XI B 2/19 – Absetzung für Abnutzung; kein längerer Zeitraum als von § 7 Abs. 4 EStG vorgesehen

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 28.5.2019, XI B 2/19
ECLI:DE:BFH:2019:B.280519.XIB2.19.0

Absetzung für Abnutzung; kein längerer Zeitraum als von § 7 Abs. 4 EStG vorgesehen

Leitsätze

1. NV: Die Rechtsfrage, ob § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG analog auf die Fälle, in denen die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes die gesetzliche Nutzungsdauer von 33 Jahren (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG) übersteigt, anzuwenden ist, ist zu verneinen.

2. NV: § 7 Abs. 4 EStG ist verfassungsgemäß.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.11.2018 – 1 K 1675/18 wird als unbegründet zurückgewiesen

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

 
I.
1 
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb und die Verwaltung von Immobilien insbesondere zum Zwecke der Errichtung und Verwaltung eines Pferdezuchtbetriebes sowie die Pferdezucht.
2 
Nach der Gründung erwarb die Klägerin ein Grundstück, welches in der Folgezeit mit einer Reitanlage (Reithalle, Lagerhalle, Maschinenhalle und Pferdeboxen) bebaut wurde. Die Fertigstellung erfolgte im Mai 2011. Die Klägerin berücksichtigte in ihren Steuererklärungen eine Absetzung für Abnutzung (AfA) für das Gebäude seit 2011 mit jährlich 1,25 % der Herstellungskosten. Die Veranlagungen erfolgten erklärungsgemäß.
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Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass das Gebäude zwingend nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit jährlich 3 % abzuschreiben sei.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ für das Streitjahr 2015 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung geänderten Körperschaftsteuerbescheid (Gewinnkorrektur in Höhe von ./. 31.925 EUR) und setzte die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag 2015 jeweils mit 0 EUR fest. Es erfolgte gleichzeitig eine Anpassung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes zum 31. Dezember 2015. Die Bescheide datieren vom 4. April 2018. Mit Bescheid über die Feststellung des nicht ausgeglichenen Verlustes aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung nach § 15 Abs. 4 EStG vom 29. März 2018 wurde der Verlust zum 31. Dezember 2015 entsprechend angepasst.
5 
Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Die Verkürzung der Abschreibungsdauer ab 2015 führe dazu, dass sich der Verlustvortrag gemäß § 15 Abs. 4 EStG erhöhe und dies wiederum zur Folge habe, dass ihre Tätigkeit möglicherweise zeitlich früher als sog. Liebhaberei eingestuft werde. Gegen die zurückweisende Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2018 erhob die Klägerin Klage. Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 21. November 2018 – 1 K 1675/18 als unbegründet abgewiesen.
6 
Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) und das Erfordernis einer Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) geltend.

Entscheidungsgründe

 
II.
7 
Die Beschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
8 
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.
9 
a) Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, hat der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll; hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 26. September 2017 – XI B 65/17, BFH/NV 2018, 240, m.w.N.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u.a. dann, wenn die in Rede stehende Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, welche eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erfordern (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Juni 2007 – X B 34/06, BFH/NV 2007, 1703, unter 1.a; vom 14. Juli 2008 – VIII B 179/07, BFH/NV 2008, 1874; vom 21. Dezember 2017 – III B 27/17, BFH/NV 2018, 432, Rz 10). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es auch, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschlüsse vom 30. August 2007 – XI B 1/07, BFH/NV 2007, 2280, unter 1.; in BFH/NV 2018, 432, Rz 10).
10 
b) Das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Juni 2014 – XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584, Rz 34, m.w.N.). Für diesen Zulassungsgrund gilt ebenso wie für den der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), dass die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage betreffen muss (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 9. Januar 2014 – XI B 11/13, BFH/NV 2014, 915, Rz 23, m.w.N.).
11 
c) Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG analog auf die Fälle, in denen die tatsächliche bzw. die zu erwartende Nutzungsdauer eines Gebäudes die fiktive Nutzungsdauer von 33 Jahren übersteigt, anzuwenden ist, ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 28. September 1971 – VIII R 73/68, BFHE 103, 468, BStBl II 1972, 176; vom 7. Juni 1977 – VIII R 105/73, BFHE 122, 300, BStBl II 1977, 606; vom 18. September 2003 – X R 54/01, BFH/NV 2004, 474, unter II.2.; vom 28. Oktober 2008 – IX R 51/07, BFH/NV 2009, 157, unter II.2.b aa). Sie ist zu verneinen.
12 
Die in § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG genannten Abschreibungssätze beruhen auf fiktiven Nutzungsdauern (vgl. BFH-Urteil in BFHE 122, 300, BStBl II 1977, 606). Die tatsächliche Nutzungsdauer von Gebäuden wird gewöhnlich länger sein; davon geht auch der Gesetzgeber aus (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 474, unter II.2. mit Hinweis auf BTDrucks IV/2008, S. 4, 5). Die tatsächliche Nutzungsdauer im Erwerbszeitpunkt bzw. Herstellungszeitpunkt hat daher für die Besteuerung keine Bedeutung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 103, 468, BStBl II 1972, 176). Die Abschreibungssätze bleiben in der Regel hinter den tatsächlichen Nutzungspotentialen zurück (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 157, unter II.2.b aa).
13 
Die fiktiven Sätze zur AfA dienen u.a. der Gesetzesvereinfachung (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 474, unter II.2.). Jene Vereinfachung wird dadurch erreicht, dass der gesetzlich festgelegte AfA-Satz eine einfachere Handhabung ermöglicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 103, 468, BStBl II 1972, 176; BTDrucks IV/2008, S. 5). Und die in der Regel zur Realität niedrigere Nutzungsdauer führt zu einer Verbesserung der Absetzungsmöglichkeiten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 103, 468, BStBl II 1972, 176, mit Hinweis auf BTDrucks IV/2008, S. 8, 10 rechte Spalte; s.a. aus der Literatur z.B. Blümich/Brandis, § 7 EStG Rz 456, m.w.N.). Nur für den Fall, dass die tatsächliche Nutzungsdauer unterhalb der fiktiven Nutzungsdauer des § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG liegt, kommt nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG eine Überschreitung der AfA-Sätze in Betracht.
14 
d) Es sind nach dem Vortrag der Klägerin auch keine neuen Gesichtspunkte erkennbar, welche eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erfordern. Wegen des typisierenden Charakters der AfA-Sätze (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 157, unter II.2.b aa) ist das von der Klägerin vorgetragene Argument, ihre Tätigkeit könne ohne Berücksichtigung der längeren tatsächlichen Nutzungsdauer zeitlich früher als sog. Liebhaberei eingestuft werden, nicht geeignet, die gesetzlich vorgeschriebenen AfA-Sätze zu unterschreiten.
15 
Dem Gesetzgeber ist es erlaubt, Sachverhalte, an die er dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpft, zu typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falls zu vernachlässigen. Der Gesetzgeber darf aber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, vielmehr muss er sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 2016 – 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557, Rz 25; BFH-Urteil vom 14. Juni 2018 – III R 35/15, BFHE 261, 558, BStBl II 2018, 662, Rz 20). Die von § 7 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG betroffenen Fälle entsprechen typischerweise dem Leitbild der Regelung. Die Steuerpflichtigen erhalten eine einfache Handhabung und eine ihren Interessen entsprechende verbesserte Abschreibungsmöglichkeit. Die im Streitfall insoweit entgegengesetzte Interessenlage der Klägerin spiegelt dagegen einen atypischen Fall wider, so dass eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht gegeben ist und die Rechtslage auch eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht erfordert.
16 
2. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO von einer weiteren Begründung ab.
17 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Quelle: bundesfinanzhof.de