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II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Unrecht darauf erkannt, dass der Kläger am Firmensitz seiner Arbeitgeberin in B eine regelmäßige Arbeitsstätte hatte. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. |
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1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. Erwerbsaufwendungen sind grundsätzlich auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Allerdings sind die Aufwendungen dafür nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur begrenzt nach Maßgabe einer Entfernungspauschale als Werbungskosten zu berücksichtigen. |
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2. Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nach § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Wird der Steuerpflichtige jedoch vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig, so ist nach Satz 2 der Vorschrift für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt über eine bestimmte Dauer abwesend ist, ein nach dieser Dauer gestaffelter Pauschbetrag abzuziehen. |
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3. Tätigkeitsmittelpunkt i.S. des § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG und (regelmäßige) Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist die dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Das ist regelmäßig der Betrieb, Zweigbetrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers (Senatsurteile vom 26. Februar 2014 VI R 68/12, BFH/NV 2014, 1029; vom 19. Oktober 2016 VI R 32/15, BFH/NV 2017, 281; vom 29. November 2016 VI R 39/15, BFH/NV 2017, 722; vom 4. Oktober 2017 VI R 5/16, BFH/NV 2018, 192, und Senatsbeschluss vom 9. November 2015 VI R 8/15, BFH/NV 2016, 196, jeweils m.w.N.). |
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4. Eine (regelmäßige) Arbeitsstätte ist allerdings nicht jeder beliebige Tätigkeitsort, sondern der Ort, an dem der Arbeitnehmer typischerweise seine Arbeitsleistung im Schwerpunkt zu erbringen hat. Insoweit ist entscheidend, wo sich der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Arbeitnehmers befindet. Dort liegt die eine regelmäßige Arbeitsstätte, die ein Arbeitnehmer nur haben kann. Dieser Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit bestimmt sich nach den qualitativen Merkmalen der Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat, sowie nach dem konkreten Gewicht dieser dort verrichteten Tätigkeit (Senatsurteile vom 19. Januar 2012 VI R 36/11, BFHE 236, 353, BStBl II 2012, 503, und VI R 32/11, BFH/NV 2012, 936, sowie vom 9. Juni 2011 VI R 55/10, BFHE 234, 164, BStBl II 2012, 38; VI R 36/10, BFHE 234, 160, BStBl II 2012, 36; VI R 58/09, BFHE 234, 155, BStBl II 2012, 34; in BFH/NV 2017, 281; in BFH/NV 2017, 722, und in BFH/NV 2018, 192). Allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer eine betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers nachhaltig (arbeitstäglich) aufsucht oder ihr dauerhaft zugeordnet ist, kann dort keine regelmäßige Arbeitsstätte begründen. |
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5. Nach diesen Maßstäben kann die Entscheidung des FG keinen Bestand haben. Denn das FG hat allein deshalb auf eine regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers am Firmensitz seiner Arbeitgeberin in B erkannt, weil der Kläger diese betriebliche Einrichtung seit dem Abschluss seines Arbeitsvertrags im Jahr 1991 –und damit über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren– kontinuierlich und regelmäßig aufgesucht habe, um dort entweder ein Fahrzeug zu übernehmen oder in der Werkstatt tätig zu werden. Damit war für das FG für das "Innehaben einer regelmäßigen Arbeitsstätte" allein entscheidend, dass der Kläger als Arbeitnehmer in den beiden Streitjahren einer bestimmten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet war. Ob der Kläger dort auch seine Arbeitsleistung typischerweise im Schwerpunkt zu erbringen hatte, hat das FG hingegen nicht in den Blick genommen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. |
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6. Die Sache ist spruchreif. |
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a) Das FG hat –für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO)– festgestellt, dass der Kläger im Streitfall als LKW-Fahrer eingestellt und in den Streitjahren in erster Linie als solcher außerhalb der Betriebsstätte der Klägerin tätig war. Die auswärtige Fahrtätigkeit des Klägers bildete damit den qualitativen Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit. Hierfür spricht vorliegend auch, dass der Kläger im Jahr 2009 die Fahrtätigkeit an 139 Tagen (2010: 124 Tage) ausübte und lediglich an 91 Tagen (2010: 51 Tage) am Firmensitz der Arbeitgeberin tätig war. Der Kläger erbrachte damit in beiden Streitjahren den weit überwiegenden Teil seiner Arbeitsleistung außerhalb einer betrieblichen Einrichtung seiner Arbeitgeberin. Über einen Tätigkeitsmittelpunkt i.S. des § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG und eine (regelmäßige) Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG verfügte er somit nicht. |
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b) Dem steht der Umstand, dass er neben seiner auswärtigen Fahrtätigkeit auch in minderem Umfang mit Reparaturarbeiten in der Werkstatt und damit im "Innendienst" in einer betrieblichen Einrichtung seiner Arbeitgeberin beschäftigt war, nicht entgegen. Denn hierdurch wird die qualitativ überwiegende Haupttätigkeit nicht aus dem Regeltypus einer "Auswärtstätigkeit" (Leistungsort außerhalb des Betriebs oder einer Betriebsstätte des Arbeitgebers) –hier als LKW-Fahrer einer Spedition im Frachtverkehr– herausgelöst. Dies gilt nicht nur, wenn Arbeitnehmer neben ihrer Außendiensttätigkeit arbeitstäglich weniger gewichtige Arbeiten in einem Betrieb oder einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers erbringen (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2018, 192 betreffend einen Klärwärter der Stadtbetriebe, und vom 29. November 2016 VI R 19/16, BFH/NV 2017, 447 betreffend einen Polizeibeamten im Einsatz- und Streifendienst), sondern auch dann, wenn im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ganztägig Außen- und Innendienst im Wechsel erfolgen. In letzterem Fall wird die berufliche Tätigkeit ebenfalls durch die qualitativ gewichtigere Arbeitsleistung geprägt. |
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c) Einwände gegen die Höhe der von dem Kläger geltend gemachten Fahrtkosten und des erklärten Verpflegungsmehraufwands hat das FA nicht erhoben. Ob dem Kläger im Jahr 2010 tatsächlich –wie beantragt– Verpflegungsmehraufwand für 177 Arbeitstage zusteht oder er –wovon FA und FG ausgehen– krankheits- und urlaubsbedingt lediglich an 175 Tagen gearbeitet hat, kann mangels steuerlicher Auswirkungen dahinstehen. |
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aa) Die Höhe der Mehraufwendungen für die Verpflegung richtet sich bei einer Auswärtstätigkeit i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG (ständig wechselnde Tätigkeitsstätten) nach der Abwesenheitsdauer des Arbeitnehmers von seiner Wohnung am Ort des Lebensmittelpunkts. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer stets in derselben auswärtigen Unterkunft nächtigt. Denn diese Unterkunft erfüllt nicht den Wohnungsbegriff des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG (Senatsurteil vom 8. Oktober 2014 VI R 95/13, BFHE 247, 257, BStBl II 2015, 231, Rz 13, m.w.N.). |
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bb) Der Abziehbarkeit der tatsächlichen Fahrtkosten steht der Umstand, dass der Kläger einen Zweitwohnsitz in B begründet hat, ebenfalls nicht entgegen. Der Bezug einer Unterkunft an einem Beschäftigungsort, der –wie im Streitfall– nicht den Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte erfüllt, begründet keine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG (Senatsurteil vom 24. September 2013 VI R 51/12, BFHE 243, 215, BStBl II 2014, 342, Rz 14, m.w.N.). Folglich sind auch die Fahrtkosten des Klägers nach Dienstreisegrundsätzen und damit in tatsächlicher Höhe und nicht lediglich nach Maßgabe der Entfernungspauschale als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. |
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Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). |
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7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. |
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