Finanzgericht Köln, 2 K 1239/18
Der Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.4.2018 wird dahingehend abgeändert, dass für den Zeitraum Januar bis Dezember 2015 zu erstattende Vorsteuern in Höhe von ....€ festgesetzt werden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf ....€ festgesetzt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Vorsteuer für den Zeitraum Januar bis Dezember 2015 in einer Höhe von ....€.
3Die Klägerin ist ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen.
4Am 15.02.2016 beantragte die Klägerin die Vergütung von Vorsteuern für die Lieferung und den Aufbau einer Maschine zur Produktion von Baustoffen. Ausweislich der Anlage zum Antrag wurden hierfür 27 Rechnungen gestellt.
5Zur Erläuterung führte die Klägerin aus, dass sie in der Schweiz die Maschine an die C SA mit Sitz in der Schweiz veräußert habe. Diese habe die Maschine ihrerseits an die D GmbH mit Sitz in Deutschland veräußert. Die Lieferungen hätten jeweils den Transport, den Aufbau und die Inbetriebnahme der Maschine beinhaltet. Zur Durchführung des Transports und Aufbaus habe die Klägerin eine Firma aus Luxemburg beauftragt. Der Transport sei unmittelbar von der Klägerin an die D GmbH erfolgt. Die anfallende Einfuhrumsatzsteuer sei von der D GmbH getragen worden. Die Verfügungsmacht über die Maschine habe bei Einfuhr nach Deutschland bei ihr, der Klägerin, gelegen. Die Lieferung stelle eine ruhende Lieferung da, da sie, die Klägerin, neben der Lieferung auch den Aufbau und die Inbetriebnahme der Maschine geschuldet habe. Die Verfügungsmacht sei daher erst mit Aufbau und Inbetriebnahme in Deutschland auf den Leistungsempfänger nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG übergegangen. Dem Antrag beigefügt waren diverse Verträge, unter anderem mit dem luxemburgischen Transportunternehmen. Hierin waren diverse Umbaumaßnahmen beschrieben, die im Zusammenhang mit dem Aufbau zu erledigen waren (Bl. 24 ff. Verwaltungsakte, deutsche Übersetzung Bl. 340 ff.).
6Mit Bescheid vom 16.12.2016 lehnte der Beklagte die Vergütung der begehrten Vorsteuern ab, da der angeführte Gegenstand nicht für das antragstellende Unternehmen eingeführt worden sei.
7Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 14.01.2017.
8Die Klägerin habe zum Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über die Maschine gehabt. Sie habe sich gegenüber der Erwerberin dazu verpflichtet, die Maschine nach Deutschland zu liefern, sofort zu entladen und zu montieren. Die Verschaffung der Verfügungsmacht sei somit erst mit Abnahme durch die Erwerberin nach Demontage und Inbetriebnahme vor Ort erfolgt, so dass erst zu diesem Zeitpunkt die Verfügungsmacht auf die C SA übergegangen sei.
9Mit Einspruchsentscheidung vom 04.06.2018 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe keine Werklieferung im Sinne von § 3 Abs. 4 UStG, sondern eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG erbracht. Im Rahmen der Beförderung bzw. Versendung sei der Gegenstand der Lieferung unmittelbar von der Klägerin an den letzten Abnehmer (D GmbH) mit Lieferungsort in Deutschland gelangt. Somit seien Umsätze im Rahmen eines Reihengeschäftes im Sinne von § 3 Absatz 6 S. 5 UStG getätigt worden. Da die Klägerin als erste Lieferantin in der Reihe den Transport beauftragt habe, habe sie folglich eine bewegte Lieferung § 3 Abs. 1 UStG ausgeführt, bei der sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG bestimme. Danach gelte die Lieferung als dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginne. Da die Beförderung der industriellen Produktionslinie in der Schweiz begonnen habe, sei die Lieferung in Deutschland nicht steuerbar. Die Lieferung der C SA an die D GmbH sei als ruhende Lieferung zu beurteilen. Hierbei richte sich die Ortsbestimmung nach § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 2 UStG. Die Lieferung gelte dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung ende. Die Lieferung sei somit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar. Gelange der Gegenstand der Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäfts aus dem Drittlandsgebiet in das Inland und habe ein Abnehmer in der Reihe oder dessen Beauftragter den Gegenstand eingeführt, seien die der Einfuhr in der Lieferkette vorangegangenen Lieferungen nach § 4 Nr. 4b UStG steuerfrei. Voraussetzung für die Abziehbarkeit der entstandenen Einfuhrumsatzsteuer sei gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG, dass die Gegenstände für das Unternehmen der Klägerin im Inland eingeführt worden seien. Aus den vorgelegten zollamtlichen Belegen gehe nicht hervor, dass die Klägerin als Anmelderin zur Abfertigung in Erscheinung getreten sei. In den Unterlagen werde die Firma D GmbH als Anmelder für die Einfuhr der Waren aufgeführt. Da somit aus den eingereichten Zollanmeldungen nicht ersichtlich sei, dass die Ware für das Unternehmen der Klägerin eingeführt worden sei, komme eine Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer nicht in Betracht.
10Hiergegen richtet sich die Klage vom 24.05.2018.
11Die Klägerin trägt vor, dass im Rahmen des Aufbaus und der Inbetriebnahme der Anlage in Deutschland an dieser erhebliche Modifikationen vorgenommen worden seien. Dies sei vor allem im Hinblick auf die erheblich abweichenden räumlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für den Betrieb der Maschine geschehen. Die Maschine sei in diesem Zusammenhang auch erheblich verkürzt worden.
12Ihr, der Klägerin, stehe gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Vorsteuer aus Einfuhrumsatzsteuer zu. Sie habe zum Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über die eingeführten Gegenstände gehabt. Unerheblich sei, wer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer gewesen sei, wer diese entrichtet habe und wer den Gegenstand tatsächlich über die Grenze gebracht habe.
13Im Streitfall liege eine Montagelieferung vor. Von einer solchen sei auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung eine vom Lieferer errichtete ortsgebundene Anlage sei, die am Bestimmungsort noch fundamentiert oder funktionsfähig gemacht werden müsse. Sie, die Klägerin, habe nicht bloß die Demontage und Montage einer bereits betriebsfertigen Anlage geschuldet, sondern auch zahlreiche Umbauarbeiten, um die Betriebsbereitschaft in Deutschland herzustellen. Insoweit habe es zu Änderungen des Absatzsystems, der Installation von Feuerschutzklappen, der Anpassung der Gaszuleitung zum Ofen sowie des Zuführungsbandes, der Installation neuer Phasenabscheider, der Anpassung an einen niedrigeren Gasdruck und der Verkürzung der Produktionslinie kommen müssen.
14Der vertragsgemäße Zustand sei somit erstmals in Deutschland erreicht worden. Die transportierten Einzelteile und der vertraglich geschuldete Leistungsgegenstand hätten erheblich voneinander abgewichen und seien nicht identisch. Nach der Auffassung des EuGH sei in einem solchen Fall der Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Versetzung in den vertraglich vereinbarten Zustand befinde. Dies sei im Streitfall Deutschland und daher liege keine Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 6 S. 1 UStG vor, vielmehr handele es sich um eine unbewegte Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 7 S. 1 UStG. Zum Zeitpunkt der Einfuhr habe sie, die Klägerin, die Verfügungsmacht über die Maschine gehabt, so dass sie zum Abzug der Vorsteuer berechtigt sei.
15Sie habe einen ordnungsgemäßen Antrag gestellt. Es sei nicht ersichtlich, weshalb unter der Überschrift „Art der Gegenstände oder sonstigen Leistungen“ der Begriff „Einfuhrumsatzsteuer“ hätte aufgeführt werden sollen.
16Im Übrigen sei völlig unstreitig, dass beim Hauptzollamt P Einfuhrumsatzsteuer in der geltend gemachten Höhe gezahlt worden sei. Vor diesem Hintergrund sei nicht erkennbar, dass ein Missbrauch vorliegen könne. Die Gesellschaftsstrukturen hätten für den geltend gemachten Erstattungsanspruch keine Relevanz. Dafür dass ihr, der Klägerin, tatsächlicher Sitz im Inland gewesen sein solle, bestünden nicht die geringsten Anhaltspunkte. Dass die D GmbH die Maschine im Anschluss weiterverpachtet habe, sei vor dem Hintergrund einer Betriebsaufspaltung aus Haftungsgründen zu sehen.
17Auf die im Klageverfahren aufgeworfenen Fragen des Beklagten sei darauf hinzuweisen, dass an ihrem, der Klägerin, Standort sich lediglich die Produktionslinie und weitere kleine Maschinen zur Herstellung von Bodenbelägen befunden hätten. Diese Maschinen seien ebenfalls veräußert worden. Die Produktionslinie sei veräußert worden, da sie, die Klägerin, im Jahr 2015 die Produktion eingestellt habe. Nach den vorliegenden Informationen sei die Maschine durch den Insolvenzverwalter der D GmbH an einen finnischen Produzenten weiterveräußert worden.
18Die Klägerin beantragt,
19den Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.04.2018 dahingehend abzuändern, dass für den Zeitraum Januar bis Dezember 2015 zu erstattende Vorsteuern in Höhe von ....€ festgesetzt werden.
20Der Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Es liege bereits kein formgerechter Vorsteuervergütungsantrag vor. Die Klägerin habe es versäumt, die erforderlichen Angaben aus den Zollbescheiden vollständig in die gesetzliche Anlage zum Antrag einzutragen. In der Anlage fehlten die ordnungsgemäßen Angaben gemäß Art. 8 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 1 der Elften Richtlinie 2008/9/EG. Bei allen Positionen der Anlage zum Vergütungsantrag habe sie sich selbst als leistenden Unternehmer eingetragen und als Leistungsbeschreibung sei „Produktionslinie für Baustoffe“ statt „Einfuhrumsatzsteuer“ angegeben worden. Da bis zum Ablauf der Antragsfrist keine ordnungsgemäße Anlage vorgelegt worden sei, sei der Antrag insgesamt als unwirksam anzusehen.
23Darüber hinaus sei die Klägerin auch nicht berechtigt, die in den Zollpapieren ausgewiesene Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen, da sie in den Zollbescheiden weder als Anmelder bzw. Absender, noch als Empfänger angegeben worden sei. Daher sei davon auszugehen, dass sie nicht zum Zeitpunkt der Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr die umsatzsteuerrechtliche Verfügungsmacht über die Maschine gehabt habe. Die Abzugsfähigkeit von Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer setze voraus, dass ein Unternehmer die Gegenstände für sein Unternehmen einführe. Hierfür müsse er die Verfügungsmacht an dem Gegenstand innehaben. Unmaßgeblich sei, wer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer gewesen sei, wer diese entrichtet habe oder wer den Gegenstand tatsächlich über die Grenze gebracht habe.
24Darüber hinaus sähen sowohl er, der Beklagte, als auch die zuständigen betroffenen Finanzämter in der Lieferung keine Werklieferung. Durch eine Werklieferung müsse im Rahmen einer speziellen Auftragsvergabe die Wesensart eines Gegenstandes verändert werden und das Werk durch einen Werkunternehmer hergestellt werden. Im Streitfall sei die Maschine bereits vor der Lieferung marktgängig gewesen und sei auch nach Aufbau am neuen Standort erhalten geblieben. Hieran könnten auch die Modifikationen im Rahmen der Montage nichts ändern. Aus den vertraglichen Vereinbarungen mit der Luxemburger Installationsfirma ließe sich auch nicht entnehmen, dass neben den üblichen Anschlüssen für Gas, Strom usw. weitere Maßnahmen erforderlich gewesen wären. Die Montagearbeiten seien zwar umfangreich gewesen, hätten jedoch nicht die Marktgängigkeit der Produktionsstraße geändert. Die Entscheidung des EuGH vom 02.10.2014 in der Sache C – 446/13 sei für den Streitfall irrelevant. In jenem Verfahren sei es um die Lieferung von Metallteilen gegangen, wobei der Lieferant die Metallteile zunächst habe lackieren lassen. Unlackierte Metallteile hätten jedoch eine andere Marktgängigkeit als lackierte.
25Schließlich liege auch keine Verlagerung des Lieferortes in das Inland nach § 3 Abs. 8 UStG vor. Dies scheitere daran, dass weder die Klägerin, noch die C SA Einfuhrabgaben geschuldet hätten.
26Im Streitfall lägen vielmehr die Voraussetzungen eines Reihengeschäfts gemäß § 3 Abs. 6 S. 5 UStG vor, wobei der Gegenstand durch Versendung unmittelbar von der Klägerin an die D GmbH gelangt sei. Die Versendung sei nur der bewegten Lieferung zuzuordnen. Somit habe die D GmbH als letzte Abnehmerin die Produktionsstraße eingeführt und die Einfuhrumsatzsteuer geschuldet.
27Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die D GmbH erst unmittelbar vor der Lieferung gegründet worden sei. Die C SA sei ein 100 %iger Gesellschafter der D GmbH. Es bestehe die Vermutung, dass die Firma C SA nur zur Abwicklung des Geschäftes gegründet worden sei, um als zwischengeschaltete Gesellschaft die Klägerin als eigentliche Lieferantin zu verschleiern, die zum Zeitpunkt der Geschäftsabwicklung noch nicht einmal über einen Telefonanschluss verfügt habe. Da keine Hinweise auf einen Geschäftsbetrieb vorlägen, könne es sich insoweit auch um eine Domizilgesellschaft handeln. Weiterhin gebe es keine Abschlussrechnung der C SA gegenüber der D GmbH.
28Weiterhin sei vertraglich ein Kaufpreis von ... € vereinbart worden, im Rahmen des Vertrages vom 09.09.2015 seien jedoch Ratenzahlungen lediglich in einer Summe von ... € angegeben worden.
29Weiterhin sei unklar, was mit der Produktionsstraße nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der D GmbH geschehen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei erst eine Kaufpreisrate i.H.v. ... € fällig geworden.
30Zusammenfassend sei festzustellen, dass rund um den Verkauf der Maschine aus der Schweiz nach Deutschland mehrere verbundene Unternehmen eingeschaltet worden seien. Unter anderem sei bislang nicht abschließend geklärt, aus welchen Gründen für den Verkauf der Maschine durch die Klägerin bis zur endgültigen Nutzung durch die gleichnamige deutsche Firma A ... GmbH als Pächterin der D GmbH die Zwischenschaltung der C SA und der D GmbH erfolgt sei. Die C SA sei von der IZA als Domizilgesellschaft eingestuft worden.
31Abschließend sei nicht auszuschließen, dass der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin in Deutschland gewesen sei.
32Die Klägerin habe trotz Aufforderung nicht erklärt, zu welchem Preis sie selbst die Produktionsstraße gekauft habe, ob und in welchem Zeitraum sie die Anlage selbst genutzt habe und welche Waren dort produziert worden seien und warum die Produktionsstraße nicht direkt an das gleichnamige deutsche Unternehmen verpachtet worden sei.
33Die Klägerin sei im Hinblick auf das Vorliegen eines ausländischen Sachverhalts zu besonderer Mitwirkung verpflichtet. Da sie nach den allgemeinen Grundsätzen hinsichtlich des Bestehens eines Anspruchs auf Vorsteuervergütung darlegungsbelastet sei, gingen Zweifel zu ihren Lasten.
34Entscheidungsgründe
35Die Klage ist begründet.
361. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
37Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung der Vorsteuern in begehrter Höhe.
38a. Die Klägerin hat einen wirksamen Antrag auf Vorsteuervergütung gestellt.
39Gemäß § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. § 61a Abs. 1 UStDV hat ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer die Vergütung von Vorsteuer nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu beantragen. Der Vordruck enthält in der zweiten Spalte hinsichtlich des einzutragenden Inhalts folgende Überschrift: „Art der Gegenstände oder sonstige Leistungen“. Die Klägerin verwendete den englischsprachigen Vordruck, welcher in der zweiten Spalte folgende Überschrift trug: „Nature of goods or services“. In dieser Spalte trug die Klägerin „Produktionslinie für Baustoffe“ ein. Damit entsprach sie den Anforderungen des Vordrucks. Dass sie in die entsprechende Spalte – wie vom Beklagten vertreten – den Begriff „Einfuhrumsatzsteuer“ hätte eintragen müssen, ist fernliegend. Die Klägerin begehrt die gezahlte Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer. Mit der entsprechenden Vordruckspalte soll die Antragstellerin sich jedoch dazu äußern, wofür die ursprüngliche Steuer angefallen ist. Hier hat sie zutreffend die gelieferte Maschine beschrieben. Damit hat sie die im Vordruck an sie gestellten Anforderungen erfüllt.
40b. Die Klägerin kann die angefallene Einfuhrumsatzsteuer auch als Vorsteuer abziehen.
41Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG kann ein Unternehmer die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG eingeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Voraussetzung ist nicht, dass die Einfuhrumsatzsteuer tatsächlich entrichtet wurde. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, dass die Einfuhrumsatzsteuer entstanden d.h. geschuldet oder entrichtet worden ist (EuGH 19.08.2010, C – 414/10, BStBl II 2013, 941). Der Unternehmer, der die Vorsteuer aus Einfuhrumsatzsteuer abziehen will, muss damit nicht zwingend Schuldner der entrichteten Umsatzsteuer gewesen sein. Entscheidend ist vielmehr, dass er zum Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den Gegenstand hatte (Hundt-Esswein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 15 UStG, Rn. 450).
42c. Maßgeblich ist für den Abzug von Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer, dass der Unternehmer Ware für sein Unternehmen in das Inland eingeführt hat. Über das Verbringen eines Gegenstandes aus dem Drittland in das Inland hinaus ist erforderlich, dass der Vorgang in Deutschland steuerbar ist und Einfuhrumsatzsteuer auslöst. Eine Einfuhr für das Unternehmen ist gegeben, wenn der Unternehmer den eingeführten Gegenstand in seinen im Inland gelegenen Unternehmensbereich eingliedert, um ihn hier im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit zur Ausführung von Umsätzen einzusetzen. Diese Voraussetzung ist bei dem Unternehmer gegeben, der im Zeitpunkt der Abfertigung der Waren die Verfügungsmacht hatte. Demzufolge steht der Abzug der Einfuhrumsatzsteuer dem Lieferanten zu, wenn er den Gegenstand zur eigenen Verfügung in das Inland verbringt und ihn erst hier an seinen Abnehmer liefert (vgl. Leonard in Bunjes, § 15 UStG, Rn. 220).
43d. Hiervon ist auszugehen, wenn komplizierte Maschinen vom Lieferer am Bestimmungsort erst montiert, fundamentiert und justiert werden müssen. Anderes hingegen gilt bei Lieferungen, wenn Maschinen lediglich zu Transportzwecken zerlegt und am Bestimmungsort wieder zusammengesetzt werden. Für ein reines Wiederzusammensetzen spricht, wenn die Maschine im Herstellerwerk bereits einen Probelauf absolviert hat und beim Abnehmer mit geringem Arbeitsaufwand aufgestellt wird. Dagegen ist ein erheblicher Arbeitsaufwand am Bestimmungsort, ein Anpassen an eine dort bereits vorhandene Anlage, ein erstmaliger Probelauf etc. ein Indiz dafür, dass der Liefergegenstand in einer vertraglich geschuldeten Form erst beim Empfänger entstanden ist. Der Lieferort entspricht in diesem Fall dem Belegenheitsort (vgl. Art. 36 MwStSystRL; Flückinger in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 3 Abs. 7 UStG, Rn. 28).
44e. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin die Verfügungsmacht an der gelieferten Maschine erst bei Montage in Deutschland verloren. Die streitgegenständliche Maschine ist nicht lediglich in der Schweiz abgebaut und in Deutschland wieder aufgebaut worden, vielmehr mussten in Deutschland über das schlichte Aufbauen hinaus noch weitere Maßnahmen ergriffen werden, z.B. ein Durchbruch des Daches am Standort der Filterzentrale für den Einbau von Klappen für die Abzüge, Änderung der elektrischen Verteilerpunkte sowie der Verkabelung, Änderung des Förderbandes, Installation eines neuen Faserabscheiders etc. (vgl. im einzelnen Bl. 347 f. VA). Dies zeigt eindeutig, dass vor Ort in Deutschland noch erhebliche Anpassungsleistungen erbracht werden mussten. Die Leistung beschränkte sich somit nicht auf das schlichte Verladen der Maschine und deren Zusammenbau. Geschuldet wurde vielmehr eine Installation bzw. Montage.
45Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin die Verfügungsmacht an der Maschine erst mit Installation der Maschine in Deutschland verloren, so dass sie die Maschine für ihr Unternehmen in Deutschland eingeführt hat.
46f. Gemäß Abschnitt 15.8 Abs. 1 UStAE ist die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer durch zollamtlichen Beleg nachzuweisen. Gemäß Abschnitt 15.11 Abs. 1 Nr. 2 ist diesbezüglich der Einfuhrabgabenbescheid oder ein vom zuständigen Zollamt bescheinigter Ersatzbeleg vorzulegen. Soweit die Einfuhren über das ATLAS-Verfahren abgewickelt werden, reicht der Nachweis durch Ausdruck des elektronisch übermittelten Bescheides.
47Im Streitfall hat die Klägerin die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer durch Belege nachgewiesen.
48Für die Frage, ob ein Anspruch auf Vorsteuerabzug von Einfuhrumsatzsteuer besteht, ist nicht entscheidend, wer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer gewesen ist, wer diese entrichtet hat und wer den für den vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer eingeführten Gegenstand tatsächlich über die Grenze gebracht hat (Abschnitt 15.8 Abs. 4 S. 3 UStAE). Dass in den Einfuhrumsatzsteuerbescheiden als Versender der Vertragspartner der Klägerin angegeben ist und als Anmelder der Empfänger der Maschine, ist damit für die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin unerheblich.
49g. Somit hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der begehrten Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer.
50h. Dass der Anspruch auf Vorsteuervergütung deswegen zu versagen sein könnte, da die Klägerin Teil eines missbräuchlich gestalteten Systems wäre, hat der Beklagte lediglich angedeutet, nicht jedoch in der notwendigen Deutlichkeit belegt. Die Klägerin hat sowohl Fotos ihrer Räumlichkeiten in der Schweiz als auch Lohnabrechnungen ihrer Mitarbeiter sowie Auftragsunterlagen vorgelegt. Vor diesem Hintergrund besteht kein Zweifel, dass die Klägerin in der Schweiz einen Geschäftsbetrieb unterhielt. Dass die Maschine von der erwerbenden D GmbH im Anschluss an eine Schwestergesellschaft weiter verpachtet wurde, hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar damit erklärt, dass auf diesem Wege eine Betriebsaufspaltung aus Haftungsgründen begründet werden sollte. Weshalb die Maschine zunächst an die C SA veräußert wurde, konnte der Prozessbevollmächtigte auch nicht aufklären. Im Hinblick auf die Frage der Erstattungsfähigkeit von Einfuhrumsatzsteuer erscheint diese Frage für das Gericht jedoch ohne Bedeutung. Entscheidend ist, dass die Verfügungsmacht an der Maschine in Deutschland übergegangen ist und Einfuhrumsatzsteuer tatsächlich abgeführt wurde.
512. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
523. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes.
534. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.