Levob, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV 2006, 38 Rdnr. 19; BFH-Urteile vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712, und vom 2. März 2011 XI R 25/09, BFHE 233, 348, BStBl II 2011, 737, jeweils m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung) ist im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das FG, die den BFH grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet (z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 63/09, BFHE 233, 64, BStBl II 2011, 461, m.w.N.). Das FG ist in den Fällen, in denen die Fahrten von Personal der Klägerin begleitet wurden, von einer einheitlichen Leistung der Klägerin ausgegangen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Gründe hiergegen sind von der Klägerin nicht vorgebracht worden; die in der Würdigung des FG zum Ausdruck gekommene Auffassung wird von den Beteiligten vielmehr geteilt. |
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3. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das FG den Schwerpunkt dieser einheitlichen Leistung in der dem Regelsteuersatz unterliegenden Vermietung von Beförderungsmitteln gesehen hat und davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen einer Beförderung von Personen im Schienenbahnverkehr i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG nicht erfüllt sind. Die von der Klägerin hiergegen vorgetragenen Einwände greifen nicht durch. |
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a) Die umsatzsteuerrechtliche Qualifizierung einer einheitlichen Leistung verlangt eine Bestimmung ihrer dominierenden Bestandteile (BFH-Urteile vom 8. September 2011 V R 5/10, BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620; vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109, m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH). Es ist nicht abstrakt klärbar, ob ein Unternehmer nur einen Beförderungserfolg, eine mietähnliche Überlassung eines Beförderungsmittels mit Beförderung oder nur eine Vermietung schuldet. Vielmehr ist nach den jeweiligen Vereinbarungen zu entscheiden, welche Art von Verpflichtung übernommen worden ist (BFH-Urteil vom 19. September 1996 V R 129/93, BFHE 181, 216, BStBl II 1997, 164, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). |
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b) Grundlegendes Merkmal einer Vermietung ist, dass dem Mieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, einen Gegenstand so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 12. Juni 2003 C-275/01, Sinclair Collis Ltd., Slg. 2003, I-5965, Umsatzsteuer-Rundschau 2003, 348 Rdnr. 25; BFH-Urteile in 235, 481, BStBl II 2012, 620; vom 24. Januar 2008 V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60). Mit der Übergabe der Draisinen haben die Fahrgäste die tatsächliche Gewalt über die Draisinen übernommen und konnten auch fremde Dritte während der vereinbarten Nutzungszeit von der Nutzung ausschließen. Für die Überlassung der Fahrraddraisinen ohne Begleitpersonal ist das auch nicht streitig. An dieser Beurteilung ändert auch die Begleitung durch Personal der Klägerin bei der Überlassung der Handhebeldraisinen und der Clubdraisinen nichts. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war die Funktion des Personals der Klägerin auf die Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien durch die Fahrgäste beschränkt. Entgegen der Auffassung der Klägerin unterscheidet dies den vorliegenden Fall von dem dem Urteil des BFH vom 23. Januar 1992 V R 66/85 (BFHE 167, 221) zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem der BFH die Leistungen eines sog. Skippers, der bei den von ihm veranstalteten Segeltörns Sportsegler mitnahm. Während bei der Veranstaltung von Segeltörns die Sachherrschaft über das Schiff beim veranstaltenden Skipper verbleibt, wenn dieser den komplexen Geschehensablauf eines Segeltörns organisiert, bestimmt und verantwortet, ist die Sachherrschaft der Klägerin durch nur aus Sicherheitsgründen mitfahrendes Personal nicht gewährleistet. Aus diesem Grund besteht auch kein Widerspruch zum Senatsurteil in BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620 zur Stellung eines Fahrzeugs mit Chauffeur. |
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c) Ohne Verstoß gegen Denkgesetze hat das FG auch berücksichtigt, dass die Beförderung nicht durch die Klägerin durchgeführt wurde, sondern durch die Fahrgäste selbst erfolgte. Befördern ist die räumliche Fortbewegung von Personen oder Gegenständen, wobei die Art des Beförderungsmittels nicht von Bedeutung ist (BFH-Urteile in BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, Rz 14, und in BFHE 233, 348, BStBl II 2011, 737, jeweils m.w.N.). Beförderungsleistungen werden vom Beförderungsunternehmer dabei regelmäßig mit Hilfe des in der Bedienung des Beförderungsmittels sachkundigen Personals bewirkt (BFH-Urteil in BFHE 181, 216, BStBl II 1997, 164). Der Beurteilung als Beförderungsleistung steht dabei allerdings nicht entgegen, wenn das Motiv für die Inanspruchnahme der Leistung nicht in dem wirtschaftlichen Nutzen einer Beförderung zu sehen ist, sondern in der sportlichen Betätigung oder in anderen Gründen der Freizeitgestaltung oder des Tourismus (vgl. BFH-Urteile in BFHE 233, 348, BStBl II 2011, 737, Leitsatz 1 und Rz 20 zum Hochseeangeln; vom 30. Juni 2011 V R 44/10, BFHE 234, 504, BStBl II 2011, 1003, Leitsatz 1 und Rz 19 zu Stadtrundfahrten). Das FG hat sein Urteil jedoch zu Recht auch darauf gestützt, dass die Kunden die Draisinen aus eigener Kraft vom Ausgangspunkt an den Zielort verbracht haben und gerade dies zu ermöglichen, Schwerpunkt der Leistung war. Einer Beförderungsleistung liegt seitens des Beförderten ein passives Element zugrunde. Besorgt –wie im vorliegenden Fall– der Kunde die Beförderung selbst, spricht dies gegen eine Beförderungsleistung des Unternehmers. Auch diesem Gesichtspunkt steht die Begleitung der Fahrten durch Personal der Klägerin nicht entgegen. Denn den Feststellungen des FG zufolge hatte die Begleitung durch die Mitarbeiter nicht den Zweck, den Transport der Gäste durchzuführen, sondern sollte nur gewährleisten, dass die Fahrgäste die Sicherheitsrichtlinien einhielten und ihnen eine sichere und gefahrlose Nutzung der Draisinen ermöglichen. |
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d) Aus den Beschlüssen des BFH vom 10. Juli 2012 XI R 22/10 und XI R 39/10 (BFH/NV 2012, 1911 und BFH/NV 2012, 1914), mit dem der BFH dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, ob Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie 5 der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 98 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Kategorie 5 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG unter Beachtung des Neutralitätsprinzips einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für die Beförderung von Personen im Verkehr mit Taxen im Nahverkehr den ermäßigten Umsatzsteuersatz vorsieht, wohingegen für die Beförderung von Personen mit Mietwagen im Nahverkehr der Regelsteuersatz gilt, ergeben sich für die Begünstigung im Streitfall keine anderen Gesichtspunkte. Der BFH hält in den Beschlüssen in BFH/NV 2012, 1911 und BFH/NV 2012, 1914 einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz durch die unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Taxen- und Mietwagenumsätzen für denkbar, weil es sich um gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen handeln könnte. Eine derartige Wettbewerbssituation zwischen den hier streitigen Draisinenfahrten und Taxenumsätzen oder sonst steuerbegünstigten Umsätzen liegt nicht vor. Es liegen deshalb aus der Sicht des Verbrauchers keine gleichartigen Dienstleistungen vor, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen. Denn im Vordergrund der von der Klägerin ausgeführten Dienstleistungen hat nicht, wie bei Taxenfahrten, die Überwindung einer räumlichen Entfernung gestanden, sondern das gemeinschaftliche Erlebnis einer Draisinenfahrt. |
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