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Erbschaftsbesteuerung bei unwirksamen Testament – Grabpflegekosten sind absetzbar

BFH-Urteil vom 7.10.1981 (II R 16/80) BStBl. 1982 II S. 28

1. Für die Besteuerung nach dem Erbschaftsteuergesetz ist die Unwirksamkeit einer ausgeführten Verfügung von Todes wegen auch dann unbeachtlich, wenn sie nicht in vollem Umfang befolgt wird.

2. Auch für Erbfälle in der Zeit vom 1. Januar 1974 bis 31. Dezember 1979 waren Grabpflegekosten grundsätzlich mit dem Kapitalwert für unbestimmte Dauer zu berücksichtigen.

ErbStG 1974 § 3, § 10 Abs. 5; AO 1977 § 41 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

 

Die Adoptiveltern des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) haben sich in dem 1966 errichteten gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Vorerben und den Kläger zum Nacherben eingesetzt. Für den Fall, daß der Ehemann zuerst versterben sollte, war die Ehefrau mit Ausnahme in bezug auf Gesellschaftsanteile als befreite Vorerbin eingesetzt. Ziffer VIII des Testaments lautet:

„Die in dem vorstehenden Testament getroffenen Verfügungen sind wechselbezüglich. Sollte jedoch Frau X Herrn Dr. X überleben, so soll sie befugt sein, über Gegenstände aus ihrer eigenen Familie, z. B. Bilder, Schmuck, Silber, Geschirr und dgl., unter Lebenden oder von Todes wegen anderweitig zu verfügen.“

Der Adoptivvater des Klägers verstarb 1968, seine Ehefrau (Erblasserin) am 12. Juli 1977.

Die Erblasserin hatte in einem weiteren privatschriftlichen Testament vom 9. November 1975 zugunsten einer Reihe von Personen Geldvermächtnisse ausgesetzt und dazu bemerkt, die Beträge stammten aus ihren Einnahmen als Gesellschafterin und aus Zinsen und seien für sie frei verfügbar. Der Kläger hat diese Vermächtnisse teilweise voll, zum Teil in vermindertem Umfang und teilweise gar nicht erfüllt. Den hierfür aufgewendeten Betrag von 116.500 DM machte er als Nachlaßverbindlichkeit geltend. Für Kosten der Grabpflege begehrte er unter Vorlage einer Grabpflegeauftragsbestätigung (Kostenaufwand 700 DM jährlich) den Ansatz von jährlich 600 DM vervielfacht entsprechend der Liegezeit von 25 Jahren.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA -) setzte mit Bescheid vom 19. März 1979 gegen den Kläger, ausgehend von einem auf 3.355.500 DM errechneten steuerpflichtigen Erwerb, die Erbschaftsteuer auf 436.215 DM fest. Die Berücksichtigung der Geldvermächtnisse als Nachlaßverbindlichkeiten lehnte er ab. Die Kosten für die Grabpflege wurden nur mit 400 DM jährlich berücksichtigt.

Mit der nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens erhobenen Klage begehrt der Kläger die Berücksichtigung der Vermächtnisse sowie der geltend gemachten Grabpflegekosten als Nachlaßverbindlichkeiten. Er hat dazu vorgetragen, die Erblasserin habe zwei bis drei Wochen vor ihrem Tode mit seiner Zustimmung mündlich angeordnet, daß die Geldvermächtnisse so wie geschehen abweichend vom Zusatztestament ausgekehrt werden sollten. Seinem der Erblasserin insoweit gegebenen Versprechen habe er sich nicht entziehen können.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Erbschaftsteuer auf 420.706 DM festgesetzt. § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) beschränke die Unbeachtlichkeit der Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts nicht auf die Formnichtigkeit. Beteiligte des unwirksamen Zusatztestaments seien in Ansehung der Vermächtnisse die Vermächtnisnehmer auf der einen und der Kläger als Erbe auf der anderen Seite. Nicht entscheidungserheblich sei, daß die Erblasserin sich der Unwirksamkeit des privatschriftlichen Zusatztestaments bewußt gewesen sei. Unerheblich sei, daß der Kläger den im Zusatztestament ausgesetzten Vermächtnissen nur in beschränktem Umfang nachgekommen sei. Das ergebe sich einmal aus dem Wortlaut von § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, zum anderen aber habe der Kläger unwidersprochen vorgetragen, er habe mit der eingeschränkten Erfüllung eine ihm mündlich erteilte Anordnung der Erblasserin erfüllt.

Mit der Revision beantragt das FA, die Steuer unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils auf 436.137 DM festzusetzen. Es rügt Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) und § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sowie – in bezug auf die mündliche Anordnung – mangelnde Sachaufklärung durch das FG. Die Grabpflegekosten möchte es nur mit einem Betrag von 6.300 DM berücksichtigen, errechnet aus jährlichen Kosten von 700 DM vervielfacht mit 9 entsprechend § 13 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG).

Entscheidungsgründe

 

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; in Abänderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 19. März 1979 wird die Erbschaftsteuer auf 420.992 DM festgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen.

1. Zutreffend ist das FG zu dem Ergebnis gekommen, daß das privatschriftliche Zusatztestament der Erblasserin als einseitige Verfügung des Überlebenden von Todes wegen unwirksam war, soweit es den wechselbezüglich eingesetzten gemeinschaftlichen Schlußbedachten entgegen dem gemeinschaftlichen Testament mit Geldvermächtnissen beschwerte (§ 2271 BGB).

2. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Die Vorschrift des § 41 AO 1977, die zusammen mit § 40 AO 1977 die Nachfolgevorschrift für § 5 Abs. 1 mit 4, Abs. 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) bildet, begrenzt die Unbeachtlichkeit der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht mehr auf bestimmte Fälle der Unwirksamkeit (vgl. bis 31. Dezember 1976 § 5 Abs. 3 und 4 StAnpG), sondern betrifft jegliche Art der Unwirksamkeit. Ziel der Regelung ist, ein bürgerlich-rechtlich unwirksames Rechtsgeschäft für die Besteuerung dem formal (voll) wirksamen Rechtsgeschäft gleichzustellen, wenn die Beteiligten – aus welchen Gründen auch immer – den Erfolg eintreten lassen. Die Vorschrift stellt – wie schon § 5 Abs. 3 StAnpG – ihrem Wortlaut nach auf zweiseitige Rechtsgeschäfte ab. Nur hier können (unmittelbar) am Rechtsgeschäft Beteiligte das wirtschaftliche Ergebnis eintreten und bestehen lassen.

Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 1969 II 120/64 (BFHE 97, 311, BStBl II 1970, 119) ausgeführt hat, können unter den Beteiligten in diesem Sinne auch solche verstanden werden, welche durch Begünstigung oder Belastung an den Wirkungen des unwirksamen Rechtsgeschäfts irgendwie beteiligt werden. Dieser Auslegung ist auch im Bereich des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 für die Frage nach der steuerrechtlichen Auswirkung der Beachtung unwirksamer Verfügungen von Todes wegen zu folgen; dabei ist unbeachtlich, daß die damalige Entscheidung auch damit begründet wurde, der gesetzgeberische Wille, der Fortbestand des in § 11 ErbStG 1925/1934 ausgedrückten Rechtsgedankens habe in Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes vom 30. Juni 1951 (ErbStÄndG) und § 5 Abs. 3 StAnpG hinreichenden Anhalt gefunden. Der Erbschaftsteuer unterliegt der Erwerb von Todes wegen, d. h. der kraft Gesetzes erfolgte oder auf Willenserklärungen des Erblassers beruhende Erwerb vom Vermögen bzw. Vermögensrechten. Wird eine Verfügung des Erblassers von Todes wegen ausgeführt, obwohl sie unwirksam ist, und beruht die Ausführung der Verfügung auf der Beachtung des erblasserischen Willens, den Begünstigter und Belasteter anerkennen, so hat die Besteuerung das wirtschaftliche Ergebnis dieses Vollzugs zu beachten.

3. Zutreffend ist das FG auch zu dem Ergebnis gekommen, die Unbeachtlichkeit der Unwirksamkeit der Verfügung von Todes wegen wirke sich auch bei nur teilweisem Vollzug durch den Beschwerten aus. Das ergibt sich aus dem Wortlaut von § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 und es entspricht auch dem Grundprinzip des Erbschaftsteuerrechts, die aus dem Todesfall erfolgte Bereicherung des Erwerbers – und nur diese – steuerlich zu erfassen (vgl. hierzu auch die Entscheidung des Senats vom 24. Juli 1972 II R 35/70, BFHE 106, 555, BStBl II 1972, 886). Soweit die Beteiligten im oben angesprochenen Sinne der unwirksamen Anordnung des Erblassers nachkommen, hat die Bereicherung des Begünstigten ihre Wurzel im erblasserischen Willen ebenso wie die dadurch eintretende Verminderung der Bereicherung des Beschwerten. Deshalb kann es im vorliegenden Fall auch nicht entscheidungserheblich sein, ob die Erblasserin unter Einschränkung der unwirksamen Verfügung von Todes wegen mündlich genau die ausgeführten Vermächtnisse angeordnet hat, weil die Vermächtnisse, soweit sie erfüllt wurden, aus dem Zusatztestament folgten. Die Verbindung der Vermächtnisse mit dem Willen des Erblassers wird auch bei eingeschränkter Befolgung seines unwirksam erklärten Willens nicht unterbrochen; dem Grunde nach wird dadurch nicht der erblasserische Wille durch den Willen desjenigen ersetzt, der ihn befolgt. Die Aufklärungsrüge des FA geht damit ins Leere.

4. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 in der für den Erwerb maßgebenden Fassung sind als Nachlaßverbindlichkeiten die Kosten für die übliche Grabpflege abzugsfähig. Bis 31. Dezember 1973 war die Berücksichtigung derartiger Kosten als Nachlaßverbindlichkeit davon abhängig, ob der Erblasser eine diesbezügliche Auflage angeordnet hatte. Für Erwerbe nach dem 31. Dezember 1979 sind die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für die unbestimmte Dauer als Nachlaßverbindlichkeit abziehbar (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG i. d. F. durch Art. 7 des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze vom 18. August 1980, BStBl I 1980, 581).

Der Umstand, daß das Gesetz die üblichen Grabpflegekosten als Nachlaßverbindlichkeit berücksichtigt, verweist notwendig hinsichtlich der Höhe der Kosten auf die ortsüblich im Jahresdurchschnitt anfallenden Ausgaben. Hinsichtlich des zeitlichen Umfanges der Berücksichtigung trifft das Gesetz in der hier maßgebenden Fassung keine Entscheidung. Abzustellen wäre hier im Gegensatz zur Auffassung des FG auf die allgemeine Übung. Auf die vom Kläger für wesentlich angesehene Dauer der „Liegezeit“ kann es nicht ankommen, weil sie je nach Friedhofssatzung usw. von höchst unterschiedlicher Dauer sein kann. Es scheint daher zutreffend, den berücksichtigungsfähigen Wert unter Zugrundelegung einer ungewissen Dauer der Belastung (Kapitalwert das Neunfache des Jahreswerts) zu schätzen.