Finanzgericht Köln, 13 K 552/17
Die Gewerbesteuermessbescheide 2007 bis 2013 vom 21. Juli 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2017 und der Gewerbesteuermessbescheid 2014 vom 22. Mai/1. Juni 2017 werden dergestalt geändert, dass bei der Ermittlung der Gewerbeerträge Kürzungen in Höhe der Hinzurechnungsbeträge nach dem AStG i.H.v. … € in 2007, … € in 2008, … € in 2009, … € in 2010, … € in 2011 und … € in 2012 vorgenommen und die Besteuerungsgrundlagen für 2013 um … € und für 2014 um … € gemindert werden.
Die Berechnung der Messbeträge für die Streitjahre 2007 bis 2012 und der geänderten Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 2013 und 2014 wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrages eines inländischen Unternehmens, der auf nicht im Inland belegene Betriebsstätten von Tochter- und/oder Enkelgesellschaften entfällt. Zu Grunde liegen die hinsichtlich der einschlägigen Regelung identischen Gewerbesteuergesetze – GewStG – für die Erhebungszeiträume 2006 bis 2013 (vgl. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG in allen einschlägigen Fassungen).
3Die Klägerin ist eine im Jahr … gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (vgl. Handelsregister B des Amtsgerichts A Nr. …), die in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuersteuerpflichtig ist (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG –). Sie war in den relevanten Jahren 2010 bis 2013 unmittelbar und bis zum Jahr 2009 sowohl mittelbar als auch unmittelbar zu 100 % an schweizerischen Kapitalgesellschaften beteiligt.
4In diesem Zusammenhang wurde bei ihr als inländischer Beteiligter aufgrund einer Prüfungsanordnung aus dem November 2015 eine Außenprüfung durchgeführt, die zu der Feststellung führte, die schweizerischen Kapitalgesellschaften hätten Zwischeneinkünfte erzielt, die als passive Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter im Sinne des § 7 Abs. 1, Abs. 6, Abs. 6a und des § 8 Abs. 1 Nr. 7 des Außensteuergesetzes – AStG – zu qualifizieren seien. Als solche unterlägen sie bei der Klägerin der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 10 AStG. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf den Außenprüfungsbericht vom 14. Januar 2016 zur Steuernummer … verwiesen.
5In der Folge erließ das zuständige Finanzamt M unter dem 25. Januar 2016 entsprechende Feststellungsbescheide nach § 18 Abs. 1 bis 3 AStG, mit denen der Klägerin Hinzurechnungsbeträge gemäß § 10 AStG in folgender Höhe zugerechnet wurden:
6Hinzurechnungszeitpunkt |
Hinzurechnungsbetrag i.S.d. § 10 AStG |
Steuern der Zwischengesellschaft i.S.d. § 12 AStG |
Gesamtbetrag, gerundet |
1. Januar 2007 |
… € |
… € |
… € |
1. Januar 2008 |
… € |
… € |
… € |
1. Januar 2009 |
… € |
… € |
… € |
1. Januar 2010 |
… € |
… € |
… € |
1. Januar 2011 |
… € |
0 € |
… € |
1. Januar 2012 |
… € |
0 € |
… € |
1. Januar 2013 |
… € |
0 € |
… € |
1. Januar 2014 |
… € |
0 € |
… € |
Die Umrechnung der bei den schweizerischen Gesellschaften in Schweizer Franken angefallenen Gewinne und Steuern in Euro ist rechnerisch zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig. Die Steuerbeträge der Zwischengesellschaften sind auf die deutsche Körperschaftsteuer angerechnet worden. Daher sind für die Jahre 2007 bis 2010 gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG die Hinzurechnungsbeträge um diese Steuern erhöht worden.
8Bei der Berechnung der Gewinne aus Gewerbebetrieb für die Veranlagung zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 bis 2014 wurden diese in der Tabelle als Gesamtbeträge ausgewiesenen Hinzurechnungsbeträge einbezogen. Dies ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen über die Betriebsprüfung sowie den Körperschaftsteuerbescheiden für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2014 vom 29. August 2016 (2007 bis 2012) und 22. Mai/1. Juni 2017 (2013 und 2014).
9Auf der Basis dieser unter anderem wegen der Zwischeneinkünfte veränderten Berechnungen der körperschaftsteuerpflichtigen Gewinne aus Gewerbebetrieb ergingen unter dem 21. Juli 2016 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – geänderte Gewerbesteuermessbescheide, mit denen die Gewerbesteuermessbeträge wie folgt festgesetzt wurden:
10Erhebungszeitraum |
Steuermessbetrag |
2007 |
… € |
2008 |
… € |
2009 |
… € |
2010 |
… € |
2011 |
… € |
2012 |
… € |
2013 |
0 € |
2014 |
0 € |
Dagegen wandte sich die Klägerin mit fristgerecht erhobenen Einsprüchen. Mit ihnen machte sie unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 11. März 2015 (I R 10/14, BStBl II 2015, 1049) geltend, der Beklagte habe zu Unrecht ihre Gewerbegewinne nicht nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG um die nach § 10 AStG zugerechneten Beträge gekürzt. Die gegen die Entscheidung des BFH gerichteten Nichtanwendungserlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 14. Dezember 2015 seien nicht überzeugend.
12Unabhängig von dieser Argumentation stützte sich die Klägerin unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union – EuGH – vom 12. September 2006 in der Rechtssache Cadbury Schweppes (C-196/04, Sammlung 2006, I-7995) auf die Kapitalverkehrsfreiheit im Sinne des Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV –. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsbegründungsschrift vom 16. November 2016 verwiesen.
13Der Beklagte wies die Einsprüche mit verbundener Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2017 als unbegründet zurück. Ausgehend von dem unstreitigen Sachverhalt konstatierte er, die Entscheidung des BFH sei wegen der Nichtanwendungserlasse nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Entgegen der Auffassung des BFH und der Klägerin handele es sich bei dem Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG nicht um ausländische, sondern um inländische Einkünfte. Das habe der Gesetzgeber bereits in der Begründung zu § 10 AStG zum Ausdruck gebracht. Auf die europarechtlichen Einwendungen der Klägerin ging der Beklagte nicht ein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.
14Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht am 1. März 2017 bei Gericht eingegangenen Klage. Mit ihr verfolgt sie, ausgehend von dem zwischen den Beteiligten unstreitigen Lebenssachverhalt, weiterhin das Ziel einer Kürzung der Gewerbeerträge um die in der obigen Tabelle dargestellten, teilweise gerundeten (Gesamt-)Hinzurechnungsbeträge. Dabei setzt sich die Klage hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrages 2014 an dem zwischen Klageerhebung und Klagebegründung erlassenen Änderungsbescheid vom 22. Mai 2017, mit dem der Gewerbesteuermessbetrag weiterhin auf null Euro festgesetzt wurde, sowie dem inhaltsgleichen Bescheid vom 1. Juni 2017 (Bekanntgabe durch die Stadt A) fort.
15In Übereinstimmung mit ihrem Vorbringen im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren beruft sich die Klägerin sowohl auf das Urteil des BFH in BStBl II 2015, 1049 als auch auf Art. 63 AEUV.
16Grundsätzlich gelte nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG, dass die auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallenden Gewerbeerträge zu kürzen seien. Der BFH habe mit der bezeichneten Entscheidung erkannt, dass zum Gewerbeertrag eines inländischen Unternehmens auch die passiven Einkünfte gehörten, die dem Unternehmen als Gesellschafter einer ausländischen Zwischengesellschaft nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG hinzuzurechnen seien. Darauf aufbauend bejahe er die Anwendung der Kürzungsnorm § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG für passive Einkünfte, die dem Unternehmen als Gesellschafter der ausländischen Zwischengesellschaft nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG hinzugerechnet worden seien.
17Zwar erfasse § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG nur den Teil des Gewerbeertrages, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfalle. Diese Voraussetzungen seien beim Hinzurechnungsbetrag aber erfüllt. Der Wortlaut des Gesetzes erfordere nicht zwangsläufig einen Gewinnanteil aus einer eigenen ausländischen Betriebsstätte. Vielmehr sei es ausreichend, dass der Gewinn aus einer ausländischen Betriebsstätte der Zwischengesellschaft stamme. Da das Gesetz die Einkünfte der Zwischengesellschaft in solche der an ihr qualifiziert beteiligten Inlandsgesellschaft umforme, seien die Einkünfte auch einer Auslandsbetriebsstätte im Sinne des § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG zuzuordnen. Daran ändere die gesetzlich vorgegebene Zuordnung zu den Kapitaleinkünften nichts.
18Das so gefundene Ergebnis sei auch systemkonform. Wesentliches Strukturmerkmal der Gewerbesteuer sei deren Inlandsbezug. Dem widerspräche es, wenn Steuern, die im Ausland zu Lasten der Zwischengesellschaft von den dem Hinzurechnungsbetrag zu Grunde liegenden Einkünften erhoben würden, nur auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer, nicht aber auf die Gewerbesteuer angerechnet würden. Überdies würden ausländische Tochtergesellschaften und Betriebsstätten andernfalls ungleich behandelt, was aber, wie sich aus § 20 Abs. 2 AStG ergebe, nicht dem gesetzgeberischen Plan entspreche.
19Unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zum AStG (vgl. Bundestagsdrucksache – BT-Drs. – VI/2883 vom 2. Dezember 1971, Tz. 27 ff., 32, 83, Seite 18/19, 27) verweist die Klägerin darauf, der Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung sei es, ungerechtfertigten Steuervorteilen entgegenzuwirken, die sich Steuerinländer durch den Einsatz von Zwischengesellschaften verschaffen könnten. Es sei jedoch nicht Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung, Vermögensmehrungen, die in der Person eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht steuerbare Einkünfte wären, dadurch in steuerbare umzuwandeln, dass man sie wie Gewinn behandle und ermittele (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1998 I R 3/96, BStBl II 1998, 468 Rdnr. 16 unter Hinweis auf BT-Drs. VI/2883 und IV/2412 vom 23. Juni 1964 – Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über Wettbewerbsverfälschungen, die sich aus Sitzverlagerungen in das Ausland und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben).
20Soweit der Beklagte unter Bezugnahme auf die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 14. Dezember 2015 (BStBl I 2015, 1090) zu der Grundsatzentscheidung des BFH die Auffassung vertrete, es handele sich nicht um ausländische Einkünfte, sei dem nicht zu folgen. Der Gesetzgeber habe sich in § 2 Abs. 1 GewStG für eine territoriale Begrenzung der Gewerbesteuerpflicht entschieden. Diese sei in den §§ 8, 9 i.V.m. § 2 Abs. 1 GewStG folgerichtig geregelt worden. Daher sei die Auffassung der Verwaltung, die Voraussetzungen des § 9 Nr. 3 GewStG lägen im Streitfall nicht vor, abzulehnen. Vielmehr werde durch Kürzung nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG die territoriale Begrenzung der Gewerbesteuerpflicht realisiert.
21Soweit vorgetragen werde, der Gesetzgeber habe bereits in der Begründung zu § 10 AStG zum Ausdruck gebracht, dass der Hinzurechnungsbetrag nicht zu den ausländischen, sondern zu den inländischen Einkünften zähle, sei anzumerken, dass der Begriff der inländischen Einkünfte in der Bundestagsdrucksache nicht vorkomme. Vielmehr würde nur die abschirmende Wirkung ausländischer Kapitalgesellschaften steuerlich nicht anerkannt, die Regelungen setzten beim inländischen Steuerpflichtigen an.
22Tatsächlich sprächen die §§ 7, 10 Abs. 2 AStG von der ausländischen Gesellschaft, die per Definition ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Ausland haben müsse. Diese Einordnung indiziere, dass der Gesetzgeber den Hinzurechnungsbetrag konzeptionell in der Nähe der ausländischen Einkünfte verortet wissen wollte.
23Auch die Begründung der Ländererlasse, der zur Hinzurechnung Verpflichtete unterhalte keine ausländische Betriebsstätte, sondern sei nur an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt, überzeuge im Ergebnis nicht. Die Argumentation gehe an den Entscheidungsgründen des BFH vorbei, der gerade darauf abgestellt habe, dass es sich nicht um eine Betriebsstätte des inländischen Beteiligten gehandelt habe, sondern eine Betriebsstätte der ausländischen Gesellschaft. Weitere Ausführungen beziehen sich auf die vom BFH nicht herangezogene Regelung in § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG.
24In der Sache lägen auch konkret die Voraussetzungen des § 9 Nr. 3 GewStG vor. Die schweizerischen Gesellschaften, die vom Beklagten als Zwischengesellschaften angesehen worden seien, hätten in allen relevanten Zeiträumen über eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 AO in der Schweiz verfügt. Insbesondere die Geschäftsleitung der Gesellschaften habe in allen relevanten Erhebungszeiträumen in der Schweiz gelegen.
25Die erzielten passiven Einkünfte seien auch den jeweiligen Betriebsstätten der schweizerischen Gesellschaften zuzurechnen, da diese nicht über inländische (deutsche) Betriebsstätten verfügt hätten. Daher seien die Einkünfte der schweizerischen Gesellschaften Auslandsbetriebsstätten im Sinne des § 9 Nr. 3 GewStG zuzuordnen.
26Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur gewerbesteuerlichen Kürzung oder Nicht-Kürzung von Hinzurechnungsbeträgen habe in den Streitjahren nicht existiert. Erst mit dem Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie etc. vom 20. Dezember 2016 (BGBl. I 2016, 3000 – im Folgenden: EU-Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz) seien entsprechende Regelungen in das GewStG aufgenommen worden. Die Neuregelungen seien aber nicht auf die Streitjahre anwendbar, da nach der Anwendungsregelung in § 36 Abs. 2a GewStG der neugefasste § 7 Satz 8 GewStG erstmals für den Erhebungszeitraum 2017 anzuwenden sei und nach Art. 19 Abs. 2 des Gesetzes die Änderungen des Gewerbesteuergesetzes (Art. 16) nicht sofort, sondern erst ab dem 1. Januar 2017 in Kraft getreten seien. Mangels ausdrücklicher Regelung einer rückwirkenden Anwendung könne die gesetzliche Neuregelung für die hier streitbefangenen Zeiträume 2007 bis 2014 keine Geltung beanspruchen.
27Soweit der Beklagte in der Klageerwiderung die Auffassung vertrete, die gesetzliche Neuregelung sei auf alle noch offenen Fälle anzuwenden, stehe dies im Widerspruch zu den Vorschriften über das Inkrafttreten und die Anwendbarkeit der Neuregelung. Die Auffassung des Beklagten führe zu dem merkwürdigen Ergebnis, dass trotz vorheriger Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt am Ende des Jahres 2016 die Neuregelung für die Streitjahre nicht gegolten hätte, ab dem 1. Januar 2017 aber eine rückwirkende Geltung eingetreten wäre. Sähe man dies anders, läge nach Überzeugung der Klägerin eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung vor. Wegen der weiteren Ausführungen zur Bildung von Vertrauensschutz wird auf Seite 18 bis 20 der Klagebegründungsschrift verwiesen.
28Handele es sich entgegen ihrer Überzeugung, wie vom Beklagten vorgetragen, um eine Klarstellung, wären die neu eingefügten Regelungen bereits in der alten Fassung des Gesetzes inzident enthalten gewesen, so dass auch der alte Gesetzestext ohne Abweichung herangezogen werden könne.
29Soweit der Beklagte in der Klageerwiderung eine von der Klagebegründung abweichende Auffassung zum Willen des Gesetzgebers vortrage, sei zu beachten, dass nicht nur zu würdigen sei, was der Gesetzgeber möglicherweise einmal beabsichtigt habe, sondern vorrangig, was die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen als solche und im gesamten Zusammenhang, insbesondere der Gesetzessystematik, aussagten.
30Das AStG führe im Streitfall dazu, dass im Ausland erwirtschaftete Gewinne einer ausländischen Gesellschaft in Form der Hinzurechnungsbeträge bestimmten inländischen Anteilseignern – hier der Klägerin – ohne eine Gewinnausschüttung zugerechnet würden. Dies habe hinsichtlich der Körperschaftsteuer zu einer Erhöhung der Besteuerungsgrundlagen bei ihr geführt, was – ungeachtet europarechtlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit – zwischen ihr und dem Beklagten unstreitig geblieben sei.
31Daraus könne aber nicht abgeleitet werden, dass die entsprechende Erhöhung auch bei der eigenen Regeln folgenden Gewerbesteuer erfolgen müsse. Die Gewerbesteuer sei eine Gemeindesteuer und solle die finanziellen Lasten ausgleichen, die durch Gewerbebetriebe im Gemeindegebiet ausgelöst würden. Damit knüpfe die Gewerbesteuer örtlich an das Gebiet der betroffenen inländischen Gemeinde an und sei insgesamt auf das Inland beschränkt. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG sei innerhalb des Gesetzes eine Bestätigung des in § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG zum Ausdruck kommenden Territorialprinzips. Die Argumentation des Beklagten und der Nichtanwendungserlasse missachte diese konzeptionelle Ausrichtung der Gewerbesteuer auf das Territorialprinzip, auf die der BFH in seiner Entscheidung verwiesen habe.
32Bei den hier streitgegenständlichen Gewinnen handele es sich ausschließlich um in der Schweiz, also nicht in einer inländischen Gemeinde erwirtschaftete Gewinne. Diese dürften nach dem Konzept der Gewerbesteuer im Inland nicht besteuert werden.
33Auch bei der durch die Anwendung des Außensteuergesetzes erreichten transparenten Struktur, bei der die Besteuerungswirkungen in Gestaltungen mit ausländischen Tochtergesellschaften denen der Inlandsgesellschaft mit ausländischen Betriebsstätten stark angenähert würden, ergebe sich kein anderes materielles steuerliches Ergebnis. Auch bei Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG sei in der für die Streitjahre geltenden Gesetzesfassung keine Belastung mit Gewerbesteuer eingetreten. Das gleiche Ergebnis werde im Streitfall über § 9 Nr. 3 GewStG erreicht.
34Die Regelung in § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG i.V.m. § 3 Nr. 41a des Einkommensteuergesetzes – EStG – stelle nur klar, dass Ausschüttungen, die einer Vorbelastung im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen hätten, generell nicht der Gewerbesteuer unterfallen sollten. Dies sei sachgerecht und folgerichtig. Da der Hinzurechnungsbetrag bereits nicht der Gewerbesteuer unterfalle, könne für die Nachschüttung dieser Beträge nichts anderes gelten.
35Neben der auf die Entscheidung des BFH gestützten Begründung zur Anwendbarkeit des § 9 Nr. 3 GewStG auf die streitbefangenen Zwischeneinkünfte stützt die Klägerin ihr Begehren auch auf einen Verstoß gegen Art. 63 AEUV.
36Unabhängig von der Auffassung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz in der Entscheidung vom 16. März 2016 (1 K 1345/13, EFG 2016, 1318), wonach über die Auswirkungen der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten auf die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG im Rahmen der gesonderten Feststellungen nach § 18 AStG entschieden werde, und den möglichen Auswirkungen der gegen das Urteil gerichteten Revision (BFH-Az. I R 47/16), fehle es im Streitfall an einer entsprechenden Bindungswirkung.
37Die den Körperschaftsteuerbescheiden zu Grunde liegenden Feststellungen nach § 18 AStG ließen nicht erkennen, dass eine Entscheidung über europarechtliche Fragestellungen getroffen worden sei. Da Unklarheiten in Verwaltungsakten zu Lasten der Verwaltungsbehörde gingen, seien die Feststellungsbescheide dahingehend zu verstehen, dass mit ihnen noch keine Entscheidung über die Anwendbarkeit des Außensteuergesetzes vor dem Hintergrund der Kapitalverkehrsfreiheit erfolgt sei. Im Übrigen könne eine entsprechende Entscheidung im Feststellungsverfahren nicht getroffen werden, da die Hinzurechnung im Rahmen der Körperschaftsteuer und die Hinzurechnung im Rahmen der Gewerbesteuer unterschiedlich beurteilt werden könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten insoweit wird auf die Ausführungen auf Seite 21 bis 23 der Klagebegründungsschrift verwiesen.
38Die Klägerin begründet ausführlich die vom erkennenden Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 24. Februar 2011 13 K 80/06, EFG 2011, 1651 und vom 22. November 2011 13 K 2853/07, EFG 2012, 1085) durchgängig zu Grunde gelegte Auffassung, in Drittlandsfällen ergebe sich auch in Konstellationen mit Mehrheits- bzw. Beherrschungsbeteiligung keine Exklusivität der Niederlassungsfreiheit (vgl. Art. 49 AEUV) vor der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), wenn die streitgegenständliche Vorschrift eine Mehrheit oder Beherrschung nicht erfordere. Dies führe im Streitfall zur Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit, da die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung keine Beteiligung mit bestimmendem Einfluss voraussetze. So habe der BFH in der EuGH-Vorlage vom 12. Oktober 2016 (I R 80/14, BStBl II 2017, 615; Leitsatz 3, Rdnr. 52) deutlich gemacht, dass für die Hinzurechnungsbesteuerung bei den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter im Sinne des § 7 Abs. 6 AStG bereits eine Beteiligungshöhe von 1 % ausreiche. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung und den Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH und des EuGH wird auf die Seiten 24 bis 27 der Klagebegründungsschrift verwiesen.
39Letztlich liege in den Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung auch eine Diskriminierung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung vor. Während im reinen Inlandsfall Kapitalgesellschaften isoliert besteuert würden und eine Besteuerung beim Gesellschafter erst im Fall der Ausschüttung eintrete, werde im Fall der Auslandsinvestition die abschirmende Wirkung der juristischen Person durchbrochen. Diese gleichheitswidrige Schlechterstellung lasse sich auch nicht rechtfertigen. Insbesondere die Bekämpfung von missbräuchlichen Gestaltungen sei zur Rechtfertigung ungeeignet. So fehle die nach der Rechtsprechung des EuGH (Hinweis auf EuGH-Urteil in der Sache Cadbury Schweppes) erforderliche Möglichkeit für den Steuerpflichtigen, den typisiert angenommenen Missbrauch im Einzelfall widerlegen zu können. Die typisierte Annahme eines Missbrauchstatbestandes bei einer Ertragsbesteuerung von weniger als 25 % im Ausland sei bei einer inländischen Körperschaftsteuer von 15 % nicht zu erklären. Die Erfassung auch unbedeutender Beteiligungen nur wegen einer durch andere Steuerpflichtige vermittelten über 50-prozentigen Beteiligung von Inländern oder in den Fällen des § 7 Abs. 6 AStG auch ohne kumulierten deutschen Mehrheitsbesitz lasse keine Missbrauchstatbestände erkennen.
40Der Anwendung des Art. 63 AEUV stehe auch nicht die Regelung in Art. 64 AEUV (Stand-Still-Klausel) für am 31. Dezember 1993 bestehende Einschränkungen entgegen. Insbesondere durch das Steuersenkungsgesetz und das Unternehmensteuerfortführungsgesetz im Jahr 2001 sei die Hinzurechnungsbesteuerung von einer zeitlich vorgezogenen Besteuerung mit Druck zur Ausschüttung innerhalb von vier Jahren in eine Definitivsteuer umgestaltet worden. Weitere grundlegende Änderungen ergäben sich im Zusammenhang mit der Absenkung der Mindestbeteiligungsquote und mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz im Jahr 2003, das zum Fortfall des DBA-Schutzes im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung geführt habe. Ungeachtet der Frage, ob dies zu Änderungen im Hinblick auf die konkreten Absprachen zwischen Deutschland und der Schweiz geführt habe, sei das Grundprinzip in einer die Anwendung des Art. 64 AEUV ausschließenden Weise verändert worden.
41Eine weitere Änderung sei im Hinblick auf die hier streitbefangene Gewerbesteuer durch das EU-Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz erfolgt, dass nunmehr – entgegen der Rechtsprechung des BFH zur vorherigen Rechtslage – den Hinzurechnungsbetrag fiktiv einer inländischen Betriebsstätte zuordne. Rechtfertigungsgründe für die diskriminierende ungleiche Behandlung seien nicht ersichtlich.
42Die Klägerin sieht sich durch die Entscheidung des EuGH vom 20. September 2018 (EV C- 685/16, DStR 2018, 2016) indirekt in ihrer Argumentation bestätigt. Der EuGH hat – nach dem Verständnis der Klägerin – in dem Verfahren entschieden, dass § 9 Nr. 7 GewStG gegen die Art. 63 bis 65 AEUV verstoße, soweit eine Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsführung und Sitz in einem Drittstaat an strengere Bedingungen geknüpft werde, als die Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft. Damit seien auch passive Dividenden aus Drittstaaten nicht mehr Gegenstand der Gewerbesteuer. Eine Gleichbehandlung mit den Hinzurechnungsbeträgen werde folglich nur erreicht, wenn auch diese nicht der Gewerbesteuer unterfielen.
43Die Klägerin sieht sich weiterhin in ihren Ausführungen zu Art. 64 AEUV bestätigt. Der EuGH habe eine sehr strenge und enge Sichtweise für die Auslegung des Art. 64 AEUV gewählt. Unter Berücksichtigung der bereits dargelegten Veränderungen durch Verschärfung der Beteiligungsverhältnisse, Systemänderungen des Steuerrechts und die zwischenzeitlich überhöhte Grenze zur Niedrigbesteuerung seien die Voraussetzungen für die Anwendung der Stand-Still-Klausel jedenfalls nicht mehr gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 15. Oktober 2018 verwiesen.
44In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ergänzend dargelegt, dass die festgestellten Hinzurechnungsbeträge auf der Abwicklung eines aktiven Geschäftsbetriebes beruhten. Sie habe in den Vorjahren für ca. … € eine schweizerische … erworben und – nachdem sich das Investment nicht in der gewünschten Weise entwickelt habe – die einzelnen Teile sukzessive wieder veräußert. Die im Rahmen der Abwicklung angefallenen Guthaben hätten die streitbefangenen passiven Einkünfte ausgelöst.
45Die Klägerin beantragt,
46unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2017 und Änderung der Gewerbesteuermessbescheide 2007 bis 2013 vom 21. Juli 2016 sowie unter Änderung des Gewerbesteuermessbescheides 2014 vom 22. Mai/1. Juni 2017 bei der Ermittlung der Gewerbeerträge Kürzungen in Höhe der Hinzurechnungsbeträge nach dem AStG i.H.v. … € (2007), … € (2008), … € (2009), … € (2010), … € (2011), … € (2012), … € (2013) und … € (2014) vorzunehmen und die Gewerbesteuermessbeträge für 2007 bis 2012 bzw. die Besteuerungsgrundlagen für 2013 und 2014 entsprechend anzupassen.
47Der Beklagte beantragt,
48die Klage abzuweisen.
49Der Beklagte tritt der Klage entgegen. Er vertritt weiterhin die Auffassung, die Anwendung des § 9 Nr. 3 GewStG auf Sachverhalte wie im Streitfall verbiete sich aus grammatischen, historischen, systematischen und teleologischen Gründen.
50Nach § 9 Nr. 3 GewStG werde die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens gekürzt, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfalle.
51Nach Überzeugung des Beklagten erfasst die Regelung nur eigene ausländische Betriebsstätten des inländischen Unternehmens. In systematischer Hinsicht könne nur eine eigene Betriebsstätte des inländischen Unternehmers gemeint sein, weil der Gewinn einer fremden Betriebsstätte in der Ausgangsgröße, nämlich dem Gewinn des inländischen Unternehmens, überhaupt nicht enthalten wäre.
52Auch in grammatischer Hinsicht überzeuge nur dieses Ergebnis. Wenn der Gesetzgeber in § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG von einem inländischen Unternehmen spreche und dann in einem Relativsatz eine Rechtsfolge für eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte anordne, dürfte es weder vom Begriffskern noch vom Begriffshof gedeckt sein, darin die Bezugnahme auf die Betriebsstätte eines anderen Unternehmens zu sehen.
53Der so gefundene mögliche Wortsinn stelle die Grenze zulässiger Auslegung dar. Zwar sei der BFH in der Grundsatzentscheidung zu einer anderen Einschätzung gelangt. So habe er einerseits eine Wortsinnerweiterung erwogen, andererseits für möglich gehalten, dass § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 AStG bewirke, dass die Auslandsbetriebsstätte der Zwischengesellschaft dem inländischen Unternehmer zugerechnet werde. Dies überzeuge ihn, den Beklagten, aber nicht.
54Der Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung sei die Aufschub- und Abschirmwirkung inländerbeherrschter Auslandskapitalgesellschaften für niedrig besteuerte Passiveinkünfte zu beseitigen. Ziel sei die Gleichstellung mit Inländern, die derartige Einkünfte nicht bei Auslandskapitalgesellschaften ansiedelten. Dies ergebe sich aus Rdnr. 30 der BT-Drs. VI/2883. Davon ausgehend sei es zwingend, die ausländischen Einkünfte der inländischen Besteuerung auch bei der Gewerbesteuer zu unterwerfen. Dass dies das Ziel des deutschen Gesetzgebers gewesen sei ergebe sich auch aus Seite 43 der BT-Drs. 14/6882, wo im Hinblick auf § 10 Abs. 2 AStG ausgeführt sei:
55„Die Sätze 1 und 2 entsprechen wieder der vor der Änderung durch das Steuersenkungsgesetz gültigen Fassung. Satz 2 stellt jedoch ergänzend klar, dass der Hinzurechnungsbetrag gewerbesteuerpflichtig ist, wenn die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft zu einem Gewerbebetrieb gehört.“
56Dieser vom Gesetzgeber verfolgte Zweck würde unterlaufen wenn die Rechtsfolgeanordnung des § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 AStG dahingehend interpretiert würde, dass diese ein erweitertes Regelungsverständnis des § 9 Nr. 3 GewStG in dem vom BFH vertretenen Sinn eröffnete.
57Aus der Formulierung des § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG könne entnommen werden, dass die gegenüber der Klägerin festgestellten Hinzurechnungsbeträge auf Grund der Rechtsfolgeanordnung des AStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehörten. Die Formulierung entspreche der Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG. Schon aus diesem Grund verbiete sich eine anschließende Anwendung von gewerbesteuerlichen Kürzungstatbeständen auf diesen Teil der Ausgangsgröße des Gewerbeertrags. Die Regelungsanordnung in § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG, wonach der Hinzurechnungsbetrag den nach dem Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinn des Betriebs erhöhe, enthalte inzident einen Ausschluss der gewerbesteuerlichen Kürzungstatbestände, sofern diese tatbestandsmäßig überhaupt einschlägig seien. Schon dies sei im Hinblick auf § 9 Nr. 3 GewStG jedoch nicht der Fall.
58Das AStG enthalte insbesondere keine Fiktion, durch die die Betriebsstätte der Zwischengesellschaft dem Gesellschafter als eigene Betriebsstätte zugerechnet werde. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus § 7 Abs. 1 AStG, der lediglich eine anteilige Zurechnung der passiven Einkünfte an mehrere inländische Gesellschafter regle, aber keine Zuordnung der Betriebsstätte an die inländischen Gesellschafter.
59Gehe man davon aus, dass es keine betriebsstättenlosen Einkünfte gebe, müsse dem entnommen werden, dass die passiven Einkünfte der Zwischengesellschaft der inländischen Betriebsstätte des inländischen Gesellschafters zuzuordnen seien.
60Eine Kürzung des Hinzurechnungsbetrages könne auch nicht auf § 9 Nr. 7 GewStG gestützt werden. Es handle sich bei dem Hinzurechnungsbetrag nicht um einen Gewinnanteil im Sinne der Vorschrift. Vielmehr gehöre der Hinzurechnungsbetrag in den Fällen, in denen der Anteil an der ausländischen Gesellschaft im Betriebsvermögen gehalten werde, unmittelbar zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. In der Zusammenschau mit § 7 Abs. 1 AStG ergebe sich, dass die passiven Einkünfte der Zwischengesellschaft selbst dem inländischen Gesellschafter zugerechnet würden, keine Gewinnanteile. Wegen der weiteren Einzelheiten insoweit wird auf Seite 4 und 5 der Klageerwiderung verwiesen.
61Auch § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG mache deutlich, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass die Hinzurechnungsbeträge der Gewerbesteuer unterlägen. Von der Einkommensteuer nach § 3 Nr. 41a EStG im Hinblick auf die frühere Erfassung als Hinzurechnungsbeträge freigestellte Gewinnausschüttungen würden bei der Gewerbesteuer nicht hinzugerechnet.
62Letztlich verweist der Beklagte auf die Änderung des Gewerbesteuergesetzes durch das Gesetz vom 20. Dezember 2016 (EU-Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz). Die neue Regelung stelle nach der Gesetzesbegründung nur eine Klarstellung dar. Sie sei daher in allen offenen Fällen zu beachten.
63Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sich die Klage hinsichtlich des Gewerbesteuermessbescheides 2014 nach der einschlägigen Rechtsprechung des BFH an dem letzten bekannt gegebenen Bescheid vom 1. Juni 2017, auch wenn es sich insoweit um eine wiederholende Verfügung handeln sollte, fortsetzt.
64Entscheidungsgründe
65Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
66Der Beklagte hat zu Unrecht die von der Klägerin begehrte – rechnerisch unstreitige – Kürzung der Gewerbeerträge nach § 9 Nr. 3 GewStG bei der Berechnung des Gewerbeertrags nach § 7 Satz 1 GewStG abgelehnt.
67Nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrages eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland betriebene Betriebsstätte entfällt, gekürzt.
681. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dieser Gesetzestext nicht in dem Sinne klargestellt worden, dass der mit dem EU-Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz geänderte Text bereits in den Streitjahren (inhaltlich) zur Anwendung käme. Dies gilt insbesondere für die Regelungen in § 7 Satz 7 und 8 GewStG n.F., wonach Hinzurechnungsbeträge im Sinne des § 10 Abs. 1 AStG Einkünfte sind, die in einer inländischen Betriebsstätte anfallen. Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG gelten danach als in einer inländischen Betriebsstätte erzielt. Ebenso unbeachtet bleibt die Neufassung des § 9 Nr. 3 GewStG, wonach eine Kürzung nur noch um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte dieses Unternehmens entfällt, vorzunehmen ist und dies nicht für Einkünfte im Sinne des § 7 Satz 8 GewStG gilt.
69Wie die Klägerin zutreffend dargelegt hat, enthält das EU-Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz in seinem Art. 16 Nr. 6 eine Regelung zur Anwendung der Neufassung des § 7 Satz 8 GewStG n.F. Insoweit ist eine Anwendung erstmals für den Erhebungszeitraum 2017 angeordnet. Die weiteren Änderungen des Gewerbesteuergesetzes traten nach Art. 19 Abs. 2 des EU-Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes am 1. Januar 2017 in Kraft.
70Der Gesetzestext enthält insoweit keine Anhaltspunkte, die für eine rückwirkende Klarstellung entgegen der bereits erfolgten höchstrichterlichen Auslegung des Gesetzes sprechen könnten. Vielmehr spricht er für die Anwendung erst mit Wirkung für den Erhebungszeitraum 2017 (vgl. z.B. Selder in Glanegger/Güroff, GewStG, 9. Aufl., 2017, § 7 Rdnr. 21;
71Die gegenteilige Auffassung des Beklagten beruht offensichtlich auf der Begründung sowohl des Referentenentwurfs (insbesondere Seite 62/63 und Seite 65) als auch des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 406/16, insbesondere Seite 63/64 und 66) zum EU-Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz, in denen der Wille zu einer rückwirkenden Klarstellung zum Ausdruck kommt.
72Im Rahmen der gebotenen verfassungskonformen Auslegung ist die Annahme einer rückwirkenden Klarstellung aber zu verwerfen. Da das Bundesverfassungsgericht – BVerfG – mit dem Beschluss vom 17. Dezember 2013 (1 BvL 5/08, BGBl. I 2014, 255, DStR 2014, 520) die Grenzen verfassungsgemäßer rückwirkender Klarstellung von belastenden Gesetzen geklärt und der Beklagte keine Argumente vorgebracht hat, die die von ihm reklamierte rückwirkende Klarstellung im Lichte der verfassungsrechtlichen Anforderungen rechtfertigen könnten, kann sich der Senat in diesem Punkt kurz fassen.
73Eine nachträgliche, klärende Feststellung des geltenden Rechts durch den Gesetzgeber ist grundsätzlich als unzulässige konstitutiv rückwirkende Regelung anzusehen, wenn der Gesetzgeber eine Rechtslage rückwirkend klärt, um nachträglich einer höchstrichterlich geklärten Auslegung des Gesetzes den Boden zu entziehen (vgl. BVerfG a.a.O. Rdnr. 55). Derartige rückwirkende belastende Gesetze sind grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfG a.a.O. Rdnr. 63). Der Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkung gilt nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der Betroffene mit einer Änderung einer unklaren und verworrenen Rechtslage rechnen musste oder wenn das bisherige Recht derartig systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden (vgl. BVerfG a.a.O. Rdnr. 64, 65).
74Die Voraussetzungen eines der genannten Ausnahmetatbestände können im Streitfall nicht festgestellt werden. Vielmehr zeigt die vernichtende Kritik in der Sachverständigenanhörung zum Referentenentwurf (vgl. Stellungnahme des Instituts der Wirtschaftsprüfer – IDW –, Seite 7 ff.; der Deutschen Kreditwirtschaft, Seite 14; der Bundessteuerberaterkammer – BStBK –, Seite 11 sowie des Zentralverbandes des deutschen Handwerks und anderer Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft, Seite 18 ff.), mit der insbesondere die extreme Systemwidrigkeit und der Verstoß gegen das Territorialitätsprinzip sowie eine drohende Übermaßbesteuerung bei der geplanten Neuregelung gerügt wurden, dass nicht das hier zu Grunde liegende Gesetz systemwidrig war, sondern vielmehr die Neufassung zur Systemwidrigkeit geführt hat. Die (konstitutive) Neufassung missachtet den Grundgedanken der Territorialität und stellt damit letztlich den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer infrage.
75Dies ist ebenso wie die Ablehnung einer rückwirkenden Anwendbarkeit auch die ganz überwiegende Auffassung in der einschlägigen Fachliteratur. Auch dort wird die Behauptung einer Klarstellung für nicht nachvollziehbar gehalten (vgl. Roser in Lenski/ Steinberg, § 9 Nr. 3 Rdnr. 6b). Gosch (in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 GewStG Rdnr. 221b), der ebenfalls davon ausgeht, dass die Gesetzesänderung nicht rückwirkend anwendbar ist, führt aus: „Dass die Regelungsergänzung im 1. HS der Vorschrift, wie die gesetzliche Entwurfsbegründung weismachen will, bloß „klarstellend“ sein soll, ist falsch, sie ist de jure konstitutiver Natur.“ Zutreffend wird darauf verwiesen, dass die Gesetzesbegründung einerseits von einer Klarstellung, andererseits aber von Neuregelungen und der Schließung bestehender Besteuerungslücken spreche (vgl. Adrian/Rautenstrauch/Sterner in DStR 2017, 1457, 1460). Auch insoweit wird von einem erstmaligen Anwendungszeitraum 2017 ausgegangen (ebenso: Kahlenberg in NWB 2018, 181). Die Änderungen führen zu einer wesentlichen Verschärfung der Hinzurechnungsbesteuerung und stellen ganz überwiegend eine nicht deklaratorische Neuregelung dar (vgl. Kohlruss in IStR 2017, 522).
762. Ausgehend von der Anwendung der daher hinsichtlich der anzuwendenden Vorschriften mit der Grundsatzentscheidung des BFH in BStBl II 2015, 1049 übereinstimmenden Gesetzeslage sieht der erkennende Senat keine durchgreifenden Gründe, von der Rechtsprechung des BFH abzuweichen.
77Der Senat kann dabei offenlassen, ob die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen zutreffend durch die Hinzurechnungsbeträge nach § 7 Abs. 1 AStG erhöht worden, dies ggf. durch die Tatbestandswirkung der Feststellungsbescheide nach § 18 AStG oder die bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheide vorgegeben ist oder ob, wegen der – erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen – Zuordnung zu der Abwicklung eines aktiven Handelsgeschäftes, materiell keine Zwischeneinkünfte im Sinne des § 7 AStG vorgelegen haben oder die Hinzurechnung wegen Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit im Sinne des Art. 63 AEUV hätte unterbleiben müssen. Der Klage ist auch dann, wenn man die zwischen den Beteiligten nicht umstrittene Einbeziehung der Hinzurechnungsbeträge in die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen zu Grunde legt, begründet.
78a. Die hinzugerechneten, in der Höhe unstreitigen Zwischeneinkünfte sind nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG – als auf eine nicht im Inland betriebene Betriebsstätte entfallend – zu kürzen.
79Wie der BFH in der Grundsatzentscheidung dargelegt hat, ist die Regelung vom Wortlaut her einschlägig, wenn Gewinne tatsächlich in einer ausländischen Betriebsstätte der Zwischengesellschaft angefallen sind. Es kommt nicht darauf an, dass es sich nicht um eine Betriebsstätte der inländischen Gesellschafterin, sondern um eine Betriebsstätte der Zwischengesellschaft handelt. Der Gesetzeswortlaut stellt nur darauf ab, dass die Einkünfte auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallen. Indem das Gesetz die Einkünfte der Zwischengesellschaft in solche der an ihr qualifiziert beteiligten Inlandsgesellschaft umformt, eröffnet es zugleich ein erweitertes Regelungsverständnis, wonach die betreffenden Einkünfte beim Gesellschafter – hier der Klägerin – nicht als betriebsstättenlose Auslandseinkünfte in der Luft hängen, sondern vielmehr einer Auslandsbetriebsstätte zuzuordnen sind, die die Anforderungen des § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG erfüllt. Alles andere zöge ohne Not systematische Verwerfungen nach sich, die unsachgemäß wären. Es unterwürfe den anteiligen Gewinn der Gewerbesteuer, obschon dieser Gewinn nicht nur auslandsradiziert ist, sondern auch bei dem Gesellschafter steuerwirksam erfasst wird (vgl. BFH a.a.O. Rdnrn. 9, 10).
80Dieses Rechtsverständnis, dem sich der Senat anschließt, trägt auch im hier zur Entscheidung anstehenden Fall. Die Gewinne sind in den schweizerischen Betriebsstätten der schweizerischen Zwischengesellschaften angefallen. Deutsche Betriebsstätten haben die Zwischengesellschaften nicht unterhalten. Der Sachverhalt ist insoweit unstreitig.
81Auf die Argumentation des Beklagten, die Klägerin habe keine eigenen ausländischen Betriebsstätten unterhalten, sondern sei nur an ausländischen Zwischengesellschaften beteiligt gewesen, kommt es daher nicht an. Der BFH hat die Problematik in dem sachverhaltsmäßig vergleichbaren Fall gesehen und eine Zurechnung der ausländischen Betriebsstätte vorgenommen, weil der hier relevante Gesetzestext nicht auf eine Betriebsstätte des Inländers (hier der Klägerin), sondern – wie zuvor bereits dargelegt – abstrakt auf eine ausländische Betriebsstätte abstellt.
82b. Die weitere gegen den BFH gerichtete, vom Beklagten referierte Argumentation der Nichtanwendungserlasse, es handele sich bei Hinzurechnungsbeträgen nach § 10 AStG nicht um ausländische Einkünfte, denn solche wären nicht im Gewinn im Sinne des § 7 GewStG enthalten, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Die Argumentation stellt letztlich einen Zirkelschluss dar.
83Unstreitig sind die Zwischeneinkünfte aufgrund der Hinzurechnung nach § 10 Abs. 2 AStG in dem dem Gewerbeertrag zu Grunde liegenden, nach den Regelungen des KStG und des EStG ermittelten Gewinn (§ 7 Satz 1 GewStG) der Klägerin enthalten. Auch stammen diese Einkünfte aus einer (oder mehreren) ausländischen Gesellschaft(en) im Sinne des § 7 AStG. Bei derartigen ausländischen Gesellschaften müssen die im Streitfall allein relevanten Geschäftsleitungsbetriebsstätten nach § 7 Abs. 1 AStG im Ausland liegen.
84Die danach im Ausland erzielten Zwischeneinkünfte werden nach § 7 Abs. 1 AStG nur den an der Zwischengesellschaft beteiligten unbeschränkt Steuerpflichtigen anteilig zugerechnet, entfallen also auf die Auslandsbetriebsstätte (vgl. z.B. Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, AStG, § 10 Rdnr. 187.1; Gosch a.a.O. § 9 GewStG Rdnr. 221a, jeweils m.w.N.).
85Die Argumentation des Beklagten könnte daher nur dann überzeugen, wenn aufgrund gesetzlicher Regelung aus den unstreitig tatsächlich im Ausland erzielten Einkünften kraft gesetzlicher Regelung inländische Einkünfte würden oder eine anderweitige eindeutige Regelung für die Erfassung und weitere Behandlung bei der Gewerbesteuer bestünde.
86Eine die Annahme inländischer Einkünfte anordnende (fingierende), eindeutige gesetzliche Regelung fehlt jedoch in den Streitjahren. Selbst der Beklagte beruft sich nicht auf eine derartige gesetzliche Regelung.
87Eindeutige für die hier betroffenen Erhebungszeiträume anwendbare gesetzliche Regelungen über die Behandlung von Zwischeneinkünften bei der Gewerbesteuer fehlen ebenfalls. Früher bestehende ausdrückliche Regelungen für die Behandlung bei der Gewerbesteuer (z.B. § 13 Abs. 1 Nr. 2 AStG in der Fassung bis zum 31. Dezember 2000; vgl. dazu z.B. Gosch a.a.O. § 9 GewStG Rdnr. 221a m.w.N.) sind vor den Streitjahren aufgehoben worden.
88Eine Gesetzesauslegung gegen den BFH im Sinne einer Qualifizierung der Hinzurechnungseinkünfte als inländische Einkünfte lässt sich auch nicht zwingend aus der von den Nichtanwendungserlassen in Bezug genommenen Gesetzesbegründung in BT-Drs. VI/2883 vom 2. Dezember 1971 begründen.
89Die von der Verwaltung angesprochenen Randnummern 30 und 31 (vgl. Seite 19 der Drucksache) enthalten keine klare Aussage in dieser Frage. Der Gesetzgeber wollte sich mit der Hinzurechnungsbesteuerung gegen eine ungerechtfertigte Ausklammerung von Einkünften aus der deutschen Besteuerung durch die Nutzung von Basisgesellschaften wenden. Die durch solche Gestaltungen eintretende Abschirmung gegen die deutsche Steuerpflicht könne – so die Gesetzesbegründung – inländischen Steuerpflichtigen nicht mehr ohne Einschränkung auf das sachlich Vertretbare zugestanden bleiben. Das in ausländischen Basisgesellschaften angefallene Einkommen, das nicht aus aktiver Wirtschaftstätigkeit der Gesellschaft stamme, solle den die Basisgesellschaft beherrschenden Inländern zur Besteuerung zugerechnet werden (Rdnr. 30). Die Zurechnung des in ausländischen Basisgesellschaften anfallenden Einkommens in die Steuerpflicht der maßgeblich beteiligten Inländer solle nur Raum haben, wenn es sich um so genannte Basiseinkommen handele (Rdnr. 31).
90Die hier sinngemäß wiedergegebenen Textpassagen wie auch alle weiteren Ausführungen in den genannten Randnummern der Bundestagsdrucksache enthalten keine Aussage im Sinne einer fiktionalen Umwandlung oder Umqualifizierung der Auslandseinkünfte in inländische Einkünfte. Vielmehr geht es ausschließlich um die unter Anerkennung ausländischer Rechtsgebilde vorzunehmende Zurechnung des in ausländischen Gesellschaften anfallenden Einkommens in die Steuerpflicht der maßgeblich beteiligten Inländer (vgl. Rdnr. 31).
91Folgerichtig regelt Rdnr. 32 der Drucksache, dass alle ausländischen Steuern, die auf dem in die deutsche Besteuerung einzubeziehenden ausländischen Basiseinkommen lasten, bei der deutschen Zurechnungsbesteuerung ausgeglichen werden.
92Neben dem Wortlaut der Gesetzesbegründung, der mehrfach ausdrücklich auf ausländische Einkünfte abstellt, spricht insbesondere die vom Gesetzgeber vorgesehene Beschränkung der Abschirmwirkung auf das sachlich Vertretbare für die Auslegung des BFH, denn diese berücksichtigt im Gegensatz zur Auffassung der Verwaltung den strukturellen Inlandsbezug der Gewerbesteuer. Der BFH betont überzeugend die Beschränkung der Gewerbesteuer auf die Erträge aus inländischen Betriebstätten (vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 20. Juli 2016 I R 50/15, BStBl II 2017, 230).
93Die Einbeziehung der Hinzurechnungsbeträge in die Gewerbesteuerpflicht widerspräche diesem strukturellen Inlandsbezug der Gewerbesteuer (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG) und zöge eine unsystematische Doppelbesteuerung nach sich, weil die Steuern, welche im Ausland zu Lasten der Zwischengesellschaft von den dem Hinzurechnungsbetrag zugrundeliegenden Einkünften erhoben worden sind, nach § 12 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 AStG nur auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer, nicht aber auf die Gewerbesteuer angerechnet werden (vgl. BFH in BStBl II 2015, 1049 Rdnr. 10). Die in der Grundsatzentscheidung herausgestellte Orientierung am Territorialitätsprinzip liegt auch der nachfolgenden Rechtsprechung des BFH, z.B. der Entscheidung vom 20. Juli 2016 (I R 50/15, BStBl II 2017, 230) zu Grunde. Auch dort macht der BFH deutlich, dass mit der Kürzungsvorschrift § 9 Nr. 3 GewStG letztendlich die Konsequenz aus § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GewStG gezogen werden soll, wonach der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb unterliegt, soweit er im Inland betrieben wird.
94Überdies würden bei Zugrundelegung der Verwaltungsauffassung ausländische Tochtergesellschaften und Betriebsstätten in den Streitjahren ungleich behandelt. Genau solches sollte für die außensteuerrechtliche Hinzurechnungsbesteuerung aber vermieden werden, wie sich aus § 20 Abs. 2 AStG ergibt, der im Kern einen Rechtsfolgengleichklang vorsieht, wenn die betreffenden Einkünfte nicht in einer ausländischen selbständigen Tochtergesellschaft, sondern in einer Auslandsbetriebsstätte anfallen (vgl. BFH a.a.O. Rdnr. 10).
95Im Ergebnis sind insoweit keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, von den auf den dogmatischen Grundprinzipien der Gewerbesteuer beruhenden Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH abzuweichen, die im Übrigen für den hier zu Grunde liegenden Rechtszustand vor dem Erhebungszeitraum 2017 auch ganz überwiegend Zustimmung in der einschlägigen Fachliteratur finden (vgl. z.B. Wassermeyer/Schönfeld a.a.O. § 10 Rdnr. 186 ff.; Gosch a.a.O. § 9 GewStG Rdnr. 221a m.w.N.; Roser a.a.O. § 9 Nr. 3 Rdnr. 6b; Adrian/Rautenstrauch/Sterner, DStR 2017, 1457; Kahlenberg, NWB 2018, 181; weitere Nachweise bei Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 9 Nr. 3 Rdnr. 4a, der die Entscheidung des BFH kritisch sieht, aber ebenfalls von einer gesetzlichen Neuregelung ab dem Erhebungszeitraum 2017 ausgeht, die die bisherige gewerbesteuerliche Verschonung der Einkünfte nach § 20 Abs. 2 AStG entfallen lässt).
96c. Auch der gegen das Verständnis der hier entscheidenden Rechtsvorschriften durch den BFH vorgetragene Einwand mangelnder Folgerichtigkeit überzeugt nicht.
97Soweit darauf hingewiesen wird, die unterschiedliche Behandlung von Gewinnanteilen nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG und von Schachteldividenden nach § 9 Nr. 7 GewStG sei nicht folgerichtig, hat der BFH die Rechtfertigung unterschiedlicher Behandlung in der Grundsatzentscheidung bereits dargelegt (BFH a.a.O. Rdnr. 11). Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dortigen Ausführungen.
98Im Übrigen käme es bei Zugrundelegung der Verwaltungsauffassung zu einer ebenfalls nicht folgerichtigen Ungleichbehandlung von Einkünften aus ausländischen Tochtergesellschaften und ausländischen Betriebsstätten. Eine Rechtfertigung dafür hat der Beklagte nicht vorgetragen. Sie ist auch nicht ersichtlich.
99Außerdem hat der EuGH auf Vorlage des Finanzgerichts Münster (vgl. Beschluss vom 20. September 2016 9 K 3911/13 F, EFG 2017, 323) mit Urteil vom 20. September 2018 (EV gegen Finanzamt Lippstadt, C-685/16) entschieden, dass § 9 Nr. 7 GewStG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit im Sinne des Art. 63 AEUV verstößt. Eine europarechtswidrige Vorschrift dürfte aber als Referenzvorschrift grundsätzlich ungeeignet sein.
100d. Bei § 9 Nr. 3 GewStG handelt es sich auch nicht um eine nur deklaratorische Vorschrift.
101Folgerichtig zur Annahme, Hinzurechnungsbeträge als ausländische Einkünfte wären nicht im Gewinn im Sinne des § 7 GewStG enthalten, erklärt der Beklagte – entsprechend der Argumentation der Nichtanwendungserlasse – § 9 Nr. 3 GewStG zu einer deklaratorischen, also überflüssigen Vorschrift. Dafür kann er sich aber nicht berechtigt auf die von ihm zur Begründung in Bezug genommene Entscheidung des BFH vom 6. Juli 2005 (VIII R 72/02, BStBl II 2010, 828) berufen. Diese basiert auf § 7 Satz 2 GewStG 2000 (jetzt § 7 Satz 3 GewStG) und der darin angeordneten Fiktion des nach § 5a EStG (Tonnagebesteuerung) ermittelten Gewinns als Gewerbeertrag. Nur in den Fällen dieser Fiktion sind Hinzurechnungen und Kürzungen nach den §§ 8, 9 GewStG ausgeschlossen. Demgegenüber stehen Kürzungen nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG in systematischem Zusammenhang mit dem Gewerbeertrag im Sinne des § 7 Satz 1 GewStG, der allein Gegenstand des hier zur Entscheidung anstehenden Verfahrens ist.
102Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass es dem Beklagten nicht gelungen ist, durchgreifende Argumente gegen die Auslegung des § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) durch den BFH vorzutragen. Unter Berücksichtigung seiner Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 12. April 2011 13 K 3136/04, EFG 2011, 2014 Rdnr. 98 ff.) zur Aufgabenverteilung zwischen den Instanzgerichten und dem BFH sieht der erkennende Senat im Streitfall daher keine Veranlassung, von der überzeugend begründeten Rechtsprechung des BFH zum ausgelaufenen Recht abzuweichen.
103e. Die Berechnung der demnach um die tenorierten rechnerisch unstreitigen Hinzurechnungsbeträge zu mindernden Gewerbesteuermessbeträge bzw. Gewerbeerträge ist dem Beklagten übertragen worden, da dieser über die entsprechenden technischen Einrichtungen zur automatisierten Berechnung der Messbeträge und Gewerbeerträge verfügt.
1043. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
1054. Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO nicht zuzulassen. Die Entscheidung betrifft ausgelaufenes Recht und steht in völliger Übereinstimmung mit der Grundsatzentscheidung des BFH.
106Da der Streitfall nach Überzeugung des erkennenden Senats (vgl. oben unter 1.) ausgelaufenes Recht betrifft, fehlt es ungeachtet der Nichtanwendungserlasse (vgl. dazu z.B. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 115 FGO Rdnr. 109 m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 115 FGO Rdnr. 51 m.w.N.) an der für eine Revisionszulassung erforderlichen grundsätzlichen Bedeutung, da sich die Rechtsfrage für die geltende Fassung des Gesetzes nicht mehr stellt. Der Beklagte hat auch nicht darlegt, dass erhebliche weitere Verfahren zu diesem Themenkreis anhängig wären (vgl. zur Revisionszulassung in derartigen Fällen z.B. Seer a.a.O. § 115 FGO Rdnr. 55; Lange a.a.O. § 115 FGO Rdnr. 98/99 m.w.N.). Auch die Überprüfung des Senats hat nicht zur Feststellung weiterer vergleichbarer Verfahren geführt.
107Die beim BFH anhängigen Verfahren zu § 9 Nr. 3 GewStG sind Fälle der Tonnagebesteuerung. Diese betreffen die hier vorliegende Problematik aber nicht. Der BFH hat insoweit schon zur Nichtanwendbarkeit der Vorschriften von Hinzurechnung und Kürzung wegen der Fiktionsklausel (§ 7 Satz 3 GewStG) entschieden.
108Die Frage, ob die aktuelle Rechtsprechung des EuGH zu § 9 Nr. 7 GewStG die Ableitung zulässt, dass § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG a.F. mit dem von der Finanzverwaltung angenommenen Inhalt gegen Art. 63 AEUV verstoßen hat, kann danach offenbleiben.
109Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.