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II. Die Revision des FA ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das Urteil des FG verletzt zwar Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO), ist aber im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO). |
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1. Der erkennende Senat hat mehrfach entschieden, dass in einem Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO von dem Regelungsgehalt einer zuvor erlassenen Anrechnungsverfügung zu Lasten des Steuerpflichtigen nur dann abgewichen werden darf, wenn die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO vorliegen, eine Anrechnungsverfügung also für einen späteren Abrechnungsbescheid Tatbestandswirkung hat (vgl. Urteile des Senats vom 16. Oktober 1986 VII R 159/83, BFHE 148, 4, BStBl II 1987, 405; vom 15. April 1997 VII R 100/96, BFHE 182, 506, BStBl II 1997, 787, und vom 26. Juni 2007 VII R 35/06, BFHE 218, 10, BStBl II 2007, 742). Die in einer Anrechnungsverfügung getroffene Regelung darf vom FA in einem Abrechnungsbescheid nicht voraussetzungslos geändert und dadurch im Ergebnis ihres Charakters einer mit Rechtswirkung nach außen ausgestatteten Entscheidung über das beraubt werden, was auf die festgesetzte Steuerschuld kraft Gesetzes (§ 36 des Einkommensteuergesetzes –EStG–; vgl. insofern Beschluss des Senats vom 13. Januar 2005 VII B 147/04, BFHE 208, 404, BStBl II 2005, 457) anzurechnen ist und was nicht (Verwaltungsakt, § 118 AO). |
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Mit dieser Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von den Urteilen des BFH vom 28. April 1993 I R 100/92 (BFHE 171, 397, BStBl II 1993, 836) und vom 28. April 1993 I R 123/91 (BFHE 170, 573, BStBl II 1994, 147) ab. |
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2. Das FG ist davon ausgegangen, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheids davon abhängt, dass die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO vorliegen; die übrigen Alternativen dieser Vorschrift, insbesondere § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO, hat es als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids nicht in Betracht gezogen. Es ist offenbar der Ansicht, dass die Klägerin durch die Ausstellung der Steuerbescheinigungen für die strittigen Aktien nicht im Sinne dieser Vorschrift falsche Angaben gemacht hat. Dahinter steht wohl der Gedanke, dass ein Kreditinstitut in einer von ihm erstellten Steuerbescheinigung nur die auf die Dividenden entfallende Ausschüttungsbelastung und die zu entrichtende Kapitalertragsteuer, nicht aber deren tatsächliche Abführung durch die betreffende Körperschaft bescheinigen kann, von der es keine Kenntnis hat und sich im Allgemeinen auch keine Kenntnis verschaffen kann. § 45 des Körperschaftsteuergesetzes a.F. bzw. § 45a Abs. 3 EStG wäre dann nicht die Verpflichtung zu entnehmen, auch die Abführung der betreffenden Steuerabzugsbeträge zu bescheinigen. Ob sich der Senat dieser Auffassung anschließen könnte, kann dahinstehen, denn selbst wenn der Tatbestand des § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO erfüllt wäre, wäre der angefochtene Abrechnungsbescheid aus den gleichen, nachfolgend erörterten Gründen als rechtswidrig zu beanstanden, aus denen er zu beanstanden ist, obwohl der Tatbestand des § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO anders als das FA meint, an sich erfüllt ist. |
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Nach dieser Vorschrift kann ein Verwaltungsakt wie die gegen die Klägerin ergangene Anrechnungsverfügung, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur dann zurückgenommen werden, wenn er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung oder –was hier von vornherein auszuschließen ist– Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist. |
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a) Dass die Klägerin die Anrechnungsverfügung nicht durch arglistige Täuschung oder andere unlautere Mittel erwirkt hat, bedarf nach dem Vortrag des FA und den tatsächlichen Feststellungen des FG keiner Ausführung. Fraglich kann nur sein, ob dem Beigeladenen der Vorwurf einer arglistigen Täuschung gemacht werden könnte, wenn dieser –was bislang nicht festgestellt ist, aber nach Ansicht des FA offenbar festgestellt werden kann– "nicht existierende" (gemeint: nicht seiner Verfügungsgewalt unterliegende und von ihm seinem von Anfang an bestehenden Plan entsprechend auch nicht nachträglich beschaffte) Aktien an einen anderen verkauft und dabei damit gerechnet hat, dass ein Erwerber wegen der vermeintlich auf diese Aktien erfolgten Ausschüttungen und deren Besteuerung anrechenbare Körperschaft- und Kapitalertragsteuer sowie Solidaritätszuschlag zu Unrecht, aber erfolgreich geltend machen werde. |
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Wie der Beigeladene mit Recht vorgetragen hat, ist aber der Verkauf von Aktien, über die der Verkäufer im Zeitpunkt des Verkaufsgeschäfts (in seinem Depot oder aufgrund anderweitiger Aufbewahrung) nicht verfügt, grundsätzlich nicht anders als sonst der Verkauf dem Verkäufer nicht gehörender Sachen kein makelbehaftetes Geschäft; es verpflichtet den Verkäufer lediglich, sich auf sein Risiko die Verfügungsgewalt über die verkauften Sachen bis zum vereinbarten Erfüllungszeitpunkt zu verschaffen, wessen er nicht anders als bei einer Vertragsaufhebung ledig wird, wenn er die Sachen bis dahin von demjenigen, der ihre Übereignung hätte verlangen können, zurückerworben hat. So ist es hier geschehen. |
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b) Der Vorwurf der Unlauterkeit könnte freilich aus den steuerrechtlichen Auswirkungen des vom Beigeladenen getätigten Geschäfts hergeleitet werden, nämlich daraus, dass bei einem zwischenzeitlichen Weiterkauf der Aktien ex Dividende auf der Grundlage der von der Depotbank (im Streitfall: der Klägerin selbst) ermittelten, für den Steuerausweis erforderlichen Ausschüttungsdaten (und Erstellung einer entsprechenden Steuerbescheinigung), die Anrechnung von Steuern in Anspruch genommen zu werden pflegt, was der Verkäufer und Rückkäufer voraussieht und erreichen will. Eine solche Steueranrechnung setzt zwar nach § 36 Abs. 2 EStG voraus, dass von demjenigen, der die Ausschüttung erhält und folglich ex Dividende weiterverkauft (hier: die Klägerin), die betreffenden Ausschüttungen als Einnahmen aus Kapitalvermögen der Besteuerung unterworfen werden, wie es auch im Streitfall, freilich ohne steuerliche Auswirkung für die Klägerin, geschehen sein dürfte; insofern ist also ein fiskalischer "Schaden" ebenso wie sonst beim Dividendenstripping nicht zu beklagen und dem Beigeladenen arglistige Täuschung der Finanzbehörde nicht vorzuwerfen. Gelangen entsprechende, dividendenberechtigte Aktien allerdings nicht in die Verfügungsgewalt des Verkäufers und Rückkäufers, so fehlt es notwendigerweise an einer real existierenden Dividenden-Bezugsberechtigung und in der Folge auch an einer realen Dividendenausschüttung mit Steuerbelastung –ohne dass dies im Streitfall bei den im Kreisverkehr beteiligten Banken hätte in Erscheinung treten müssen, nachdem damals nach den Geschäftsgepflogenheiten offenbar weder reale Stücke der gehandelten Aktien vorgelegt oder benannt werden mussten und auch die Kupons vom Ver- und Rückkäufer (hier: dem Beigeladenen) nach den von der Steuerfahndung festgestellten seinerzeitigen Gepflogenheiten der Geschäftsabwicklung durch den Kassenverein nicht an den Dividendenbezugsberechtigten geliefert wurden, sondern im Falle eines Rückkaufs vor dem Kuponeinlösungstag bei jenem verblieben, und der Beigeladene infolgedessen damit rechnen konnte, dass niemandem auffallen werde, dass er an einem "Luftgeschäft" beteiligt ist–. Mithin fehlt es in einem solchen angeblich hier vorliegenden Fall am Eintritt einer steuerlichen Belastung der AG, deretwegen die Anrechnung von Körperschaftsteuer zu Gunsten des Aktionärs erfolgen soll, bzw. der Erhebung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auf eine von dieser geleistete Dividendenzahlung. |
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Wer gleichwohl "nicht existente" Aktien in einen solchen Kreisverkehr versetzt, setzt sich dem Vorwurf einer arglistigen Täuschung der Finanzbehörde i.S. des § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO aus, sofern ihm (nachweislich) die Folge seines Tuns, nämlich die Folge der Erstattung nicht abgeführter Steuern, bewusst ist und er das Geschehen tatsächlich beherrscht, weil der Käufer und Rückverkäufer in der Vorstellung handelt, es mit "real existierenden", d.h. tatsächlich steuerbelasteten Aktien zu tun zu haben. Der Verkäufer und Rückkäufer (hier: der Beigeladene) ist dann kraft seiner Wissensherrschaft als mittelbarer "Täter" für alle Einzelakte dieses Geschäfts anzusehen, was es rechtfertigt, ihm das Erwirken des Steueranrechnungsbescheids mittels Unlauterkeit vorzuwerfen. Das gilt auch dann, wenn er möglicherweise nicht weiß und nicht genau vorausberechnen kann, wann es zur Ausstellung einer Steuerbescheinigung und ihrer Vorlage beim FA kommen wird, und wenn seine Beteiligung an dem betreffenden Geschäft auch nicht kraft Vertrags davon abhängig gemacht ist, dass ein Erwerber solche Steuerbescheinigungen zum Zwecke der Steuererstattung verwendet. Die diesbezüglich vom FG geäußerten "Zweifel" an der Anwendbarkeit des § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO teilt der erkennende Senat nicht. Im Übrigen dürfte der geschäftliche Erfolg des Beigeladenen, anders als das FG offenbar meint, –die Richtigkeit der Sachdarstellung des FA unterstellt– letztlich durchaus davon abhängig gewesen sein, dass die Klägerin die streitige Steuererstattung erhält; denn ohne diese Aussicht einer hohen Steueranrechnung dürfte das (an sich nach den Feststellungen der Steuerfahndung verlustreiche) "Durchhandeln" der (cum Dividende erworbenen und zu einem entsprechend niedrigeren Preis ex Dividende weiterveräußerten) Aktien für sie keinerlei Sinn gehabt haben. |
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c) Der erkennende Senat vermag dem FG auch nicht darin zu folgen, dass § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO gleichsam als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal verlangt, dass die für die zurückzunehmende Begünstigung ursächliche arglistige Täuschung von jemandem begangen worden ist, der zu demjenigen, zu dessen Gunsten der Verwaltungsakt ergangen ist, in einem –irgendwie gearteten, jedenfalls "besonderen"– Verhältnis steht, nicht jedoch etwa von einem völlig fremden Dritten, dass er also mit anderen Worten verlangt, dass zwischen dem Täuschenden und dem Begünstigten ein Verhältnis bestanden hat, welches es unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts eines angemessenen Vertrauensschutzes rechtfertigt, diesem das dolose Tun jenes anderen zum Nachteil gereichen zu lassen. |
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aa) Allerdings macht § 130 Abs. 2 AO die Korrektur rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte ersichtlich von besonderen Voraussetzungen abhängig, schließt also die freie Rücknehmbarkeit anders als bei sonstigen Verwaltungsakten (§ 130 Abs. 1 AO) aus, um das berechtigte Vertrauen des Begünstigten in den Bestand einer ihm von der Behörde gewährten Begünstigung zu schützen. Es ist –worauf indes die Argumentation des FA hinaus läuft– schwer einzusehen, dass dieses Vertrauen keinerlei Schutz allein deshalb verdienen soll, weil ein fremder Dritter den Verwaltungsakt unlauter erwirkt hat. Dementsprechend gewähren § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG ebenso wie § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch in vergleichbaren Fällen Vertrauensschutz, indem sie die Rücknehmbarkeit tatbestandlich davon abhängig machen, dass der Begünstigte den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt hat. Es finden sich keine nachvollziehbaren Gründe und auch in der Gesetzesentstehung (vgl. BTDrucks VI/1982, zu § 134 Abs. 3 AO) keine aussagekräftigen Anhaltspunkte, dass und ggf. warum Schutzbedürfnis oder Schutzwürdigkeit des Vertrauens eines Steuerpflichtigen im Bereich der AO insofern schlechthin zu verneinen sein sollten. |
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Freilich zeigt der Vergleich vorgenannter Vorschriften untereinander, aber auch der Vergleich des § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO mit den folgenden Nummern der Vorschrift, dass der Gesetzgeber offenbar die Rücknehmbarkeit von Steuerverwaltungsakten nicht tatbestandlich davon abhängig machen wollte, dass der Begünstigte die eine Rücknahme rechtfertigende arglistige Täuschung selbst (zumindest durch seinen gesetzlichen Vertreter, einen Bevollmächtigten oder einen in ähnlicher Weise mit ihm verbundenen Dritten) begangen hat. Der Wortlaut der Vorschrift ist dahin eindeutig, dass er –anders als Nr. 3 der Vorschrift– nicht verlangt, dass der Begünstigte selbst arglistig getäuscht hat. Für ein Redaktionsversehen fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten. |
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Die Grenzen einer zulässigen Auslegung des Tatbestands der Vorschrift wären daher überschritten, wollte man gleichwohl für die Rücknahme eine Täuschung eines beliebigen fremden Dritten nicht ausreichen lassen. |
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bb) Indes rechtfertigt dies nicht den Schluss des FA, der Gesetzgeber habe für den Bereich der AO der Rechtsrichtigkeit von durch unlautere Mittel erwirkten Verwaltungsakten schlechterdings Vorrang vor dem Vertrauensschutz eingeräumt. § 130 Abs. 2 AO stellt vielmehr auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Nr. 2 die Rücknahme in das Ermessen des FA, was übrigens bei § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c AO nicht grundsätzlich anders ist. Im Rahmen einer solchen, der Finanzbehörde bei Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO mithin abverlangten Ermessensentscheidung ist gemäß § 5 AO zu berücksichtigen, was Sinn und Zweck der Ermessensermächtigung gebieten. Auch Tatsachen und Umstände, die nicht zum Tatbestand der Ermessensnorm gehören, können dabei für die Ermessensausübung bedeutsame Gesichtpunkte sein (und zwar auch dort, wo zwischen Tatbestand und ermessensrelevanten Gesichtspunkten kein Wechselverhältnis besteht, wie dies der Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes für den Begriff der Billigkeit in § 131 der Reichsabgabenordnung angenommen hat, vgl. Beschluss vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Der Gesetzgeber wird vielmehr Gesichtspunkte aus dem Tatbestand einer Norm insbesondere dann ausklammern und dem Ermessensbereich zuweisen, wenn ihre Berücksichtigung eine im Ergebnis einen Entscheidungsspielraum eröffnende Abwägung widerstreitender Gesichtspunkte nach den konkreten, tatbestandlich nicht hinreichend zu erfassenden Umständen des Einzelfalls verlangt, so dass das Abwägungsergebnis nicht durch eine abstrakte gesetzliche Regelung ein für allemal vorweggenommen werden kann. In dieser Weise die Entscheidung dem Ermessen der Verwaltung zu überantworten (und damit allerdings einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zu entziehen), ist der Gesetzgeber jedenfalls dann nicht gehindert, wenn von Verfassungs wegen –etwa nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu Rüsken, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2008, 193)– kein Anspruch auf eine dem Rechtsunterworfenen (unter bestimmten, sich eben aus dem Verfassungsrecht ergebenden Voraussetzungen) günstige Entscheidung besteht. |
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So liegen die Dinge hier. § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO verbietet die Änderung eines begünstigenden Verwaltungsakts wie einer Anrechnungsverfügung zwar nicht, wenn der Begünstigte nicht arglistig getäuscht hat, sondern sogar in gutem Glauben war, und muss dies auch nicht von Verfassungs wegen verbieten; er lässt sie aber um des grundsätzlich schutzwürdigen Vertrauens des Begünstigten willen auch nicht zu, ohne dass die Umstände des Falls von dem FA gewürdigt werden und das Interesse an einer Korrektur einer rechtswidrig vorgenommenen Anrechnung gegen das Vertrauensschutzinteresse abgewogen wird (vgl. Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 130 AO Rz 31). Diese Abwägung ist unter Wahrung eines gewissen Entscheidungsspielraums, den das Gesetz dem FA insofern einräumt, ggf. vom Gericht zu überprüfen. |
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d) Der erkennende Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob bei rechtmäßiger Ermessensausübung die vom FA für geboten erachtete Änderung der Anrechnungsverfügung zur Körperschaftsteuer 1991 der Klägerin zulässig wäre, da der angefochtene Bescheid bzw. die ihm zugrunde liegende Änderung der Anrechnungsverfügung keinerlei Ermessensausübung erkennen lassen; beide gehen vielmehr ebenso wie die Einspruchsentscheidung ersichtlich von der Prämisse aus, die Änderung der Anrechnungsverfügung müsse im Interesse der Herstellung der Rechtsrichtigkeit gleichsam die zwangsläufige Folge der von der Steuerfahndung getroffenen Feststellungen und der sich daraus ergebenden Rechtswidrigkeit der streitigen Steueranrechnung sein. Unter den Umständen des Streitfalls ist dies aber nicht zutreffend. |
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Zwar dürfte die Rücknahme einer rechtswidrigen Anrechnungsverfügung grundsätzlich geboten sein, wenn sie von dem Begünstigten selbst, seinem Vertreter oder Bevollmächtigten in der in § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO bezeichneten Weise oder sogar durch falsche Angaben des Begünstigten gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO erwirkt worden ist, weil diese Vorschriften dahin auszulegen sein dürften, dass das Gesetz unbeschadet des der Finanzbehörde eingeräumten Ermessens intendiert, dass in diesen Fällen Rechtsrichtigkeit hergestellt und die Anrechnung rückgängig gemacht wird (intendiertes Ermessen; vgl. Urteil des Senats in BFHE 218, 10, BStBl II 2007, 742, zu § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO). In dem hier (angeblich) vorliegenden Fall jedoch, dass ein im Verhältnis zu dem Begünstigten fremder Dritter die Anrechnung um seines eigenen Vorteils willen erwirkt hat und der Begünstigte nicht einmal Anlass hatte, Zweifel an deren Rechtmäßigkeit zu hegen, gilt dies indes nicht. Vielmehr sind in einem solchen Fall die für den Begünstigten und den Schutz seines Vertrauens sprechenden Gesichtspunkte gegen das Interesse an der Korrektur von Rechtsfehlern abzuwägen. Ähnliches würde gelten, wenn im Streitfall § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO anwendbar wäre; denn auch diese Vorschrift "intendiert" die Rücknahme des durch falsche Angaben erwirkten Verwaltungsakts allenfalls dann, wenn der Begünstigte von der Unrichtigkeit seiner Angaben wusste oder zumindest hätte wissen können und müssen, woran es im Streitfall fehlen würde. |
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Der angefochtene Bescheid, der die danach gebotene Abwägung der für und gegen eine Änderung der ursprünglichen Anrechnungsverfügung sprechenden Gesichtspunkte vermissen lässt, verletzt deshalb § 5 AO und ist daher aufzuheben, wie es das FG getan hat. Er kann nicht trotz des völligen Ermessensausfalls gemäß § 127 AO aufrechterhalten bleiben, weil eine andere Entscheidung in der Sache ohnehin nicht in Betracht käme. |
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3. Der Änderung der Anrechnungsverfügung stand überdies Zahlungsverjährung (§ 228 AO) entgegen. |
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Der streitige Rückforderungsanspruch des FA dürfte allerdings entsprechend § 220 Abs. 2 Satz 2 AO erst dadurch fällig geworden sein, dass das FA die ursprünglich gegen die Klägerin ergangene Anrechnungsverfügung geändert hat; die Zahlungsverjährungsfrist hätte, wenn man darauf –ähnlich wie bei der Änderung einer Steuerfestsetzung (dazu § 229 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO)– abstellen müsste, gemäß § 229 Abs. 1 AO also überhaupt erst mit dem Erlass des betreffenden Änderungsbescheids zu laufen begonnen und könnte folglich so gesehen bei Erlass des angefochtenen Bescheids nicht abgelaufen gewesen sein. |
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Nach dem Urteil des Senats vom 12. Februar 2008 VII R 33/06 (BFHE 220, 225, BStBl II 2008, 504) soll freilich das Institut der Zahlungsverjährung dafür sorgen, dass nach Ablauf einer angemessenen Frist endgültig Rechtssicherheit darüber einkehrt, was der Steuerpflichtige aufgrund der Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen und Abzugssteuern noch zu zahlen hat bzw. was ihm zu erstatten ist, so dass nicht nur fällig gewordene steuerliche Ansprüche nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist nicht mehr geltend gemacht werden können, sondern auch auf fällig gewordene Steuern nichts mehr angerechnet und dadurch ein Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO nicht mehr ausgelöst werden kann. Die Änderung einer Anrechnungsverfügung nach Ablauf der durch die Bekanntgabe der Steuerfestsetzung gemäß §§ 220 Abs. 2 Satz 2, 229 Abs. 2 AO in Lauf gesetzten Frist des § 228 AO ist danach ungeachtet dessen auszuschließen, ob es –wie in jenem eben genannten Urteilsfall– um die nachträgliche Anrechnung durch Steuerabzug entrichteter Beträge und eine daraus folgende Verringerung der Abschlusszahlung (§ 36 Abs. 4 EStG) oder gleichsam umgekehrt um die Korrektur einer solchen Anrechnung zu Lasten des Steuerpflichtigen geht, sei es, dass diese Korrektur zu einer Erhöhung der Abschlusszahlung, sei es, dass sie –wie hier– zu einer Erstattungsforderung des FA führt. Aus der Überlegung des FA, dass dann die Verjährungsfrist unter Umständen laufe, ohne dass das FA überhaupt von seinem Anspruch Kenntnis hat, lässt sich dagegen nichts herleiten; § 228 AO normiert –ähnlich wie § 199 Abs. 2 bis 5 BGB– eine absolute Verjährungsfrist, also eine solche, deren Lauf davon unabhängig ist, ob der Berechtigte von den seinen Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis hatte, Kenntnis haben musste oder auch nur Kenntnis haben konnte. |
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Dass bei Ausweis einer zu geringen Abschlusszahlung die festgesetzte Einkommensteuer nicht fällig wird und damit nicht Zahlungsverjähren kann, wie der Senat in dem Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 32, 33/99 (BFHE 192, 405, BStBl II 2001, 133) aus dem Wortlaut des § 36 Abs. 4 EStG gefolgert hat, lässt sich dann freilich nicht aufrechterhalten, zumal dies, wie der Senat bereits in dem Urteil in BFHE 220, 225, BStBl II 2008, 504 angemerkt hat, die fragwürdige Folge hätte, dass der Ausweis einer zu geringen Abschlusszahlung, nicht jedoch der einer zu hohen, ohne Bindung an die Frist des § 228 AO korrigiert werden könnte. Deshalb hält der Senat nach nochmaliger Prüfung an jener Auffassung nicht fest. Er versteht § 36 Abs. 4 Satz 1 Alternative 2 EStG, was sein insofern freilich deutungsbedürftiger Wortlaut zulässt, dahin, dass bei Ausweis einer die festgesetzten Vorauszahlungen übersteigenden Abschlusszahlung dem Steuerpflichtigen eine einmonatige Zahlungsfrist gewährt werden soll, die indes für die Dauer der Zahlungsverjährungsfrist hinsichtlich der festgesetzten Steuer ohne Bedeutung ist. |
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