VII R 9/17 – Zur Einreihung von hochdosierten Vitaminpräparaten

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 18.9.2018, VII R 9/17
ECLI:DE:BFH:2018:U.180918.VIIR9.17.0

Zur Einreihung von hochdosierten Vitaminpräparaten

Leitsätze

NV: Für die Einreihung einer Ware als Arzneimittel ist es nicht erforderlich, dass auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel ein "Wirkmechanismus" beschrieben wird.

Tenor

Auf die Revision des Finanzamts wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 14. April 2016  11 K 10239/15 aufgehoben.

Die Sache wird an das Niedersächsische Finanzgericht zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

 
I.
1 
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) wendet sich gegen ein Urteil, in dem das Finanzgericht (FG) entschieden hat, für entgeltliche Lieferungen der von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) vertriebenen Nährstoffmischung mit Vitaminen und Spurenelementen in Kapseln gelte gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und dessen Anlage 2 Nr. 33 der ermäßigte Umsatzsteuersatz, weil es sich um eine Ware des Kap. 21 der Kombinierten Nomenklatur (KN) –um eine Lebensmittelzubereitung i.S. der Pos. 2106 KN– und keine Arzneiware i.S. der Pos. 3004 KN handele. Die Angaben auf der Verpackung und dem Beipackzettel seien zu allgemein, als dass man ihnen genau umschriebene therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften der Ware entnehmen könnte; insbesondere werde kein "Wirkmechanismus" beschrieben.
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Das FA hat hiergegen Revision eingelegt.

Entscheidungsgründe

 
II.
3 
Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–), da es zur Abgrenzung von Arzneiwaren und Lebensmittelzubereitungen zu Unrecht darauf abstellt, ob auf der Verpackung oder dem Beipackzettel ein "Wirkmechanismus" genannt wird. Die Entscheidung ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO). Den Feststellungen des FG kann nicht entnommen werden, ob die Ware eine Arzneiware i.S. der Pos. 3004 KN ist –dann würde die Lieferung der Ware in den Streitjahren 2011 und 2012 dem Regelsteuersatz unterliegen– oder eine Lebensmittelzubereitung i.S. der Pos. 2106 KN, für die der ermäßigte Umsatzsteuersatz gilt. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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1. Für die Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG und seiner Anlage 2 kommt es allein auf die zolltariflichen Vorschriften und Begriffe an (Senatsurteil vom 7. Juli 2015 VII R 65/13, BFH/NV 2015, 1605, Rz 9). Hiernach ist das entscheidende Kriterium für die Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind, und nach den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es Erläuterungen und Einreihungsavise, die ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind (vgl. etwa Senatsurteil vom 26. September 2017 VII R 17/16, BFH/NV 2018, 249, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern –ZfZ– 2018, 139; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union –EuGH– Metherma vom 27. November 2008 C-403/07, EU:C:2008:657, ZfZ 2009, 15). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen hierauf Bezug genommen wird und sich dieser in den objektiven Eigenschaften und Merkmalen der Ware niedergeschlagen hat. Auf den Verwendungszweck, den der Zollbeteiligte selbst seiner Ware beimisst, kommt es dagegen nicht an (vgl. etwa Senatsurteile in BFH/NV 2018, 249, ZfZ 2018, 139; vom 31. Mai 2005 VII R 49/04, BFH/NV 2005, 2067, ZfZ 2006, 262).
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Umstände des Vertriebs, die Beschreibung in Verkaufs- oder Herstellerprospekten, der Umfang der tatsächlichen Verwendung und die Bezeichnung im Handelsverkehr sind grundsätzlich keine Kriterien, aus denen die Einreihung einer Ware folgt. Gleichwohl lassen sich aus den genannten Unterlagen, insbesondere bei Waren, bei denen der Verwendungszweck nicht auf der Hand liegt, Anhaltspunkte für die Prüfung und Ermittlung der objektiven Beschaffenheitsmerkmale gewinnen; insoweit können auch die Verpackung und der Beipackzettel, detaillierte Auftrags- oder Lieferunterlagen, Baupläne, Zeichnungen und Skizzen für die Ermittlung der für die Zweckbestimmung artspezifischen, charakteristischen Merkmale zu berücksichtigen sein (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2016 VII R 9/15, BFHE 256, 286, ZfZ 2017, 103).
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Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH kommt es nicht darauf an, aus welchen (arznei- oder lebensmittelrechtlichen) Gründen der Erzeuger die Bezeichnung, Darbietung oder Kennzeichnung der Ware als "diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke", "Nahrungsergänzungsmittel", "zur ergänzenden bilanzierten Diät", "zur diätetischen Behandlung" u.Ä. gewählt oder die Indikationen für das Präparat angegeben hat (vgl. Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur 01.1 zu Kap. 30; EuGH-Beschluss Juers Pharma vom 9. Januar 2007 C-40/06, EU:C:2007:2, Rz 28 f., Slg. 2007, I-55, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2007, 409; Senatsurteil vom 5. Mai 2015 VII R 10/13, BFH/NV 2015, 1449, HFR 2015, 1082). Ebenso ist es irrelevant, ob die Ware die Tatbestandsvoraussetzungen eines Arzneimittels, einer Zubereitung für besondere Ernährungszwecke oder besondere diätetische Zwecke etc. der Verordnung über diätetische Lebensmittel (Diätverordnung) oder ähnlicher Vorschriften erfüllt (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2015, 1449, HFR 2015, 1082; EuGH-Urteil LEK vom 15. Dezember 2016 C-700/15, EU:C:2016:959, Rz 37, ZfZ 2017, 268). Aus diesen Umständen lassen sich allenfalls Anhaltspunkte für die Prüfung und Ermittlung der objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Ware gewinnen.
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2. Die Pos. 3004 KN erfasst Arzneiwaren (ausgenommen Erzeugnisse der Pos. 3002, 3005 oder 3006 KN), die aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf; bei der Einreihung ist auch der Verwendungszweck zu berücksichtigen (Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2005 VII B 62/05, BFH/NV 2006, 985, unter II.1.d bb). Demgegenüber werden gemäß der Anm. 1 Buchst. a zu Kap. 30 KN "Nahrungsmittel oder Getränke (wie diätetische, diabetische oder angereicherte Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, …), andere nicht intravenös zu verabreichende Nährstoffzubereitungen" aus Kap. 30 KN (und damit aus der Pos. 3004 KN) ausgewiesen und dem Abschn. IV KN (zu dem die Pos. 2106 KN gehört) zugeordnet. Dieser Anmerkung entspricht –was das FG nicht erwähnt– die Anm. 1 Buchst. f zu Kap. 21 KN, wonach Arzneiwaren der Pos. 3003 und 3004 KN aus Kap. 21 KN ausgewiesen sind.
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a) Arzneiwaren sind im Allgemeinen Erzeugnisse, die eindeutig bestimmbare oder genau umschriebene therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweisen, deren Wirkung sich auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert und die zur Verhütung oder Behandlung einer (spezifischen) Krankheit oder eines (spezifischen) Leidens angewandt werden können (vgl. etwa EuGH-Urteil LEK, EU:C:2016:959, Rz 35, ZfZ 2017, 268; zu einer anderen Warengruppe vgl. Roth in Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll im 21. Jahrhundert, Festschrift für Hans-Michael Wolffgang zum 65. Geburtstag –Festschrift Wolffgang–, S. 380). Kein maßgebliches Kriterium ist die Darreichungsform in Gestalt von Kapseln, Tabletten o.Ä. (Begriff s. EuGH-Urteil Abcur vom 16. Juli 2015 C-544/13, C-545/13, EU:C:2015:481, Rz 57, Amtsblatt der Europäischen Union –ABlEU– 2015, Nr. C 302, 3, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2015, 707), da auch Lebensmittel in dieser Form angeboten werden, um dem Verbraucher den Verzehr bequemer zu machen. Die Zusätzliche Anm. 5 zu Kap. 21 KN geht gleichfalls davon aus, dass Lebensmittelzubereitungen Kapsel-, Tabletten-, Pastillen- oder Pillenform haben können.
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b) Auch Vitamine, Spurenelemente, Mineralsalze und andere Nährstoffe können –mittelbar oder unmittelbar– Krankheiten entgegenwirken. Dennoch ist nicht jedes Nahrungsmittel oder Präparat, das solche Stoffe enthält und der Behebung oder Vermeidung pathogener Mangelzustände dient, eine Arzneiware i.S. der Pos. 3004 KN (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 1999 VII R 42/98, BFHE 190, 501, ZfZ 2000, 56; vom 28. Januar 1997 VII R 72/96, BFH/NV 1997, 914, ZfZ 1997, 379; EuGH-Urteil LEK, EU:C:2016:959, ZfZ 2017, 268). Nach dem Senatsurteil vom 4. November 2003 VII R 58/02 (BFHE 204, 375, ZfZ 2004, 165, unter II.2.c) setzt dies vielmehr voraus, dass die zur Verhütung oder Behandlung einer bestimmten Krankheit eingesetzten Wirkstoffe in der Ware in einer Weise vorhanden sind, die über das für die Ernährung notwendige oder üblicherweise empfohlene Maß deutlich hinausgeht und die der Mensch in dieser Dosierung selbst nicht erzeugen kann (vgl. hierzu auch EuGH-Urteil Glob-Sped vom 10. Dezember 1998 C-328/97, EU:C:1998:601, Rz 28 f., Slg. 1998, I-8357, ZfZ 1999, 124).
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c) Nach der Zusätzlichen Anm. 1 zu Kap. 30 KN gehören pflanzliche Arzneizubereitungen und Zubereitungen auf der Grundlage von Vitaminen, Mineralstoffen, essentiellen Aminosäuren oder Fettsäuren, in Aufmachungen für den Einzelverkauf, zu Pos. 3004 KN, wenn "auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel" bestimmte Angaben gemacht werden und u.a. die spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptome, bei denen diese Erzeugnisse verwendet werden sollen, genannt werden. Bei Zubereitungen auf der Grundlage von Vitaminen, Mineralstoffen, essentiellen Aminosäuren oder Fettsäuren kommt es zusätzlich darauf an, dass die Menge eines dieser Stoffe pro auf dem Etikett angegebener empfohlener Tagesdosis außerdem deutlich höher ist, als die für den Erhalt der allgemeinen Gesundheit oder des allgemeinen Wohlbefindens empfohlene Tagesdosis.
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Danach können zur Ermittlung der objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Ware die Angaben auf dem Etikett, der Verpackung und dem Beipackzettel herangezogen werden. Derjenige, der seinen Zubereitungen dort bezüglich bestimmter Krankheiten therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften zuschreibt, muss sich nach Treu und Glauben an diesen Angaben festhalten lassen. Weder die Finanzbehörden noch die Gerichte sind verpflichtet, die Richtigkeit solcher Angaben zu prüfen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass die therapeutische und prophylaktische Wirksamkeit des Mittels oft nur durch Studien glaubhaft gemacht werden kann, die denjenigen zugänglich sind, die die Ware herstellen oder sie vertreiben, nicht notwendig aber den Behörden oder Gerichten. In diesem Sinn sind auch der Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 985 und das Senatsurteil in BFH/NV 2015, 1449, HFR 2015, 1082 zu verstehen bzw. zu relativieren, zumal auch der EuGH weiterhin –nach Erlass der Zusätzlichen Anm. 1 zu Kap. 30 KN– auf die objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware abstellt (vgl. EuGH-Urteil Salutas Pharma vom 17. Februar 2016 C-124/15, EU:C:2016:87, Rz 30, Pharma Recht –PharmR– 2016, 125).
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d) Weder der KN noch der Zusätzlichen Anm. 1 zu Kap. 30 KN lässt sich entnehmen, dass auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel ein "Wirkmechanismus" genau beschrieben sein muss, worauf das FG jedoch maßgeblich abgestellt hat. Es erleichtert zwar eine Einreihungsentscheidung, wenn die Wirkungsweise des Produkts bekannt ist und im Beipackzettel beschrieben wird (vgl. etwa Senatsurteil in BFH/NV 2015, 1449, HFR 2015, 1082). Es gibt jedoch zweifellos auch Stoffe mit pharmakologischer Wirkung, deren Wirkungsmechanismus nicht vollständig geklärt ist, die aber dennoch zur Behandlung spezifischer Krankheiten geeignet und bestimmt sind (vgl. etwa Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 2. November 2017  13 LB 31/14, PharmR 2018, 24, Rz 83). Es ist auch anerkannt, dass Erzeugnisse, die keine eigene therapeutische oder prophylaktische Wirkung haben, unter bestimmten Voraussetzungen dennoch in die Pos. 3004 KN eingereiht werden können, wenn sie bei der Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens Anwendung finden und nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften eigens für diese Verwendung bestimmt sind (Senatsurteil vom 24. September 2014 VII R 54/11, BFHE 247, 378, BStBl II 2015, 169, zu Sondennahrung; EuGH-Urteile Nutricia vom 30. April 2014 C-267/13, EU:C:2014:277, HFR 2014, 570, ZfZ 2014, 191, auch zu Sondennahrung; TNT Freight Management vom 12. Juli 2012 C-291/11, EU:C:2012:459, Rz 40 und 42, ABlEU 2012, Nr. C 287, 15, zu Blutalbumin; Bioforce vom 15. Mai 1997 C-405/95, EU:C:1997:242, Rz 15, Slg. 1997, I-2581, ZfZ 1997, 347, zu Tropfen auf der Grundlage von Auszügen aus Echinacea purpurea; Roth in Festschrift Wolffgang, S. 380). Auch homöopathische Arzneiwaren können (unter bestimmten Voraussetzungen, vgl. Zusätzliche Anm. 1 zu Kap. 30 KN; Senatsurteil in BFH/NV 2015, 1449, HFR 2015, 1082, Rz 15; Urteil des FG Hamburg vom 27. April 2012  4 K 24/11) ohne Darstellung eines "Wirkmechanismus" in die Pos. 3004 KN eingereiht werden.
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Im Senatsurteil in BFH/NV 2015, 1449, HFR 2015, 1082, auf das sich das FG (insoweit zu Unrecht) stützt, hat der Senat nicht den Rechtssatz aufgestellt, eine Einreihung in die Pos. 3004 KN komme nur dann in Betracht, wenn ein bestimmter "Wirkmechanismus" auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel dargestellt worden ist. Im Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 985 wurde zwar bemängelt, dass Angaben über "Wirkungsmechanismen" der eingesetzten Stoffe nicht spezifisch auf das konkrete Produkt bezogen gewesen und durch die produktbezogenen Aussagen relativiert und entwertet worden seien. Dabei ging es nicht darum, die Darstellung eines Wirkmechanismus auf der Verpackung oder dem Beipackzettel zu fordern, sondern darum, dass es trotz entsprechender, jedoch nicht auf das konkrete Produkt bezogener Angaben an der Erkennbarkeit der Bestimmung der Ware zur Behandlung spezifischer Krankheiten mangeln kann.
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3. Da das FG –ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht– keine weiter gehenden Feststellungen getroffen und insbesondere nicht festgestellt hat, welche Angaben das Etikett, die Verpackung und der Beipackzettel enthalten, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die in der Akte abgelegte Verpackung und der dortige Beipackzettel enthalten voneinander abweichende Angaben zur Dosierung.
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Im zweiten Rechtsgang wird das FG festzustellen haben, ob die Voraussetzungen der Zusätzlichen Anm. 1 zu Kap. 30 KN erfüllt sind.
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a) Sollte sich im zweiten Rechtsgang der der Akte beiliegende Beipackzettel als der maßgebliche erweisen, wird dort als Zweck der Ware angesprochen, u.a. zur Regeneration der Sehzellen beizutragen und damit aktiv zumindest der Vorbeugung gegen die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) –einer jedenfalls hinreichend schweren Krankheit (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 985, unter II.1.b)– zu dienen. Damit wird –unabhängig von der Bedeutung des von der Klägerin nach ihren Angaben lediglich aus Rechtsgründen verwendeten Ausdrucks "Behandlung"– klargestellt, dass mit der Ware ein bestimmter, konkret bezeichneter prophylaktischer Zweck verfolgt wird und es wird präzise angegeben, bei welcher spezifischen Krankheit das Erzeugnis verwendet werden soll. Dies geht weit über die Angabe "Mikronährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe für die gesunde Sehkraft" o.Ä. hinaus, die auf manchen Nahrungsergänzungsmitteln zu finden ist.
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b) Sollte sich außerdem bestätigen, dass das Etikett, der Beipackzettel und die Verpackung die weiteren in der Zusätzlichen Anm. 1 zu Kap. 30 KN geforderten Angaben enthalten, kann davon ausgegangen werden, dass in der Ware (bezogen auf die auf dem Etikett angegebene Tagesdosis) ein deutlich Vielfaches der üblichen Dosis Vitamin E und C enthalten ist.
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c) Eine Pflicht des FG, die Richtigkeit der Angaben der Klägerin auf der Verpackung und im Beipackzettel zugunsten der Klägerin von Amts wegen zu überprüfen oder gar die Wirksamkeit der Nährstoffzubereitung zur Behandlung der AMD oder zur Vorbeugung nachzuweisen, besteht, wie ausgeführt nicht. Umstände, die es im Streitfall rechtfertigen könnten, die Klägerin nicht an den von ihr gemachten Angaben festzuhalten, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil hat die Klägerin im Klageverfahren u.a. angegeben, dass durch die Aufnahme der Nährstoffe die Wahrscheinlichkeit eines Sehverlusts durch die AMD nach der Studie, auf deren Grundlage die streitgegenständliche Ware entwickelt wurde, um 19 % gesenkt werden könne und die Wahrscheinlichkeit einer Entstehung einer "Neovaskularisationsmembran" um 25 %. In der mündlichen Verhandlung hat sich die Klägerin gleichfalls darauf bezogen, dass die Zusammensetzung der Ware an Studien zur AMD –wohl u.a. an der "Age-Related Eye Disease Study"– orientiert bzw. neueren Studien angepasst wurde.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Quelle: bundesfinanzhof.de