X B 102/13 – Rentenbesteuerung und Nominalwertprinzip

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 5.6.2014, X B 102/13

Rentenbesteuerung und Nominalwertprinzip

Tatbestand

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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), der im Dezember 2006 sein 65. Lebensjahr vollendet hatte und im Streitjahr 2007 mit der Klägerin zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde, erhielt ab dem 1. Januar 2007 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Rente bezog der Kläger, der als Rechtsanwalt selbständig tätig gewesen war, aufgrund seiner freiwillig begründeten Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung. 54 % der im Streitjahr zugeflossenen Jahresrente wurden als steuerpflichtiger Teil im Einkommensteuerbescheid entsprechend § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgewiesen.
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Die Kläger waren der Auffassung, die Art der Besteuerung dieser Rente sei verfassungswidrig, da der Kläger als freiwillig Pflichtversicherter die gesamten Beiträge nur im Rahmen eines unzureichenden Sonderausgabenabzugs in der Vergangenheit steuerlich habe geltend machen können.
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Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ermittelte in seinem Urteil vom 18. März 2013  9 K 2919/09 einen zu erwartenden nicht der Besteuerung unterliegenden Rentenbezug des Klägers in Höhe von 129.915 EUR und ausgehend von den vom Kläger geleisteten Rentenbeiträgen in Höhe von insgesamt 171.391,09 EUR unter Zugrundelegung quotaler gesetzlicher Sonderausgabenhöchstbeträge nur für die Jahre ab 1980 aus versteuertem Einkommen gezahlte Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 112.899,90 EUR. Vor diesem Hintergrund verzichtete das FG aus prozessökonomischen Gründen für die vor 1980 liegenden Veranlagungszeiträume auf die Einbeziehung der geltend gemachten Sonderausgaben.
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Ihre Nichtzulassungsbeschwerde stützen die Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Für freiwillig Pflichtversicherte habe die Senatsentscheidung vom 19. Januar 2010 X R 53/08 (BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567) keine Klärung geschaffen. Auch stehe Pflichtversicherten wie dem Kläger Vertrauensschutz zu, wenn sie vor den ersten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in die gesetzliche Pflichtversicherung freiwillig eingetreten seien. Aufgrund seines Alters sei ihm auch bei dessen Gründung in 1988 ein Wechsel in das für ihn zuständige Rechtsanwaltsversorgungswerk –anders als vom FG angenommen– nicht möglich gewesen. Das Nominalwertprinzip, das vom FG zugrunde gelegt worden sei, führe im vorliegenden Fall aufgrund des langen Zeitraums von 54 Jahren (Rentenbeitragsphase und Rentenbezugsphase) zu einem ungerechten Ergebnis. Fälschlicherweise habe das FG eine quotale Aufteilung des Sonderausgabenabzugs vorgenommen, obwohl es aufgrund der vorrangig zu bedienenden privaten Lebensversicherungen im konkreten Fall keinen Raum für weiteren Sonderausgabenabzug gegeben habe.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist –soweit die Begründung den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt– jedenfalls unbegründet.
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1. Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend, so hat er ausführlich darzulegen, aus welchen Gründen eine im Streitfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Hierbei ist darauf einzugehen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist. Hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer begründen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage im Interesse der Allgemeinheit für erforderlich hält. Insbesondere muss er dartun, welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und/oder der Literatur gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgebracht worden sind (z.B. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2013 X B 242/12, BFH/NV 2013, 1576).
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2. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache kommt danach nicht in Betracht.
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a) Bereits im Senatsurteil vom 26. November 2008 X R 15/07 (BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b) hat der Senat dargestellt, dass aus Gründen der Praktikabilität und Administrierbarkeit in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Alterseinkünfte der vormals selbständig tätigen Rentner und die der vormals nichtselbständig tätigen Rentner in einem zeitlich begrenzten Rahmen trotz der unterschiedlichen steuerlichen Vorbelastung der entsprechenden Altersvorsorgeaufwendungen in einem Übergangszeitraum mit demselben Anteil besteuert werden können. Der Gesetzgeber trägt dadurch dem Gesichtspunkt Rechnung, dass es im Rahmen der Rentenbesteuerung und damit in einem Massenverfahren einer einfachen, praktikablen und gesamtwirtschaftlich tragbaren Lösung bedarf. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in dem Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b verwiesen. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen.
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An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Er vermag vorliegend auch keinen Grund erkennen, von dieser Einschätzung deshalb abzurücken, weil der Kläger freiwillig die gesetzliche Rentenversicherung gewählt hat und aufgrund seines Alters keine Möglichkeit hatte, in ein berufsständisches Versorgungswerk zu wechseln. Schließlich wären selbst im Fall eines solchen Beitritts die gleichen Beiträge –Arbeitnehmer- wie Arbeitgeberbeiträge– zu entrichten gewesen. Sowohl die Beitragszahlungen an Versorgungswerke wie auch die Pflichtbeiträge, die an die gesetzliche Rentenversicherung zu leisten sind, sind gesetzlich geschuldet. Lediglich die Höhe der späteren Leibrente hätte variieren können.
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Soweit deshalb jenseits der einkommensteuerlichen Belastung Be- und Entlastungswirkungen auftreten, wenn der Steuerpflichtige –anders als der Kläger– die Möglichkeit zum Eintritt in ein berufsständisches Versorgungswerk gehabt hätte, sind diese nach der Rechtsprechung des BVerfG selbst bei der verfassungsrechtlichen Würdigung der Normen des EStG am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ohne Belang (vgl. Senatsbeschluss vom 17. August 2011 X B 217/10, BFH/NV 2011, 2082). Nichts anderes kann sich im vorliegenden Fall ergeben. Die von den Klägern dargelegten Besonderheiten insoweit betreffen diese außersteuerlichen Effekte.
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b) Mit dem Einwand der Kläger, die geänderte Besteuerung der Renteneinkünfte verstoße gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, hat sich der erkennende Senat bereits ausführlich beschäftigt und in der tatbestandlichen Rückanknüpfung (sog. unechte Rückwirkung) keinen Verfassungsverstoß gesehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen im Senatsurteil vom 4. Februar 2010 X R 58/08 (BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579, unter B.II.2.) verwiesen. Danach kam die Entscheidung des BVerfG in seinem Urteil vom 6. März 2002  2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618) nach den sog. Appellbeschlüssen vom 26. März 1980  1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76 (BVerfGE 54, 11, BStBl II 1980, 545) und vom 24. Juni 1992  1 BvR 459/87, 1 BvR 467/87 (BVerfGE 86, 369, BStBl II 1992, 774) nicht unerwartet, sondern war nur die folgerichtige Konsequenz seiner bisherigen Rechtsprechung.
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Ein wesentlicher Unterschied zu dem in BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579 zugrundeliegenden Sachverhalt ist nicht erkennbar. Wie im vorliegenden Fall hatte der damalige Kläger (auch) Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung neben Leistungen an eine befreiende Lebensversicherung entrichtet, und zwar seit dem 1. Januar 1968, also sogar ab Beginn der Beitragszahlungen des Klägers.
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Unabhängig von der Frage, ob ein Steuerpflichtiger, der vor dem Beschluss in BVerfGE 54, 11, BStBl II 1980, 545 freiwillig der gesetzlichen Rentenversicherung beitrat, einen besonderen Vertrauensschutz genießt, hat der Senat in BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579 entschieden, die Änderung der Rentenbesteuerung durch das Alterseinkünftegesetz halte auch einer einzelfallbezogenen Abwägung zwischen dem Ausmaß des durch die Gesetzesänderung verursachten Vertrauensschadens und der Beeinträchtigung der geschützten Grundrechtspositionen des Einzelnen (insbesondere Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 GG) einerseits und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl andererseits stand (vgl. weiterführend Senatsurteil in BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579, unter B.II.2.b bb). Es kommt deshalb, anders als von den Klägern angenommen, nicht darauf an, dass der Kläger hier bereits 1968 und damit vor Bekanntgabe des Beschlusses in BVerfGE 54, 11, BStBl II 1980, 545 freiwillig der gesetzlichen Rentenversicherung beitrat.
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c) Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das Verbot der Doppelbesteuerung bei der Berechnung der jeweiligen Steuerbelastung der Rentenversicherungsbeiträge bzw. der Steuerbelastung der Renteneinkünfte ist das Nominalwertprinzip zugrunde zu legen. Zu diesem Ergebnis kam der Senat vor dem Hintergrund der Inflationsentwicklung der letzten Jahrzehnte bereits in den Urteilen in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567 (dort unter B.II.5.) und in BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579 (dort unter B.II.4.b). An dieser Einschätzung hält der Senat fest und sieht –auch angesichts der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Lage seit 2008– vorliegend keinen Grund hiervon abzuweichen.
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3. Soweit sich die Kläger gegen die quotale Aufteilung des gesetzlichen Sonderausgabenhöchstbetrages wenden, machen sie die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit des FG-Urteils geltend. Eine Rüge der Verletzung materiellen Rechts vermag jedoch die Revisionszulassung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. April 2014 X B 70/13, www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen, Datum der Veröffentlichung: 28. Mai 2014, m.w.N.). Auch dürfte seit der Entscheidung des BVerfG vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125, Deutsches Steuerrecht 2008, 604) geklärt sein, dass eine Aufspaltung der Beiträge anhand der Beitragssätze für die als gleichrangig anzusehenden Zweige der Sozialversicherung vorzunehmen ist (weiterführend: BFH-Urteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.c cc).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

Quelle: bundesfinanzhof.de