Keine Änderung des Entgelts aufgrund Abtretung – Uneinbringlichkeit einer Forderung
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Organträger der A-GmbH. Die A-GmbH lieferte Haushaltsartikel an Endverbraucher. Sie schloss mit ihrer nicht zum Organkreis gehörenden Schwestergesellschaft S, einer Bank, Rahmenverträge zur Absatzfinanzierung. S vergab aufgrund einer gesonderten Vermittlungsleistung der A-GmbH Kredite an die Kunden der A-GmbH. Nach den zwischen S und der A-GmbH abgeschlossenen Rahmenverträgen war S berechtigt, offene Forderungen an die A-GmbH zu belasten, wenn die Beitreibung gegenüber den Kunden erfolglos blieb. Hierfür bestand bei der S ein Sperrkonto. Für die bis zum 31. Dezember 1997 mit Kunden abgeschlossenen Verträge lag eine selbstschuldnerische Bürgschaft der A-GmbH vor. Für die Erfüllung danach abgeschlossener Verträge haftete die A-GmbH nur, wenn die Kunden bestimmte Annahmevoraussetzungen für eine Kreditgewährung nicht erfüllten. Die über die S finanzierten Warenlieferungen erfolgten aufgrund eines kombinierten "Auftrags-/Kreditantrags-Formulars". S zahlte die Kreditbeträge unmittelbar an die A-GmbH aus, wodurch der Kaufpreis als entrichtet galt. Nach den Kreditbedingungen erwarb S Eigentum an den Waren, die sie leihweise an die Abnehmer überließ.
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Soweit Kunden die Darlehen nicht tilgten und eine Beitreibung durch S erfolglos blieb, belastete S die noch offene Hauptforderung und die Beitreibungskosten an die A-GmbH. Blieben auch eigene Beitreibungsversuche ohne Erfolg, ging die A-GmbH von einer Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) aus.
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Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) der Auffassung, dass die Rückbelastungen nicht zu einer Minderung des Entgelts führten und änderte den Umsatzsteuerjahresbescheid 1999 entsprechend. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
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Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt, da die Rückbelastungen zu einer Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG geführt hätten. Mit der Auszahlung des Kreditbetrages durch S an die A-GmbH sei der Anspruch auf Kaufpreiszahlung noch nicht erloschen i.S. von § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), zumal Kaufvertrag und Kreditgewährung nach § 9 des Verbraucherkreditgesetzes miteinander verbunden gewesen seien und es zur Rückbelastung erst gekommen sei, wenn Beitreibungsmaßnahmen erfolglos geblieben seien. Unerheblich sei, dass das Eigentum durch die Auszahlung des Kreditbetrages auf S übergegangen sei.
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Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2009, 533 veröffentlicht.
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Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die A-GmbH habe über den Kaufpreis bereits mit der Auszahlung des Kreditbetrages an die Klägerin endgültig verfügen können. Hierdurch sei das zum Käufer bestehende Schuldverhältnis erloschen. Auch wenn Kauf- und Kreditvertrag als wirtschaftliche Einheit anzusehen seien, lägen voneinander unabhängige Verträge vor. Die Verträge enthielten keine Vereinbarung, nach der die Forderungen aus den ursprünglichen Warengeschäften wieder auflebten. Soweit die Klägerin Forderungen aus den gekündigten und auf sie übergegangenen Kreditverträgen gegen die Kunden geltend mache, beziehe sie sich nicht mehr auf die ursprüngliche Warenforderung. Die uneinbringlichen Forderungen beruhten danach nicht auf dem Ausfall des ursprünglichen Kaufpreises, sondern seien Folge der nicht erfüllten Zahlungsverpflichtungen aus den Kreditverträgen. Die Rückbelastung an die Klägerin führe auch deshalb nicht zur Uneinbringlichkeit, da keine Zahlung an die Käufer erfolgt sei. Mit der Beurteilung der Ausgabe von Gutscheinen in einer Leistungskette und der hierzu vertretenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung sei der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.
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Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt
die Revision zurückzuweisen.
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Das FG sei unter Zugrundelegung zivilrechtlicher Grundsätze zu Recht von einer Entgeltminderung ausgegangen, da aufgrund des Vorbehalts der Rückbelastung und der Einrichtung des Sperrkontos noch keine Erfüllungswirkung nach §§ 267, 363 BGB eingetreten sei. Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 774 BGB sei für das maßgebliche Verhältnis der Klägerin zu den Abnehmern der Lieferung nicht von Bedeutung. Für den auf tatsächliche Umstände abstellenden Begriff der Uneinbringlichkeit komme es im Übrigen nicht auf rechtliche Erwägungen an. Zu berücksichtigen sei auch der Charakter der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die Klägerin hat zwar im Grundsatz die an sie zurückbelasteten Beträge zu Recht als uneinbringliches Entgelt für die von ihr ausgeführten Warenlieferungen behandelt, wie das FG zutreffend entschieden hat. Dies gilt jedoch nur, soweit sich die Rückbelastung auf die noch offene Hauptforderung gegen den Abnehmer bezog, nicht aber auch für die Rückbelastung von Beitreibungskosten und Zinsen. Dies hat das FG nicht berücksichtigt und daher insoweit auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
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1. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag entsprechend zu berichtigen. Leistender Unternehmer und Leistungsempfänger können die zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage führende Vereinbarung auch nach vollständiger Vereinnahmung des Entgelts abschließen (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 18. September 2008 V R 56/06, BFHE 222, 162, BStBl II 2009, 250).
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2. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gilt Absatz 1 dieser Vorschrift sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.
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Eine Entgeltforderung ist uneinbringlich, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts i.S. von § 10 Abs. 1 UStG nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz).
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§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG beruht ebenso wie § 17 Abs. 1 UStG auf Art. 11 Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach wird die Besteuerungsgrundlage im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert, wobei die Mitgliedstaaten im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung jedoch von dieser Regel abweichen können.
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3. Wie das FG zu Recht entschieden hat, kann ein Entgelt auch nach seiner Vereinnahmung uneinbringlich i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG werden, wenn der Unternehmer nach den bei der Vereinnahmung vereinbarten Rückzahlungsvoraussetzungen zur Herausgabe des vereinnahmten Entgelts verpflichtet ist, es dementsprechend zu einer Rückgewähr des Entgelts kommt und der Unternehmer seinen Entgeltanspruch auch nicht anderweitig durchsetzen kann.
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a) Dass auch ein bereits vereinnahmtes Entgelt uneinbringlich werden kann, ergibt sich bereits aus der Verweisung in § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf Absatz 1 dieser Vorschrift. Aufgrund dieser Rechtsfolgenverweisung kann es –ebenso wie bei der Änderung der Bemessungsgrundlage nach Entgeltvereinnahmung gemäß § 17 Abs. 1 UStG (BFH-Urteil in BFHE 222, 162, BStBl II 2009, 250)– auch zur Uneinbringlichkeit nach Entgeltvereinnahmung kommen.
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Dementsprechend hat der Senat bereits zum UStG 1951 für den Fall der kreditfinanzierten Warenlieferung, bei der der Abnehmer einen Kredit für die Entrichtung des Kaufpreises aufnimmt und eine Ausfallhaftung des liefernden Unternehmers gegenüber der den Kredit gewährenden Bank besteht, entschieden, dass eine Entgeltrückgewähr vorliegt, wenn der Empfänger das Entgelt an denjenigen wieder herausgibt, der es gezahlt hat (BFH-Urteil vom 20. Juli 1967 V 233/64, BFHE 89, 492, BStBl III 1967, 687, Leitsatz).
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Hierfür spricht auch die Definition des Entgelts in § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG bzw. Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, auf dessen Uneinbringlichkeit es nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG ankommt. Gibt der Leistende das über einen Dritten vereinnahmte Entgelt wieder an den Dritten heraus, ohne dass über die Kreditfinanzierung des Leistungserwerbs durch Abschluss eines Darlehensvertrages hinaus eigene Aufwendungen durch Tilgungsleistungen des Leistungsempfängers vorliegen, hat weder der Leistungsempfänger Aufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG getätigt noch der Leistende i.S. von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG etwas erhalten (vgl. auch BFH-Urteil vom 19. Oktober 2001 V R 48/00, BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210, unter II.3.c).
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b) Das FG ist im Streitfall zu Recht von der Uneinbringlichkeit ausgegangen.
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Gewährt ein Kreditinstitut –wie im Streitfall S– dem Leistungsempfänger ein Darlehen, für dessen Rückzahlung der Unternehmer haftet und zahlt das Kreditinstitut die Valuta an den Unternehmer aus, vereinnahmt der Unternehmer zwar zunächst das Entgelt für die Lieferung. Muss der Unternehmer jedoch den Geldbetrag an das Kreditinstitut zurückzahlen, da der Anspruch auf Darlehensrückzahlung nicht durchsetzbar ist, ist das Entgelt als uneinbringlich anzusehen.
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Im Hinblick auf die erforderliche richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit entsprechend Art. 11 Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ist es im Übrigen entgegen der Auffassung des FA unerheblich, ob der ursprüngliche Entgeltanspruch bereits durch die Zahlung des Kreditinstituts zivilrechtlich erloschen ist und daher zivilrechtlich nicht wieder aufleben kann (BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 21/04, BFH/NV 2005, 928, unter II.3.).
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4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat nicht berücksichtigt, dass keine Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG vorliegt, soweit sich die Rückbelastung nicht auf das Entgelt, die offene Hauptforderung bezog, sondern auch Beitreibungskosten der S umfasste. Die bei der S entstandenen Beitreibungskosten sind für die Höhe des Entgelts und dessen Uneinbringlichkeit ohne Bedeutung. Da nur die Uneinbringlichkeit des für die Leistung geschuldeten Entgelts zu einer Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG führen kann, kommt es ausschließlich darauf an, in welchem Umfang die Kunden die dem Kaufpreis und damit die dem Entgelt entsprechende Darlehensvaluta nicht entrichtet haben. Daher ist im zweiten Rechtsgang aufzuklären, inwieweit die Rückbelastungen auf die ursprüngliche Kaufpreisschuld entfallen. Im Umfang der Rückbelastung von Beitreibungskosten oder z.B. von Darlehenszinsen liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung nicht vor.