Zu § 350 – Beschwer:

Zu § 350 – Beschwer:

1.

1Eine Beschwer ist nicht nur dann schlüssig geltend gemacht, wenn eine Rechtsverletzung oder Ermessenswidrigkeit gerügt wird, sondern auch dann, wenn der Einspruchsführer eine günstigere Ermessensentscheidung begehrt. 2Aus nicht gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen (§ 157 Abs. 2) ergibt sich keine Beschwer.

2.

Bei einer zu niedrigen Festsetzung kann eine Beschwer dann bestehen, wenn eine höhere Festsetzung, z. B. aufgrund des Bilanzenzusammenhangs, sich in Folgejahren günstiger auswirkt (BFH-Urteil vom 27.5.1981 – I R 123/77 – BStBl 1982 II, S. 211) oder wenn durch die begehrte höhere Steuerfestsetzung die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen ermöglicht wird und aufgrund dessen ein geringerer Betrag als bisher entrichtet werden muss (BFH-Urteil vom 8.11.1985 – VI R 238/80 – BStBl 1986 II, S. 186, und BFH-Beschluss vom 3.2.1993 – I B 90/92 – BStBl II, S. 426 ).

3.

1Bei einer Nullfestsetzung besteht grundsätzlich keine Beschwer (BFH-Urteil vom 24.1.1975 – VI R 148/72 – BStBl II, S. 382 ).2Etwas anderes gilt, wenn eine Vergütung oder eine Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit (BFH-Urteil vom 13.7.1994 – I R 5/93 – BStBl 1995 II, S. 134) begehrt wird oder wenn die der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen außersteuerliche Bindungswirkung haben (BFH-Urteil vom 20.12.1994 – IX R 80/92 – BStBl 1995 II, S. 537 ).

4.

Wird durch Einspruch die Änderung eines Grundlagenbescheids begehrt, kommt es für die schlüssige Geltendmachung der Beschwer nicht auf die Auswirkungen in den Folgebescheiden an.

5.

Beschwert sein kann nicht nur derjenige, für den ein Verwaltungsakt bestimmt ist, sondern auch derjenige, der von ihm betroffen ist.

6.

1Eine weitere, in der AO nicht ausdrücklich genannte Zulässigkeitsvoraussetzung ist das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses, d. h. eines schutzwürdigen, berücksichtigungswerten Interesses an der begehrten Entscheidung im Einspruchsverfahren.

2Die Möglichkeit, einen Antrag auf schlichte Änderung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) zu stellen, beseitigt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch, da dieser die Rechte des Steuerpflichtigen umfassender wahrt (vgl. vor § 347, Nr. 1). 3Wendet sich der Steuerpflichtige gegen denselben Verwaltungsakt sowohl mit einem Einspruch als auch mit einem Antrag auf schlichte Änderung, ist nur das Einspruchsverfahren durchzuführen (BFH-Urteil vom 27.9.1994 – VIII R 36/89 – BStBl 1995 II, S. 353).

4Wird mit dem Einspruch ausschließlich die angebliche Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm gerügt, fehlt grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Finanzbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt spätestens im Einspruchsverfahren hinsichtlich des strittigen Punktes für vorläufig erklärt hat (BFH-Beschlüsse vom 10.11.1993 – X B 83/93 – BStBl 1994 II, S. 119, und vom 22.3.1996 – III B 173/95 – BStBl II, S. 506). 5Trotz vorläufiger Steuerfestsetzung kann aber ein Rechtsschutzbedürfnis anzunehmen sein, wenn der Einspruchsführer besondere Gründe materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art substantiiert geltend macht oder Aussetzung der Vollziehung begehrt (BFH-Urteil vom 30.9.2010 – III R 39/08 -, BStBl 2011 II, S. 11; zur Aussetzung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel vgl. zu § 361, Nr. 2.5.4).