Einkommensteuer: Ob der Steuerpflichtige einen Hausstand im Sinne der doppelten Haushaltsführung unterhält, muss im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden.

Halten die Eltern des erwachsenen Steuerpflichtigen, der bereits mehrere Jahre nicht mehr bei Ihnen gewohnt hat, eine Wohnung für ihn vor und kann er nicht nachweisen, dass er überhaupt etwas zum Haushalt beiträgt, liegt kein eige- ner Hausstand vor, insbesondere wenn er weder Telefon, Fernsehen noch Radio dort an- gemeldet hat; Urteil des 6. Senats vom 17.4.2013, 6 K 134/11, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH VI B 53/13. – Entscheidung im Volltext

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 6 K 134/11
Urteil des Berichterstatters vom 17.04.2013
Rechtskraft: Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH: VI B 53/13
Normen: EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 Satz 6
Leitsatz: 1. Es muss im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des
Einzelfalles entschieden werden, ob der Steuerpflichtige einen Haushalt im Sinne der
doppelten Haushaltsführung unterhält.
2. Kann der Steuerpflichtige nicht nachweisen, dass er überhaupt etwas zum
Haushalt beiträgt und halten die Eltern des erwachsenen Steuerpflichtigen, der
bereits mehrere Jahre nicht mehr zu Hause gewohnt hat, die Wohnung nur vor, liegt
kein eigener Hausstand des Kindes vor. Die Nichtanmeldung von Telefon,
Fernsehen und Radio ist ein wesentliches Indiz gegen einen eigenen Hausstand des
Kindes.
Überschrift: Einkommensteuer: doppelte Haushaltsführung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Mehraufwendungen für eine
doppelte Haushaltsführung für das Jahr 2008.
Die 1977 geborene ledige Klägerin wohnte während ihrer Schulzeit bei ihren Eltern in
A. Ihre Schule befand sich in B. Nach dem Abitur absolvierte die Klägerin eine
Ausbildung. Nach der Beendigung der Ausbildung begann sie das Studium … in B.
Seit 2003 bewohnte die Klägerin gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, der
zunächst auch in B studierte, eine in B angemietete Wohnung. Diese Wohnung
bestand laut Mietvertrag aus drei Zimmern und war 75,13 qm groß. Das
Mietverhältnis wurde zum 30.04.2008 beendet.
Im Jahr 2006 beendete die Klägerin ihr Studium an der Fachhochschule und
arbeitete zunächst als … bei einem Unternehmer in B und einer Gesellschaft in C.
Am 01.09.2007 begann die Klägerin ein Praktikum bei der D GmbH in E. Das
Praktikum wurde bis zum 29.02.2008 einmal verlängert und mit Vertrag vom … 2008
in ein befristetes Anstellungsverhältnis (voraussichtlich bis Februar 2010) ohne
Probezeit mit Wirkung zum 01.03.2008 umgewandelt.
Am 02.05.2008 meldete sich die Klägerin im Elternhaus in A, Y-Straße …, an. Die
von ihr genutzte Einliegerwohnung besaß insbesondere eine eigene Küche und ein
eigenes Bad. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Klägerin
eingereichte Wohnungsskizze verwiesen.
Am … 2008 schloss die Klägerin einen Mietvertrag über eine 2-Zimmer-Wohnung in
E ab. Beginn des Mietverhältnisses war laut Vertrag der 01.06.2008. Die Wohnung
maß 52,92 qm. Die Klägerin meldete diese Wohnung am 30.10.2008 als
Hauptwohnung an.
Für das Streitjahr machte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung 2008 vom
08.09.2008 neben weiteren Werbungskosten Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 8.415,00 € geltend. Als
Mehraufwendungen gab die Klägerin die Fahrtkosten für 15 Familienheimfahrten
über eine Entfernung von 170 km an sowie Verpflegungsmehraufwendungen für 91
Tage, Unterkunftskosten am Arbeitsort (u. a. Miete und laufende Betriebs- und
Nebenkosten), die Kosten für den Umzug nach E und die Einrichtungskosten für die
Wohnung in E. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Steuererklärung der
Klägerin nebst Anlagen verwiesen.
Durch den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 20.10.2009 berücksichtigte der
Beklagte die erklärten Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung nicht.
Die berücksichtigten Fahrtkosten für die Wege von der Wohnung zur Arbeitsstätte
begrenzte er auf 4.500 €.
Die Klägerin legte daraufhin Einspruch ein, welcher dem Beklagten am 11.11.2009
zuging. Durch Einspruchsentscheidung vom 02.08.2011 wies der Beklagte den
Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte u. a. an,
dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Klägerin außerhalb ihres
Beschäftigungsorts in E einen weiteren Hausstand seit Mai 2008 gehabt habe.
Außerdem habe der Lebensmittelpunkt der Klägerin zuvor nicht in A, sondern in B
gelegen.
Am 02.09.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, es
seien Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung zu berücksichtigen.
Denn in 2008 habe sich ihr Lebensmittelpunkt in A befunden. Maßgeblich sei die
bestehende feste Einbindung in ihr soziales Umfeld. Ihre Familie und Freunde
wohnten im Umkreis von A. Sie unterstütze ihre Eltern, ihre Schwester und deren
Familie in ihrer Freizeit. Außerdem lebe ihr Lebenspartner in A, mit dem sie seit neun
Jahren liiert sei. Ihre Wohnung in E sei zunächst nur mit einer Matratze und einer
Kleiderstange eingerichtet gewesen. Erst im September habe sie ein Schlafsofa und
einen Schrank gekauft. Sie sei auch wegen dieser zunächst unwohnlichen Situation
in E fast jedes Wochenende nach A gefahren. In diesem Zusammenhang verweist
die Klägerin auch auf eine schriftliche Stellungnahme ihres Lebensgefährten.
Seit Juni 2008 habe sie lediglich fünf Wochenendenden nicht in A verbracht. Die
Fahrten von E nach B lege sie mit dem Pkw ihrer Mutter zurück, welchen sie allein
nutze. Überwiegend sei sie an Freitagen nach der Arbeit von E nach A gefahren und
dort für das Wochenende geblieben. Ihren Urlaub im Jahr 2008 habe sie oft in A
verbracht. Insbesondere in der Zeit vom 23.12.2008 bis 31.12.2008 sei sie in A
geblieben.
Auch habe sie in A einen eigenen Hausstand, obwohl ihr diese Wohnung kostenlos
überlassen worden sei, denn entscheidend sei, dass sie, die Klägerin, ihre
Lebenshaltungskosten dort alleine trage. Aus den eingereichten Kontoauszügen sei
ersichtlich, dass Geldabhebungen oder Kontoabbuchungen für Einkäufe in A
stattgefunden hätten. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf eine
schriftliche Stellungnahme ihres Vaters. Auch müsse einbezogen werden, dass die
Entscheidung des Gesetzgebers, „Kosten einer Zweitwohnung im Rahmen der
Werbungskosten“ zu berücksichtigen, „nicht davon abhängig gemacht werden könne,
wie hoch oder niedrig die Kosten für die ursprüngliche Wohnung seien, da die
Werbungskosten sich ja gerade auf die zusätzlich entstehenden Aufwendungen
durch die notwendig gewordene Zweitwohnung beziehen.“Auf Nachfrage des Gerichts erklärte die Klägerin, dass die von ihr bewohnte
Wohnung über keine gesondert abgerechneten Strom, Heizungs- oder
Warmwasseranschlüsse verfüge. Auch habe sie für die Wohnung in A weder ein
Telefon, noch ein Radio oder einen Fernseher angemeldet oder eine
Hausratsversicherung abgeschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
Stellungnahme der Klägerin vom 21.03.2013 verwiesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 20.10.2009 und die
Einspruchsentscheidung vom 02.08.2011 dahingehend zu ändern, dass die
Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung in Höhe von 8.415 € als
Werbungskosten berücksichtigt werden und die Einkommensteuer
dementsprechend niedriger festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung vom 30.09.2011
und trägt ergänzend vor, auch der Vater der Klägerin habe bestätigt, dass es keinen
schriftlichen Mietvertrag gebe und die Überlassung unentgeltlich erfolge. Dies
spreche gegen einen eigenen Hausstand der Klägerin. Die schriftliche Aussage,
dass die Klägerin sich an den Wasser- und Heizkosten nach einer mündlichen
Absprache beteilige, sei zu unspezifisch, um daraus Konsequenzen für einen
eigenen Hausstand herleiten zu können. Aus den vorgelegten Kontoauszügen könne
ebenfalls keine eigene Haushaltsführung hergeleitet werden. Denn hieraus ergäben
sich keine erheblichen finanziellen Aufwendungen für einen eigenen Hausstand in A.
Die Beteiligten haben im Erörterungstermin ihr Einverständnis mit einer
Entscheidung durch die Berichterstatterin erklärt und auf die Durchführung einer
mündlichen Verhandlung verzichtet. Auf die Sitzungsniederschrift des
Erörterungstermins vom 15.01.2013 wird verwiesen.
Dem Gericht lagen die Einkommensteuerakte und Rechtsbehelfsakte zu der
Steuernummer …/…/… des Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung ergeht gem. § 79a Finanzgerichtsordnung (FGO) und § 90 Abs. 2
FGO durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung.
I.
Die zulässige Klage ist nur zu einem Teil begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2008 vom 20.10.2009 und die
Einspruchsentscheidung vom 02.08.2011 sind rechtswidrig und verletzen die
Klägerin in ihren Rechten gem. § 100 Abs. 1 FGO, soweit der Beklagte es
unterlassen hat, die erklärten Fahrtkosten zwischen der Wohnung in A und der
Arbeitsstätte in E als Werbungskosten zu berücksichtigen. Hingegen hat der Beklagte zu Recht die von der Klägerin darüber hinaus erklärten Aufwendungen im
Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nicht berücksichtigt.
1. Die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung liegen nicht vor.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) sind notwendige
Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass
begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine
doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der
Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält,
beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
Die Klägerin hat in A im Streitjahr keinen eigenen Hausstand unterhalten.
a) Hausstand im Sinne der Vorschrift ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am
Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Unter dem Begriff des
Haushalts ist die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender
Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs –BFH– vom 01. Februar 2007 VI R 77/05, BFH/NV 2007, 1024).
Dabei ist die Wohnung der räumliche Bereich, in dem sich der Haushalt entfaltet.
Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in dem
Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte
Abwesenheit, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche
Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands
zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der
Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern nur in
einen fremden Haushalt –etwa in den der Eltern oder als Gast– eingegliedert ist.
Dann liegt keine eigene Haushaltsführung vor (BFH-Urteil vom 21. April 2010 VI R
26/09 in BFHE 230, 5, BStBl II 2012, 618, mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 14. Juni
2007 VI R 60/05, BFHE 218, 229, BStBl II 2007, 890). Der eigene Hausstand muss
vom Arbeitnehmer „unterhalten“ oder mitunterhalten werden. Unterhalten bedeutet
die Führung eines Haushalts. Dazu gehört auch, dass der Arbeitnehmer für die
Kosten des Haushalts aufkommt.
In den Fällen, in denen dem Arbeitnehmer die Wohnung unentgeltlich überlassen
wird, stellt sich in besonderer Weise die Frage, ob er einen eigenen Hausstand
unterhält oder in einen fremden eingegliedert ist. Zwar ist die entgeltliche
Einräumung einer Rechtsposition nicht Voraussetzung einer doppelten
Haushaltsführung bei Alleinstehenden. Nutzt allerdings der Arbeitnehmer eine
Wohnung unentgeltlich, ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die Wohnung eine eigene
oder die des Überlassenden, z. B. der Eltern, ist. Dabei ist das Merkmal der
Entgeltlichkeit ein Indiz, das im Zusammenhang mit einer Gesamtwürdigung aller
Umstände zu einer zutreffenden Beurteilung führen kann, nicht jedoch eine
unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non) für die Beantwortung der Frage,
ob ein eigener Hausstand unterhalten wird. Denn ein eigener Hausstand kann bei
Kostentragung im Übrigen auch in einer unentgeltlich überlassenen Wohnung geführt
werden. Hier gilt nichts anderes als bei einem Familienhaushalt, bei dem es, wie
dargestellt, auf die finanzielle Beteiligung des auswärts Beschäftigten an der
„Haushaltsführung“ ankommt (s. dazu auch BFH-Urteile vom 12. September 2000 VI
R 165/97, BFHE 193, 282, BStBl II 2001, 29; vom 04. November 2003 VI R 170/99,
BFHE 203, 386, BStBl II 2004, 16; vom 14. Oktober 2004 VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98). Dies gilt sowohl für die Überlassung der Wohnung selbst als
auch für die Kostentragung im Übrigen. Zwischen dem Unterhalten eines eigenen
Haushalts und der Frage, wer die Kosten dafür trägt, ist zu unterscheiden. Es ist
deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein alleinstehender Steuerpflichtiger auch dann
einen eigenen Haushalt unterhält, wenn nicht er selbst, sondern Dritte für diese
Kosten aufkommen. Denn eine eigene Haushaltsführung des auswärts Beschäftigten
ist nicht zwingend ausgeschlossen, wenn sich dessen finanzielle Beteiligung am
Haushalt nicht feststellen lässt, wie auch umgekehrt aus einem finanziellen Beitrag
allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen ist
(BFH-Urteil vom 28. März 2012 VI R 87/10, BFHE 236, 553). Ob ein Steuerpflichtiger
in einer Wohnung einen eigenen Hausstand führt, kann mithin nur unter
Berücksichtigung insbesondere der Einrichtung, der Ausstattung und der Größe eben
dieser Wohnung entschieden werden. Wird der Haushalt in einer in sich
abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein
eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom
Unterhalten eines eigenen Hausstands auszugehen sein. Ein eigener Hausstand
kann auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand im
Rahmen einer Wohngemeinschaft (mit den Eltern) geführt wird.
Es sind aber auch die persönlichen Lebensumstände, Alter und Personenstand des
Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. So wird regelmäßig ein junger Steuerpflichtiger,
der nach Schulabschluss gerade eine Ausbildung begonnen hat, noch eher in den
Haushalt seiner Eltern eingegliedert sein, wenn er im Haus der Eltern wohnt, selbst
wenn er dort auch eigene Räume zur Verfügung hat. Hatte der Steuerpflichtige
dagegen schon –etwa im Rahmen einer gefestigten Beziehung oder Ehe–
andernorts einen eigenen Hausstand geführt, ist es regelmäßig nicht fernliegend,
dass er einen solchen auch dann weiter unterhalten und fortführen wird, wenn er
diesen aufgibt und wieder eine Wohnung im Haus seiner Eltern bezieht.
b) Auf den Streitfall übertragen folgt hieraus, dass die Klägerin keinen eigenen
Hausstand in A im Streitjahr unterhalten hat.
Zwar kann auch ein alleinstehender Steuerpflichtiger grundsätzlich eine doppelte
Haushaltsführung für sich beanspruchen. Dies gilt auch in sog.
Rückverlegungsfällen. Auch geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin die
Einliegerwohnung im Haus der Eltern nutzen durfte und diese Einliegerwohnung
auch von der Größe zumindest vergleichbar mit der in E angemieteten Wohnung ist.
Allerdings gab es keinen schriftlichen Mietvertrag und auch keine schriftliche
Vereinbarung darüber, ob die Klägerin Kosten, die durch „ihre“ Wohnung entstanden
sind, erstatten musste. Bei der Ausstattung der Wohnung muss zu Lasten der
Klägerin berücksichtigt werden, dass für die Wohnung in A weder ein Telefon, noch
ein Radio oder Fernseher angemeldet worden ist. Gerade diese Ausstattungen sind
aber ein besonderes Indiz dafür, ob tatsächlich ein eigener Hausstand besteht oder
Räume nur zu Besuchszwecken benutzt werden. In diesem Zusammenhang ist auch
einzubeziehen, dass die Ausstattung der Einliegerwohnung in A, welche sich auf den
von der Klägerin eingereichten Fotos zeigt, einen eher vorläufigen Eindruck macht.
Die Klägerin konnte das Gericht auch nicht davon überzeugen, dass sie überhaupt
eigene relevante Aufwendungen getragen hat, welche das Unterhalten eines eigenen
Hausstandes hätten begründen können. Zwar ist es nach der neueren
Rechtsprechung des BFH nicht mehr erforderlich im Sinne einer conditio sine qua
non, dass der Steuerpflichtige eigene Aufwendungen tätigt. Indizielle Bedeutung kommt diesem Kriterium aber nach wie vor zu. Die Klägerin hat nicht substantiiert
dargelegt, dass sie sich tatsächlich an den laufenden Kosten für die Wohnung,
insbesondere Strom, Wasser oder Heizung beteiligt hat. Für die Einliegerwohnung
wurden die Strom-, Wasser- und Heizungskosten nicht separat ermittelt, so dass
noch nicht einmal feststeht, dass überhaupt durch die Einliegerwohnung zusätzliche
Kosten entstanden sind, welche die Eltern hätten tragen können. Die vom Vater in
diesem Zusammenhang vorgelegte Aussage ist zudem zu unkonkret und wurde
auch nicht durch entsprechende Belege substantiiert. Die Klägerin hat auch keine
Versicherung für diese Wohnung abgeschlossen oder Nachweise darüber erbracht,
dass sie (relevante und eindeutig zuordnungsfähige) Einrichtungsgegenstände
speziell für diese Wohnung gekauft hätte. Aus den von der Klägerin eingereichten
Unterlagen geht auch nicht hervor, dass die Klägerin regelmäßig Lebensmittel in A
gekauft hätte, so dass das Gericht insgesamt davon ausgeht, dass die Klägerin,
wenn sie sich in A aufhielt, in den Hausstand der Eltern eingegliedert war und keinen
eigenen Hausstand unterhalten hat. Der Vortrag der Klägerin ist auch nicht geeignet,
um z. B. von einer vollwertigen Wohngemeinschaft mit den Eltern auszugehen (wie
z. B. in dem BFH-Urteil vom 26.07.2012 VI R 10/12, BFHE 238, 413 oder im
anhängigen Revisionsverfahren VI R 46/12).
Entscheidend für die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist, dass die Klägerin in der
Zeit von 2003 bis April 2008 zusammen mit ihrem Freund bereits eine gemeinsame
Wohnung in B bewohnt hat und sie zunächst von dieser Wohnung in B auch täglich
nach E pendelte. Für diesen Zeitraum hat selbst die Klägerin nicht vorgetragen, dass
sie einen eigenen Hausstand in A unterhalten hätte. Auch in dieser Zeit hätte die
Klägerin jedoch nach der Bestätigung ihres Vaters die Einliegerwohnung nutzen
können. Eine solche Benutzungsmöglichkeit kann aber nicht als Unterhalten eines
eigenen Hausstandes in A gewertet werden, sondern entspricht einem Vorhalten der
Räume durch die Eltern für Besuchszwecke der Tochter. Alleine die Größe des
elterlichen Hauses und damit die Möglichkeit, eine abgeschlossene Wohnung für die
Kinder vorzuhalten, kann nicht allein entscheidend sein, um in jedem Fall von einem
Unterhalten eines eigenen Hausstandes des bereits erwachsenen Kindes ausgehen
zu können. Der Vortrag der Klägerin genügt nicht, um das Gericht davon zu
überzeugen, dass sie nach Aufgabe der Wohnung in B einen Hausstand in A neu
begründet hat.
2. Obwohl die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung nicht vorliegen,
sind zusätzliche Fahrtkosten in Höhe von 1.127 € zu berücksichtigen.
Denn die Voraussetzungen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 6 EStG liegen vor. Hiernach
sind Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Fahrten zwischen weiter entfernt
liegender Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten zu berücksichtigen, sofern
der Arbeitnehmer mehrere Wohnungen innehat, der örtliche Lebensmittelpunkt des
Steuerpflichtigen in der weiter entfernt liegenden Wohnung zu verorten ist und er
diese Wohnung nicht nur gelegentlich aufsucht (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6
EStG).
Obwohl die Klägerin, wie oben dargelegt, keinen eigenen Hausstand in A unterhält,
hat sie doch mehrere Wohnungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6 EStG
inne, denn die Anforderungen, welche an das „Innehaben“ gestellt werden, sind
niedriger als an das „Unterhalten“.Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin in 2008 ihren Lebensmittelpunkt noch
nicht in E begründet hat. Der Mietvertrag für die Wohnung in E begann erst ab dem
01.06.2008. Die Klägerin hat glaubhaft vorgetragen, dass sie erst ab dem September
2008 ein Schlafsofa für diese Wohnung gekauft hat. Auch ansonsten war die E
Wohnung zunächst noch nicht richtig ausgestattet. Die Anzahl der vorgenommenen
Fahrten nach A spricht ebenso für einen Lebensmittelpunkt in A, wie auch die
Bescheinigung des Lebensgefährten der Klägerin, dass er mit der Klägerin in A
zusammengelebt habe. Die Klägerin hat auch glaubhaft erklärt, dass sie zunächst in
E keine privaten Unternehmungen durchgeführt hat und sich ihre sozialen Kontakte
nur auf Arbeitskollegen beschränkten.
Die Klägerin hat in ihrer Einkommensteuererklärung 2008 14 Fahrten als
Familienfahrten zuzüglich einer „ersten Hinfahrt“ erklärt. Diese 15 Fahrten sind gem.
§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 6 EStG zu berücksichtigen. Das Gericht geht dabei zu Gunsten
der Klägerin davon aus, dass diese direkt aus A zur Arbeit gefahren ist, so dass an
diesen 15 Tagen die Klägerin nicht von der E Wohnung zur Arbeit gefahren ist und
somit die bisher berücksichtigten 128 Tage um 15 Tage zu kürzen waren. Es
ergeben sich daher folgende als Werbungskosten zu berücksichtigende Fahrtkosten
für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte:
92 Tage x 170 km x 0,30 € = 4692 € (bereits dem Grunde nach berücksichtigt)
15 Tage x 170 km x 0,30 € = 765 € (zusätzlich gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6
EStG)
113 Tage x 5 km x 0,30 € = 170 € (128 Tage abzüglich 15 Tage)
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5.627 €
Eine Kostendeckelung gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG ist nicht
durchzuführen, da die Klägerin einen ihr zur Nutzung überlassenen Kraftwagen für
die Fahrten benutzt hat.
II.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 136 FGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §
708 Nr. 10 und § 711 Zivilprozessordnung. Gründe für die Zulassung der Revision
nach § 115 FGO sind nicht ersichtlich.