VI R 3/13 – Rückwirkende Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007; keine Anlaufhemmung bei Antragsveranlagung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 17.7.2014, VI R 3/13

Rückwirkende Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007; keine Anlaufhemmung bei Antragsveranlagung

Tatbestand

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I. Streitig ist, ob für den Veranlagungszeitraum 2003 (Streitjahr) noch eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen ist.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erwirtschaftete er nach den Angaben in der Einkommensteuererklärung, die er und seine zwischenzeitlich verstorbene Ehefrau im Jahr 2009 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) abgaben, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 3.174 EUR. Mit Bescheid vom 26. August 2009 lehnte das FA die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung ab, weil für das Streitjahr bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
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Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage durch den Kläger und die Rechtsnachfolgerin seiner verstorbenen Ehefrau (Klägerin und Revisionsklägerin) hat das Finanzgericht abgewiesen.
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Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil und den Bescheid des FA vom 26. August 2009 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, für das Jahr 2003 eine Veranlagung durchzuführen.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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1. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 ist die Amtsveranlagung nur durchzuführen, wenn, was hier nicht der Fall ist, die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und § 24a EStG, mehr als 410 EUR beträgt (zur früheren Rechtslage s. Senatsurteile vom 21. September 2006 VI R 47/05, BFHE 215, 149, BStBl II 2007, 47; VI R 52/04, BFHE 215, 144, BStBl II 2007, 45). § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist gemäß § 52 Abs. 55j Satz 1 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 (früher § 52 Abs. 55j EStG i.d.F. des JStG 2007) auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 und damit das Streitjahr anzuwenden. Die rückwirkende Geltungsanordnung der Vorschrift verstößt nach Auffassung des Senats nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (Urteil vom 17. Januar 2013 VI R 32/12, BFHE 240, 131, BStBl II 2013, 439). Zudem ist der Senat in dieser und anderen § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 betreffenden Entscheidungen von der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift im Übrigen ausgegangen (Schmidt/Kulosa, EStG, 33. Aufl., § 46 Rz 12). Der Senat hält an seiner Auffassung fest.
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2. Der Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i.d.F. des JStG 2008 i.V.m. § 52 Abs. 55j Satz 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 (früher § 52 Abs. 55j Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2008) steht der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen (Senatsentscheidung vom 14. April 2011 VI R 53/10, BFHE 233, 311, BStBl II 2011, 746; s. dazu auch Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. September 2013  1 BvR 924/12, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 1157).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Quelle: bundesfinanzhof.de