|
|
|
II. Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. |
|
|
1. Die Klage ist in Gestalt der vom Kläger jetzt begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit des vom FA aufgehobenen und deshalb erledigten Abrechnungsbescheids gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig. Es fehlt dem Kläger nicht an dem von dieser Vorschrift verlangten berechtigten Interesse an der begehrten Feststellung. |
|
|
Ist ein Klageverfahren anhängig geworden und hat es unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand (hier: mündliche Verhandlung des Revisionsgerichts über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids) erreicht, so muss bei einer Erledigung des ursprünglichen Antrags die Frage gestellt werden, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein soll und der Kläger der (zumal nicht auf sein Verhalten zurückgehenden) Erledigung wegen in diesem Verfahren leer ausgehen darf (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts –BVerwG– vom 28. April 1967 IV C 163.65, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1967, 1819). Das mutet ihm das Gesetz nur dann zu, wenn er an der Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts kein bei vernünftigen Erwägungen erkennbares Interesse wirtschaftlicher, ideeller oder auch rein persönlicher Art haben kann (Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, § 22 Rz 16, mit Rspr.nachw.). Ob ein solches Interesse gegeben ist, hängt von den konkreten Gegebenheiten des einzelnen Falles ab. Es kann sich –wie es hier tatsächlich der Fall ist– u.a. daraus ergeben, dass die Feststellung (zumindest präjudizielle) Bedeutung für einen anderweit von dem Betreffenden geführten Rechtsstreit hat und es ihm erleichtert, seine dort geltend gemachten Rechte durchzusetzen, wie dies seit jeher insbesondere im Falle der Vorbereitung eines Staatshaftungsprozesses anerkannt ist, aber auch bei Anhängigkeit eines Parallelverfahrens anzuerkennen ist. |
|
|
Es muss sich allerdings stets um ein eigenes Interesse des Klägers handeln. Dieser kann sich auch im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht zum Anwalt der Allgemeinheit aufschwingen, weshalb, anders als der Kläger offenbar meint, die Notwendigkeit einer Wiederherstellung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung hinsichtlich der Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht zu begründen vermag. |
|
|
Der Kläger hat jedoch unwidersprochen geltend gemacht, ein persönliches Interesse an der Klärung der Frage, ob jene Vorschrift bei Entstehen steuerlicher Forderungen unter den Voraussetzungen des § 130 oder § 131 InsO anzuwenden ist, zu haben, weil sich diese Frage auch in einem von ihm gegen das FA betriebenen weiteren Klageverfahren stelle, welches mit Zustimmung des FA gerade im Hinblick auf die Entscheidung des erkennenden Senats in diesem Verfahren zur Ruhe gebracht worden sei. Unter diesen Umständen kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an einer Sachentscheidung in diesem bereits weitgehend geförderten Verfahren nicht abgesprochen werden. |
|
|
2. Die Revision des Klägers ist auch begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur antragsgemäßen Entscheidung über den Klageantrag (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Der angefochtene Abrechnungsbescheid war rechtswidrig, soweit er den Vorsteuervergütungsanspruch der Schuldnerin als durch Verrechnung mit den gegen sie gerichteten Umsatzsteuerforderungen des FA erloschen ausweist. Der vom FA erklärten Aufrechnung, welche diesem Ausspruch des Bescheids zugrunde liegt, steht § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegen. Nach dieser Vorschrift ist eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. |
|
|
a) Die Vorschrift verfolgt das Ziel, den Anfechtungsvorschriften der InsO (§§ 129 ff. InsO) im Hinblick auf eine von einem Insolvenzgläubiger erklärte Aufrechnung in dem Sinne Geltung zu verschaffen, dass einer etwaigen Aufrechnungserklärung die Rechtswirkung genommen und dadurch eine anderenfalls etwa notwendige Anfechtung der betreffenden Rechtsvorgänge seitens des Insolvenzverwalters überflüssig wird (vgl. Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 96 Rz 45 f.; Uhlenbruck/Sinz, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 96 Rz 46; Bork, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2003, 686, 687). Sie ist dahin zu verstehen, dass der Erwerb der Möglichkeit der Aufrechnung zugunsten eines späteren Insolvenzgläubigers erfolgt sein muss, dieser also nicht etwa bereits beim Erwerb dieser Möglichkeit Insolvenzgläubiger, mithin das Insolvenzverfahren beim Erwerb noch nicht anhängig gewesen sein muss. Vielmehr schränkt § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO gerade § 94 InsO ein, der grundsätzlich eine vor Verfahrenseröffnung eingetretene Aufrechnungslage während des Insolvenzverfahrens fortbestehen lässt und die Abgabe einer Aufrechnungserklärung während desselben zulässt (Uhlenbruck/Sinz, a.a.O.; vgl. auch Onusseit in Festschrift für Walter Gerhardt, 2004, S. 725, 737 ff.). |
|
|
b) Das FA ist im Streitfall Insolvenzgläubiger; denn es hat gegen die Schuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete (Steuer-)Forderungen, die nicht beglichen worden sind (vgl. § 38 InsO). Fraglich und für die Beurteilung der Streitsache entscheidend ist, ob das FA die Möglichkeit der Aufrechnung i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO "durch eine anfechtbare Rechtshandlung" erlangt hat, sofern es –wie hier einstweilen unterstellt werden soll– unter den in § 130 InsO oder § 131 InsO bezeichneten Voraussetzungen, insbesondere etwa in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Steuerschuldners (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO), Schuldner eines Anspruchs desselben, wie im Streitfall des Vergütungsanspruchs der Schuldnerin aufgrund eines Vorsteuerüberhangs, oder Gläubiger von Steuerforderungen gegen den (späteren) Insolvenzschuldner geworden ist. Denn ob das eine oder das andere eingetroffen ist, ist für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ohne Belang. Die Vorschrift nimmt einer Aufrechnungserklärung ihre Wirksamkeit (d.h.: erklärt sie für unzulässig) ungeachtet dessen, ob die anfechtbare Rechtshandlung –wie hier– die Begründung der Haupt- oder ob sie die Begründung einer Gegenforderung zur Folge hat. Danach zu unterscheiden gäbe weder der Wortlaut noch der eben erläuterte Sinn der Vorschrift irgendeinen Anhaltspunkt. Die anfechtbare Rechtshandlung kann also sowohl eine Vermehrung der Schulden des Insolvenzschuldners als auch eine Verringerung seines Aktivvermögens auslösen (Uhlenbruck/Sinz, a.a.O.; MünchKommInso/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rz 100, beide mit zahlr. Nachw.). |
|
|
Auf die Frage, ob eine gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässige Aufrechnung auch dann vorliegt, wenn der zugunsten der Schuldnerin anzurechnenden Vorsteuer positive Umsatzsteuerbeträge in demselben Voranmeldungszeitraum gegenüberstehen und mithin infolge der gemäß § 16 UStG vorzunehmenden Verrechnung ein umsatzsteuerrechtlich selbständiger Vergütungsanspruch des Schuldners nicht entsteht, braucht der erkennende Senat nicht einzugehen (dazu eingehend –diese Frage bejahend– Onusseit in Festschrift für Walter Gerhardt, a.a.O., S. 730 ff.), weil ein solcher Sachverhalt hier nicht vorliegt; der aufgrund anrechenbarer Vorsteuer entstandene Umsatzsteuervergütungsanspruch der Schuldnerin ist (umsatzsteuerrechtlich) selbständig und zwar in einem anderen Voranmeldungszeitraum entstanden als die Steuerforderungen des FA. Dass bei der Jahressteuerfestsetzung positive Umsatzsteuerforderungen und anrechenbare Vorsteuern ggf. gemäß § 16 UStG zu verrechnen sind, nimmt ihnen in einem solchen Fall insolvenzrechtlich nicht ihre Selbständigkeit, welche aus Voranmeldungen herrührende Umsatzsteueransprüche auch sonst nach Ergehen der Jahressteuerfestsetzung behalten, soweit sie mit ihren Rechtswirkungen nicht völlig in der Jahresteuerfestsetzung aufgehen (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 17. März 2009 VII R 38/08, BFHE 224, 396, BStBl II 2009, 953). Es kann daher unerörtert bleiben, ob im Streitfall bei der Jahresveranlagung 2005 eine Saldierung des strittigen Vorsteuerüberhangs mit positiven Umsatzsteuerbeträgen vorzunehmen war. |
|
|
c) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 16. November 2004 VII R 75/03 (BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193) erkannt, § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hindere die Aufrechnung des FA mit Steuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen einen durch einen Vorsteuerüberhang ausgelösten Vergütungsanspruch des Insolvenzschuldners (dort ebenso wie hier: aufgrund der Vorsteuer aus dem Vergütungsanspruch eines vorläufigen Insolvenzverwalters), der in "kritischer" Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens seinen Entstehungsgrund hat, nicht; denn es fehle in einem solchen Fall an einer Rechtshandlung, weil die Verpflichtung des Schuldners zur Vergütung der Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung, sondern auf dessen Bestellung durch das Insolvenzgericht und der von diesem vorgenommenen Festsetzung seiner Vergütung beruhe, die vom vorläufigen Insolvenzverwalter für die Ausführung seiner Leistung zu entrichtende Umsatzsteuer –wie jede Steuer– kraft Gesetzes entstehe und das Gleiche für die damit korrespondierende Berechtigung des Leistungsempfängers (Insolvenzschuldner) zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG gelte. |
|
|
Demgegenüber hat der BGH in seinem Urteil vom 22. Oktober 2009 IX ZR 147/06 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2010, 413) darauf hingewiesen, dass Steuertatbestände in der Regel an Rechtshandlungen des Steuerpflichtigen oder Dritter anknüpfen und hieraus die Steuerpflicht ableiten, so wie es auch bei umsatzsteuerpflichtigen Leistungen der Fall sei, die zum Entstehen einer Steuerforderung des Finanzamts führen. Das ändert aber nach Auffassung des BGH nichts daran, dass die betreffenden (umsatzsteuerpflichtigen) Leistungen, welche zum Entstehen der Steuerforderung führen, eine Rechtshandlung i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO darstellen. |
|
|
Der erkennende Senat folgt nach erneuter rechtlicher Prüfung dieser Beurteilung des BGH. |
|
|
aa) Der in diesem Zusammenhang entscheidende Begriff "Rechtshandlung" ist in § 129 InsO als Handlung definiert, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die Insolvenzgläubiger benachteiligt; er bezeichnet also, wie es der Senat in seinem Urteil in BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193 einleitend ausgeführt hat, ein von einem Willen getragenes Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann. Umsatzsteuer (auch: zu vergütende Umsatzsteuer) entsteht zwar von Gesetzes wegen –sowohl die Steuerschuld des Leistenden wie der Anspruch des Leistungsempfängers auf Anrechnung der im an den Leistenden zu entrichtenden Entgelt enthaltenen sog. Vorsteuer–, das Entstehen von Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer setzt jedoch voraus, dass eine Leistung erbracht wird. Diese Leistungserbringung sieht der erkennende Senat in Übereinstimmung mit dem BGH und der auch im Schrifttum allgemein vertretenen Auffassung als eine Rechtshandlung i.S. des § 129 InsO an. |
|
|
Eine Leistungserbringung mag zwar kein Rechtsgeschäft sein, aber sie ist eine Rechtshandlung. Dass die (unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 130 ff. InsO anfechtbare) Rechtshandlung unmittelbar und unabhängig vom Hinzutreten etwaiger weiterer Umstände von dem (späteren) Insolvenzschuldner vorgenommen wird, setzen die §§ 129 und 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ebenso wenig voraus (dazu u.a. MünchKommInsO/Brandes, a.a.O., § 96 Rz 29), wie dass sie unmittelbar und unabhängig vom Hinzutreten etwaiger weiterer Umstände (hier insbesondere der späteren gerichtlichen Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters aufgrund der von diesem erstellten Rechnung sowie ggf. dem Fehlen verrechnungsfähiger positiver Umsatzsteuerbeträge in dem –insolvenzrechtlich– maßgeblichen Voranmeldungszeitraum) eine Aufrechnungslage zum Entstehen bringen müssten. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO verlangt lediglich, dass die Rechtshandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist –die Leistungen des vorläufigen Insolvenzverwalters wurden in diesem Zeitraum erbracht–, dass sie irgendeine Voraussetzung für die Aufrechnungsmöglichkeit des Insolvenzschuldners geschaffen hat (vgl. Uhlenbruck/Sinz, a.a.O.) und dass die Rechtshandlung die Insolvenzgläubiger benachteiligt. Wenn es an Letzterem auch im Hinblick auf die Leistungserbringung des vorläufigen Insolvenzverwalters als solcher fehlen mag –der Verpflichtung der Masse zur Zahlung des Entgelts für die der Schuldnerin erbrachten Leistungen des vorläufigen Insolvenzverwalters steht gegenüber, dass zugunsten der Insolvenzschuldnerin (mutmaßlich zumindest) gleichwertige Leistungen erbracht worden sind–, fehlt es daran nicht im Hinblick auf die durch die Leistungserbringung und den daraus folgenden Anspruch auf Anrechnung von Vorsteuer ausgelöste Möglichkeit des FA zur Aufrechnung seiner vorinsolvenzlich begründeten Forderungen. |
|
|
Die Leistungserbringung zeitigte im Streitfall neben einem Anspruch auf das Leistungsentgelt u.a. das Entstehen einer Aufrechnungslage für das FA. Dadurch sind die übrigen Gläubiger des Schuldners benachteiligt. Denn durch eine Aufrechnung erhält das FA nach Art einer abgesonderten Befriedigung vollständige Befriedigung für seine verrechneten Forderungen, für die es sonst, weil es sich um Insolvenzforderungen handelt, nur mit einer Befriedigung nach Maßgabe der im Insolvenzverfahren errechneten Quote rechnen könnte. |
|
|
Hat eine (an sich einheitliche) Rechtshandlung in solcher Weise mehrere, abtrennbare Rechtswirkungen, darf deren anfechtungsweise Rückgewähr nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, dass die Handlung auch sonstige, für sich nicht anfechtbare Folgen ausgelöst habe (BGH-Urteil vom 5. April 2001 IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233). Denn Gegenstand der Anfechtung ist nicht die Rechtshandlung selbst, sondern angefochten wird eine bestimmte gläubigerbenachteiligende Wirkung, die durch eine Rechtshandlung ausgelöst wird (BGH-Urteil vom 21. Januar 1999 IX ZR 329/97, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis –ZIP– 1999, 406, mit Schrifttumsnachweisen; vgl. statt aller auch MünchKommInso/Kirchhof, a.a.O., § 129 Rz 56a). Es ist folglich belanglos, ob die Umsätze, aus denen die betroffenen Vorsteuerbeträge herrühren, im Interesse der Masse liegen und insofern als solche nicht anfechtbar sind. Einen Rechtsgrundsatz, dass mehrere durch eine Handlung ausgelöste Rechtswirkungen nur ganz oder gar nicht anfechtbar sind, gibt es nicht (siehe auch Rz 11 des BGH-Urteils in HFR 2010, 413). Das gilt auch für solche Folgen –z.B. eine Aufrechnungslage–, die im Kausalverlauf einen Schritt ferner liegen als nähere, unanfechtbare Rechtsfolgen, z.B. ein die Aufrechnungslage herbeiführender Vertragsschluss oder –wie hier– die gerichtliche Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 147, 233). |
|
|
Die bei einer durch die Unwirksamkeitsanordnung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO, wie dargelegt, erübrigten Insolvenzanfechtung zu beanspruchende Rückgewähr der Aufrechnungslage bestünde demgemäß nicht etwa in der Rückabwicklung des durch die gerichtliche Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründeten Rechtsverhältnisses, sondern in der Durchsetzung der Steuervergütungsforderung unabhängig von etwaigen Gegenforderungen des FA. Dementsprechend lässt § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO völlig unberührt, dass die Vergütungsforderung des Schuldners (gegenüber der Masse) befriedigt werden muss, allerdings (sofern eine anfechtbare Rechtshandlung vorliegt) nicht im Wege der Aufrechnung zur Befriedigung für alte Schulden des Insolvenzschuldners verwendet werden darf (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 147, 233). |
|
|
bb) An den Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO fehlt es auch nicht deshalb, weil die gläubigerbenachteiligende Wirkung der durch die Inanspruchnahme von Leistungen seitens der Schuldnerin ausgelösten Aufrechnungslage deshalb in Zweifel gezogen werden müsste, weil es an der erforderlichen Kausalität der Rechtshandlung für die anfechtungsrelevante Rechtsfolge –die Aufrechnungslage– fehlte. Anfechtbarkeit setzt allerdings einen solchen Kausalzusammenhang voraus (MünchKommInso/Kirchhof, a.a.O., § 129 Rz 169; FK-Inso/ Dauernheim, § 129 Rz 40). Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs auf die Masse ist jedoch schon dann gegeben, wenn die Rechtshandlung im natürlichen Sinne eine (nicht hinwegzudenkende) Bedingung für die Gläubigerbenachteiligung darstellt; er setzt nicht voraus, dass ggf. ein weiterer Umstand, der zu der angefochtenen Rechtshandlung hinzutritt und erst mit dieser zusammen die Gläubigerbenachteiligung auslöst, seinerseits durch eine anfechtbare Rechtshandlung verursacht ist (BGH-Urteil vom 9. Dezember 1999 IX ZR 102/97, BGHZ 143, 246), und er wird durch das Hinzutreten solcher weiteren Umstände auch nicht etwa unterbrochen. |
|
|
cc) Schließlich fehlt es für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch nicht daran, dass das FA –wie diese Vorschrift sinngemäß voraussetzt– infolge einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangenen Rechtshandlung in den Genuss einer Aufrechnungsmöglichkeit gelangt ist. |
|
|
Die als Anknüpfungspunkt der Anfechtung maßgebliche Rechtshandlung, das Erbringen der Leistung, ist im gleichsam natürlichen Sinne vor diesem Zeitpunkt vorgenommen worden. Durch sie ist der Vorsteuervergütungsanspruch zwar noch nicht steuer(verfahrens)rechtlich begründet worden, wohl aber als insolvenzrechtlicher Anspruch. Denn für das insolvenzrechtliche Begründetsein einer Forderung oder eines Anspruchs kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. dazu zusammenfassend Rüsken, ZIP 2007, 2053) nicht auf das Entstehen im steuer(verfahrens)rechtlichen Sinn, sondern auf die Verwirklichung des Lebenssachverhalts an, der die betreffenden steuerrechtlichen Folgen hat. Aber schon die tatsächliche Verwirklichung des Besteuerungstatbestandes lässt den steuerlichen Anspruch aufschiebend bedingt durch das Eintreten der steuerverfahrensrechtlichen Voraussetzungen seiner Wirksamkeit entstehen (vgl. statt aller Senatsurteil vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, und Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., 95, m.w.N. aus der Rspr.). |
|
|
§ 140 Abs. 1 InsO ändert daran nichts. Denn § 140 Abs. 3 InsO lässt den Eintritt einer solchen Bedingung für die Bestimmung des Zeitpunkts außer Betracht, in dem die Rechtshandlung als vorgenommen anzusehen ist, welcher sonst durch § 140 Abs. 1 InsO auf den Zeitpunkt gelegt wird, in dem die Rechtswirkungen der Rechtshandlung eintreten (i.e.: die Aufrechnungslage entsteht). Das gilt nicht nur für Forderungen des Finanzamts, sondern auch für steuerliche Forderungen des Steuerpflichtigen. |
|
|
Allerdings wird in der Rechtsprechung des BGH und im Schrifttum die Auffassung vertreten, § 140 Abs. 3 InsO sei unmittelbar nur bei Rechtsgeschäften anwendbar, weil andere Rechtshandlungen nicht bedingt oder befristet sein könnten (BGH-Urteil vom 14. Dezember 2006 IX ZR 102/03, NJW 2007, 1588; vgl. auch Henckel in Jaeger, a.a.O., § 140 Rz 50). Das trifft freilich nur für eine rechtsgeschäftliche Bedingung zu, nicht aber für vom Gesetz aufgestellte "Bedingungen", unter denen nach vorgenannter Rechtsprechung des Senats Ansprüche der hier strittigen Art stehen. § 140 Abs. 3 InsO ist daher nach Auffassung des erkennenden Senats in dem hier strittigen Zusammenhang unmittelbar, zumindest aber entsprechend anzuwenden (vgl. zu dieser Möglichkeit auch die Urteile des BGH in |
NJW 2007, 1588, und vom 14. Juni 2007 IX ZR 56/06, NJW |
|
|
§ 140 Abs. 3 InsO verfolgt nämlich das Ziel, Ansprüche als insolvenzfest zu erhalten, obwohl sich der Rechtserwerb erst in kritischer Zeit vollendet hat, wofür dann keine Rechtfertigung besteht, wenn der Anfechtungsgegner vor Beginn jenes "kritischen" Zeitraums noch keine unentziehbare Rechtsposition erlangt hatte (BGH-Urteil in NJW 2007, 2640). Denn § 140 Abs. 1 InsO beruht auf dem Rechtsgedanken, "dass der Zeitpunkt entscheiden soll, in dem durch die Handlung eine Rechtsposition begründet worden ist, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste" (BGH-Urteil vom 22. Januar 2004 IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350). Mit der Leistungserbringung wird aber aufgrund der einschlägigen Regelungen des UStG eine gleichsam automatisch ablaufende Ereigniskette in Gang gesetzt (ähnlich wie in den in § 140 Abs. 2 InsO ausdrücklich geregelten Fällen), weil der Insolvenzschuldner gegenüber dem leistenden Unternehmen Anspruch auf Ausweisung der Umsatzsteuer und gegenüber dem FA auf deren Berücksichtigung als Vorsteuer hat; es hängt also nicht etwa von einer im ungewissen Belieben Dritter stehenden Handlung ab, ob die steuerrechtliche Wirkung der Leistungserbringung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt. |
|
|
§ 140 Abs. 1 InsO hat im Gegensatz hierzu sog. mehraktige Rechtshandlungen im Blick, die anfechtbar bleiben sollen, auch wenn der erste Akt noch in "unkritischer" Zeit vorgenommen worden ist (etwa eine Abtretung künftiger Forderungen oder eine Vorausverpfändung sowie eine Pfändung einer künftigen Forderung, welche erst mit deren Entstehen rechtliche Wirkung i.S. des § 140 Abs. 1 InsO entfalten sollen; vgl. BGH-Urteil vom 20. März 2003 IX ZR 166/02, BFH/NV 2004, Beilage 2, 179). Eine solche mehraktige Rechtshandlung i.S. des § 140 Abs. 1 InsO liegt aber hier nicht deshalb vor, weil die steuerrechtlichen Wirkungen einer anfechtbaren Rechtshandlung aufgrund steuerverfahrensrechtlicher Regelungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintreten, wenn anders nicht der grundsätzliche Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerverfahrensrecht missachtet werden soll (vgl. statt aller Urteil des Senats vom 17. Dezember 1998 VII R 47/98, BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423). |
|
|
dd) Selbst wenn man indes § 140 Abs. 3 InsO nicht anwenden würde, müsste die Klage im Streitfall Erfolg haben, weil die Aufrechnung dann aufgrund des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO –erst recht– unzulässig wäre. Würde nämlich die insolvenzrechtliche Beachtlichkeit der Aufrechnungslage erst in dem Zeitpunkt angenommen, in dem auch die steuerverfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Aufrechnung eingetreten sind, also (ggf. nach Saldierung gemäß § 16 UStG) ein erfüllbarer, aufrechenbarer Anspruch auch steuerverfahrensrechtlich entstanden ist, so bedeutete dies, dass das FA die Vorsteuervergütung erst infolge von Ereignissen schuldig geworden wäre, die das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO auslösten, weil sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sind. |
|
|
d) Die Entscheidung hängt nach alledem davon ab, ob das FA im Streitfall die Möglichkeit der Aufrechnung unter den Voraussetzungen des § 130 InsO oder des § 131 InsO erlangt hat oder sich –was freilich nicht ernstlich in Betracht zu ziehen ist– die Anfechtbarkeit seiner Aufrechnungsmöglichkeit anderweit ergibt. Dazu hat das FG entsprechend seinem Rechtsstandpunkt nichts festgestellt. |
|
|
Allerdings ist es auch ohne diesbezügliche Feststellung zwingend und der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO insofern erfüllt, dass der Vergütungsanspruch der Schuldnerin, durch dessen Begründung für das FA eine Aufrechnungsmöglichkeit entstanden ist, nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden ist, welcher nämlich erst zur Bestellung des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter geführt hat, die ihrerseits Voraussetzung für die Erbringung der Leistungen desselben war. Ob –was vorgenannte Vorschrift weiter verlangt– das FA damals die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin kannte oder bereits von dem Insolvenzantrag erfahren hatte, steht allerdings nicht fest. Mit Recht hat der Kläger zwar bereits in seinem erstinstanzlichen Vortrag darauf hingewiesen, dass das FA eine öffentliche Bekanntmachung der Bestellung des Klägers gemäß § 9 Abs. 3 InsO gegen sich gelten lassen müsste und aus dieser hätte erkennen müssen (§ 130 Abs. 2 InsO), dass ein Insolvenzantrag gestellt worden ist. Eine öffentliche Bekanntmachung der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters schreibt § 23 Abs. 1 Satz 1 InsO jedoch nur vor, sofern zugleich Verfügungsbeschränkungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO erlassen worden sind. Das ist im Streitfall nicht festgestellt, ebenso wenig, dass die Bestellung des Klägers möglicherweise ungeachtet einer gesetzlichen Verpflichtung öffentlich bekannt gemacht worden ist. |
|
|
Gleichwohl kann der Senat abschließend entscheiden, ohne dass jene Tatsachen vom FG aufgeklärt werden müssten. Denn selbst wenn es, anders als der Kläger meint, im Streitfall an den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO fehlen sollte, lägen doch die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, wenn sie einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung ermöglicht, die er nicht beanspruchen kann, und wenn die betreffende Rechtshandlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. |
|
|
Die hier maßgebliche Rechtshandlung –Erbringung der Leistungen des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter– ist jedenfalls nach Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. Diese Rechtshandlung hat, wie bereits ausgeführt, dem FA im Weiteren die Möglichkeit einer Aufrechnung und damit einer Befriedigung seiner Steuerforderungen gegen die Schuldnerin verschafft. Dass ihm diese Aufrechnungsmöglichkeit verschafft wird, konnte das FA nicht i.S. des § 131 Abs. 1 InsO gegenüber der Schuldnerin beanspruchen, so dass es auch an dieser Voraussetzung des § 131 Abs. 1 InsO nicht fehlt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist nämlich § 131 InsO einschlägig (und nicht ein Fall einer sog. kongruenten Deckung gemäß § 130 InsO gegeben), wenn sich die Aufrechnungsbefugnis nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt (BGH-Urteil vom 9. Februar 2006 IX ZR 121/03, NJW-RR 2006, 1062; vgl. u.a. auch BGH-Urteil in BGHZ 147, 233). Aus den hier zuerst entstandenen Steuerschulden der Insolvenzschuldnerin ergab sich im Streitfall ein Anspruch auf Begleichung der Steuern durch Zahlung, nicht aber darauf, dem FA eine Aufrechnungsbefugnis (und damit die Möglichkeit der Befriedigung außerhalb der Verteilung im Insolvenzverfahren) zu verschaffen; diese ist erst dadurch entstanden, dass die Schuldnerin einen (insolvenzrechtlich vor Verfahrenseröffnung entstandenen) Vorsteuervergütungsanspruch erlangt hat (vgl. Bork, a.a.O., 689; Onusseit in Festschrift für Walter Gerhardt, a.a.O., S. 741, beide mit zahlr. Nachw.). |
|