Finanzgericht Köln, 2 K 2679/17
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte verpflichtet ist, ein Verständigungsverfahren nach der EU-Schiedsvereinbarung einzuleiten.
3Die Klägerin ist eine in Deutschland ansässige GmbH. Im Zusammenhang mit Geschäftsbeziehungen mit der in Frankreich ansässigen Schwestergesellschaft B SARL stellte die für die Klägerin zuständige Betriebsprüfung verdeckte Gewinnausschüttungen in den Jahren 2004-2006 fest, woraufhin das Finanzamt die Feststellungen durch Bescheide vom 10.12.2007 auswertete.
4Daraufhin beantragte die Klägerin die Durchführung eines Verständigungsverfahrens nach dem DBA Frankreich zur Beseitigung der durch die Bescheidänderungen eingetretene Doppelbesteuerung. Der Beklagte traf mit der französischen Finanzverwaltung am 09.10.2008 eine Vereinbarung, nach der Frankreich den deutschen Korrekturen zustimmt und entsprechende Gegenkorrekturen bei der französischen Gesellschaft durchgeführt werden sollten. Die Umsetzung der Vereinbarung stand unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Klägerin, welche diese nicht erteilte.
5Am 26.10.2010 beantragte die Klägerin ein Verständigungsverfahren nach der EU-Schiedskonvention. Am 19.05.2011 wies der Beklagte darauf hin, dass über die Einleitung des Verfahrens noch nicht entschieden werden könne, da die Antragsvoraussetzungen zu prüfen seien und der Abschluss anhängiger Rechtsbehelfsverfahren abgewartet werden solle. Parallel führte die Klägerin gegen die infolge der Betriebsprüfung ergangenen Änderungsbescheide Rechtsbehelfsverfahren, die mit Urteil vom 19.11.2014 durch Klageabweisung seitens des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (1 K 1051/12) endeten.
6Am 28.07.2015 fragte die Klägerin beim Beklagten nach dem Stand des Verfahrens bzgl. der Verständigung nach der EU-Schiedskonvention per E-Mail nach. Der Beklagte bestreitet im vorliegenden Klageverfahren allerdings den Zugang der E-Mail. Er habe erst am 15.07.2017 im Zusammenhang mit einer Klage beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz Kenntnis von der E-Mail bekommen.
7Die Klägerin erhob sodann am 10.10.2017 die vorliegende Klage und begehrt damit die Verpflichtung des Beklagten zur Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach der EU Schiedskonvention mit anschließender Schiedsentscheidung.
8Der Beklagte habe nach dem Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 19.11.2014 die Doppelbesteuerung beseitigen müssen und die Klägerin über eine Entscheidung hinsichtlich ihres Antrags auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach der EU Schiedskonvention informieren müssen. Der Beklagte sei insoweit untätig geblieben. Daher habe eine Untätigkeitsklage erhoben werden dürfen.
9Darüber hinaus habe er mit Schreiben vom 26.05.2009 mitgeteilt, dass die erzielte Verständigungslösung unter dem Vorbehalt stehe, dass die Klägerin zustimme. Fehle es an der Zustimmung, sei das Verständigungsverfahrens „als gescheitert zu betrachten“.
10Wegen dieses Scheiterns in Ermangelung einer Zustimmung sei das Verständigungsverfahren nach DBA gescheitert und ein EU-Schiedsverfahren statthaft.
11Die Klägerin beantragt,
12den Beklagten zu verpflichten, das am 26.10.2010 beantragte Verständigungsverfahren nach der EU Schutzkonvention einzuleiten und eine Schiedsentscheidung herbeizuführen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er bestreitet, untätig gewesen zu sein. Verständigungsverfahren seien bilaterale Verfahren ohne Beteiligung der Steuerpflichtigen.
16Er habe seit dem 17.08.2015 Kenntnis von der Beendigung der Rechtsbehelfsverfahren, wegen derer der Antrag der Klägerin nicht bearbeitet worden sei, durch Urteil gehabt. In der Angelegenheit habe er in Verständigungsgesprächen mit der französischen Behörde vom 20. bis 22.09.2016 und vom 07. bis 09.11.2017 sich Klarheit darüber zu verschaffen versucht, inwieweit die am 09.10.2008 getroffene Verständigung noch Bestand habe. Hierzu sei den französischen Behörden am 16.09.2016 der Sachstand übermittelt worden. Im Rahmen des ersten Treffens habe er erstmals erfahren, dass die französische Gesellschaft bereits im Jahr 2010 liquidiert worden sei. Die französischen Behörden hätten im Protokoll über die Gespräche im September 2016 festgehalten, dass wegen der Liquidation eine Umsetzung der Verständigungsvereinbarung nicht mehr möglich sei. Im Rahmen der Verständigungsgespräche im November 2017 sei die Frage der Umsetzbarkeit der Vereinbarung erneut diskutiert worden. Das Ergebnis aus dem Jahr 2008 sei nochmals schriftlich bestätigt worden und von der französischen Seite sei zugesichert worden, dass weiterhin die Bereitschaft bestehe, die Vereinbarung umzusetzen. Etwaige Schwierigkeiten infolge der Liquidation seien allerdings nicht auszuschließen.
17Am 13.11.2017 sei die Klägerin im Rahmen der Anhörung vor Ablehnung darüber informiert worden, dass die am 09.10.2008 getroffene Einigung auch für die französische Seite Bestand habe und es für die Umsetzung lediglich einer Zustimmung der Klägerin bedürfe. In diesem Zusammenhang sei über den Ablauf des Verfahrens informiert worden.
18In der Sache sei der Antrag der Klägerin abzulehnen, da sie keinen Anspruch auf Einleitung eines Verfahrens nach Art. 6 der EU Schiedskonvention habe.
19Deutschland habe sich mit Frankreich bereits im Rahmen des Verständigungsverfahrens nach dem DBA verständigt. Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für die Einleitung eines weiteren Verständigungsverfahrens nach der EU Schiedskonvention. Die französische Verwaltung habe nach den Gesprächen im November 2017 signalisiert, dass die im Jahr 2008 getroffene Vereinbarung Bestand haben solle.
20Darüber hinaus scheide die von der Klägerin gewünschte Einsetzung eines beratenden Ausschusses nach der Schiedskonvention aus, da ein solcher Ausschuss nur einzusetzen sei, wenn zwei Staaten sich über die Beseitigung einer Doppelbesteuerung nicht einigen könnten. Eine Einigung läge aber gerade vor. Lediglich die Umsetzung der Einigung scheitere an der fehlenden Zustimmung der Klägerin.
21Entgegen der Ankündigung im Schreiben vom 26.05.2009 habe er, der Beklagte, zu keinem Zeitpunkt wegen der fehlenden Zustimmung der Klägerin gegenüber den französischen Behörden das Verständigungsverfahren für gescheitert erklärt. Das Verständigungsverfahren nach DBA sei somit immer noch anhängig und könne bei entsprechender Zustimmung der Klägerin abgeschlossen werden.
22Es bedürfe keines weiteren Verständigungsverfahrens, um auf einer anderen rechtlichen Grundlage eine abkommensgemäße Besteuerung zu verwirklichen.
23Abgesehen davon stehe nicht zu erwarten, dass im Falle der Durchführung eines Verfahrens nach der EU Schiedskonvention ein anderes Ergebnis gefunden würde. Aufgrund der 2017 bestätigten Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich sei auch ein Übergang zum Schiedsverfahren im Verständigungsverfahren nach der EU Schiedskonvention ausgeschlossen.
24Der Berichterstatter hat am 23.05.2018 einen Erörterungstermin durchgeführt, in welchem die Beteiligten übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben.
25Entscheidungsgründe
26Die Klage ist unbegründet.
27Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach der EU-Schiedskonvention (90/436/EWG) und Einsetzung eines beratenen Ausschusses.
28Die beteiligten Staaten haben sich bereits verständigt. Der Klägerin fehlt insoweit das Rechtschutzbedürfnis hinsichtlich eines weiteren Verständigungsverfahrens.
291. Statthafte Klageart ist die allgemeine Leistungsklage, da die Klage auf die Durchführung eines Verständigungsverfahrens gerichtet ist und diese Leistung keinen Verwaltungsakt darstellt (vgl. FG Köln, Urteil vom 18. Januar 2017 – 2 K 930/13 –, juris, Revision anhängig: Az. des BFH I R 82/17).
302. Das Verhältnis zwischen dem Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA Frankreich und dem Verständigungsverfahren nach der EU-Schiedskonvention ist ungeklärt. In der Literatur wird vertreten, dass ein gleichzeitiges Verständigungsverfahren nach DBA und EU-Schiedskonvention unproblematisch sei, solange an beiden Verfahren dieselben Behörden beteiligt seien. Faktisch sei in diesem Fall ein Verständigungsverfahren zu führen. Eine Verfahrenskonkurrenz bereite so lange keine Probleme, solange nur die EU-Schiedskonvention ein anschließendes Schiedsverfahren vorsehe, dass DBA hingegen nicht. Soweit sowohl im Verfahren nach DBA als auch im Verfahren nach der EU-Schiedskonvention Schiedsverfahren vorgesehen seien, dürfe nur ein Verständigungsverfahren durchgeführt werden, um zu vermeiden, dass in den Schiedsverfahren unterschiedliche Ergebnisse erzielt würden. Konkurrenzregelungen existierten bislang nicht. Es spreche aber vieles dafür, dass der Antragsteller zwischen den Verfahren wählen könne, dieses Wahlrecht aber schon bei Beantragung des Verständigungsverfahrens ausüben und er sich für eines der Verfahren entscheiden müsse (vgl. Flüchter in Schönfeld/Ditz, Art. 25 DBA, Rn. 20; ebenso Lehner in Vogel/Lehner, Art. 25 DBA, Rn. 306).
313. Das Gericht kann offenlassen, ob es zulässig ist, mehrere Verständigungsverfahren auf Basis unterschiedlicher Rechtsgrundlagen zu führen.
32Denn der Klägerin fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis im Hinblick auf das begehrte Verständigungsverfahren.
33Deutschland und Frankreich haben sich bereits über die Beseitigung der Doppelbesteuerung verständigt. Die Umsetzung der Verständigung scheitert jedoch an der Zustimmung der Klägerin.
34Im Hinblick auf ein Rechtsschutzbedürfnis an der Durchführung eines Verständigungsverfahrens ist zwischen der Verständigung als solcher und der Umsetzung einer Verständigungslösung zu differenzieren. Im Rahmen einer Verständigung verpflichten sich zwei Staaten, eine Doppelbesteuerung zu beseitigen. Der Betroffene hat keinen Einfluss darauf, auf welche Weise dies geschehen soll. Daher ist die Einigung für den betroffenen Antragsteller auch nicht bindend. Die Beseitigung der Doppelbesteuerung auf Basis der Einigung hängt nach gängiger Praxis regelmäßig letztlich von der Zustimmung des Betroffenen ab (vgl. Fischer in juris Lexikon Steuerrecht, Verständigungsverfahren, Rn. 44).
35Haben sich zwei Staaten auf eine Lösung verständigt, besteht kein Bedürfnis, ein weiteres Verfahren mit dem Ziel einer Verständigung durchzuführen, auch wenn die Umsetzung der Verständigung an der fehlenden Zustimmung des Betroffenen scheitert.
36Im Streitfall haben die französischen Behörden bereits mitgeteilt, dass sie an der getroffenen Verständigungslösung weiterhin festhalten.
37Der Prozessvertreter des Beklagten hat im Erörterungstermin anschaulich dargestellt, dass an einem Verständigungsverfahren nach der EU-Schiedskonvention dieselben Personen beteiligt wären und dort dieselbe Verständigung erzielt werden würde, welche bereits im Rahmen des Verständigungsverfahrens nach DBA erzielt wurde. Soweit die Klägerin die Absicht verfolgt, dass ein beratender Ausschuss eingesetzt wird, würde dieses Begehren bereits daran scheitern, dass gemäß Art. 7 Abs. 1 der Schiedskonvention ein Fall einem beratenden Ausschuss nur vorzulegen ist, wenn die zuständigen Behörden nicht innerhalb einer bestimmten Frist zu einem „Einvernehmen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung“ kommen. Sind sich die beteiligten Staaten jedoch einig, liegt ein Einvernehmen vor, so dass ein Fall nicht mehr vorzulegen ist. Das Schiedsverfahren als solches wird nur zwischen den beteiligten Staaten geführt. Der Einsatz eines beratenden Ausschusses dient ausschließlich dem Ziel, eine Lösung zwischen den Staaten herbeizuführen und nicht, um eine Lösung nach dem Wunsch eines betroffenen Steuerpflichtigen zu erzielen.
38Vor dem Hintergrund der bereits getroffenen und von den beteiligten Staaten zuletzt bestärkten Verständigungslösung hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte verpflichtet wird, ein weiteres Verständigungsverfahrens einzuleiten. Aufgrund der bereits getroffenen Verständigung wären auch die Voraussetzungen für die Vorlage des Falles an den beratenden Ausschuss nicht gegeben.
394. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
405. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf den §§ 52, 63 GKG.