Kirchlicher Kindergarten kann Betrieb gewerblicher Art sein

Es handelt sich, soweit ersichtlich, um die erste gerichtliche Entscheidung zu der Frage, ob ein kirchlicher Kindergarten ein Betrieb gewerblicher Art sein kann. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH zu kommunalen Kindergärten bejaht das Gericht diese Frage für kirchliche Kindergärten in Hamburg. Der Fall: Der Kläger, ein evangelisch-lutherischer Kirchenkreis, erwarb von einer in seinem Bezirk liegenden Kirchengemeinde ein mit Kapelle, Gemeindehaus, Pastorat und Kindergarten bebautes Grundstück. Die Verwaltung des Kindergartens hatte der Kläger bereits zuvor übernommen, wobei die Trägerschaft einschließlich der religionspädagogischen Betreuung der Kinder zunächst bei der Gemeinde verblieben war. Nach Veräußerung des Grundstücks ließ der Kläger die vorhandenen Gebäude mit Ausnahme des Pastorats abreißen und einen neuen und größeren Kindergartenbau errichten. Im Kaufvertrag wurde die Unterhaltung des christlich geprägten Kindergartens auf den Kläger übertragen. Der 3. Senat entschied, dass der Erwerbsvorgang nicht gemäß § 4 Nr. 1 GrEStG steuerfrei gewesen ist. Nach dieser Vorschrift ist von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb ei- nes Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts, wenn das Grund- stück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen von der einen auf die andere juristische Person übergeht und nicht über- wiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient. Für den Übergang einer öffentlichen-rechtlichen Aufgabe aus Anlass der Grundstücks- veräußerung i.S. des § 4 Nr. 1 GrEStG genüge es zwar, wenn die konkret auf dem veräu- ßerten Grundstück ausgeübte öffentlich-rechtliche Aufgabe auf den Erwerber übergehe. Das sei bei der Übertragung der Trägerschaft für einen kirchlichen Kindergarten von einer Kirchengemeinde auf den Kirchenkreis der Fall. Die Unterhaltung des Kindergartens sei (kirchlich-) öffentlich-rechtliche Aufgabe. Der Steuerbefreiung stehe allerdings entgegen, dass das übertragene Grundstück überwiegend zum Betrieb gewerblicher Art (BgA) genutzt werde. Für die Bestimmung des Begriffs griff der 3. Senat auf die Definition in § 4 Abs. 1 KStG zurück, nach der alle Einrichtungen BgA sind, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetäti- gung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben, ohne dass die Absicht, Gewinn zu erzielen und eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erforderlich sind. Im Anschluss an die einschlägige Rechtsprechung des BFH zu kommunalen Kindergärten kommt der 3. Senat unter Berücksichtigung auch des verfassungsrechtlichen Schutzes der Selbstverwaltung kirchlicher Körperschaften des öffentlichen Rechts zu dem Ergebnis, die Grenze zum BgA und damit zur Steuerpflicht werde von kirchlichen Einrichtungen dort über- schritten, wo sie mit ihren Angeboten und Leistungen in einen Wettbewerb mit privatwirtschaftlichen Anbietern treten und der Bezug zum kirchlichen Verkündigungsauftrag demge- genüber zurücktrete. Bei der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nehme die religiöse Betreuung der Kinder beispielsweise durch wöchentliche Andachten keinen derart großen Raum ein und verursache keinen derartigen Mehraufwand, dass die Kinderbetreuung selbst nur eine Art Nebentätigkeit wäre. Aus Sicht der Eltern als Kunden des Kin- dergartens sei die Tagesbetreuung ihrer Kinder vielmehr die Hauptleistung und -tätigkeit des Kindergartenträgers. Der 3. Senat hat die Revision in seinem Urteil vom 5.2.2013 (3 K 74/12) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (Az. des BFH II R 11/13).

 

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 3 K 74/12
Urteil des Senats vom 05.02.2013
Rechtskraft: Revision eingelegt, Az. des BFH: II R 11/13
Normen: GrEStG § 4 Nr. 1, KStG § 4 Abs. 1, KStG § 4 Abs. 5, GG Art. 140, WRV Art.
137 Abs. 3, WRV Art. 137 Abs. 5
Leitsatz: 1. Für einen Aufgabenübergang i. S. des § 4 Nr. 1 GrEStG genügt es, wenn
die konkret auf dem veräußerten Grundstück ausgeübte öffentlich-rechtliche Aufgabe
auf den Erwerber übergeht. Ein derartiger Aufgabenübergang liegt vor, wenn eine
Kirchengemeinde die Trägerschaft für einen kirchlichen Kindergarten auf einen
Kirchenkreis überträgt.
2. Ein von einem kirchlichen Träger in Hamburg betriebener Kindergarten ist ein
Betrieb gewerblicher Art.
Überschrift: Grunderwerbsteuer: Kirchlicher Kindergarten kann Betrieb gewerblicher
Art sein
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Übertragung eines für einen Kindergarten
genutzten Grundstücks von einer evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde auf den
Kläger nach § 4 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) grunderwerbsteuerfrei ist.
I.
1. Die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde A (im Folgenden:
Kirchengemeinde) war Eigentümerin des in der X-Straße in Hamburg-A belegenen
Grundstücks. Das Grundstück war mit einer Kapelle, der … Kapelle, mit
angegliedertem Gemeindehaus und einem Pastorat bebaut. In dem Verbindungsbau
zwischen dem Gemeindehaus und dem Pastorat mit einer Fläche von ca. 40 qm
befand sich ein evangelischer Kindergarten („Ev. Kindergarten B“) mit 22
Betreuungsplätzen. Die in dem Kindergarten betreuten Kinder nutzten die sanitären
Anlagen des Gemeindehauses und das nicht aufgeteilte Außengelände auf dem
Grundstück mit.
2. Der Rechtsvorgänger des Klägers, der Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis C
gründete ein rechtlich unselbständiges Werk, das Evangelische
Kindertagesstättenwerk C (Kita-Werk). Die Ordnung des Kita-Werks vom … 2007
(Grunderwerbsteuerakten -GrEStA- Bl. 36 ff.) enthielt u. a. folgende Regelungen:
§ 2 Zweck
Zweck des Kita-Werks ist es,
a. Für die Kindertagesstättenarbeit im Kirchenkreis die Rahmenbedingungen zu
gestalten und für deren Qualität zu sorgen,
b. die Träger der Kindertagesstätten in der Wahrnehmung ihrer Verantwortung vor
Ort zu unterstützen,
c. die Arbeit der Kindertagesstätten durch Übernahme des finanziellen Risikos
abzusichern,d. die Personalverantwortung (Anstellung, Entlassung und Entwicklung) im
Zusammenwirken mit den Trägern und Leitungen der Kindertagesstätten
wahrzunehmen,
e. die Kooperation der Träger untereinander und mit dem Kita-Werk fortzuentwickeln
und zu fördern,
f. den Kirchenkreis und seine Kindertagesstättenträger gegenüber kirchlichen,
diakonischen und staatlichen Stellen und gegenüber der Öffentlichkeit in allen
Belangen der Kindertagesstättenarbeit zu vertreten.
(…)
§ 4 Austritt aus dem Kita-Werk
(1) Ein Träger kann seinen Austritt aus dem Kita-Werk schriftlich mit einjähriger Frist
zum Ende eines Kalenderjahres erklären.
(…)
§ 7 Trägerversammlung
(1) Der Trägerversammlung gehören an
a. als Vertreter der Träger je ein Mitglied pro Kindertagesstätte, das vom
Kirchenvorstand oder dem sonstigen Leitungsorgan des Trägers aus seiner Mitte
gewählt wird, (…)
(…)
§ 10 Aufgaben der Trägerversammlung
Die Trägerversammlung hat folgende Aufgaben:
a. Sie entscheidet über die Grundlagen der Kindertagesstättenarbeit im Kirchenkreis
und legt die Ziele dieser Arbeit fest.
b. Sie wählt die Mitglieder des Vorstandes.
(…)
c. Sie kann Anträge und Anregungen an den Vorstand des Kita-Werkes und an den
Kirchenkreisvorstand richten.
(…)
§ 12 Aufgaben der Träger
(1) Die Träger nehmen ihre Verantwortung vor Ort wahr. Dazu gehören insbesondere
a. die Erarbeitung und Aktualisierung der Kita-Konzeption in Umsetzung des
gemeinsamen Leitbildes,
b. die pädagogische, religionspädagogische und interkulturelle Gestaltung der KitaArbeit gemeinsam mit der Kita-Leitung,
c. die Pflege einer intensiven Einbeziehung der Kindertagesstätte in das Leben der
Kirchengemeinde,
d. die Unterstützung der Kindertagesstätte in ihrem Orts- und Stadtteilbezug und in
ihrer Eltern- und Öffentlichkeitsarbeit,
e. die Unterhaltung der Gebäude und des Inventars, soweit dieses dem Kita-Werk
zur Verfügung gestellt wird,
f. die Errichtung, Angebotsveränderung oder Schließung von Kindertagesstätten (…).
(2) Die Träger wirken an Personalmaßnahmen des Kita-Werkes (…) mit.
(3) In Situationen, in denen sofortiges Handeln erforderlich ist, kann der Träger
stellvertretend für das Kita-Werk vorläufige Maßnahmen treffen. Diese sind der
Geschäftsführung des Kita-Werkes unverzüglich anzuzeigen.“
Mit Aufgabenübertragungsvertrag vom … 2007 (Anlage K 5, Finanzgerichtsakten –
FGA- Anlagenband) übertrug die Kirchengemeinde rückwirkend zum … 2007 die Personal- und Finanzverantwortung für den Kindergarten im Wege der
Auftragsverwaltung auf das Kita-Werk und trat diesem bei. In dem Vertrag war
vereinbart, dass die Arbeitsverhältnisse mit den in der Kindertagesstätte tätigen
Mitarbeitern und alle sonstigen den Betrieb der Kindertagesstätte betreffenden
Verträge, die bestehenden Forderungen und Verbindlichkeiten, die Verantwortlichkeit
für die laufende Bauunterhaltung und Schönheitsreparaturen und das Eigentum am
Inventar auf das Kita-Werk übergehen sollten. Die Kirchengemeinde blieb aber
Eigentümerin des Grundstücks und vermietete dieses an das Kita-Werk. Für die
religionspädagogische Arbeit und die theologische Ausrichtung der Kindertagesstätte
blieb die Kirchengemeinde verantwortlich. Der Kindergarten wurde in
religionspädagogischer Hinsicht weiterhin durch den Pastor der Kirchengemeinde
betreut. Wegen des Inhalts dieser Arbeit wird auf die vom Kläger in der mündlichen
Verhandlung am 07.12.2012 überreichte Anlage A zum
Aufgabenübertragungsvertrag und auf die Konzeption des Kindergartens B Bezug
genommen (FGA Anlagenband) und wegen der weiteren Einzelheiten im
Zusammenhang mit der Aufgabenübertragung auf den Übertragungsvertrag die
Ordnung des Kita-Werks.
In vergleichbarer Weise wurde mit den drei weiteren christlichen Kindertagesstätten
an anderen Standorten im Gebiet der Kirchengemeinde verfahren.
3. Da der Kindergarten nach Auffassung der Kirchengemeinde nur im Falle einer
Erweiterung der Betreuungskapazitäten und damit einhergehend auch des
Gebäudes wirtschaftlich betrieben werden konnte und die Kirchengemeinde nicht in
der Lage war, diese Erweiterung selbst zu finanzieren, beschloss der Kläger, den
Kindergarten zu übernehmen und auf eigene Kosten zu erhalten und zu erweitern.
Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom … 2011 (Anlage K 4, FGA
Anlagenband) veräußerte die Kirchengemeinde das in der X-Straße in Hamburg-A
belegene Grundstück zum Preis von € 806.200,00 an den Kläger.
In § 6 Abs. 4 des Kaufvertrages wurde Folgendes vereinbart:
„Es ist kirchengemeindliche Aufgabe nach § 7 Abs. 3 der Verfassung der
Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (VerfNEK) durch die Unterhaltung
von christlich geprägten Kindergärten die christliche Gemeinschaft unter ihren
Gliedern einschließlich deren Kindern zu fördern und die Kinder im christlichen
Glauben zu unterweisen sowie dem Nächsten und seinen Kindern in der
Gemeinschaft zu dienen. Hierdurch wird besonders der Dienst der Kirche in der
Öffentlichkeit und Gesellschaft gefördert. Die Parteien sind darin einig, dass
zusammen mit dem Übergang des Eigentums am Grundstück die kirchliche
Aufgabe der Unterhaltung christlich geprägter Kindergärten für den Standort XStraße und seines Einzugsgebietes in Hamburg-A von der Kirchengemeinde (als
Verkäuferin) auf den Kirchenkreis (als Käuferin) übergeht.“
In § 10 des Vertrages heißt es weiter:
„Dem Verkäufer ist bekannt, dass der Käufer auf dem Vertragsgegenstand einen
KITA-Neubau errichten will. (…)“.
4. Ebenfalls am … 2011 schloss der Kläger als Vermieter mit der Kirchengemeinde
als Mieterin einen Mietvertrag über das auf dem veräußerten Grundstück befindliche Pastorat nebst Stellplatz (Anlage zum Schriftsatz vom 16.01.2013, FGA
Anlagenband). Das Pastoratsgebäude soll nach der Planung des Klägers und der
Kirchengemeinde jedenfalls bis zur Pensionierung des darin wohnenden Pastors
erhalten bleiben.
Die … Kapelle wurde Anfang 2012 entwidmet und zusammen mit dem
Gemeindehaus und dem Verbindungsbau abgerissen.
Die Baugenehmigung für den vom Kläger geplanten Kindergartenneubau wurde im
… 2012 erteilt. Wegen der Lage und Größe des Neubaus und des Pastorats wird auf
den dem Bauantrag beigefügten und vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am
07.12.2012 eingereichten Lageplan Bezug genommen (FGA Anlagenband).
Während der Baumaßnahmen war und ist der Kindergarten in einem provisorischen
Bau auf dem Grundstück untergebracht.
Die auf dem bisherigen Gemeindezentrum installierte Photovoltaikanlage wurde
abgebaut und soll auf dem neuen Kindergartengebäude wieder installiert werden.
Der Netzeinspeisungsvertrag wurde auf den Kläger übertragen.
5. Auf den Inhalt der Präambel und der Art. 1, 7, 25, 57 und 58 der Verfassung der
Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (-VerfNEK-; am 27.10.2012
aufgegangen in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland –
Nordkirche-) vom 12.06.1976, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.11.2009, wird
Bezug genommen (FGA Bl. 61 ff.).
II.
1. Der Beklagte setzte die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Grundstücks mit
Bescheid vom 02.09.2011 auf € 36.279,00 fest.
2. Mit Schreiben vom 14.09.2011 legte der Kläger Einspruch gegen diesen Bescheid
ein und wies zur Begründung darauf hin, dass der Erwerb gemäß § 4 Nr. 1 GrEStG
steuerfrei sei. Da nach Auffassung der Kirchengemeinde ein wirtschaftlicher Betrieb
des Kindergartens in der X-Straße nur im Falle einer Kapazitätserweiterung möglich
gewesen sei, die die Kirchengemeinde jedoch nicht habe finanzieren können, habe
er, der Kläger, beschlossen, das Grundstück und den Betrieb der Kindertagesstätte
zu übernehmen und die Kindertagesstätte zu erweitern. Während die Trägerschaft
für den Kindergarten auch nach der Aufgabenübertragung auf das Kita-Werk
(Auftragsverwaltung gemäß § 58 VerfNEK) im Jahr 2007 noch bei der
Kirchengemeinde verblieben sei, sei die kirchliche Aufgabe der Unterhaltung
christlich geprägter Kindergärten für den Standort des dort bereits vorhandenen
Kindergartens zusammen mit dem Grundstück gemäß Art. 57 VerfNEK von der
Kirchengemeinde auf ihn, den Kläger, übergegangen und zu seiner öffentlichen
Aufgabe i. S. des Art. 25 VerfNEK geworden.
3. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 03.04.2012 als
unbegründet zurück. Die Aufgabe der Unterhaltung christlich geprägter Kindergärten
habe der Kirchengemeinde sowohl vor als auch nach der Grundstücksübertragung
oblegen und sei somit nicht auf den Kläger übergegangen. Denn die Trägerschaft für
die übrigen drei Kindergärten sei bei der Kirchengemeinde verblieben.III.
Der Kläger hat am 02.05.2012 Klage erhoben. Er trägt vor, die Voraussetzungen für
eine Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 GrEStG seien erfüllt. Sowohl die
Kirchengemeinde als auch er selbst, der Kläger, seien juristische Personen des
öffentlichen Rechts (Art. 3 Abs. 2 VerfNEK, Art. 140 Grundgesetz -GG- i. V. m. Art.
137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung -WRV-). Der Betrieb eines Kindergartens sei
eine öffentliche Aufgabe im Sinne der Befreiungsvorschrift. Der Betrieb des
evangelischen Kindergartens in der … Kapelle sei vollständig von der
Kirchengemeinde auf ihn, den Kläger, übergegangen. Dabei handele es sich nicht
lediglich um eine bloße Aufgabenabstimmung, sondern – im Gegensatz zu dem der
Entscheidung des BFH vom 01.09.2011 (II R 16/10) zugrunde liegenden Fall – um
eine intrakonfessionelle Aufgabenübertragung. Die bisher von dem in dem nach wie
vor auf dem Grundstück befindlichen Pastorat lebenden Pastor wahrgenommene
religionspädagogische Arbeit im Kindergarten werde in dem neuen Kindergarten
künftig von einer Pastorin in seinem, des Klägers, Auftrag durchgeführt. Das Konzept
werde allerdings möglicherweise etwas geändert, weil im Einzugsgebiet des
Kindergartens viele Migranten lebten, die anderen Religionsgemeinschaften
angehörten.
Für die Steuerbefreiung genüge wegen der maßgeblichen grundstücksbezogenen
Betrachtungsweise ein Übergang nur einer Aufgabe, deren Erfüllung das veräußerte
Grundstück diene. Die Übertragung der Trägerschaft für sämtliche von der
Kirchengemeinde unterhaltenen Kindergärten sei dagegen ebenso wenig erforderlich
wie der Übergang sämtlicher auf dem Grundstück durchgeführten Aufgaben. Daher
sei unschädlich, dass die Pastoratsnutzung nicht auf ihn, den Kläger, übergegangen
sei. Verlangte man einen Übergang auch unwesentlicher Nebenaufgaben, stünde
dies im Gegensatz zur ratio legis der Befreiungsvorschrift und beinhaltete zudem
einen unzulässigen Eingriff in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht. Der
Aufgabenübergang sei nicht Folge des Grundstückserwerbs, sondern das
Grundstück sei aus Anlass des Aufgabenübergangs übertragen worden.
Schließlich diene das Grundstück nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art
(BgA). Bei kirchlichen Kindergärten stehe – auch nach Auffassung der
Finanzverwaltung – die pastorale Aufgabenwahrnehmung im Vordergrund, die private
Unternehmen nicht in gleicher Weise erfüllen könnten. Diese Tätigkeit diene nach
dem kirchlichen Selbstverständnis der Erfüllung ihres Verkündigungsauftrags und
zähle damit zum öffentlichen Bereich.
Der Kläger beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 02.09.2011 – betreffend das Grundstück XStraße in Hamburg-A- in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2012
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und
trägt ergänzend vor, für einen Aufgabenübergang i. S. des § 4 Nr. 1 GrEStG genüge
es nicht, dass die erwerbende Person mit der Nutzung des Grundstücks in einem bestimmten örtlichen Bereich vergleichbare Aufgaben erfülle wie die übergebende
Person. Die Beurteilung der Steuerfreiheit sei aufgaben- und nicht
grundstücksbezogen vorzunehmen. Die öffentlich-rechtliche Aufgabe der
Unterhaltung christlich geprägter Kindergärten sei nicht insgesamt von der
Kirchengemeinde auf den Kläger übergegangen, sondern nur für einen bestimmten
örtlichen Bereich, nämlich für die Kindertagesstätte am Standort X-Straße, und damit
für nur eine von insgesamt vier Kindertagesstätten.
Aber selbst bei einer grundstücksbezogenen Betrachtung sei nicht von einem
Aufgabenübergang auszugehen. Von den vor der Grundstücksübertragung
insgesamt vier auf dem Grundstück ausgeübten Aufgaben seien zwei vor der
Übertragung aufgegeben worden (Unterhaltung des Gemeindehauses und der
Kirche). Die Unterhaltung des Pastorats, in dem der nach wie vor für die
Kirchengemeinde tätige Pastor wohne, sei als dritte Aufgabe nicht übergegangen,
sondern bei der Kirchengemeinde verblieben. Zudem sei der Kindergarten insgesamt
neu gebaut worden.
Schließlich diene das Grundstück überwiegend einem BgA. Dabei sei auch der
Betrieb der Photovoltaikanlage zu berücksichtigen.
Der Senat hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 04.09.2012 der Einzelrichterin
übertragen, die ihn durch Beschluss vom 12.12.2012 auf den Senat
zurückübertragen hat.
Auf die Sitzungsniederschriften der mündlichen Verhandlungen vom 07.12.2012
(FGA Bl. 77 ff.) vor der Einzelrichterin und vom 05.02.2013 (FGA Bl. 105 ff.) vor dem
Senat wird Bezug genommen.
Dem Gericht hat ein Band Grunderwerbsteuerakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Der Beklagte hat die Übertragung des Grundstücks zu Recht der Grunderwerbsteuer
unterworfen.
1. Der Abschluss des Kaufvertrages über das Grundstück in der X-Straße ist ein
gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang, weil hierdurch der
Anspruch des Klägers auf Übereignung des Grundstücks begründet wurde.
2. Dieser Vorgang ist nicht gemäß § 4 Nr. 1 GrEStG steuerfrei. Nach dieser
Vorschrift ist von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks
durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts (a.), wenn das Grundstück aus
Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben (b.) oder aus Anlass von
Grenzänderungen von der einen auf die andere juristische Person übergeht und
nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient (c.).a. Zwar sind der Kläger und die Kirchengemeinde Körperschaften des öffentlichen
Rechts gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV.
b. Auch wurde das Grundstück aus Anlass des Übergangs öffentlich-rechtlicher
Aufgaben von der Kirchengemeinde auf den Kläger übertragen.
aa. Nach seinem aus dem Wortlaut ersichtlichen Sinn und Zweck soll § 4 Nr. 1
GrEStG den Wechsel des Trägers einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe von
Grunderwerbsteuer freihalten, sofern mit diesem Trägerwechsel auch ein
(rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher) Übergang des Eigentums an Grundstücken
verbunden ist. Ein „Übergang“ von Aufgaben liegt nur vor, wenn die übernehmende
juristische Person des öffentlichen Rechts eben die Funktionen wahrnimmt, welche
bisher die übergebende juristische Person wahrgenommen hat (Viskorf in Boruttau,
GrEStG, 17. Aufl., § 4 Rz. 14; Pahlke/Franz, GrEStG, Kommentar, 4. Aufl., § 4 Rz. 9,
jeweils m. w. N.). Daher ist kein Übergang öffentlich-rechtlicher Aufgaben gegeben,
wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts ihre Tätigkeiten aufeinander
abstimmen, aber nach wie vor dieselben Aufgaben haben (BFH-Urteil vom
17.05.1989 II R 98/86, BFH/NV 1990, 263).
bb. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 05.11.2009 (3 K 71/09, EFG 2010,
1154) einen Aufgabenübergang angenommen, wenn ein Kirchengrundstück von
einer Kirchengemeinde auf eine konfessionsverschiedene, ökumenisch verbundene
Religionsgemeinschaft übertragen wird. Der BFH hat diese Entscheidung mit Urteil
vom 01.09.2011 aufgehoben (II R 16/10, BFHE 235, 182, BStBl II 2012, 148) und zur
Begründung ausgeführt: Da Religionsgemeinschaften je ihre eigenen
Angelegenheiten wahrnähmen, verbleibe die Aufgabe der Kirchengemeinde zur
(konfessionsgebundenen) Abhaltung von Gottesdiensten und zur seelsorgerischen
Betätigung in einem derartigen Fall in vollem Umfang bei ihr und gehe weder ganz
noch teilweise auf die Erwerberin über. Allein der mit dem Grundstücksgeschäft
verfolgte Zweck, den sakralen Charakter des Kirchengebäudes durch eine weitere –
wenn auch nunmehr konfessionsverschiedene – Nutzung für religiöse Zwecke zu
bewahren, begründe keinen Übergang einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe.
cc. Der Senat bleibt bei seiner im Urteil vom 05.11.2009 (3 K 71/09, EFG 2010,
1154) dargelegten Auffassung, dass es für einen Aufgabenübergang i. S. des § 4 Nr.
1 GrEStG genügt, wenn (nur) die auf dem übertragenen Grundstück ausgeübte
Aufgabe übergeht, und kein abstrakter Übergang eines gesamten
Aufgabenbereiches erforderlich ist. Nach der Begründung der aufhebenden BFHEntscheidung war die dortige Konfessionsverschiedenheit von Veräußerer und
Erwerber entscheidungserheblich und nicht die Grundstücksbezogenheit eines
etwaigen Aufgabenübergangs (so wohl auch Pahlke, BFH/PR 2012, 31; gegen eine
grundstücksbezogene Betrachtung möglicherweise Meßbacher-Hönsch, jurisPRSteuerR 5/2012 Anm. 4, die als Beispiel für einen Aufgabenübergang den Fall
anführt, dass mehrere Kirchengemeinden zusammengelegt und aus diesem Anlass
Kirchengrundstücke auf eine Kirchengemeinde übertragen werden, die danach das
gesamte Gebiet der bisherigen Kirchengemeinden betreut). Zur Begründung der vom
erkennenden Senat weiterhin befürworteten grundstücksbezogenen Beurteilung des
Aufgabenübergangs wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen
im Senatsurteil vom 05.11.2009 Bezug genommen (3 K 71/09, EFG 2010, 1154).dd. Im Streitfall wurde das Eigentum an dem Grundstück aus Anlass des Übergangs
einer öffentlichen Aufgabe übertragen.
aaa. Die Unterhaltung eines kirchlichen Kindergartens ist eine (kirchlich-) öffentlichrechtliche Aufgabe (FG München, Urteil vom 10.03.2004 4 K 2439/03, EFG 2005,
63).
bbb. Dass die Kirchengemeinde die Verwaltung des Kindergartens in der X-Straße
bereits durch den Abschluss des Aufgabenübertragungsvertrages vom … 2007 auf
den Kläger übertragen hatte (oben A.I.2.), steht der Annahme eines
Aufgabenübergangs nicht entgegen.
Zum einen ist ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Übergang
der Aufgaben und dem Übergang des Grundstücks nicht erforderlich (Viskorf in
Boruttau, GrEStG, 17. Aufl., § 4 Rz. 20). Es ist daher unschädlich, dass die
insgesamt mit dem Betrieb des Kindergartens verbundenen Aufgaben im Streitfall
sukzessive und beginnend in 2007 übertragen wurden. Zum anderen verblieben trotz
des im Jahr 2007 mit dem Beitritt zum Kita-Werk vollzogenen Übergangs der
Verwaltung des Kindergartens weiterhin öffentlich-rechtliche Aufgaben bei der
Kirchengemeinde, die erst mit Abschluss des Grundstückskaufvertrages auf den
Kläger übertragen wurden. So ist die von der Kirchengemeinde bis zur
Grundstücksveräußerung wahrgenommene religionspädagogische Betreuung der in
dem Kindergarten in der X-Straße betreuten Kinder eine (kirchlich-) öffentlichrechtliche Aufgabe einer Kirchengemeinde (vgl. Art. 7 Abs. 3 VerfNEK). Darüber
hinaus handelte es sich bei dem Beitritt zum Kita-Werk nicht um eine endgültige
Aufgabenübertragung, sondern um die Begründung einer Auftragsverwaltung gemäß
Art. 58 VerfNEK (§ 3 Abs. 4 der Ordnung des Kita-Werks, oben A.I.2.). Die
Kirchengemeinde hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, ihren Austritt aus dem KitaWerk zu erklären (§ 4 der Ordnung) und die Verwaltung des Kindergartens wieder
vollständig selbst zu übernehmen. Das Rechtsverhältnis war daher mit einer
Verpachtung vergleichbar (s. dazu unten c.hh.). Die Kirchengemeinde blieb weiterhin
Trägerin des Kindergartens und trug letztlich die Verantwortung für dessen
Unterhaltung. Neben der religionspädagogischen Betreuung der Kinder nahm die
Kirchengemeinde die weiteren in § 12 der Ordnung des Kita-Werks aufgeführten
Aufgaben wahr und nahm außerdem als Mitglied der Trägerversammlung Einfluss
auf die Entscheidungen des Kita-Werks (§ 10 der Ordnung). Diese (kirchlich-)
öffentlich-rechtliche Aufgabe der Unterhaltung eines kirchlichen Kindergartens auf
dem Grundstück in der X-Straße übertrug die Kirchengemeinde erst gemäß § 6 Abs.
4 des Kaufvertrages (oben A.I.3.) auf den Kläger.
ccc. Wegen der gebotenen grundstücksbezogenen Betrachtung (oben cc.) führt der
Umstand, dass die Kirchengemeinde die Trägerschaft für die weiteren drei
Kindergärten im Gemeindegebiet behielt, nicht zur Annahme einer bloßen
Aufgabenabstimmung zwischen Gemeinde und Kläger. Entscheidend ist vielmehr,
dass das übertragene Grundstück vor und nach der Übertragung und trotz des
Neubaus durchgehend zum Betrieb eines Kindergartens genutzt wurde.
ee. Die öffentlich-rechtliche Aufgabe wurde schließlich auch aus Anlass der
Grundstücksveräußerung übertragen. Die Trägerschaft für den Kindergarten ging im
unmittelbaren (zeitlichen, personen- und aufgabenbezogenen, s. hierzu Senatsurteil
vom 05.11.2009 3 K 71/09, EFG 2010, 1154) Zusammenhang mit dem Grundstück
auf den Kläger über.c. Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 GrEStG sind im
Streitfall allerdings deshalb nicht erfüllt, weil das übertragene Grundstück
überwiegend zum Betrieb einer Kinderbetreuungseinrichtung genutzt wurde und wird
und diese Einrichtung ein BgA ist.
aa. Mit der Beschränkung der Steuerbefreiung auf Grundstücke, die nicht
überwiegend einem BgA dienen, sollen Umstrukturierungen im gewerblichen Bereich
der öffentlichen Hand denen in der Privatwirtschaft zur Vermeidung von
Wettbewerbsverzerrungen gleichgestellt werden (Franz in Pahlke/Franz, GrEStG, 4.
Aufl., § 4 Rz. 4, 14; Viskorf in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl., § 4 Rz. 22).
bb. Da das GrEStG keine eigene Definition dieses Begriffes enthält, ist auf die
Definition in § 4 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) zurückzugreifen (Viskorf in
Boruttau, GrEStG, 17. Aufl., § 4 Rz. 23). BgA sind danach alle Einrichtungen, die
einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb
der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung
der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen,
und die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich.
cc. Zu den BgA gehören jedoch nicht Betriebe, die überwiegend der Ausübung
öffentlicher Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe). Unter Ausübung öffentlicher Gewalt
sind Tätigkeiten zu verstehen, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts
eigentümlich und vorbehalten sind. Kennzeichnend dafür ist die Erfüllung spezifisch
öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen
Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund
gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist. Eine Ausübung öffentlicher
Gewalt ist allerdings insoweit ausgeschlossen, als sich die Körperschaft durch ihre
Einrichtungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine
Tätigkeit ausübt, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten
gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet (BFH-Urteil vom
07.11.2007 I R 52/06, BFHE 219, 563, BStBl II 2009, 248). Lässt sich eine Tätigkeit
nicht klar dem hoheitlichen oder dem wirtschaftlichen Bereich zuordnen, ist nach § 4
Abs. 5 KStG auf die überwiegende Zweckbestimmung abzustellen. Eine
überwiegend hoheitliche Zweckbestimmung liegt nur vor, wenn die beiden
Tätigkeitsbereiche derart ineinandergreifen, dass eine genaue Abgrenzung nicht
möglich oder nicht zumutbar ist, wenn also die wirtschaftliche Tätigkeit unlösbar mit
der hoheitlichen Tätigkeit verbunden ist und eine Art Nebentätigkeit im Rahmen der
einheitlichen, dem Wesen nach hoheitlichen Tätigkeit darstellt (Viskorf in Boruttau,
GrEStG, 17. Aufl., § 4 Rz. 24; Sauter in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., § 4 Rz. 52).
dd. Nach ihrem in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV verankerten
Selbstbestimmungsrecht ordnen und verwalten die Kirchen ihre Angelegenheiten –
innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes – selbständig. Die
korporierten Religionsgemeinschaften unterscheiden sich zwar grundlegend von den
Körperschaften des öffentlichen Rechts im verwaltungs- und
staatsorganisationsrechtlichen Verständnis. Ihnen werden aber mit dem
Körperschaftsstatus (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV) hoheitliche
Befugnisse bei der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung
gewährt (BVerfG-Urteile vom 19.12.2000 2 BvR 1500/97, BVerfGE 102, 370, NJW
2001, 429; vom 14.05.1986 2 BvL 19/84, BVerfGE 72, 278, NJW 1987, 427). Zu den
verfassungsrechtlich geschützten Aufgaben der kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts gehören nicht nur Lehre, Seelsorge, Gottesdienst und
Sakramentenspendung; dazu zählen auch alle Tätigkeiten, zu denen diese Kirchen
nach ihrem Selbstverständnis berufen sind, ein Stück Auftrags der Kirche in dieser
Welt wahrzunehmen und zu erfüllen (BVerfG-Urteile vom 13.12.1983 2 BvL 13/82 u.
a., BVerfGE 66, 1, BGBl I 1984, 486; vom 16.10.1968 1 BvR 241/66, BVerfGE 24,
236, NJW 1969, 31). Hierzu gehören die religiöse Erziehung sowie Äußerungen zu
Fragen des religiösen und weltanschaulichen Lebens (BFH-Urteil vom 13.08.1986 II
R 246/81, BFHE 147, 299, BStBl II 1986, 831).
ee. Die Religionsgesellschaften sind bei der selbständigen Ordnung ihrer
Angelegenheiten jedoch an die Schranken des für alle geltenden Gesetzes
gebunden (Art. 140 GG i. V. m. mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV). Das
Selbstverwaltungsrecht der Kirchen und allgemeine Gesetze sowie ihre
Durchsetzung durch die staatlichen Gerichte stehen in einem Wechselverhältnis,
dem durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen ist. Dabei ist dem
Selbstverständnis der Kirchen besonderes Gewicht beizumessen (BVerfG-Beschluss
vom 18.09.1998 2 BvR 1476/94, NJW 1999, 349). Aus der Bindung an das für alle
geltende Gesetz folgt aber, dass die Tätigkeit der Religionsgesellschaften auch bei
Berücksichtigung des verfassungsrechtlich geschützten weitgefassten kirchlichen
Öffentlichkeitsauftrages in gleicher Weise wie alle anderen der Besteuerung
unterliegen, soweit nicht Sondervorschriften eingreifen (BFH-Urteile vom 18.10.1989
II R 209/83, BFHE 159, BStBl II 1990, 190; vom 22.07.1987 II R 204/84, BFHE 150,
285, BStBl II 1987, 725; vom 13.08.1986 II R 246/81, BFHE 147, 299, BStBl II 1986,
831).
ff. In Bezug auf kirchliche Einrichtungen ist ein Betrieb, der überwiegend der
Ausübung öffentlicher Gewalt dient, i. S. des § 4 Abs. 5 KStG folglich ein Betrieb, der
überwiegend der Erfüllung des Auftrags der öffentlich-rechtlichen
Religionsgemeinschaften dient, und damit nach dem kirchlichen Selbstverständnis v.
a. dem Verkündigungsauftrag (Krämer in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 4 Rz. 109
„Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts“; Bott/Seite in Ernst & Young,
KStG, § 4 Rz. 257.1). Die Grenze zum BgA und damit zur Steuerpflicht wird dort
überschritten, wo die kirchliche Einrichtung mit ihren Angeboten und Leistungen in
einen privatwirtschaftlichen Wettbewerb tritt und der Bezug zum kirchlichen
Verkündigungsauftrag demgegenüber zurücktritt (z. B. bei kirchlich betriebenen
Erholungsheimen oder Kantinen; Meier/Semelka in Herrmann/Heuer/Raupach,
EStG/KStG, § 4 KStG Rz. 140 „Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts“).
gg. Der im Streitfall übertragene Kindergarten ist ein BgA.
aaa. Die Unterhaltung kirchlicher Kindergärten soll nach dem kirchlichen
Selbstverständnis der religiösen Bildung und Glaubenserziehung dienen (Schön,
DStZ 1999, 701, m. w. N.). Daraus wird z. T. gefolgert, dass sie dem öffentlichen
Bereich zuzuordnen seien. Denn die mit dem religionspädagogischen Konzept
verfolgten Inhalte könnten nicht ohne weiteres von privatwirtschaftlichen
Unternehmen verwirklicht werden, so dass kirchliche mit anderen Kindergärten nicht
in einem Wettbewerb stünden (Schön, DStZ 1999, 701, m. w. N.; Meier/Semelka in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 KStG Rz. 140 „Kindergarten“; OFD
Münster, Besteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, S. 32,
Anlage K 8, FGA Anlagenband; OFD Niedersachsen, Vfg. vom 15.01.2013, FGA Bl.
100 f.).bbb. Nach Auffassung des BFH sind von einer Kommune betriebene Kindergärten
keine Hoheitsbetriebe, sondern BgA. Zwar sei die Kindertagesbetreuung und deren
bedarfsgerechter Ausbau eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge. Zu ihrer
Erfüllung stünden aber neben öffentlichen, kirchlichen und freigemeinnützigen
Leistungsträgern gleichermaßen privatgewerbliche Anbieter zur Verfügung.
Ausschlaggebend für die Qualifikation als BgA sei allein, dass die jeweiligen
Kindergarten- und Kindertagesstättenbetreiber unter den entsprechenden fachlichen
und personellen Voraussetzungen tatsächlich wie potentiell in gleicher oder
jedenfalls vergleichbarer Weise aufträten und ihr Angebot dem gleichen
„Kundenkreis“ anböten. Aus steuerlicher Sicht könne es deswegen keinen
Unterschied machen, ob eine (auch öffentliche) Aufgabe in Gestalt eines Eigen- oder
Regiebetriebs, eines BgA oder in einer privatrechtlichen Struktur wahrgenommen
werde. Hier wie dort komme es allein darauf an, ob die Aufgabenerfüllung einem
öffentlichen Leistungserbringer eigentümlich sei oder ob die Leistungen auch in
einem wirtschaftlichen Wettbewerb erbracht würden. Die besondere und
verpflichtende Aufgabenlage, denen unmittelbar nur öffentliche Leistungserbringer
unterworfen seien, lasse den wirtschaftlichen Charakter der betreffenden
Unternehmen ebenso wie solcher Mitbewerber, welche den
Grundversorgungsanforderungen nicht ausgesetzt seien, unberührt. Der Annahme
der erforderlichen Einnahmeerzielungsabsicht stehe nicht entgegen, dass die
Kindergartenbeiträge nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelt und durch
Verwaltungsakt festgesetzt würden (BFH-Urteil vom 12.07.2012 I R 106/10, BFH/NV
2012, 1896). Das erkennende Gericht schließt sich dieser Auffassung an. Auf die
vom BFH offen gelassene Frage der Gemeinnützigkeit kommt es im Bereich des
Grunderwerbsteuerrechts, das keine allgemeine Steuerbefreiung für gemeinnützige,
mildtätige oder kirchliche Einrichtungen vorsieht, nicht an.
ccc. Aus denselben Gründen ist auch ein kirchlicher Kindergarten unter den in
Hamburg geltenden Bedingungen und bei der im Steuerrecht grundsätzlich
gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung als BgA zu qualifizieren. Dem Einwand des
Klägers und der in der Literatur und von der Verwaltung vertretenen Auffassung, bei
kirchlichen Kindergärten stehe im Gegensatz zu anderen Kindergärten die pastorale
Aufgabenwahrnehmung stets im Vordergrund, ist jedenfalls in Bezug auf die
Verhältnisse in Hamburg nicht zu folgen (vgl. Gosch, BFH/PR 2012, 401).
(1) Für die Qualifizierung als BgA kommt es nicht darauf an, dass die anderen Träger
die religiöse Betreuung nicht ebenfalls leisten könnten (s. oben aaa.). Da ein
kirchlicher Kindergarten sowohl eine „hoheitliche“ i. S. einer pastoralen Aufgabe
wahrnimmt als auch die wirtschaftliche Aufgabe der Tagesbetreuung von Kindern
gegen Entgelt und da beide Aufgaben unlösbar miteinander verbunden sind, kommt
es für die Frage, ob ein Hoheitsbetrieb vorliegt, darauf an, ob die wirtschaftliche
Tätigkeit eine Art Nebentätigkeit im Rahmen einer einheitlichen, dem Wesen nach
hoheitlichen Tätigkeit darstellt (s. oben cc.). Bei der im Steuerrecht gebotenen
wirtschaftlichen Betrachtung nimmt die religiöse Betreuung der Kinder (gemäß
Anlage A zum Aufgabenübertragungsvertrag, FGA Anlagenband, oben A.I.2.)
beispielsweise durch wöchentliche Andachten keinen derart großen Raum ein und
verursacht keinen derartigen Mehraufwand, dass die Kinderbetreuung selbst nur eine
Art Nebentätigkeit wäre. Aus Sicht der Eltern als Kunden des Kindergartens ist die
Tagesbetreuung ihrer Kinder vielmehr die Hauptleistung und -tätigkeit des
Kindergartenträgers.In vergleichbarer Weise hindern, wie dargelegt, auch die zusätzlichen öffentlichrechtlichen Verpflichtungen, denen kommunale Kindergartenträger im Gegensatz zu
allen anderen Trägern unterliegen, deren Einordnung als BgA nicht.
(2) Entscheidend ist, dass auch die kirchlichen Kindergärten im wirtschaftlichen
Wettbewerb zu den anderen – kommunalen, freigemeinnützigen und
privatgewerblichen – Trägern stehen und eine steuerliche Privilegierung nur der
kirchlichen Träger deshalb zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würde, die von
der Einschränkung in § 4 Nr. 1 GrEStG bzgl. der BgA gerade verhindert werden soll
(s. oben aa.).
In Hamburg sind sowohl die von der Freien und Hansestadt Hamburg an die Träger
der Kinderbetreuungseinrichtungen gezahlten Kostenerstattungen als auch die von
den Familien zu zahlenden Eigenanteile für alle an das sog. „Kita-Gutscheinsystem“
angeschlossenen Kinderbetreuungseinrichtungen einheitlich festgelegt (vgl. §§ 7 ff.,
21 Hamburger Kinderbetreuungsgesetz vom 27.04.2004, HmbGVBl. 2004, 211,
zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.06.2011, HmbGVBl. 2011, 271). Die
kirchlichen Kindergärten müssen daher nicht mehr von ihren Trägern in einem
Umfang finanziell unterstützt werden, der eine Wettbewerbssituation ausschließen
könnte. Der mit der religiösen Betreuung der Kinder verbundene finanzielle Aufwand
ist nach Einschätzung des erkennenden Senats auch nicht wesentlich größer als der
Aufwand anderer Träger für spezielle, über die reine Betreuung der Kinder
hinausgehende Angebote beispielsweise im musikalischen oder sprachlichen
Bereich oder der finanzielle Aufwand kommunaler Träger für die Wahrnehmung
besonderer sozialer Aufgaben.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die kirchlichen Kindergärten ihr Angebot an
denselben „Kundenkreis“ richten wie die anderen Träger, weil sie auch Kinder
anderer Konfessionen oder konfessionslose Kinder annehmen (vgl. Konzeption des
Kindergartens B, FGA Anlagenband).
Mit dem Angebot von Kinderbetreuungsplätzen für Kinder jeder Konfession zu
einheitlich geregelten Preisen begibt sich die evangelische Kirche in Hamburg daher
in den Geltungsbereich des für alle geltenden Steuergesetzes. Auch wenn man dem
kirchlichen Selbstverständnis das verfassungsrechtlich gebotene Gewicht beimisst,
ließe sich die bei einer Steuerbefreiung nur der kirchlichen Träger eintretende
Wettbewerbsverzerrung hierdurch nicht rechtfertigen.
hh. Der Qualifikation des Kindergartens als BgA der Kirchengemeinde steht nicht
entgegen, dass die Kirchengemeinde die Verwaltung und damit den Betrieb des
Kindergartens bereits im Jahr 2007 auf das Kita-Werk übertragen hatte.
Nach § 4 Abs. 4 KStG gilt die Verpachtung eines BgA ebenfalls als BgA. In Fällen
der Verpachtung eines BgA durch eine Gemeinde ist daher darauf abzustellen, ob
die Einrichtung bei der verpachtenden Gemeinde einen BgA darstellen würde (BFHUrteil vom 25.10.1989 V R 111/85, BStBl II 1990, 868; Viskorf in Boruttau, GrEStG,
17. Aufl., § 4 Rz. 26 f.).
Auch wenn das Rechtsverhältnis zwischen der Kirchengemeinde und dem Kläger vor
der Grundstücksübertragung nicht als Pachtverhältnis vereinbart und bezeichnet
wurde, ist die genannte Vorschrift sinngemäß anwendbar. Die Kirchengemeinde
überließ dem Kläger den Betrieb des Kindergartens im Wege der Auftragsverwaltung und erhielt als Gegenleistung Mietzahlungen. Wenn der Kindergarten, entsprechend
der vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung, aber ein BgA ist, ist dieses
Rechtsverhältnis der Verpachtung des BgA gleichzustellen.
Davon abgesehen ist für die Beurteilung, ob das Grundstück überwiegend von einem
BgA genutzt wird, auf die Zeit nach der Grundstücksübertragung abzustellen (s.
nachfolgend ii.). Der Kläger betreibt den Kindergarten seitdem aber insgesamt selbst.
ii. Das Grundstück dient auch überwiegend einem BgA.
aaa. Wann eine überwiegende Nutzung für einen BgA vorliegt, ist im Einzelfall in
erster Linie nach dem Verhältnis der von der jeweiligen Nutzung in Anspruch
genommenen Grundstücksfläche oder Nutzfläche eines Gebäudes zu beurteilen
(Viskorf in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl., § 4 Rz. 29). Nach Auffassung des
erkennenden Senats ist dabei vorrangig auf die Nutzung nach der
Grundstücksübertragung abzustellen. Das ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut
(„dient“) und daraus, dass der Grundstückserwerber bei einem Grundstückskauf die
Grunderwerbsteuer gemäß § 13 Nr. 1 GrEStG auch – und nach den vertraglichen
Vereinbarungen im Innenverhältnis regelmäßig sogar allein – schuldet, so dass sich
eine Befreiung vorrangig auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Erwerber und
dessen Konkurrenten auswirken würde.
bbb. Nach der Grundstücksübertragung dient das streitgegenständliche Grundstück
überwiegend dem neu zu errichtenden Kindergarten, der eine deutlich größere
Nutzfläche aufweisen und eine größere Grundstücksfläche beanspruchen wird als
das Pastorat (s. Lageplan, FGA Anlagenband; oben A.I.4.).
ccc. Im Verhältnis dazu fällt die Übernahme der Stromerzeugung mit der
Photovoltaikanlage, die ebenfalls als BgA zu qualifizieren ist (vgl. Niedersächsisches
FG, Urteil vom 22.03.2010 16 K 11189/08, EFG 2010, 1263), durch den Kläger nicht
entscheidend ins Gewicht.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
2. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO zugelassen.