X R 27/11 – Zulässigkeit von Rechtsmitteln setzt formelle Beschwer voraus

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 15.5.2013, X R 27/11

Zulässigkeit von Rechtsmitteln setzt formelle Beschwer voraus

Tatbestand

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I. In dem Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) waren im Wesentlichen zwei Punkte streitig. Obwohl das FG der Auffassung der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nur in einem Punkt folgte, führte dies für die Streitjahre 2003 und 2004 bereits zur Herabsetzung der Einkommensteuer auf jeweils 0 EUR.
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Mit ihrer Revision beantragen die Kläger,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 23. Juni 2010  4 K 12348/07 aufzuheben, soweit es die Jahre 2003 und 2004 betrifft und darin die Klage abgewiesen worden ist, und die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 vom 8. Mai 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2007 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb um Zinsaufwendungen in Höhe von 9.025,20 EUR (2003) bzw. 3.655,62 EUR (2004) gemindert werden.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unzulässig und gemäß § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen, da die Kläger durch die angegriffene Entscheidung des FG nicht beschwert sind.
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1. Die formelle Beschwer gehört zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels der Revision; sie ist nur gegeben, soweit das FG dem Klagebegehren nicht voll entsprochen hat (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 3. Juni 1976 IV R 236/71, BFHE 120, 348, BStBl II 1977, 62, unter 1.a, und vom 7. April 2011 III R 24/08, BFHE 233, 44, BStBl II 2012, 210, unter II.3.).
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2. Vorliegend hat das FG die Einkommensteuer für die Jahre 2003 und 2004 auf die Beträge herabgesetzt, die sich ergeben, wenn die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie die Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen jeweils um bestimmte Beträge vermindert werden. Die Berechnung der Einkommensteuer hat es gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen. Das FA hat den Klägern am 6. August 2010 gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO durch Übersendung entsprechender Probeberechnungen mitgeteilt, dass die Einkommensteuer für die Streitjahre 2003 und 2004 nun 0 EUR betrage.
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3. Danach fehlt es an der erforderlichen formellen Beschwer der Kläger durch die angefochtene vorinstanzliche Entscheidung. Da das FG die Einkommensteuer bereits auf 0 EUR herabgesetzt hat, ist dem gestellten Klageantrag voll entsprochen. Eine weitere Herabsetzung der festgesetzten Steuer ist nicht denkbar und wird von den Klägern –die mit ihrem Revisionsantrag sinngemäß die Herabsetzung der Einkommensteuer auf 0 EUR beantragen– auch nicht begehrt.
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Eine Auswirkung auf einen möglichen Verlustabzug ist vorliegend ebenfalls ausgeschlossen, da der Gesamtbetrag der Einkünfte –ausweislich der Probeberechnungen 36.279 EUR (2003) bzw. 29.845 EUR (2004)– in beiden Streitjahren auch dann positiv bleiben würde, wenn die streitgegenständlichen Darlehenszinsen (9.026 EUR für 2003 bzw. 3.656 EUR für 2004) in vollem Umfang als Betriebsausgaben abgezogen würden.
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Es kommt für die Beurteilung, ob die Kläger durch das finanzgerichtliche Urteil beschwert sind, nicht darauf an, dass das FA bisher keine Änderungsbescheide erlassen, sondern lediglich Probeberechnungen erstellt hat. Denn die Einkommensteuer ist bereits durch das Urteil auf 0 EUR herabgesetzt worden; die künftigen Änderungsbescheide dürfen keinen Inhalt aufweisen, der mit dem –aufgrund dieses Beschlusses rechtskräftig gewordenen– Urteil in Widerspruch steht.

Quelle: bundesfinanzhof.de