|
II. Die Klage ist teilweise begründet. Nach den Maßstäben des Senats, an denen er festhält (dazu unten 1.), war die Dauer des Ausgangsverfahrens im Umfang von 19 Monaten unangemessen (dazu unten 2.), von denen aber lediglich für einen Zeitraum von sechs Monaten Entschädigung zu zahlen ist (dazu unten 3.). Hierauf hat jeder der Kläger einen Anspruch (dazu unten 4.). |
|
|
1. Der Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt u.a. die unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens voraus. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Für die weiteren Grundsätze und Einzelheiten einschließlich der Aufteilung des typischen finanzgerichtlichen Verfahrens in drei Phasen nimmt der Senat auf seine Urteile in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179 (unter II.2.a bis c), vom 18. März 2014 X K 4/13 (BFH/NV 2014, 1050), und vom 19. März 2014 X K 3/13 (BFH/NV 2014, 1053) sowie X K 8/13 (BFHE 244, 521) Bezug. |
|
|
Diese Rechtsprechung steht zu derjenigen des BVerwG und des BSG nicht in Widerspruch, so dass kein Anlass zu einer Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes besteht. Hinsichtlich des –bereits im Sachverhalt nicht vergleichbaren– Urteils des BVerwG in BayVBl 2014, 149 verweist der Senat auf sein Urteil in BFH/NV 2014, 1053. Das Urteil des BVerwG in Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 betrifft den ebenfalls nicht vergleichbaren Fall eines Berufungszulassungsverfahrens, das insgesamt fast drei Jahre gedauert hatte, das Urteil des BSG in BSGE 113, 75 sowie die Parallelentscheidung hierzu (B 10 ÜG 2/12 KL, n.v.) ein Verfahren betreffend eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. |
|
|
Das BVerwG hat in seinem Urteil in BVerwGE 147, 146 (unter II.1.b aa (1) und (2)) ausgeführt, der Einzelfall sei maßgebend und Grenzwerte verböten sich. Auch zu diesen Aussagen setzt sich der Senat nicht in Widerspruch. Zum einen hat der Senat im Einklang mit dem BVerwG der Einzelfallbetrachtung Vorrang vor der aus den typischen drei Phasen des finanzgerichtlichen Verfahrens abgeleiteten Vermutungsregel eingeräumt. Zum anderen hat das BVerwG seine Zurückhaltung gegenüber Orientierungs- und Richtwerten nicht zuletzt mit der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren begründet, die in dieser Form in der Finanzgerichtsbarkeit nicht existiert. |
|
|
2. Die Dauer des Ausgangsverfahrens war im Umfang von 19 Monaten unangemessen. |
|
|
a) Die Anwendung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach Art von Regelbeispielen genannten Kriterien bietet kein eindeutiges Bild. Die Schwierigkeit des Verfahrens war jedenfalls nicht unterdurchschnittlich, während seine Bedeutung angesichts der Steuerbelastung der Kläger verhältnismäßig hoch erscheint. Allerdings hat das klägerische Vorbringen mit seinen –unerheblichen– Beweisantritten den Rechtsstreit für das FG komplexer erscheinen lassen als er tatsächlich war. |
|
|
b) Die Betrachtung des konkreten Verfahrensablaufs zeigt eine Verzögerung von insgesamt 19 Monaten. |
|
|
aa) Die erste Phase war im Oktober/November 2010 beendet, als alle Beteiligten davon ausgingen, die Sache sei ausgeschrieben. Das FG hätte gut zwei Jahre nach Eingang der Klage und damit im Juli 2011 mit der Bearbeitung des Verfahrens beginnen müssen. Daran fehlte es. Stattdessen hat es auf die Verzögerungsrüge hin erst Ende Januar 2012 angefragt, ob das Ruhen des Verfahrens beantragt werde, das die Kläger im Februar 2012 ablehnten. Für den Zeitraum von Juli 2011 bis Dezember 2011 (sechs Monate) ist das Verfahren daher als verzögert zu betrachten. Die Zeit, die das FG für die Anfrage selbst aufgewandt hat, ist hingegen nicht einzubeziehen, da die Anfrage als solche ohne Weiteres sachgerecht, sogar naheliegend war. |
|
|
bb) Nachdem die Kläger das Ruhen abgelehnt hatten, hätte das FG das Verfahren weiter betreiben müssen. Daran fehlte es wiederum, so dass das Verfahren weiter von März 2012 bis Oktober 2012 und damit für weitere acht Monate als verzögert anzusehen ist. |
|
|
Soweit der Beklagte meint, die fehlende Zustimmung des Bevollmächtigten habe den Interessen der Mandanten widersprochen und führe so zum Anspruchsausschluss, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Verfahrensruhe nach § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung setzt ausdrücklich entsprechende Anträge der Beteiligten voraus. Die Annahme, die Versagung der Zustimmung sei nicht mit Wissen und Wollen der Kläger als Mandanten erfolgt, ist spekulativ und kann nicht unterstellt werden. Wenn das FG befugt wäre, ein Verfahren trotz fehlender Zustimmung eines der Beteiligten zum förmlichen Ruhen so lange nicht zu fördern, wie der Ruhensgrund besteht, unterliefe dies die gesetzgeberische Entscheidung, die Verfahrensruhe –anders als die Aussetzung nach § 74 FGO– an die Anträge der Beteiligten zu knüpfen. |
|
|
cc) Hingegen muss die erneute Ruhensanfrage des FG im November 2012 wiederum als zweckmäßige Verfahrensförderung betrachtet werden, so dass der November 2012 nicht in die Zeitspanne der Verzögerung einzubeziehen ist. Auch wenn die Kläger zuvor bereits das Ruhen abgelehnt hatten, war nicht auszuschließen, dass sie in Bezug auf ein anderes Verfahren eine andere Entscheidung treffen würden. Es entsprach daher den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verfahrensförderung, wenn das FG hiernach wenigstens fragte. |
|
|
dd) Anschließend hat das FG das Verfahren allerdings wiederum von Dezember 2012 bis April 2013 und damit für weitere fünf Monate nicht gefördert, bis es am 10. Mai 2013 zur zeitnahen mündlichen Verhandlung lud. |
|
|
3. Von diesen 19 Monaten ist lediglich für einen Zeitraum von sechs Monaten Entschädigung zu zahlen, während für die verbliebene Zeit von 13 Monaten die Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen ist, ausreichende Wiedergutmachung ist. |
|
|
a) Soweit die Beteiligten auf entsprechende Anfrage des FG einem Ruhen des Verfahrens mit Rücksicht auf ein bei dem BFH anhängiges Revisionsverfahren in einer parallelen Angelegenheit zwar nicht zustimmen, wohl aber objektiv ein Grund vorliegt, ein Verfahren zum Ruhen zu bringen und gleichzeitig für die fehlende Zustimmung keine Gründe erkennbar sind, kann vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass für die Verfahrensverzögerung in dieser Zeitspanne keine Entschädigung in Geld zu gewähren ist, vielmehr nach § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ausreichend ist. |
|
|
In dieser Konstellation ist ohnehin damit zu rechnen, dass das Verfahren wenigstens diejenige (zusätzliche) Zeitspanne in Anspruch nimmt, für die der Ruhensgrund besteht. Gleich wie das FG entscheidet, so hat es im Regelfall die Revision zuzulassen, die wiederum im Regelfall auch eingelegt werden dürfte. Beide Beteiligten schweben in Ungewissheit über den Ausgang des anhängigen Revisionsverfahrens und werden sich der Möglichkeit, dass dieses Verfahrens zu ihren Gunsten ausgeht, nicht begeben. Die Verzögerung, der sie bei fehlender Zustimmung zum Ruhen in der ersten Instanz auszuweichen suchen, wird daher lediglich auf die nächste Instanz verlagert, aber nicht endgültig vermieden. Vor diesem Hintergrund ist die persönliche Betroffenheit durch die Verzögerung deutlich geringer als in einer Verfahrenssituation, in der ein solcher Ruhensgrund nicht besteht. |
|
|
b) So verhält es sich im Streitfall für einen Zeitraum von 13 Monaten. |
|
|
aa) Das Verfahren VI R 58/11, in dem es ebenfalls um die Konkurrenz zwischen Arbeitslohn und Schenkung ging, war ein Parallelfall, der die Verfahrensruhe vom Zeitpunkt der Anfrage des FG im Januar 2012 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 28. Februar 2013 bzw. der darauf folgenden Veröffentlichung gerechtfertigt hätte. |
|
|
Bei dem auf das Verfahren 1 K 1102/09 (entschieden durch Urteil vom 1. August 2012, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 118) folgenden Revisionsverfahren VI R 57/12, auf das sich die zweite Ruhensanfrage bezog, handelte es sich ebenfalls um ein Parallelverfahren. Dieses Revisionsverfahren ist bis heute anhängig (weiteres noch anhängiges Parallelverfahren VI R 58/12) und hätte damit die Verfahrensruhe vom Zeitpunkt der Anfrage bis heute gerechtfertigt. |
|
|
Damit war in der gesamten Zeit von der ersten Ruhensanfrage im Januar 2012 bis zur Entscheidung über die Klage ein Ruhensgrund vorhanden. Dies betrifft die Verzögerungszeiten von acht und fünf Monaten (s.o. 2.b bb und dd) und damit insgesamt einen Zeitraum von 13 Monaten. |
|
|
bb) Soweit sich die Kläger darauf berufen, durch Schenkungsteuer und Einkommensteuer für die Zeit des Verfahrens doppelt belastet worden zu sein, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Weder ist deswegen davon auszugehen, dass das anhängige Revisionsverfahren kein Parallelverfahren war, noch handelt es sich sonst um einen besonderen Umstand des Einzelfalls, der die Feststellung ausnahmsweise nicht ausreichend erscheinen ließe, denn der Einwand der Kläger ist im sachlichen Ausgangspunkt unrichtig. Die Kläger übersehen, dass das Schenkungsteuerfinanzamt nach den Feststellungen des FG den Schenkungsteuerbescheid auf ihren Antrag unverzüglich aufgehoben hatte. |
|
|
Andere Umstände, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. |
|
|
4. Für die Zeitspanne von Juli bis Dezember 2011 existieren indes keine Besonderheiten, so dass insoweit Entschädigung in Geld nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG nach Monaten und damit für sechs Monate in Höhe von insgesamt 600 EUR zu gewähren ist. |
|
|
Dabei ist diese Entschädigung jedem der Kläger für sich zu zahlen. Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils ist ein personenbezogener Anspruch. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Er ist als ein Jedermann-Recht konzipiert und steht in Fällen einer subjektiven Klagehäufung jeder am Gerichtsverfahren beteiligten Person einzeln zu (weiterführend: BVerwG-Urteil in Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3). |
|
|
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 201 Abs. 4 GVG. |
|
|
Soweit den Klägern Entschädigung von insgesamt 1.200 EUR zuzusprechen ist, haben sie obsiegt. Dies entspricht einem Anteil von 16,67 % des gesamten Antrags, so dass insoweit der Beklagte die Kosten trägt. |
|
|
Die restlichen Kosten von 83,33 % entfallen auf den verbleibenden Zeitraum von 30 Monaten (geltend gemachte 36 Monate abzüglich der sechs Monate, für die eine Entschädigung in Geld zu zahlen ist). |
|
|
Hinsichtlich eines anteiligen Zeitraums von 17 Monaten unterliegen die Kläger in vollem Umfang. Auf diesen Zeitraum entfallen 47,22 % der Gesamtkosten (17 Monate/30 Monate * 83,33 %). |
|
|
Hinsichtlich des verbliebenen anteiligen Zeitraums von 13 Monaten sind die Kosten nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens verhältnismäßig zu teilen. Der Senat ist in seinem Urteil in BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547 (unter III.8.) davon ausgegangen, dass in einem Fall, in dem zwar die Unangemessenheit der Verfahrensdauer, nicht aber Entschädigung in Geld auszusprechen war, eine Kostenquote von 75 % (Beklagter) zu 25 % (Kläger) billigem Ermessen entspricht. Der vorliegende Fall weist keine Besonderheiten auf, die eine Abweichung rechtfertigen könnten. Auf diesen Zeitraum entfallen die verbliebenen 36,11 % der Gesamtkosten (13 Monate/30 Monate * 83,33 %). Diese sind nach dem vorgenannten Maßstab in der Weise zu verteilen, dass die Kläger 9,03 %, der Beklagte 27,08 % der Kosten tragen. |
|
|
Insgesamt entfällt demnach auf den Beklagten ein Kostenanteil von 16,67 % + 27,08 % = 43,75 %, auf die Kläger ein Kostenanteil von 47,22 % + 9,03 % = 56,25 %. |
|