VIII B 81/18 – Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 20.3.2019, VIII B 81/18
ECLI:DE:BFH:2019:B.200319.VIIIB81.18.0

Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO

Leitsätze

NV: Ein gemeinnütziger Verein, der kein Zweckbetrieb ist, unterliegt mit seinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auch dann der Gewerbesteuer, wenn die von ihm ausgeübte Tätigkeit nicht die Merkmale eines Gewerbebetriebs i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG erfüllt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. April 2018  1 K 1341/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1 
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unbegründet. Die von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung (s. nachfolgend unter 1.). Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts ist nicht geboten (s. nachfolgend unter 2.).
2 
1. Der Rechtssache kommt entgegen der Ansicht des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu.
3 
a) Grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.N.).
4 
b) Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung ist die Rechtsfrage, ob ein eingetragener Verein mit seinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Gewerbesteuer unterliegt, wenn er keine gewerblichen Einkünfte nach § 15 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren (2011 bis 2013) jeweils anzuwendenden Fassung (EStG), sondern selbständige Einkünfte nach § 18 EStG erzielt, nicht klärungsbedürftig. Die Rechtsfrage lässt sich anhand der gesetzlichen Regelungen im Gewerbesteuergesetz (GewStG) eindeutig so beantworten, wie es das FG getan hat.
5 
Gemäß § 2 Abs. 3 GewStG gilt als Gewerbebetrieb auch die Tätigkeit der sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und der nichtrechtsfähigen Vereine, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, der nicht der Land- und Forstwirtschaft dient. Die Vorschrift erweitert die Gewerbesteuerpflicht gegenüber § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, indem sie sie auf wirtschaftliche Geschäftsbetriebe ausdehnt, die nicht die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs nach § 15 EStG erfüllen. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb erfasst neben dem Gewerbebetrieb im engeren Sinne alle übrigen selbständigen Tätigkeiten und begründet im Rahmen seines Anwendungsbereichs eine Gewerbesteuerpflicht kraft Fiktion. Ebenso wie bei der Fiktion des Gewerbebetriebs nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG (vgl. hierzu: BFH-Urteil vom 22. August 1990 I R 67/88, BFHE 162, 439, BStBl II 1991, 250) kommt es im Rahmen von § 2 Abs. 3 GewStG nicht darauf an, ob die ausgeübte Tätigkeit ihrer Art nach gewerblich ist oder ob sie unter eine der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG fällt. Die Vorschrift kann deshalb dazu führen, dass der Ertrag des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs der Gewerbesteuer unterliegt, obwohl einkommen- und körperschaftsteuerrechtlich gerade keine gewerblichen Einkünfte, sondern –wie im Streitfall– selbständige Einkünfte nach § 18 EStG vorliegen (vgl. Blümich/Drüen, § 2 GewStG Rz 202, m.w.N.).
6 
c) Die Rechtsfrage ist auch nicht deshalb klärungsbedürftig, weil der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des Klägers gemeinnützigen Zwecken dient. Denn gemäß der eindeutigen Regelung in § 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG unterliegt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, der nicht der Land- und Forstwirtschaft dient, auch bei Verfolgung gemeinnütziger Zwecke grundsätzlich der Gewerbesteuer. Eine Ausnahme ergibt sich gemäß § 64 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) zwar dann, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ein Zweckbetrieb i.S. der §§ 65 bis 68 AO ist. Das ist hier jedoch –unstreitig– nicht der Fall. Denn die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO, der allein als Befreiungsnorm in Betracht kommt, sind vorliegend nicht erfüllt, weil der Kläger keine Forschungseinrichtung i.S. der Vorschrift darstellt. Hieran vermag auch der Vortrag, der Gesetzgeber sei von der "regelmäßigen" Steuerfreiheit gemeinnütziger Forschungskörperschaften ausgegangen, nichts zu ändern.
7 
d) Eine Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage ergibt sich auch nicht daraus, dass diese –wie der Kläger geltend macht– noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen sei. Allein der Umstand, dass der BFH noch nicht über eine Rechtsfrage entschieden hat, begründet keine Klärungsbedürftigkeit. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass die Beantwortung der Rechtsfrage zu Zweifeln Anlass gibt (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2010 IV B 19/09, BFH/NV 2010, 1480). Das ist hier aufgrund der eindeutigen Rechtslage, die auch von der ganz herrschenden Auffassung im Schrifttum geteilt wird (vgl. z.B. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 9. Aufl., § 2 Rz 546; Blümich/Drüen, § 2 GewStG Rz 202; Keß in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 4001; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 2 GewStG Rz 156; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 14 AO Rz 5; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 64 AO Rz 25; Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2019, § 2 Rz 174; a.A. Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 4. Aufl., Rz 7.105), nicht der Fall.
8 
Abgesehen davon hat der BFH bereits entschieden, dass ein wirtschaftlicher Verein i.S. des § 22 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit seinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auch dann gemäß § 2 Abs. 3 GewStG der Gewerbesteuer unterliegt, wenn die Voraussetzungen für die Annahme eines Gewerbebetriebs i.S. von § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) nicht vorliegen (BFH-Urteil vom 18. Januar 1984 I R 138/79, BFHE 140, 463, BStBl II 1984, 451). Ein Unterschied zu der Rechtslage bei einem gemeinnützigen Verein bestehe lediglich insoweit, als bei diesem ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht den ganzen Verein gewerbesteuerpflichtig mache (BFH-Urteil in BFHE 140, 463, BStBl II 1984, 451, unter II.3.). Hieraus folgt, dass es auch beim gemeinnützigen Verein im Rahmen der rechtsformabhängigen Besteuerung nach § 2 Abs. 3 GewStG nicht –wie der Kläger meint– auf die Merkmale des Gewerbebetriebs, sondern allein auf das Unterhalten eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ankommt.
9 
2. Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts kommt ebenfalls nicht in Betracht.
10 
a) Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist oder gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung gewichtige Argumente vorgetragen werden, die der BFH noch nicht erwogen hat. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und wenn die Frage nach dem "Ob" und "Wie" der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Hierfür genügt weder, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist, noch dass mit der Beschwerde vorgetragen wird, die Vorinstanz habe sachlich unrichtig entschieden (BFH-Beschluss vom 27. März 2006 VIII B 21/05, BFH/NV 2006, 1256).
11 
b) Danach ist eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts hier nicht erforderlich. Die von dem Kläger sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Anwendung des § 2 Abs. 3 GewStG dazu führt, dass ein Gewerbeertrag i.S. von § 7 GewStG auch ohne Erzielung von gewerblichen Einkünften i.S. des § 15 EStG vorliegen kann, ist nicht klärungsbedürftig, weil sich ihre Beantwortung ohne weiteres aus dem Gesetz und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BFH ergibt.
12 
Aus der gesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 3 GewStG ist –wie bereits ausgeführt– abzuleiten, dass nur die mit dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielten Einkünfte als Gewinn aus dem Gewerbebetrieb i.S. des § 7 Satz 1 GewStG anzusehen sind. Die Vorschrift wirkt sich damit unmittelbar auf die Gewinnermittlung aus und ist in diesem Sinne –wie das FG zutreffend erkannt hat– vorgreiflich gegenüber der Anwendung des § 7 GewStG (vgl. auch Blümich/Drüen, § 7 GewStG Rz 26). Die Bezugnahme des § 7 Satz 1 GewStG auf die Vorschriften des EStG und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist dementsprechend nicht als Rechtsgrundverweisung auf die Vorschrift des § 15 Abs. 2 EStG zu verstehen, weil die Regelung nach der Rechtsprechung des BFH nicht so auszulegen ist, dass für die Annahme eines Gewerbebetriebs die Voraussetzungen einer der sieben Einkunftsarten vorliegen müssen (BFH-Urteil vom 22. August 1990 I R 67/88, BFHE 162, 439, BStBl II 1991, 250). § 7 GewStG hat vielmehr lediglich dahingehende Bedeutung, dass für die Ermittlung des Gewinns aus dem Gewerbebetrieb i.S. von § 2 GewStG die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des EStG (§§ 3, 3c, 4 bis 7i EStG) und des KStG (z.B. § 8 Abs. 3 KStG) Anwendung finden. Die Vorschrift regelt damit lediglich die Ermittlungsmethode für den Gewerbeertrag für den Fall, dass ein Gewerbebetrieb –wie hier nach § 2 Abs. 3 GewStG– vorliegt (BFH-Urteil in BFHE 162, 439, BStBl II 1991, 250).
13 
c) Eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts ist auch nicht im Hinblick auf den vom Kläger angestellten Vergleich zur körperschaftsteuerlichen Behandlung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit ihren Betrieben gewerblicher Art erforderlich.
14 
Der Umstand, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts mit ihren Betrieben gewerblicher Art nur dann gewerbesteuerpflichtig sind, wenn sie einen Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 2 EStG betreiben, folgt aus der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStDV i.V.m. § 35c GewStG. Eine vergleichbare Vorschrift für sonstige juristische Personen des privaten Rechts oder nichtrechtsfähige Vereine, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, sieht das Gesetz nicht vor.
15 
3. Von einer weiteren Begründung und insbesondere der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
16 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Quelle: bundesfinanzhof.de