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Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das angefochtene Urteil verletzt § 102 FGO i.V.m. §§ 163, 227 AO, indem es das FA verpflichtet, auf der Grundlage der Übergangsregelung des BMF für die Streitjahre keine Umsatzsteuer festzusetzen. Die Ablehnung der abweichenden Steuerfestsetzung durch das FA war nicht ermessensfehlerhaft. |
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1. Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. § 163 AO soll sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalls, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrags insoweit Rechnung tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2013 – X R 39/10, BFHE 244, 485, BStBl II 2014, 572, unter II.1., m.w.N.). Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen der abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO ebenso wie des Erlasses nach § 227 AO nicht näher konkretisiert, sondern die Entscheidung in das Ermessen der Finanzbehörden gestellt. Zur Vereinheitlichung der Anwendung von Billigkeitsregeln kann wiederum das BMF Verwaltungsvorschriften erlassen, die die entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden festschreiben und damit deren Ermessen auf Null reduzieren (vgl. BFH-Urteil vom 21.07.2016 – X R 11/14, BFHE 254, 497, BStBl II 2017, 22, unter II.1.). |
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2. Das zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft erlassene BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 703 ist eine solche ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift. Es behandelt die Konsequenzen aus den BFH-Urteilen in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 und in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, die zu einer Änderung der Rechtsprechung bei der finanziellen Eingliederung von Kapital- und Personengesellschaften führten. Neben einer Änderung von Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE ordnet das BMF an, dass die Grundsätze dieses Schreibens in allen offenen Fällen anzuwenden sind. |
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Für die Zurechnung von vor dem 01.01.2012 ausgeführten Umsätzen wird es jedoch nicht beanstandet, wenn die am vermeintlichen Organkreis beteiligten Unternehmer unter Berufung auf Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE in der am 04.07.2011 geltenden Fassung übereinstimmend eine finanzielle Eingliederung annehmen. |
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a) Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, die unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) zur Selbstbindung der Verwaltung führen, sind bei der gerichtlichen Prüfung, ob die Finanzverwaltung ihre Ermessensentscheidung fehlerfrei, insbesondere willkürfrei getroffen hat, von den Finanzgerichten zu beachten (BFH-Urteile vom 13.01.2011 – V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, sowie vom 19.03.2009 – V R 48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92, sowie vom 10.06.1992 – I R 142/90, BFHE 168, 226, BStBl II 1992, 784). |
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b) Allerdings haben die Finanzgerichte nur zu prüfen, ob sich die Behörden an die Richtlinien gehalten haben und ob die Richtlinien selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entsprechen (BFH-Urteil vom 21.10.1999 – I R 1/98, BFH/NV 2000, 691). Dabei ist für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das FG eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das FG darf daher Verwaltungsanweisungen nicht nach den allgemeinen Auslegungsmethoden selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (Senatsurteile vom 24.11.2005 – V R 37/04, BFHE 211, 411, BStBl II 2006, 466, Leitsätze 1 und 2, sowie vom 13.01.2005 – V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; BFH-Beschluss vom 04.06.2003 – VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, unter II.2.c, m.w.N.). Den Finanzbehörden ist es danach lediglich verwehrt, die Anwendung der Verwaltungsanweisung in offensichtlich von der Verwaltungsanweisung gedeckten Einzelfällen ohne zwingende Sachgründe abzulehnen (BFH-Urteile vom 07.12.2005 – I R 123/04, BFH/NV 2006, 1097, unter II.2.d), vom 20.10.1999 – X R 69/96, BFHE 190, 185, BStBl II 2000, 259, unter II.3.c, sowie vom 23.04.1991 – VIII R 61/87, BFHE 164, 422, BStBl II 1991, 752). |
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3. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme durch das FA nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des FG ist der vorliegende Sachverhalt nicht offensichtlich von der Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung erfasst. Denn die Finanzverwaltung geht bereits seit der Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 (Leitsatz 2) davon aus, dass die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines Organträgers nicht gegeben ist, wenn dieser die notwendige (qualifizierte) Stimmenmehrheit in der juristischen Person nur mit Hilfe eines Minderheitsgesellschafters erreichen kann. Die Finanzverwaltung durfte die Übergangsregelung somit dahingehend verstehen, dass im Falle der Klägerin mangels finanzieller Eingliederung in die H-GmbH keine Organschaft über mittelbare Beteiligung der Minderheitsgesellschafter vorlag. |
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a) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Eine finanzielle Eingliederung liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn der Organträger unmittelbar oder mittelbar an der Organgesellschaft beteiligt ist, sodass er seinen Willen bei ihr durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Dies erfordert im Regelfall eine einfache Stimmenmehrheit und damit mehr als 50 % der Stimmrechte in der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167). Während nach überkommener Rechtsprechung eine mittelbare finanzielle Eingliederung auch über einen oder mehrere an beiden Gesellschaften beteiligte Gesellschafter begründet werden konnte (BFH-Urteil vom 17.04.1969 – V R 123/68, BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505), schränkte der BFH diese Rechtsprechung im Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 dahingehend ein, dass eine finanzielle Eingliederung in das Unternehmen einer GmbH nicht gegeben ist, wenn eine natürliche Person als Nichtunternehmer die Mehrheitsbeteiligung an mehreren Kapitalgesellschaften hält. War Organträger hingegen eine Personengesellschaft, konnte eine Kapitalgesellschaft, deren Anteile von den Gesellschaftern des Organträgers gehalten wird, weiterhin mittelbar finanziell eingegliedert sein (BFH-Urteil vom 20.01.1999 – XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136). |
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Diese zweifelhafte Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers (vgl. hierzu Wäger, Organschaft im Umsatzsteuerrecht in Spindler/Tipke/Rödder, Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1198/1199) wurde durch die BFH-Urteile in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 und in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600 (Rechtsprechungsänderung) beendet. Danach erfordert die finanzielle Eingliederung sowohl bei einer Kapitalgesellschaft als auch bei einer Personengesellschaft als Organträger eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft an der Organgesellschaft; nicht mehr ausreichend ist seitdem eine mittelbare Beherrschung über den oder die Gesellschafter der Gesellschaft. |
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b) Vor diesem Hintergrund geht das FG zwar zu Recht davon aus, dass Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE in der am 04.07.2011 geltenden Fassung nicht selbst regelte, ob für die –zur finanziellen Eingliederung erforderliche– Stimmrechtsmehrheit neben der unmittelbaren Beteiligung eines (vermeintlichen) Organträgers auch die (mittelbaren) Beteiligungen der Gesellschafter zu berücksichtigen sind. Die Bezugnahme in Abschn. 2.8 Abs. 5 Satz 6 UStAE auf das im BStBl veröffentlichte BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 könnte durchaus dafür sprechen, dass im Falle einer nicht unwesentlichen Beteiligung der Organträger-Kapitalgesellschaft an der Organgesellschaft die zusätzlichen Beteiligungen gemeinsamer Anteilseigner zu berücksichtigen waren und somit eine finanzielle Eingliederung begründen konnten. Im Streitfall läge damit eine Stimmrechtsmehrheit bei der H-GmbH vor, sodass die Klägerin als Organgesellschaft zu behandeln wäre. |
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c) Das FG hat bei seiner Entscheidung allerdings nicht berücksichtigt, dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung zur finanziellen (mittelbaren) Eingliederung mit der Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 weiter eingeschränkt hat. Nach Leitsatz 2 dieses Urteils ist die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines Organträgers nicht gegeben, wenn dieser die notwendige qualifizierte Stimmenmehrheit in der juristischen Person nur mit Hilfe eines Minderheitsgesellschafters erreichen kann. |
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aa) Der Fall betraf die finanzielle Eingliederung zweier GmbHs (PTA und PS) in das Unternehmen einer KG (Klägerin im dortigen Streitfall). An der KG waren der Gesellschafter E mit 80 % und K mit 20 % beteiligt. Die Kapitalanteile an den beiden GmbHs hielten die Klägerin (60 %), der Minderheitsgesellschafter der Klägerin K (20 %) und ein Dritter (20 %). Beschlüsse der GmbH erforderten grundsätzlich 65 % der Stimmen, in Ausnahmefällen 75 % der Stimmen. Das FA bejahte eine finanzielle Eingliederung, da es hierfür ausreiche, dass beim Organträger und den Organgesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die für die Beschlussfassungen erforderliche Mehrheit verfügten. FG und BFH lehnten hingegen eine Zusammenrechnung der Anteile ab und gaben der Klage statt. Die Beteiligung des Minderheitsgesellschafters K sichere der Klägerin (KG) nicht die notwendige Mehrheit in beiden GmbHs, vielmehr hänge die Stimmenmehrheit der Klägerin vom jeweiligen Stimmverhalten des K ab. Eine vom Willen der Klägerin abweichende Willensbildung bei K sei deswegen nicht ausgeschlossen, weil er bei der Willensbildung in der Klägerin überstimmt worden sein könnte. Die Beteiligung des K könne erst dann zu den Stimmen des Mehrheitsgesellschafters hinzugezählt werden, wenn dieser sich durch eine Stimmrechtsbindung zu einem gleich gerichteten Stimmverhalten verpflichtet habe. Solange nicht gewährleistet sei, dass die Klägerin ihren Willen aufgrund ihrer finanziellen Beteiligung an den jeweiligen GmbHs durchsetzen könne, seien diese nicht in ihr Unternehmen eingegliedert. Da es im vorliegenden Streitfall für eine Stimmrechtsbindung weder Feststellungen noch Anhaltspunkte gibt, ist eine finanzielle Eingliederung ausgeschlossen. |
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bb) In der vorbehaltslosen Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 liegt die Anweisung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder an die nachgeordneten Dienststellen der Finanzverwaltung, die in der jeweiligen Entscheidung enthaltenen Rechtsgrundsätze auf gleichgelagerte Sachverhalte allgemein –über den entschiedenen Einzelfall hinaus– anzuwenden (vgl. BFH-Urteil vom 31.08.2011 – X R 19/10, BFHE 234, 420, BStBl II 2012, 190, unter II.2.c). |
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d) Die Sache ist entscheidungsreif. Die Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 stellt für die Finanzverwaltung einen sachlichen Grund dar, die Anwendung der Billigkeitsregelung ermessensfehlerfrei abzulehnen. Das anderslautende Urteil des FG ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
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4. Mit seiner Entscheidung weicht der V. Senat des BFH nicht von dem Urteil des XI. Senats des BFH vom 26.06.2019 – XI R 3/17 (Deutsches Steuerrecht –DStR– 2019, 2135, Der Betrieb –DB– 2019, 2384) ab, das zu einem anderen Sachverhalt ergangen ist. Der vorliegende Fall betrifft die finanzielle Eingliederung bei unmittelbarer Beteiligung (50 %) unter Hinzurechnung der Anteile eines Minderheitsgesellschafters, während es in dem BFH-Urteil in DStR 2019, 2135, DB 2019, 2384 um die finanzielle Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft bei ausschließlich mittelbaren Beteiligungen geht. Das hier streitentscheidende Senatsurteil in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 wird daher bei den Nachweisen zur bisherigen Rechtsprechung in der Entscheidung in DStR 2019, 2135, DB 2019, 2384 (unter II.1. der Gründe) nicht erwähnt. |
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. |
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