Finanzgericht Köln, 15 K 609/18
Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer 2015 über die Besteuerung einer Auslandstätigkeit des Klägers.
3Der einzeln zur Einkommensteuer veranlagte Kläger war im Streitjahr bei der „E1 GmbH“, einer Gesellschaft der E, als Berater nichtselbständig tätig. Im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses schloss er mit seinem Arbeitgeber einen in der Einkommensteuerakte befindlichen „Auslandsdelegationsvertrag unter Projektkonditionen“ als Zusatzvereinbarung zum bestehenden Arbeitsvertrag. Dieser sah – modifiziert durch eine Ergänzungsvereinbarung vom 24. September 2015 – eine Auslandstätigkeit vom 15. März 2015 bis zum 30. November 2015 als „Senior PM“ in S, T, vor. Die als Anlage 1 zum Vertrag vorgelegte Projektbeschreibung sah vor:
4• U -U- wird einen „zweiten Brand“ [zweite Marke] in T launchen ähnlich wie d von E
5• U braucht Unterstützung beim „Second Brand Launch“ besonders im IT-Bereich in Aufgaben wie Planning, Design und Architecture von IT-Netzen, was die Aufgabe von den F Experten sein wird.
6Laut Tätigkeitsbeschreibung (Anlage zum Vertrag) handelt es sich um
7- eine Beratung des Kunden U (U) beim Aufbau eines virtuellen Kommunikationssystembetreibers
8- Unterstützung bei der Erstellung einer IT-Strategie, etc.
9- Planung der IT-Infrastruktur, etc.
10- Erstellen von Projektfortschrittsberichten, etc..
11Auf die zur Steuererklärung eingereichten Unterlagen wird Bezug genommen. Im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens erfolgte arbeitgeberseitig keine Freistellung vom Steuerabzug auf Grundlage von § 34c Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und dem BMF-Schreiben vom 31. Oktober 1983 (BStBl I 1983, 470 – „Auslandstätigkeitserlass“; zuletzt geändert durch BMF-Schreiben vom 14. März 2017, BStBl I 2017, 473).
12In seiner Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger einen regulär zu versteuernden Bruttoarbeitslohn mit 59.457 € und einen aus seiner Sicht „nach Auslandstätigkeitserlass steuerfreien Arbeitslohn“ von 98.575 €. Die Dauer der Auslandstätigkeit wurde vom 15. März 2015 bis zum 3. November 2015 angegeben, die Anzahl der Kalendertage im ausländischen Staat mit 240. Unterbrechungen der Tätigkeit erfolgten laut Steuererklärung vom 15. Mai 2015 bis zum 23. Mai 2015 zwecks Erneuerung des Visums und vom 9. Oktober 2015 bis zum 14. Oktober 2015 zwecks einer in Deutschland abgehaltenen Projektbesprechung. Der Arbeitslohn betrug insgesamt im Kalenderjahr 158.032 €. Wegen der Berechnung des Klägers zum Anteil des Arbeitslohns, der auf das Projekt in T entfällt, wird auf die ergänzende Anlage zur Anlage N verwiesen. Nach Klägerangaben hielt er sich im Streitjahr 240 Tage im Ausland und 125 Tage im Inland auf.
13Unter dem 27. April 2017 erließ der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2015 mit einer festgesetzten Einkommensteuer von 50.735 €, in welchem er den vollständigen Arbeitslohn von 158.032 € ohne Anwendung einer Steuerbefreiung nach dem Auslandstätigkeitserlass oder sonstigen Steuerbefreiung der Besteuerung unterwarf. Einen hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2018 (Freitag; Bekanntgabe an den seinerzeitigen Bevollmächtigten erst am Karnevalsdienstag, 13. Februar 2018) als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung wurde die Steuer aus anderen Gründen – hier eine vom Beklagten benannte offenbare Unrichtigkeit bei Ansatz der Kinderfreibeträge – auf 51.109 € heraufgesetzt.
14Mit der hiergegen fristgerecht am 13. März 2018 erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Gewährung einer Steuerfreiheit (mit Progressionsvorbehalt) für die vom 15. März 2015 bis zum 30. November 2015 in T erzielten Einkünfte (98.575 €) anstelle der Regelbesteuerung. Zur Begründung führt er an, dass er seit 1999 für die F, eine Beratungsgesellschaft der E, arbeite. Die Tätigkeit in T wird im Einzelnen näher geschildert, es handele sich im Kern um die Beratung des Kunden „U“ beim Aufbau eines Kommunikationssystembetreibers. Hierbei sei teilweise bestehende Infrastruktur verwendet, teilweise habe eine neue eigene Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut werden müssen. Insbesondere sei ein neues Call-Center geplant, errichtet und eingerichtet worden. Die Tätigkeiten, insbesondere bzgl. des Call-Centers, werden näher geschildert (Bl. 39, 40 der elektronischen Gerichtsakte - eGA). Diese Tätigkeiten werden vom Kläger als begünstigte Tätigkeiten i.S.d. Auslandstätigkeitserlasses angesehen. Es sei in der Formulierung des Erlasses eine weite Auslegung anhand der umfangreichen Aufzählung der Tätigkeiten zu erkennen. Hier liege eine Beratungsleistung im Zusammenhang mit dem Einbau, der Aufstellung oder Instandhaltung sonstiger Wirtschaftsgüter vor. Eine Unterscheidung zwischen dem – unstreitig nicht erfolgten – Aufbau eines neuen Kommunikationssystems und dem – hier erfolgten – Aufbau eines Kommunikationssystembetreibers sei nicht vorzunehmen und mit dem Sinn und Zweck des Auslandstätigkeitserlasses nicht vereinbar. Die Sache sei auch spruchreif, das Ermessen für einen nach § 34c Abs. 5 EStG möglichen Steuererlass sei hier auf Null reduziert, da anderweitige Handlungsalternativen gegen die Grundrechte, insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würden. Der Beklagte habe den Auslandstätigkeitserlass als ermessensregelnde Verwaltungsvorschrift im Streitfall entsprechend grundrechtskonform auszulegen und anzuwenden. Zur Art der Tätigkeit wird auf eine von der F am 6. September 2017 (im Einspruchsverfahren) ausgestellte und vom Kläger vorgelegte Tätigkeitsbeschreibung verwiesen.
15Der Kläger beantragt,
16den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2015 vom 27. April 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2018 dahingehend abzuändern, dass bei der Steuerfestsetzung die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit betreffend seiner in T für seinen Arbeitgeber erbrachten Tätigkeit vom 15. März 2015 bis zum 30. November 2015 mit Ausnahme der Anwendung des Progressionsvorbehalts nicht der Besteuerung unterworfen werden;
17hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheids für den Veranlagungszeitraums 2015 vom 27. April 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2018, ermessensfehlerfrei darüber zu entscheiden, ob gemäß § 34c Abs. 5 EStG in Verbindung mit dem Auslandstätigkeitserlass (ATE, BMF-Schreiben v. 31. Oktober 1983 - IV B 6-S 2293-50/83) mit Ausnahme der Anwendung des Progressionsvorbehalts von einer Besteuerung des Arbeitslohns, den der Kläger für seine Tätigkeit in T in der Zeit vom 15. März 2015 bis zum 30. November 2015 erhalten hat, abgesehen werden kann;
18hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Er sieht – zusammengefasst – die klägerische Tätigkeit im Wesentlichen als Beratung beim Aufbau eines virtuellen Kommunikationssystembetreibers, ohne dass ein neues Kommunikationsnetz aufgebaut werde. Die Planung und Errichtung von Beratungs-/Callcentern, die lediglich dem Ausbau eines Vertriebsnetzes und die Bereitstellung von Beratungsdiensten betreffen, erfüllten nicht die Voraussetzungen einer nach dem Auslandstätigkeitserlass begünstigten Tätigkeit. Der Aus- bzw. Aufbau eines Kommunikationssystembetreibers sei nicht gleichzusetzen mit dem Aufbau eines neuen Kommunikationsnetzes. Maßgeblich für die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses sei die Anknüpfung an eine feste Einrichtung, die im Streitfall nicht gegeben sei.
22Auf gerichtliche Nachfrage hat der Kläger mitgeteilt, dass eine Versteuerung in T weder durch den Arbeitgeber noch durch den Kläger erfolgt ist, dies aber auch nach klägerischer Ansicht für die Steuerbefreiung nach dem Auslandstätigkeitserlass rechtlich unerheblich sei (Verweis auf FG Köln, Urteil vom 22. März 2001, 7 K 1709/99, EFG 2001, 974). Zwischen Deutschland und T bestehe kein Doppelbesteuerungsabkommen. Im Streitjahr sei der Kläger ganzjährig in Deutschland sozialversichert gewesen.
23Entscheidungsgründe
24I. Die Klage ist zulässig. Die vom Kläger als besondere Billigkeitsmaßnahme nach § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem Auslandstätigkeitserlass begehrte Steuerfreistellung (unter Progressionsvorbehalt) ist als Verpflichtungsklage nach § 40 Abs. 1 Var. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthaft und darauf gerichtet, den Beklagten im Fall einer Ermessensreduktion „auf Null“ zur Freistellung der Einkünfte bei der Einkommensteuerfestsetzung 2015 und im Falle von Ermessensfehlern zur Neubescheidung zu verpflichten. Eine vorherige Ablehnung einer Steuerbefreiung ist im Veranlagungsverfahren sowie der Einspruchsentscheidung erfolgt.
25II. Die Klage ist unbegründet. Die Ablehnung einer Steuerfreistellung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 101 FGO. Der Beklagte hat zu Recht entschieden, dass sämtliche im Streitjahr aus nichtselbständiger Arbeit erzielten Einkünfte einer regulären Besteuerung (ohne Steuerbefreiung mit Progressionsvorbehalt) unterliegen.
261. Der Kläger unterliegt als unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Person nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG der Besteuerung sämtlicher Einkünfte („Welteinkommen“), also auch der in T erzielten Einkünfte. Mangels eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen zwischen Deutschland und T ist das deutsche Besteuerungsrecht nicht durch völkerrechtliche Verträge eingeschränkt. Mangels einer Besteuerung in T kommt auch eine unilaterale Anrechnung (§ 34c Abs. 1 EStG) oder ein Abzug (§ 34c Abs. 2, 3 EStG) nicht in Betracht. Eine Pauschalierung der deutschen Steuer wegen einer besonders schwierig zu ermittelnden ausländischen Steuer (vgl. § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem BMF-Schreiben vom 10. April 1984 – „Pauschalierungserlass“, BStBl I 1984, 252) scheidet dadurch ebenso aus.
272. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Steuerbefreiung der Einkünfte (wodurch die Einkünfte – vorbehaltlich der Progressionswirkung – weder in Deutschland, noch in T einer Ertragsbesteuerung unterliegen würden) nicht nach§ 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem BMF-Schreiben vom 31. Oktober 1983 (BStBl I 1983, 470 – „Auslandstätigkeitserlass“; zuletzt geändert durch BMF-Schreiben vom 14. März 2017, BStBl I 2017, 473) geboten.
28Nach § 34c Abs. 5 EStG können die obersten Finanzbehörden der Länder oder die von ihnen beauftragten Finanzbehörden u.a. mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist.
29Die Regelung des § 34c Abs. 5 EStG ist ein Auffangtatbestand für Fälle, in denen Doppelbesteuerungsabkommen und die Anwendung der § 34c Abs. 1 bis 3 EStG nicht zu außenwirtschaftlich erwünschten Ergebnissen führen oder eine Steueranrechnung besonders schwierig ist (vgl. Kuhn in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 298. Lfg. 6/2020, § 34c EStG Rn. 171 m.w.N.). Der Auslandstätigkeitserlass (als Nachfolger des „Montageerlasses“) stellt dabei eine ermessensleitende Verwaltungsvorschrift für besondere Billigkeitsmaßnahmen dar. Ist zweifelhaft, ob die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, obliegt die Entscheidung über die Anwendbarkeit der Behörde; dieser steht es frei, im Zweifelsfall von der Anwendung Abstand zu nehmen. Diese Entscheidung ist durch die Gerichte nach § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar, auch wenn sie nicht die Ermessensausübung betrifft. Die Gerichte können die Behörden nicht zwingen, Verwaltungsanweisungen anzuwenden, wenn der verwirklichte Sachverhalt nicht von der Anweisung gedeckt ist (vgl. zum Ganzen Wagner in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 34c EStG Rn. 123 ff.).
30Nach diesen Maßstäben, die der Senat für zutreffend hält und denen er folgt, ist weder ein im Rahmen einer „Ermessensreduktion auf Null“ gebotene Freistellung, noch eine ermessensfehlerhafte Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses feststellbar.
31Nach dem Erlass (hier „I. Begünstigte Tätigkeit“) begünstigt ist die Auslandstätigkeit für einen inländischen Lieferanten, Hersteller, Auftragnehmer oder Inhaber ausländischer Mineralaufsuchungs- oder -gewinnungsrechte im Zusammenhang mit
321. der Planung, Errichtung, Einrichtung, Inbetriebnahme, Erweiterung, Instandsetzung, Modernisierung, Überwachung oder Wartung von Fabriken, Bauwerken, ortsgebundenen großen Maschinen oder ähnlichen Anlagen sowie dem Einbau, der Aufstellung oder Instandsetzung sonstiger Wirtschaftsgüter; außerdem ist das Betreiben der Anlagen bis zur Übergabe an den Auftraggeber begünstigt,
332. dem Aufsuchen oder der Gewinnung von Bodenschätzen,
343. der Beratung (Consulting) ausländischer Auftraggeber oder Organisationen im Hinblick auf Vorhaben im Sinne der Nummern 1 oder 2 oder
354. der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der Technischen oder Finanziellen Zusammenarbeit.
36Nicht begünstigt sind die Tätigkeit des Bordpersonals auf Seeschiffen und die Tätigkeit von Leiharbeitnehmern, für deren Arbeitgeber die Arbeitnehmerüberlassung Unternehmenszweck ist, sowie die finanzielle Beratung mit Ausnahme der Nummer 4. Nicht begünstigt ist ferner das Einholen von Aufträgen (Akquisition), ausgenommen die Beteiligung an Ausschreibungen.
37Die Tätigkeit des Klägers in T, welche sich – zusammengefasst – nach tatrichterlicher Würdigung des Senats als IT-Beratungstätigkeit des Klägers beim Aufbau einer Zweitmarke für ein bestehendes Kommunikationsnetz darstellt, ist bei engerer Wortlautbetrachtung keine auf eine „Fabrik, Bauwerke, ortsgebundene große Maschinen oder ähnliche Anlagen oder sonstiger Wirtschaftsgüter“ bezogene Tätigkeit. Auch der Begriff des sonstigen Wirtschaftsgutes ist bei einem engen Wortlautverständnis im Zusammenhang mit den zuvor genannten Infrastrukturen auszulegen und umfasst klassische Industriemontagen. Die Tätigkeit des Kläger ist dagegen schwerpunktmäßig durch Eröffnung eines zweiten Vertriebswegs (vergleichbar der von der E unter „d“ aufgebauten Zweitmarke im ...-Bereich unter Nutzung der IT-Infrastrukturen des E) unter weitgehender Nutzung vorhandener Kommunikationsinfrastruktur geprägt, auch wenn dieser zweite Vertriebsweg, wie der Kläger zutreffend aufführt, auch die Anschaffung, Herstellung und Einrichtung materieller Wirtschaftsgüter umfasst (Erweiterung und Modifikation von IT-Systemen durch neue Hardware; Bau und Einrichtung eines Call-Centers, etc.). Da die Aufzählung in Nr. 1 infrastrukturbezogen ist und im letzten Satz das „Einholen von Aufträgen (Akquisition)“ ausgenommen wird, ist es vertretbar, dass die Finanzverwaltung eine primär auf Schaffung einer zweiten Vertriebsstruktur gerichtete Tätigkeit als nicht begünstigt ansieht.
38Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass bei einem weiten Wortlautverständnis und möglicherweise bei einer Anpassung des Auslandstätigkeitserlasses an die deutsche Exportwirtschaft des 21. Jahrhunderts über den „klassischen Anlagenbau“ hinaus auch IT-Projekte mit wenigen materiellen Wirtschaftsgütern und wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgütern (Netzwerkdienstleistungen, Virtualisierung, Cloud Computing, etc.) unter eine Begünstigung fallen könnten. Unter Umständen könnten die vom Auslandstätigkeitserlass bezweckten außenpolitischen Belange (Förderung der deutschen Exportwirtschaft) es ermöglichen, auch solche Tätigkeiten zu erfassen.
39Der Senat sieht sich aber daran gehindert, die Finanzverwaltung zu einer abweichenden Auslegung und Handhabung des eigenen Verwaltungserlasses zu verpflichten. Diese Zurückhaltung folgt bereits aus § 102 FGO bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen (hierzu a.). Eine extensive Auslegung begegnet auch Bedenken nach dem aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten, in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes verankerten Gewaltenteilungsprinzips (hierzu b.). Zudem sprechen weitere verfassungsrechtliche (hierzu c.) und systematische Gründe (hierzu d.) gegen eine extensive Auslegung.
40a. Gegen eine Steuerfreistellung spricht die eingeschränkte Prüfungskompetenz nach § 102 FGO. Hiernach ist das Gericht außerhalb der tatbestandlichen Voraussetzungen darauf beschränkt, ob das Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden ist. Bei ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften – hier dem Auslandstätigkeitserlass – sind die verwaltungseigenen Vorschriften so auszulegen, wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Die Gerichte dürfen Verwaltungsvorschriften nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (vgl. nur BFH-Urteil vom 24. Oktober 2000, VI R 65/99, BStBl II 2001, 109 m.w.N.). Bei einer solchen „Exzesskontrolle“ ist im Streitfall keine willkürliche oder evident fehlerhafte und unvertretbare Auslegung des Auslandstätigkeitserlasses feststellbar.
41b. Gegen eine von der Finanzbehörde abweichende Auslegung spricht auch der Gewaltenteilungsgrundsatz. Es erscheint dem Senat angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Besteuerung im Allgemeinen und der Einkommensbesteuerung im Besonderen (Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes; „Wesentlichkeitsrechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts; Bestimmtheitsgrundsatz) bereits bedenklich, dass der Steuergesetzgeber der Finanzverwaltung in § 34c Abs. 5 EStG eine Kompetenz zur Steuerfreistellung oder -ermäßigung aus volkswirtschaftlichen Gründen gewährt. Wenn man – mit der Ansicht beider Beteiligten, die auf den Auslandstätigkeitserlassverweisen – der Verwaltung eine solche Entscheidungskompetenz zubilligt, wäre es jedoch nicht mehr mit der Gewaltenteilung vereinbart, wenn die rechtsprechende Gewalt die Pflicht hätte, eine vor über 35 Jahren erlassene Verwaltungsvorschrift in eine zeitgemäße Anwendung zu transformieren. Eine solche Entscheidung kann nach der Konzeption des § 34c Abs. 5 EStG allenfalls die Verwaltung selbst treffen.
42c. Ferner sprechen verfassungsrechtliche Gründe gegen eine extensive Auslegung.
43Mit Beschluss vom 19. April 1978 (2 BvL 2/75, BStBl II 1978, 548) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Vorgängerfassung des § 34c Abs. 3 EStG für verfassungskonform erklärt. Als eine nicht die Steuerpflicht begründende Vorschrift hat das BVerfG an die Vorschrift geringere Anforderungen gestellt als dies bei gesetzlichen Grundlagen zur Begründung der Steuerpflicht der Fall ist (vgl. Rn. 36-41 der in Juris abgedruckten Entscheidungsgründe). Im dem Begriff der „volkswirtschaftlichen Gründe“ wurde keine unzulässige „vage Generalklausel“ erblickt, sondern der Begriff sei unter Berücksichtigung von Sinnzusammenhang, Zielsetzung und Entstehungsgeschichte hinreichend konkretisiert. Zugleich hat das BVerfG aber ausgeführt, dass die Regelung nur solche volkswirtschaftlichen Gründe in Betracht gezogen wissen wolle, die spezifisch außenwirtschaftlicher Natur seien; die Steuerbegünstigung selbst hänge nicht davon ab, ob die Gründe im Blick auf ausschließlich persönliche oder betriebliche Verhältnisse zweckmäßig seien (Rn. 45 der in Juris abgedruckten Entscheidungsgründe). Daraus ergebe sich, dass die Regelung auf Ausnahmefälle beschränkt sei, nämlich auf die Regelung von besonderen Sachverhalten, die im Hinblick auf ihre Abhängigkeit von jeweiligen ausländischen handels- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen zum Schutz der eigenen Volkswirtschaft eine schnelle, auf den Einzelfall bezogene entlastende Reaktion der Finanzbehörden erfordern, Entscheidungen, die der Gesetzgeber selbst von der Natur der Sache her zu treffen außerstande ist (Rn. 49 der in Juris abgedruckten Entscheidungsgründe). Nur diese „einengende Begriffsbestimmung“ führe dazu, dass Gegenstand, Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung den rechtsstaatlichen Anforderungen genügen und hinreichend bestimmt und begrenzt sind (Rn. 39 ff. der in Juris abgedruckten Entscheidungsgründe).
44Überträgt man diese Erwägungen auf den Streitfall, ist für den Senat nicht erkennbar, dass spezifische außenwirtschaftliche (volkswirtschaftliche) Gründe vorliegen, die eine Freistellung der in T nicht besteuerten Einkünfte gebieten. Soweit sich der Kläger darauf beruft, die Vorschrift müsse (offenbar im Vergleich zu anderen steuerfreien Auslandstätigkeiten im Montagebereich) grundrechtskonform zu seinen Gunsten ausgelegt werden, können diese individuellen Gründe – unabhängig bei der dann eintretenden Ungleichbehandlung zu Steuerpflichtigen inländischer Industriemontagen oder Steuerpflichtigen ausländischer Industriemontagen mit einer dort erfolgten Besteuerung oder Steuerpflichtigen in DBA-Fällen, in denen Rückfallklauseln (subject-to-tax-Klauseln) bei fehlender tatsächlicher Auslandsbesteuerung greifen – nach den Ausführungen des BVerfG gerade nicht die außenpolitische Zielrichtung der Vorschrift ersetzen. Hinzu kommt, dass das BVerfG den Ausnahmecharakter und das Bedürfnis einer „schnellen, auf den Einzelfall bezogenen entlastenden Reaktion der Finanzbehörden“ fordert. Im Widerspruch zu diesen verfassungsrechtlichen Implikationen steht bereits der Umstand, dass die Finanzverwaltung seit über 35 Jahren ihren Verwaltungserlass nicht substanziell verändert hat.
45d. Zuletzt sprechen auch systematische Gründe gegen eine extensive Auslegung. Aus dem Charakter von § 34c Abs. 5 EStG als einer Ausnahmevorschrift im Billigkeitswege folgt, dass bei einer nicht feststellbaren tatbestandlichen Einschlägigkeit der Vorschrift der Grundsatz der Besteuerung des Welteinkommens nach §§ 1, 2 EStG folgt. Ausnahmevorschriften sind nach allgemeinen rechtsmethodischen Regelungen eng auszulegen, um dem Grundsatz der Besteuerung des Welteinkommens sowie dem aus dem Gleichheitsgrundsatz hergeleiteten steuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip Geltung zu verschaffen.
46Soweit der Kläger auf einen Beschluss des Finanzgerichts Baden-Württemberg (vom 29. August 2011, 10 V 986/11, Juris) verweist, wonach der „Anlagenbau im weiteren Sinne“ begünstig ist (Rn. 28 der in Juris abgedruckten Entscheidungsgründe), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Entscheidung selbst führt an, dass es sich bei den ausländischen Investitionsvorhaben um ortsgebundene Objekte mit einer gewissen (volks-)wirtschaftlichen oder industriellen bzw. technischen Bedeutung handeln muss. Das FG Baden-Württemberg wiederholt dort die Zielsetzung des Auslandstätigkeitserlasses, die deutsche Exportwirtschaft, insbesondere den Anlagenbau und die vorbereitende Beratungstätigkeit zu fördern, um deren internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten sowie des Weiteren die finanzielle Motivation von Arbeitnehmern für eine Auslandstätigkeit zu steigern (vgl. hierzu etwa Urteil des FG Köln vom 22. März 2001, 7 K 1709/99, EFG 2001, 974 ). Jene außenwirtschaftlichen Gründe konnte die Finanzverwaltung bei Anwendung ihres eigenen Erlasses aber im Streitfall nicht erkennen.
47III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zugelassen.