Investitionszulage –Wirtschaftsgut, das innerhalb des Fünfjahreszeitraums aus dem Betriebsvermögen ausscheidet

Finanzgericht Münster, 11 K 1214/10 I,AO

Datum:
23.04.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 1214/10 I,AO
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 83 v. H. und im Übrigen dem Finanzamt auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

1                                                                                    G r ü n d e

2Streitig ist, ob eine für das Jahr 2000 aus Anlass der Anschaffung eines Wirtschaftsguts festgesetzte Investitionszulage, nachdem dieses Wirtschaftsgut vor Ablauf von fünf Jahren aus dem Betriebsvermögen (BV) ausgeschieden war, noch im Jahr 2009 zurückgefordert werden kann.

3Die Klägerin (Klin.) ist eine GmbH. Eingetragen war sie im Handelsregister des Amtsgerichts E. unter HRB 00001. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb modischer Waren …. Alleinige Gesellschafterin ist die X. D. GmbH.

4Am Unternehmenssitz in D./Y. wurden Waren der genannten Art produziert. Die Betriebsstätte war, nachdem über ein vorher dort tätiges Unternehmen die Gesamtvollstreckung eröffnet war, im Jahr … als laufender Betrieb übernommen worden. Voraussetzung der Übernahme war, dass ca. … Mitarbeiter übernommen wurden. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Finanzierung war über Banken … gelaufen. Die in D./Y. produzierten Waren wurden an die X. Vertriebsgesellschaft mit Sitz in Z. fakturiert und von hier aus an die Kunden weiter fakturiert. Tatsächlich geliefert wurden die Waren von der Produktionsstätte in D./Y. an die Kunden unmittelbar.

5Nach Übernahme der Produktionsstätte hatte die Klin. am 11.04.2001 bezogen auf das Wirtschaftsjahr 2000/2001 eine Investitionszulage für – abgesehen von anderen Wirtschaftsgütern – eine Anlage zu Anschaffungskosten in Höhe von … DM – Anschaffungsdatum: 10.07.2000 – beantragt.

6Diese hatte folgende Funktionsweise: Die produzierten Waren … ließen sich nur … transportieren. Es hatte sich um … ein System … gehandelt, über das die Waren … zu den LKW transportiert werden konnten, mit denen dann die Waren an die Kunden ausgeliefert wurden. Es war beim Einbau an die örtlichen Gegebenheiten angepasst worden und war für das vorhandene Gebäude „maßgeschneidert.“

7Das Finanzamt (FA) C1. hatte daraufhin auch wegen der weiteren Wirtschaftsgüter mit Bescheid vom 28.11.2001 für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 eine Investitionszulage nach § 2 Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1999 in Höhe von 10 v.H. = … DM festgesetzt und ausbezahlt.

8In den Jahren 2003/2004 gab es hinsichtlich der Produktion und der Möglichkeit des Absatzes von Waren eine rezessive Phase. Die Gesellschafterin der GmbH beschloss, dass im Jahr 2004 nur noch für … produziert werden sollte und dass die Produktionsstätte in D./Y. danach ohne Insolvenzverfahren stillgelegt werden sollte. Mit Einverständnis der damaligen Gläubiger, insbesondere der beteiligten Banken, wurde Ende 2004 die Produktion eingestellt. Die einzelnen Wirtschaftsgüter – insbesondere diejenigen, für die vorher eine Investitionszulage gewährt war – wurden verwertet. Die Anlage wurde auf Grund der Rechnung vom 08.06.2005 zum Preis von … € zuzüglich 16 v. H. Umsatzsteuer (USt) verkauft (vgl. Bl. 9 im Verfahren 11 V 2566/10 I, AO). Außerdem wurde das für Produktionszwecke genutzte Grundstück an die Gemeinde D. veräußert. In der Gesellschafterversammlung vom 27.10.2005 wurde beschlossen, den Sitz der GmbH von D./Y. nach Z. zu verlegen. In der Folgezeit ist die Klin. nur noch im Rahmen eines Vertriebs über das Internet tätig geworden. Der Gegenstand des Unternehmens ist im Handelsregister nicht geändert worden.

9Im Jahr 2006 wurde bei der Klin. vom FA für Groß- und Konzern-Betriebsprüfung Z. eine Betriebsprüfung (Bp) durchgeführt, die sich u.a. auf die Investitionszulage 2001 bezog. Dabei wurde festgestellt, dass verschiedene Wirtschaftsgüter – darunter die Anlage– vor Ablauf von fünf Jahren aus der Betriebsstätte in D./Y. ausgeschieden waren. Wegen Nichterfüllung der Verbleibensvoraussetzungen über einen geforderten Zeitraum von fünf Jahren war nach Ansicht der Prüfung der Bescheid über die Festsetzung der Investitionszulage zu ändern und die zuvor ausbezahlte Investitionszulage zurück zu fordern. Im Falle der Anlage betrug diese 10 v.H. von … DM = … DM (= … €).

10Das FA folgte dem Vorschlag der Bp. Mit der Verfügung vom 27.04.2009 „über die Änderung des Bescheids über eine Investitionszulage nach § 2 InvZulG 2005 für das Kalenderjahr 2001 und Zinsbescheid“ änderte es die Berechnung der Investitionszulage (B. 31 der Investitionszulagenakten). Gleichzeitig forderte es einen Betrag von … € zurück. Hiervon entfielen … € auf die Anlage und der Rest auf die anderen Wirtschaftsgüter. Außerdem setzte es Zinsen in Höhe von … € fest (Zinslauf 01.01.2002 bis 30.04.2009 = 88 Monate x Zinssatz 0,5 v.H. = 44 v.H. von … € = … €).

11Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klin. Klage erhoben. Soweit es um die Änderung der Festsetzung der Investitionszulage im Zusammenhang mit der Anschaffung anderer Wirtschaftsgüter als der Hängetransportanlage gegangen ist, hat sie die Klage nicht weiter aufrecht erhalten.

12Das FA hat im Anschluss an einen Erörterungstermin den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Festsetzung der Zinsen zur Investitionszulage nach § 2 InvZulG 1999 für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 am 04.02.2013 geändert. Nach folgender Berechnung hat es diese auf nur noch … € festgesetzt:

13Zinslauf 01.01.2006 bis 30.04.2009 = 40 Monate x 0,5 v. H. Zinssatz = 20,0 v. H. von … € = … €. Die Minderung betrug damit … €.

14Die Klin. macht geltend, dass die Änderung der festgesetzten Investitionszulage für die Anlage mit der Folge, dass der Zulagenbetrag von … DM (… €) zurückgefordert werde, rechtswidrig sei. Dieses Wirtschaftsgut sei bei der Veräußerung im Jahr 2005 wirtschaftlich verbraucht gewesen. Das ergebe sich aus dem erzielten Kaufpreis von netto nur … €, der damit deutlich weniger als 10 v.H. der ursprünglichen Anschaffungskosten von … € (= … DM) betragen habe. Sofern nicht von einem wirtschaftlichen Verbrauch ausgegangen werde, sei die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu beachten, nach der im Falle des Vorliegens eng begrenzter Ausnahmen von einer Rückforderung abzusehen sei. Das wiederum sei der Fall, wenn ein Missbrauch ausgeschlossen sei. Das aber sei vorliegend anzunehmen. In diesem Zusammenhang verweist die Klin. auf die Beschlüsse des BFH vom 29.03.2006 III B 180/05, BFH/NV 2006, 1512, sowie vom 04.12.2009 III B 120/98, BFH/NV 2010, 685.

15Mit dem Sinn und Zweck des Investitionszulagengesetzes 1999 sei es nicht vereinbar, eine Rückforderung vorzunehmen. Mit diesem Gesetz hätten Investitionen gefördert werden sollen. Jedwede Investition eines Unternehmens sei mit einem Risiko verbunden. Das InvZulG wolle diese Risikoabwägung zu Gunsten der Investitionsentscheidung verschieben.

16Abgesehen davon sei ein Ausnahmefall auch anzunehmen, wenn das Wirtschaftsgut auf Grund eines unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses, das dem üblichen unternehmerischen Bereich nicht zugeordnet werden könne, aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sei. Als ein solches Ereignis sei die Nichtverlängerung des … Abkommens mit Ablauf zum 31.12.2004 anzusehen. In diesem Zusammenhang verweist die Klin. auf eine mit dem Schriftsatz vom 18.04.2013 vorgelegte Studie.

17Hilfsweise sei der Rückzahlungsanspruch auf den Veräußerungserlös zu begrenzen.

18Die Klin. beantragt,

19              den geänderten Bescheid über eine Investitionszulage nach § 2 InvZulG für das Kalenderjahr 2000/2001 sowie den damit verbundenen Zinsbescheid vom 27.01.2009 und die hierauf bezogene Einspruchsentscheidung (EE) vom 01.03.2010 sowie den im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens ergangenen Zinsbescheid vom 04.02.2013 aufzuheben, soweit es um das Wirtschaftsgut „Anlage“ geht.

20hilfsweise,

21              die Revision zuzulassen.

22Das FA beantragt,

23              die Klage abzuweisen.

24Unter Hinweis auf die Ausführungen in der EE vom 01.03.2010 macht es geltend, dass es zwar nach der Rechtsprechung zugelassen sei, dass von einer Rückforderung einer Investitionszulage wegen Veräußerung eines Wirtschaftsguts vor Ablauf des Verbleibenszeitraums abgesehen werden könne, wenn es wegen technischer Abnutzung oder wirtschaftlichen Verbrauchs aus dem Betrieb ausgeschieden sei. Dieses Ausscheiden müsse aber im Verbrauch des Wirtschaftsguts begründet sein und nicht in der Einstellung des Betriebes.

25Die aktive Tätigkeit der Klin. sei aber im Laufe des Jahres 2004 eingestellt worden, indem die Arbeitnehmer der einzelnen Abteilungen mit der Begründung, der Betrieb werde eingestellt, entlassen worden seien. Damit seien die Wirtschaftsgüter aus dem Betrieb wegen der Einstellung der aktiven Tätigkeit ausgeschieden und nicht aus dem Grund, weil sie wirtschaftlich verbraucht gewesen seien. Wäre der Betrieb weiter geführt worden, wären die Wirtschaftsgüter – u.a. die Anlage – unverändert im Betrieb nutzbar gewesen. Betriebswirtschaftliche Gründe, insbesondere Erwägungen der Rentabilität, rechtfertigten aber keine Ausnahme von der gesetzlichen Vorgabe, dass das begünstigte Wirtschaftsgut eine bestimmte Frist im Betrieb – hier: 5 Jahre –verbleiben müsse.

26Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten FA-Akten sowie auf die Akten zu dem gerichtlichen Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung 11 V 2566/10 I, AO verwiesen.

27Am 30.01.2013 hat vor dem Berichterstatter/der Berichterstatterin des Senats ein Erörterungstermin stattgefunden. Der Senat hat am 23.04.2013 mündlich verhandelt. Auf beide Niederschriften wird Bezug genommen.

28Die Klage ist unbegründet.

29Soweit es darum geht, dass das FA die aus Anlass der Anschaffung anderer Wirtschaftsgüter als der Anlage festgesetzte Investitionszulage aufgehoben und den entsprechenden Betrag zurückgefordert hat, besteht nach dem Erörterungstermin kein Streit mehr, dass dies zu Recht geschehen ist.

30Auch hinsichtlich der für die Anlage festgesetzten Investitionszulage ist die Aufhebung und Rückforderung der vorher festgesetzten Investitonszulage nicht zu beanstanden.

31Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvZulG 1999 sind begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung (Fünfjahreszeitraum) zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören und in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben. Dabei bedeutet der Begriff des Betriebes bzw. der Betriebsstätte im investitionszulagenrechtlichen Sinn, dass es sich um einen aktiv am wirtschaftlichen  Verkehr teilnehmenden Betrieb bzw. eine ebensolche Betriebsstätte handelt. Dies ist aus der jeder Investitionszulage grundsätzlich eigenen Zielsetzung der Stärkung der Wirtschaftskraft mit allen ihren Auswirkungen, insbesondere für die Arbeitsplatzbeschaffung und –sicherung hergeleitet (vgl. BFH-Urteil vom 19.09.2001 III R 84/97, BStBl II 2002, 106 unter II 2 m.w.N.).

32Danach verfolgt eine Investitionszulage nicht nur den Zweck, die Wirtschaftskraft des Fördergebietes durch „bloße Investitionen“, also ohne jede weitere Voraussetzung, abstrakt zu fördern. Vielmehr muss die Verbleibensvoraussetzung im gleichen Sinne verstanden werden wie bereits nach dem Inhalt früherer Fördergesetze. Daher sind die Zugehörigkeitsvoraussetzungen zum Anlagevermögen eines Betriebes oder einer Betriebsstätte nur erfüllt, wenn die angeschafften/hergestellten Wirtschaftsgüter fünf Jahre lang zum Anlagevermögen eines aktiv am Verkehrsleben teilnehmenden Betriebes/einer Betriebsstätte gehören.

33Im Streitfall fehlt es daran, dass das mit einer Investitionszulage begünstigte Wirtschaftsgut „Anlage“ fünf Jahre in einer aktiv tätigen Betriebsstätte der Klin. verblieben ist. Nach Einstellung der produzierenden Tätigkeit in der Betriebsstätte in D./Y. zum Jahresende 2004 sind das Grundstück und alle Wirtschaftsgüter, die der Produktion gedient hatten, veräußert oder anderweitig verwertet worden. Darunter hat sich auch die Anlage befunden, die auf der Grundlage der Rechnung vom 08.06.2005 zum Preis von … € zuzüglich 16 v.H. USt veräußert worden ist. Damit war sie vorzeitig vor Ablauf der fünfjährigen Verbleibensfrist aus der Betriebsstätte ausgeschieden.

34Der Umstand, dass die Klin. ihre betriebliche Tätigkeit noch heute ausübt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zu beachten ist, dass es nicht darauf ankommt, ob überhaupt eine Tätigkeit betrieblicher Art ausgeübt wird, sondern auf das Verbleiben des von der Investitionszulage begünstigten Wirtschaftsguts in einer bestimmten Betriebsstätte, die im Fördergebiet liegt. Wird aber – wie im Streitfall – in einer solchen Einrichtung die Unternehmenstätigkeit – Produktion von Waren – endgültig eingestellt, kann von diesem Zeitpunkt an von einer aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmenden Betriebsstätte nicht mehr gesprochen werden.

35Nach ständiger Rechtsprechung sind zwar Ausnahmen von der fünfjährigen Bindungsfrist zugelassen. Diese sind aber nur in eng begrenzten Fällen möglich (vgl. BFH-Urteile vom 27.04.1999 III R 32/98, BStBl II 1999, 615, und vom 19.09.2001 III R 84/97, BStBl II 2002, 106 jeweils m.w.N., sowie BFH-Beschlüsse vom 29.03.2006 III B 180/05, BFH/NV 2006, 1512, und vom 04.12.2009 III B 120/08, BFH/NV 2010, 685). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nicht jeder wirtschaftlich anerkennenswerte Grund für eine Ausnahme von der Bindungsfrist ausreicht (vgl. Leitsatz 2 des BFH-Beschlusses vom 04.12.2009 III B 120/08, BFH/NV 2010, 685).

36Danach ist das vorzeitige Ausscheiden von Wirtschaftsgütern dann zulagenunschädlich, wenn dies in den Wirtschaftsgütern selbst und nicht lediglich in dem Betrieb begründet war. Das ist u.a. dann der Fall gewesen, wenn  das Wirtschaftsgut technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht war und auch für Dritte keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert hatte. Hingegen sind Gründe, die ihre Ursache in der Betriebsstätte oder im Betrieb haben, nicht als ausreichend anzusehen, um eine Ausnahme vom Erfordernis der geforderten Verbleibensdauer zu rechtfertigen. Insbesondere vermögen betriebswirtschaftliche Gründe, also vornehmlich Erwägungen der Rentabilität, keine Ausnahme rechtfertigen (BFH-Urteil vom 19.09.2001 III R 84/97, BStBl II 2002, 106, sowie BFH-Beschluss vom 05.05.1988 III R 181/83, BFH/NV 1988, 741).

37Wirtschaftsgüter sind dann wirtschaftlich verbraucht, wenn sie ungeachtet einer fortbestehenden technischen Verwendbarkeit nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll verwendet werden können. Abzustellen ist dabei sowohl bei der Gewährung der Investitionszulage als auch bei deren Rückforderung auf die einzelnen Wirtschaftsgüter und nicht auf die Betriebsstätte als Ganzes. Ob ein Wirtschaftsgut technisch oder wirtschaftlich verbraucht ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles (vgl. BFH-Urteile vom 27.04.1999 III R 32/98, BStBl II 1999, 615, und vom 19.09.2001 III R 84/97, BStBl II 2002, 106).

38Im Streitfall ist der Gesichtspunkt maßgeblich, dass die Anlage für sich genommen weder technisch abgenutzt noch wirtschaftlich verbraucht war. Dass sie nicht weiter in der Betriebsstätte in D./Y. genutzt werden konnte, lag allein in der Einstellung der produzierenden Tätigkeit an jenem Ort. Waren aber für die Stilllegung der Betriebsstätte betriebswirtschaftliche Gründe maßgeblich, vermögen diese ein Absehen von der grundsätzlich fünfjährigen Verbleibensfrist für die darin eingesetzten Wirtschaftsgüter nicht zu rechtfertigen.

39Soweit in der Rechtsprechung der Gesichtspunkt eines unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses, das dem üblichen unternehmerischen Bereich nicht zugeordnet werden kann, angesprochen ist, (vgl. BFH-Urteil vom 19.09.2001 III R 84/97, BStBl. II 2002, 106, unter II 4b a. E.), handelt es sich um eine speziell aufgeführte mögliche Ursache im Zusammenhang mit dem Merkmal eines technischen/wirtschaftlichen Verbrauchs, die abzugrenzen ist von allgemeinen Abschätzungen über den rentablen Einsatz des betreffenden Wirtschaftsguts im Unternehmen des Investors. Nach den vorstehenden Ausführungen aber waren allgemeine betriebswirtschaftliche Gründe für die Einstellung der Betriebsstätte mit Ablauf des Jahres 2004 maßgeblich.

40Die Nichtverlängerung des … Abkommens führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Senat verkennt nicht, dass es besonders in den letzten 50 Jahren zu einem Rückgang der Produktion von … in Deutschland gekommen ist und dass in erheblichem Umfang in diesem Bereich Arbeitsplätze weggefallen sind. In der mit dem Schriftsatz vom 18.04.2013 überreichten Abhandlung ist dieser Prozess für Deutschland und die EU aber nur allgemein beschrieben. In welcher Weise die Betriebsstätte der Klin. in D./Y. durch Verlagerung welcher Produktionsweise bezogen auf welche …-produkte konkret betroffen war, ist hieraus nicht zu entnehmen.

41Abgesehen davon kann speziell das Auslaufen des … Abkommens nicht für die Einstellung der Produktionstätigkeit in D./Y. ursächlich gewesen sein. Denn es endete nach den Angaben der Klin. zum 31.12.2004. Bestimmend für die Einstellung der produzierenden Tätigkeit in D./Y. war aber die rezessive Phase beim Absatz von … in den davor liegenden Jahren 2003/2004.

42Soweit die Klin. die Rechtsauffassung vertritt, dass eine Ausnahme von der gesetzlich geforderten Bindungsfrist allgemein bereits dann zuzulassen sei, wenn ein Missbrauch ausgeschlossen sei, vermag ihr der Senat nicht zu folgen. In der Rechtsprechung ist lediglich ausgeführt, dass durch die investitionszulagenrechtliche Zugehörigkeits- und Verbleibensdauer sicher gestellt werden soll, dass die Investitionszulage nicht in missbräuchlicher Weise in Anspruch genommen wird (vgl. Leitsatz 1 des BFH-Beschlusses vom 04.12.2009 III B 120/08, BFH/NV 2010, 685). Weitere Ausnahmen allein deshalb zuzulassen, weil Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Investi-tionszulage nicht vorliegen, hat der BFH abgelehnt (vgl. BFH-Beschluss vom 29.03.2006 III B 180/05, BFH/NV 2006, 1512). Dieser Auffassung folgt auch der Senat.

43Lagen daher aus den vorgenannten Gründen die Voraussetzungen nicht mehr dafür vor, dass das Wirtschaftsgut „Anlage“ mit einer Investitionszulage begünstigt bleiben konnte, kommt es nicht mehr darauf an, ob sie im Zeitpunkt ihrer Veräußerung nur noch einen geringen oder keinen Wert mehr hatte.

44Das FA hat auch den Bescheid über die Festsetzung der Investitionszulage zu Recht zum Nachteil der Klin. geändert. Rechtsgrundlage ist § 6 Abs 1 Satz 1 InvZulG 1999 in Verbindung mit § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 sind die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO entsprechend anzuwenden. Auf die Festsetzung einer Steuervergütung wiederum sind gemäß § 155 Abs. 4 AO die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden. Hierzu zählt u.a. die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis). Hiernach ist ein Steuerbescheid bzw. wie im Streitfall ein Investitionszulagenbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

45Wird ein Wirtschaftsgut, das von einer Investitionszulage begünstigt ist, in mehreren der vorausgesetzten Verbleibensjahre nicht in der Betriebsstätte genutzt, handelt es sich um ein Ereignis, dem Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Festsetzung der Investitionszulage zukommt. Im Streitfall aber bestand wegen der Nichteinhaltung der Verbleibensfrist von fünf Jahren schon im Jahr 2001 kein Anspruch auf die Festsetzung einer Investitionszulage nach § 2 InvZulG 1999. Dementsprechend war die vorherige Festsetzung aufzuheben.

46Diese Aufhebung war auch noch im Jahr 2009 zulässig. In den Fällen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) beginnt nach Satz 2 dieser Vorschrift die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt. Dass die fünfjährige Verbleibensvoraussetzung nicht erfüllt war, hat sich erst im Verlauf des Jahres 2005 herausgestellt. Damit begann die für eine mögliche Änderung maßgebliche Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO von vier Jahren mit Ablauf des Jahres 2005. Sie lief erst am 31.12.2009 ab. Damit lag die am 27.04.2009 verfügte Aufhebung innerhalb dieser Frist.

47Soweit sich das FA in der Aufhebungsverfügung vom 27.04.2009 auf „§ 2 Investitionszulagengesetz 2005 für das Kalenderjahr 2001“ bezogen hat, ist dies im Ergebnis nicht schädlich. In der Sache hat es sich um die Aufhebung der Investitionszulage gehandelt, die am 28.11.2001 u. a. aus Anlass der Anschaffung der Anlage festgesetzt war. Das ist dem Aufhebungsbescheid mit der Bezugnahme auf die vorher unter dem Datum 28.11.2001 festgesetzte Investitionszulage eindeutig zu entnehmen.

48Die Festsetzung der Zinsen nach dem Bescheid zuletzt vom 04.02.2013 auf … € ist nicht zu beanstanden. Nach § 7 InvZulG 1999 ist im Falle der Veränderung eines Bescheides über eine Investitionszulage zu Ungunsten des Anspruchsberechtigten der Rückzahlungsanspruch in den Fällen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vom Eintritt des rückwirkenden Ereignisses an zu verzinsen. Dabei beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Bescheid geändert worden ist. Diese Voraussetzungen sind bei der Berechnung der Fristen, die zu der Festsetzung der Zinsen in der Höhe von zuletzt … € geführt haben, eingehalten.

49Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Festsetzung von Zinsen im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens zu Gunsten der Klin. geändert worden ist.

50Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der ZPO.

51Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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