XI B 104/09 – Weder Nichtigkeit noch Steuererlass bei unionsrechtswidriger Festsetzung der Umsatzsteuer aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 3.8.2010, XI B 104/09

Weder Nichtigkeit noch Steuererlass bei unionsrechtswidriger Festsetzung der Umsatzsteuer aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten

Gründe

1 
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Zum Teil sind die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht den Anforderungen entsprechend dargelegt; im Übrigen liegt der hinreichend dargelegte und geltend gemachte Zulassungsgrund nicht vor.
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1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist erfolglos, soweit sich die Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift auf eine Verfassungsbeschwerde, die inzwischen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommenen wurde (Beschluss vom 16. Februar 2010  1 BvR 2218/09, nicht veröffentlicht –n.v.–) beruft, sich unter Beifügung einer Kopie der Beschwerdeschrift in jenem Verfahren auf deren Inhalt bezieht und diesen zum Gegenstand ihres Vorbringens macht. Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen (§ 62 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem BFH eingeleitet wird (§ 62 Abs. 4 Satz 2 FGO). Der Vertretungszwang bedeutet, dass der jeweilige Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die Einlegung und die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde übernehmen muss. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss daher von dem Prozessbevollmächtigten selbst stammen (vgl. zu § 62a FGO a.F. BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2003 XI B 145/02, BFH/NV 2004, 348, m.w.N.). Im Streitfall hat der nach § 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO zur Vertretung vor dem BFH berechtigte Prozessvertreter der Klägerin die Beschwerde, soweit er sich auf den Inhalt einer Beschwerdeschrift in einem anderen Verfahren von einem anderen Prozessbevollmächtigten bezieht und diesen zum Vortrag seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht, nicht selbst begründet. Daraus wird deutlich, dass sich der Prozessvertreter der Klägerin insoweit nicht selbst mit dem Streitstoff befasst, ihn insbesondere nicht im Hinblick auf das Vorliegen und die Darlegung etwaiger Zulassungsgründe überprüft hat.
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2. Die Klägerin hat die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
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a) Stützt sich eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Streitfall auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, setzt eine ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes voraus, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist hierzu ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus welchen Gründen im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung im Allgemeininteresse liegt (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. April 2010 VI B 167/09, BFH/NV 2010, 1351, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.). Die bloße Behauptung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt nicht. Hat der BFH bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer darüber hinaus begründen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung zu dieser Frage für erforderlich hält. Er muss substantiiert vortragen, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich beantwortete Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere, welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente gegen die Rechtsauffassung des BFH in der Rechtsprechung der Finanzgerichte oder in der Literatur vorgebracht worden sind (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. März 2007 I B 72/06, n.v., juris; vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985; vom 28. Juli 1997 VIII B 68/96, BFH/NV 1998, 29; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 33, m.w.N.). Wenn eine höchstrichterliche Entscheidung zu der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht vorliegt, genügt dies für sich allein nicht für eine Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. März 2007 I B 72/06, n.v., juris; vom 26. Mai 2004 III B 89/03, BFH/NV 2004, 1221; vom 18. April 2005 II B 98/04, BFH/NV 2005, 1310). In jedem Fall muss dargelegt werden, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und ggf. streitig ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. März 2007 I B 72/06, n.v., juris; vom 26. August 2004 II B 117/03, BFH/NV 2004, 1625; vom 7. Oktober 2004 VIII B 76/04, BFH/NV 2005, 337; vom 3. November 2004 X B 121/03, BFH/NV 2005, 350).
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Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin hat zwar die Rechtsfragen aufgeworfen, ob erstens ein bestandskräftiger Umsatzsteuerbescheid, der unstreitig gegen Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) verstoße, zur Nichtigkeit der Festsetzung nach § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) führe, und ob zweitens in diesem Fall –wenn dies nicht die Nichtigkeit zur Folge hat– die festgesetzte Umsatzsteuer nach § 227 AO zu erlassen sei. Die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfragen wurde jedoch nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.
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aa) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass ein unionsrechtswidriger Bescheid, dessen Rechtswidrigkeit allein auf der unterschiedlichen Auslegung einer Rechtsnorm beruht und der zum Zeitpunkt seines Ergehens der nationalen Rechtsprechung entsprach, nicht nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1996 XI R 36/95, BFHE 179, 563, BStBl II 1996, 399). Dies trifft im Streitfall zu. Es entsprach der Rechtsprechung des BFH, die Steuerbefreiung gemäß Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG auf die Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten nicht unmittelbar anzuwenden (vgl. BFH-Beschluss vom 6. November 2002 V R 7/02, BFHE 200, 149, BFHE/NV 2003, 275).
7 
In der Beschwerdeschrift geht die Klägerin weder auf die in der Literatur vertretenen Meinungen zur Rechtsfolge unionsrechtswidriger Verwaltungsakte (z.B. de Weerth, Deutsches Steuerrecht 2008, 1368; Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 125 AO Rz 45, m.w.N.) ein, noch legt sie dar, weshalb die Frage auf der Grundlage der bereits ergangenen Rechtsprechung nicht zu entscheiden wäre. Es genügt den vorgenannten Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung nicht, wenn sich die Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift im Kern auf den Hinweis stützt, eine Entscheidung des BFH zur Frage, ob die vorsätzliche Nichtumsetzung einer europäischen Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber zur Nichtigkeit des Steuerbescheids führe, sei bislang nicht vorhanden.
8 
Ein Ausnahmefall, in dem auf die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verzichtet werden kann, wenn diese offenkundig ist, weil z.B. die streitige Rechtsfrage seit längerer Zeit in der Literatur kontrovers diskutiert wird, für eine Vielzahl von Steuerfällen bedeutsam und vom BFH noch nicht geklärt ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32, m.w.N.), ist im Hinblick auf die vorgenannte Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht ersichtlich. Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung dieser Rechtsprechung erfordern würden, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dies gilt auch, soweit sich die Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit (Art. 10 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft; nunmehr Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union) in Gestalt des Effektivitäts- und Äquivalenzprinzips beruft. Der BFH hat hierzu bereits entschieden, dass die Aufhebung eines rechtswidrigen belastenden bestandskräftigen Verwaltungsakts nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nur dann in Betracht kommt, wenn sie durch eine nationale Regelung ermöglicht wird. Ein bestandskräftiger Steuerbescheid ist deshalb nicht änderbar, wenn das nationale Recht hierfür keine Rechtsgrundlage vorsieht (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 2006 V R 67/05, BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436; die gegen dieses Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Beschluss vom 4. September 2008  2 BvR 1321/07, BFH/NV 2009, 110).
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bb) Durch die Rechtsprechung des BFH ist ebenso bereits geklärt, dass bestandskräftig festgesetzte Steuern nur dann im Billigkeitsverfahren nach § 227 AO zu erlassen sind, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich hiergegen in dem dafür vorgesehenen Festsetzungsverfahren rechtzeitig zu wehren. Der BFH hat in diesem Zusammenhang wiederholt entschieden, dass die Vorgaben in Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG vor Ergehen des EuGH-Urteils vom 17. Februar 2005 Rs. C-453/02 und C-462/02, –Linneweber und Akritidis– (Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94) nicht eindeutig waren und dass es angesichts mangelnder Erfolgsaussichten nicht unzumutbar war, rechtzeitig gegen eine Umsatzsteuerfestsetzung Einspruch einzulegen (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2009 V B 52/08, BFH/NV 2009, 1593, m.w.N.; die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Beschluss vom 16. Februar 2010  1 BvR 2218/09, n.v.).
10 
Die Klägerin trägt in ihrer Beschwerdeschrift hierzu keinen Gesichtspunkt vor, der eine erneute Prüfung dieser Rechtsprechung erforderlich erscheinen lässt. Mit ihrem Vorbringen, der vorliegende Fall biete erstmalig die Gelegenheit zu beantworten, ob trotz einer nachgewiesenen Kenntnis der zuständigen Organe der Gesetzgebung im Jahr 1973 über die Steuerbefreiung von Umsätzen aus Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit das Tatbestandsmerkmal "offenkundig und eindeutig unrichtig" verneint werden könne, stellt sie im Kern die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage und rügt die ihres Erachtens fehlerhafte Rechtsanwendung, also materiell-rechtliche Fehler. Einen Revisionszulassungsgrund begründet dies jedoch nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2008 IX B 249/07, BFH/NV 2008, 1512, m.w.N.).
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cc) Die Klägerin legt mit ihrem Hinweis auf bereits anhängige Revisionsverfahren, die die aufgeworfenen Rechtsfragen betreffen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dar. Der Hinweis, beim BFH seien in ähnlich gelagerten Fällen bereits Revisionsverfahren anhängig, reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht aus (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. August 2007 X B 32/07, BFH/NV 2007, 2279, m.w.N.; vom 18. März 2005 IX B 193/04, BFH/NV 2005, 1342, m.w.N.).
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b) Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO hat die Klägerin ebenfalls nicht dargelegt. Dazu wären in gleicher Weise konkrete Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der herausgestellten Rechtsfragen erforderlich gewesen (vgl. BFH-Beschluss vom 27. März 2007 I B 72/06, n.v., juris, m.w.N.). Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung der die aufgeworfenen Rechtsfragen betreffenden Rechtsprechung des BFH zur Rechtsfortbildung erfordern würden, hat die Klägerin auch zu diesem Zulassungsgrund nicht vorgetragen.
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c) Wird als Zulassungsgrund –wie im Streitfall– nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO geltend gemacht, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des BFH, muss mit der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder das angefochtene Urteil willkürlich und deshalb geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 40, 45). Ausführungen dazu, dass das Finanzgericht (FG) in einer Rechtsfrage von der Rechtsprechung des BFH oder eines anderen Gerichts abgewichen ist, sind der Beschwerdeschrift nicht zu entnehmen. Weder hat die Klägerin dargelegt, in welcher abstrakt zu formulierenden Rechtsfrage ihrer Ansicht nach eine solche Abweichung vorliegen soll, noch hat sie Entscheidungen des BFH oder eines anderen Gerichts hierzu benannt. Ebenso wenig macht sie geltend, das angefochtene Urteil sei willkürlich. Der Hinweis auf bereits anhängige Revisionsverfahren in vergleichbaren Fällen, auf die sich die Klägerin stützt, genügt nicht zur Darlegung des Revisionsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Anhängige Revisionsverfahren in gleichgelagerten Fällen allein machen eine Entscheidung des BFH im Streitfall nicht erforderlich.
14 
3. Die Revision ist nicht wegen eines Verstoßes gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör zuzulassen.
15 
Wird die Zulassung der Revision auf die Versagung des rechtlichen Gehörs i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 3 FGO gestützt, ist substantiiert darzulegen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen sich der Beteiligte vor dem FG nicht äußern konnte oder welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. April 2008 X B 154/07, BFH/NV 2008, 1361, m.w.N.; vom 5. August 2004 II B 159/02, BFH/NV 2004, 1665, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 14, m.w.N.). Im Streitfall begründet die Klägerin ihre Nichtzulassungsbeschwerde in diesem Punkt damit, das FG habe ihren Vortrag, ob ein Verwaltungsakt, der nur aufgrund einer vorsätzlichen Nichtumsetzung einer europäischen Richtlinie zu Stande gekommen sei, an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sei, zwar im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung erwähnt, jedoch in den Entscheidungsgründen nicht aufgegriffen. Dort finde sich nicht ein einziges Wort dazu, weshalb trotz der im Verfahren durch Urkunden nachgewiesenen Kenntnis der zuständigen Organe der Gesetzgebung seit 1973, die vorsätzliche Nichtumsetzung der Steuerbefreiung, die zu der vorliegenden falschen Besteuerung geführt habe, nicht zur Nichtigkeit nach § 125 Abs. 1 AO führe.
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Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel in Gestalt der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt im Streitfall nicht vor. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Die richterliche Pflicht geht jedoch nicht soweit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat. Es darf das Vorbringen außer Acht lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1361, m.w.N.). Das FG führt in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung aus, dass die nicht ordnungsgemäße Umsetzung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG allenfalls zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung, nicht aber zu deren Nichtigkeit führe (FG-Urteil Seite 6), und der von der Klägerin angeführte "qualifizierte Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht" keine Voraussetzung für die unmittelbare Wirkung einer Richtlinienvorschrift, sondern für einen gemeinschaftsrechtlichen Entschädigungsanspruch sei (FG-Urteil Seite 7). Das FG hat somit entgegen der Ansicht der Klägerin deren tatsächliches Vorbringen im finanzgerichtlichen Verfahren nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern bei seiner Entscheidung ersichtlich auch in Erwägung gezogen. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liegt nicht deshalb vor, weil das FG der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die Klägerin nicht gefolgt ist. Das Gericht ist nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht dazu verpflichtet, sich den Ausführungen eines Beteiligten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht anzuschließen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1593, m.w.N.).

Quelle: bundesfinanzhof.de


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