Finanzgericht Köln, 9 K 1484/15
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines - im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in sog. Bauträgerfällen - geänderten Umsatzsteuerbescheids.
3Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ein Unternehmen für die ... sowie damit zusammenhängender oder artverwandter Arbeiten. Bei den von der Klägerin erbrachten Leistungen handelt es sich um Bauleistungen im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG.
4Im Streitjahr 2012 erbrachte die Klägerin derartige Leistungen auch gegenüber der Q GmbH (Q GmbH). Die Q GmbH ist ein Wohnungsunternehmen, das rund ... eigene Wohnungen im Raum A vermietet und verwaltet. Tätigkeitsfeld der Q GmbH ist insbesondere die Bereitstellung von Wohnraum für .... In den Jahren 2011/2012 errichtete die Q GmbH auf eigenen Grundstücken 30 Eigentumswohnungen in B. Der Q GmbH wurde am 21. Dezember 2010 eine Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen gemäß § 48b Abs. 1 S. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit Wirkung bis zum 31. Dezember 2013 erteilt.
5Die Klägerin stellte der Q GmbH im Streitjahr 2012 eine Vielzahl von Rechnungen (jeweils Lohnstunden und ...) über einen Betrag von insgesamt 3.237,35 € netto. Die entsprechenden Rechnungen weisen keine Umsatzsteuer aus und enthalten den Erläuterungstext: „Kein Ausweis der Umsatzsteuer wegen § 13b UStG. Steuerschuldner ist der Leistungsempfänger!“
6Am 18. Dezember 2013 reichte die Klägerin die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr beim Beklagten ein. Darin deklarierte sie Ausgangsumsätze zu 19 % i.H.v. 10.998 € sowie unter anderem steuerpflichtige Umsätze im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 2 bis 4 und 6 bis 9 UStG eines im Inland ansässigen Unternehmers, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet i.H.v. 49.815 €. Der streitige Betrag von 3.237,35 € aus Leistungen gegenüber der Q GmbH ist in letztgenanntem Betrag enthalten. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung am 17. Januar 2014 zu.
7Bereits mit Schreiben vom 28. November 2014 wies die Q GmbH ihre Geschäftspartner und auch die Klägerin auf das Urteil des BFH vom 22. August 2013 (V R 37/10) hin. In der Vergangenheit seien Bauträger, die - wie die Q GmbH - mindestens 10 % ihres Weltumsatzes aus entsprechenden Bauleistungen erwirtschaften, als Bauleistende angesehen worden. Daher sei auch die Q GmbH in der Geschäftsbeziehung mit der Klägerin gemeinsam von einer Steuerschuldnerschaft von ihr als Leistungsempfänger ausgegangen. Aufgrund des neuen Urteils habe man die Erstattung der Umsatzsteuerbeträge vom Finanzamt gefordert. Man gehe davon aus, dass sich die Finanzverwaltung zeitnah an die Klägerin wenden werde. Sofern die Klägerin geänderte Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis ausstelle, so schulde sie gegenüber dem Finanzamt die Umsatzsteuer. Ein entsprechender Anspruch ihr (der Q GmbH) gegenüber bestehe jedoch nicht in jedem Fall, so dass die Klägerin mit der Rechnungskorrektur ein erhebliches wirtschaftliches Risiko eingehe. Einer entsprechenden Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber der Klägerin stehe allerdings § 176 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) entgegen. An der Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 27 Abs. 19 S. 2 UStG, wonach § 176 Abs. 2 AO einer entsprechenden Änderung nicht entgegenstehe, bestünden schwerwiegende Zweifel. Es bestehe die Obliegenheit für die Klägerin, demnächst gegen eine unberechtigte Steuerfestsetzung des Finanzamtes vorzugehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Q GmbH Bezug genommen.
8Am 4. Dezember 2014 übersandte das für die Besteuerung der Q GmbH örtlich zuständige Finanzamt A dem Beklagten ein Auskunftsersuchen zur Änderung der Umsatzsteuer nach § 13b UStG bei Bauleistungen. Das Finanzamt A teilte mit, dass der Bauträger Q GmbH im Rahmen der bisher eingereichten Voranmeldungen/Jahreserklärungen die Steuer aus den aufgeführten Bauleistungen der Klägerin i.H.v. 3.237,35 € nach § 13b UStG angemeldet und abgeführt habe. Aufgrund des BFH‑Urteils vom 22. August 2013 (V R 37/10) sowie des BMF-Schreibens vom 31. Juli 2014 habe die Q GmbH mit Datum vom 10. April 2014 die Erstattung dieser zu Unrecht gezahlten Steuerbeträge beantragt. Es werde um Prüfung einer entsprechenden Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung bei der Klägerin unter Berücksichtigung des § 27 Abs. 19 UStG gebeten.
9Mit Schreiben vom 10. Dezember 2014 teilte der Beklagte der Klägerin diesen Sachverhalt mit. Bei der Erteilung der Rechnungen seien offensichtlich sowohl die Klägerin als auch die Q GmbH unter Berücksichtigung der im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Verwaltungsanweisungen davon ausgegangen, dass die Q GmbH die für die Bauleistung entstandene Umsatzsteuer nach § 13b UStG schulde. Nach dem Urteil des BFH vom 22. August 2013 sei nicht mehr auf die nachhaltige Erbringung von Baulei-stungen abzustellen, sondern darauf, ob der Leistungsempfänger die empfangene Bauleistung selbst unmittelbar zur Erbringung einer derartigen Bauleistung verwende. Aufgrund des Erstattungsantrags der Q GmbH erhalte die Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme. Dabei wies der Beklagte darauf hin, dass aufgrund dieses Antrags nunmehr die Klägerin als leistender Unternehmer Steuerschuldner gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG sei. Die Klägerin sei daher gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG verpflichtet, eine Rechnung auszustellen. Zudem sei sie verpflichtet, die geschuldete Umsatzsteuer anzumelden. Bestehe eine Brutto-Preisabrede, sei die Umsatzsteuer aus dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis herauszurechnen.
10Wenn die Parteien davon ausgegangen seien, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schulde, sei von einer Netto-Preisabrede auszugehen. In diesem Fall habe die Klägerin zivilrechtlich die Möglichkeit, die Umsatzsteuer nachträglich von der Q GmbH zu fordern. Die Änderung des entsprechenden Umsatzsteuerbescheids erfolge auf der Grundlage des § 27 Abs. 19 S. 1 UStG. Die Vertrauensschutzregelung des § 176 AO stehe dieser Änderung gemäß § 27 Abs. 19 S. 2 UStG nicht entgegen.
11Es bestehe die Möglichkeit, dass die Klägerin den gesamten sich aus den berichtigten Rechnungen ergebenden zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen den Leistungsempfänger bezüglich der Umsatzsteuer an das Land Nordrhein-Westfalen abtrete. Hierdurch könne die Klägerin ihre Umsatzsteuerschuld erfüllen. Die Abtretung wirke an Zahlung Statt und führe zum Erlöschen des Umsatzsteueranspruchs. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Erörterungsschreiben des Beklagten vom 10. Dezember 2014 verwiesen.
12Die Klägerin teilte dem Beklagten daraufhin mit, dass sie keine Umsatzsteuer nachmelden werde und verwies zur Begründung auf § 176 Abs. 2 AO.
13Der Beklagte erließ darauf am 29. Januar 2015 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012, in dem er die Umsätze zu 19 % um 2.720 € netto und die Umsatzsteuer um 516 € (= 3.237 €) erhöhte. Er stützte die Änderung auf § 164 Abs. 2 AO und verwies zur Begründung auf die Erstattung der Umsatzsteuer gegenüber der Q GmbH. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
14Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 6. Februar 2015 Einspruch ein und verwies zur Begründung erneut auf § 176 Abs. 2 AO.
15Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30. April 2015 zurück. Gemäß § 27 Abs. 19 S. 1 UStG sei in Fällen, in denen Unternehmer und Lei-stungsempfänger fälschlicherweise davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schulde, die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordere, die er in der Annahme errichtet habe, Steuerschuldner zu sein. Gemäß § 27 Abs. 19 S. 2 UStG stehe § 176 AO dieser Änderung nicht entgegen. Die Klägerin habe Baulei-stungen an die Q GmbH ausgeführt, welche die Q GmbH unstreitig ihrerseits nicht zur Ausführung von Bauleistungen verwendet habe. Unter Zugrundelegung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 22. August 2013 seien die Voraussetzungen für den Wechsel der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 S. 2 UStG nicht erfüllt, so dass die Klägerin Steuerschuldner sei. Auf § 176 AO könne sich die Klägerin nicht berufen.
16Hiergegen hat die Klägerin am 2. Juni 2015 Klage erhoben, mit der sie sich weiterhin gegen die Änderung des Umsatzsteuerjahresbescheids vom 29. Januar 2015 wendet.
17Sie, die Klägerin, habe ausschließlich im Vertrauen auf verschiedene Verwaltungsvorschriften (BMF-Schreiben vom 31. März 2004, vom 16. Oktober 2009 und vom 11. März 2010) in ihren Rechnungen gegenüber der Q GmbH keine Umsatzsteuer ausgewiesen und dementsprechend auch keine Umsatzsteuer abgeführt. Sie habe mit der Q GmbH auch keine Sicherheiten für den Fall, dass entgegen der Verwaltungsvorschriften sie selbst als Schuldnerin bezüglich der Umsatzsteuer herangezogen würde, vereinbart. Sie und die Q GmbH hätten insoweit ausschließlich auf die geltenden Verwaltungsvorschriften vertraut. Eine eigene Meinung über die Rechtslage hätten sie sich nicht gebildet, da § 176 Abs. 2 AO bei Befolgung der Verwaltungsvorschriften eine Abänderung der Steuerfestsetzung zulasten der Klägerin entgegengestanden hätte.
18Der Beklagte habe den Umsatzsteuerbescheid für 2012 ausdrücklich auf § 164 Abs. 2 AO und gerade nicht auf § 27 Abs. 19 S. 1 UStG gestützt, so dass § 27 Abs. 19 S. 2 UStG nicht gelte. Der Änderung nach § 164 Abs. 2 AO stehe § 176 Abs. 2 AO entgegen. Die Klägerin habe im Vertrauen auf die Gültigkeit des § 176 Abs. 2 AO sowie unter Zugrundelegung der Verwaltungsvorschriften gegenüber der Q GmbH mit Nettorechnung abgerechnet und auf die Übertragung der Steuerschuldnerschaft in den Rechnungen hingewiesen. Im Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung am 18. Dezember 2013 seien die Verwaltungsvorschriften weiterhin anzuwenden gewesen.
19Zudem liege ein Fall des § 27 Abs. 19 S. 1 UStG nicht vor. Voraussetzung hierfür sei, dass Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen seien, dass der Lei-stungsempfänger die Steuer auf eine steuerpflichtige Leistung schulde. Gerade dies sei jedoch nicht der Fall. Die Klägerin habe im Jahr 2012 ausschließlich aufgrund der zu diesem Zeitpunkt geltenden Verwaltungsvorschriften ohne Umsatzsteuer abgerechnet; eine eigene Rechtsauffassung habe sie sich nicht gebildet. Sie sei daher nicht davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer schulde. Hätte sie sich eine eigene Rechtsauffassung bilden wollen, hätte sie ein entsprechendes Rechtsgutachten eingeholt. Dies habe sie jedoch bewusst nicht getan und auch nicht für nötig gehalten, da sie sich insoweit ausschließlich nach den geltenden Verwaltungsvorschriften gerichtet habe. Aus diesem Grunde hätten sich die Klägerin und die Q GmbH auch keine eigene Meinung bilden müssen. § 27 Abs. 19 S. 2 UStG ergebe nur dann einen Sinn, wenn sich Leistungserbringer und Leistungsempfänger unabhängig von den Verwaltungsvorschriften eine eigene Rechtsfassung gebildet hätten. Denn in diesem Fall bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen der Beteiligten in die Verwaltungsvorschriften.
20Gehe man hingegen davon aus, dass § 27 Abs. 19 S. 2 UStG auch auf Fälle wie den vorliegenden Anwendung fände, so wäre die Regelung aufgrund von Verstößen gegen das Grundgesetz unwirksam und daher nicht anwendbar. Zum einen verstieße eine solche Regelung gegen das Rechtsstaatsprinzip. Der Gesetzgeber habe sich durch § 176 AO für den Vorrang des Vertrauensschutzes vor der Rechtsrichtigkeit ausgesprochen. Ein einmal aufgrund einer gesetzlichen Regelung begründetes Vertrauen könne nicht durch eine gesetzliche Regelung beendet werden, ohne die Grenzen des Rechtsstaatsprinzips sowie das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit zu verletzen. Dies würde jegliche Vertrauensschutzregelungen konterkarieren. Denn wenn eine Vertrauensschutzregelung durch den Erlass von Einzelbestimmungen rückwirkend ausgehebelt werden könnte, so schütze sie das Vertrauen des Steuerpflichtigen in diese Regelung eben gerade nicht.
21Zudem verstoße § 27 Abs. 19 UStG gegen das Rückwirkungsverbot. Ein Steuertatbestand sei am Ende eines Veranlagungszeitraums abgeschlossen. Die Einführung des § 27 Abs. 19 S. 2 UStG entfalte somit eine echte Rückwirkung bezüglich des streitgegenständlichen Steuertatbestandes im Jahr 2012. Eine solche echte Rückwirkung sei nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nur zulässig, wenn besonders schwerwiegende Gründe des Gemeinwohls vorlägen und das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage ausnahmsweise nicht gerechtfertigt sei.
22Gründe für eine Ausnahme vom Verbot der echten Rückwirkung seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei durch die in § 27 Abs. 19 UStG normierte Abtretungsregelung nicht sichergestellt, dass dem Leistungserbringer kein oder lediglich ein unerheblicher Schaden entsteht. Die Zulassung der Abtretung stehe im Ermessen des zuständigen Finanzamtes. Die Regelung erlaube somit ausdrücklich auch eine Nichtzulassung der Abtretung. Dies hätte zur Folge, dass dem Leistungserbringer ein Schaden entstehe, wenn er die Umsatzsteuer gegenüber dem Leistungsempfänger (beispielsweise aufgrund einer Zahlungsunfähigkeit) nicht realisieren könne. Hinzu komme der Verwaltungsaufwand beim Leistungserbringer, der mit einer Geltendmachung der Umsatzsteuer gegenüber dem Leistungsempfänger verbunden sei.
23Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Abtretung nur dann wirksam erfolgen könne, wenn der abgetretene Anspruch tatsächlich bestünde und nicht zwischenzeitlich untergegangen sei. Wenn dies nicht der Fall sei, entstehe dem Leistungserbringer auch insoweit ein erheblicher Schaden.
24Zudem entfalte eine Abtretung nach § 27 Abs. 19 S. 3 und 4 UStG nur dann schuldbefreiende Wirkung, wenn der Leistungserbringer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirke. Letztlich stelle § 27 Abs. 19 S. 3 UStG den Leistungserbringer also vor die Wahl, im Interesse des Finanzamtes auf den Leistungsempfänger einzuwirken und so eine gegebenenfalls noch laufende Geschäftsbeziehung zu gefährden oder die Umsatzsteuer unter Verzicht auf eine Geltendmachung beim Leistungsempfänger selbst zu entrichten. Beides würde beim Leistungserbringer zu einem erheblichen Schaden führen. Zudem bestünde für einen zivilrechtlichen Nachforderungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Leistungsempfänger keine Anspruchsgrundlage.
25Der Eintritt eines immensen Steuerschadens ohne die Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG werde mit Nichtwissen bestritten. Auch könne ein solcher immenser Steuerausfall keinen zwingenden Grund des Allgemeinwohls darstellen. Beim Steueraufkommen handele es sich lediglich um einen rein fiskalpolitischen Umstand, der in der Steuergesetzgebung immer von Bedeutung sei. Hiermit ließe sich damit jeder Verstoß gegen das Verbot der echten Rückwirkung legitimieren.
26Selbst wenn man mit dem BFH im zwischenzeitlich am 23. Februar 2017 ergangenen Urteil (V R 16, 24/16) annähme, dass § 27 Abs. 19 S. 1 UStG unions- und verfassungskonform ausgelegt werden könne, so sei die Klage dennoch begründet. Der BFH habe klargestellt, dass die Finanzbehörde zwingend bereits im Festsetzungsverfahren feststellen müsse, ob ein abtretbarer Anspruch des Leistungserbringers gegen den Lei-stungsempfänger überhaupt bestehe. Erst wenn eine solche Feststellung erfolgt sei und ein abtretbarer Anspruch zweifelsfrei bestehe, solle eine Änderung zulässig sein. Die Klärung eines zivilrechtlichen Anspruches und der Abtretbarkeit sei damit Voraussetzung für einen rechtmäßigen Festsetzungsbescheid. Dass eine solche Prüfung erfolgt ist, sei aber von dem Beklagten weder vorgetragen noch nachgewiesen worden. Eine derartige Prüfung im Festsetzungsverfahren hätte auch gar nicht erfolgen können, da dem Beklagten hierfür die erforderlichen Informationen über die vertraglichen Vereinbarungen der Klägerin mit dem Leistungsempfänger nicht vorgelegen hätten. Insoweit sei der Sachverhalt nicht aufgeklärt worden. Die Prüfung dieses Anspruches unterfalle der Sachaufklärungspflicht des Beklagten. Es reiche dabei nicht aus, sich mit dem Bestehen eines solchen Anspruches erst nachträglich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens auseinander zu setzen.
27Schließlich verstoße § 27 Abs. 19 UStG gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit und sei aus diesem Grunde nichtig. Hiernach müssten Rechtsvorschriften klar und bestimmt sein und ihre Anwendung für den einzelnen jeweils vorher bestimmbar sein. Dies gelte insbesondere für finanziell belastende Regelungen, da der Betroffene in der Lage sein müsse, ihm auferlegte Verpflichtungen genau zu erkennen. Der Grundsatz der Rechtssicherheit sei von jeder nationalen Stelle zu beachten, die mit der Anwendung von Unionsrecht betraut sei. Eine entsprechende Vorhersehbarkeit der Steuerschuld durch die Klägerin sei aber im Zeitpunkt der Leistungsausführung nicht gewährleistet gewesen. Denn schließlich habe für sie keinerlei Möglichkeit bestanden, das rückwirkende Abbedingen des § 176 AO vorherzusehen.
28Entgegen der Auffassung des Beklagten stehe der Anwendung des § 176 AO nicht entgegen, dass die Umsatzsteuerjahreserklärung 2012 erst nach dem BFH-Urteil vom 22. August 2013 beim Beklagten eingegangen (18. Dezember 2013) und wirksam geworden sei (10. Januar 2014). Das Datum der BFH-Entscheidung selbst könne nicht maßgeblich sein, da bis zur Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses der Beklagte an diesen gebunden gewesen sei.
29Die Klägerin beantragt,
30den Bescheid über Umsatzsteuer für das Jahr 2012 vom 29. Januar 2015 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. April 2015 aufzuheben.
31Der Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Die Klägerin sei mit Schreiben vom 10. Dezember 2014 ausführlich über die rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen betreffend der beantragten Erstattung der Umsatzsteuer durch die Q GmbH hingewiesen worden. Insbesondere habe der Beklagte deutlich gemacht, dass die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung auf Grundlage des § 27 Abs. 19 S. 1 UStG erfolgen werde. Aus den Erläuterungen im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid gehe zudem der Grund für die geänderte Umsatzsteuerfestsetzung deutlich hervor. Schließlich sei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine falsche Bezeichnung der Änderungsvorschrift unschädlich.
34In den Fällen des § 27 Abs. 19 UStG greife der Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO nicht. Es sei nicht nachvollziehbar, dass sich die Klägerin keine eigene Meinung gebildet haben sollte. Die von ihr gestellten Rechnungen belegten das Gegenteil. Jedenfalls habe sie sich die damals gültige Verwaltungsauffassung zu Eigen gemacht.
35§ 27 Abs. 19 UStG bezwecke, zu verhindern, dass nach Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung des Leistungsempfängers die Umsätze aus Bauleistungen insgesamt gar nicht versteuert würden. Die Umsätze sollten nachträglich beim leistenden Unternehmer erfasst und seine entsprechende Umsatzsteuerfestsetzung entsprechend geändert werden.
36Der Gesetzgeber sehe das Vertrauen des Leistungserbringers in die bisherige Verwaltungsauffassung aus dem Grunde nicht als schutzwürdig an, als dass dieser gegen den Leistungsempfänger einen zivilrechtlichen Anspruch auf zusätzliche Zahlung der Umsatzsteuer habe. Denn § 27 Abs. 19 S. 3 und 4 UStG böten dem leistenden Unternehmer die Möglichkeit, den zivilrechtlichen Anspruch gegenüber dem Leistungsempfänger auf die noch ausstehende Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt an Zahlung statt abzutreten. Der Leistende werde dann so gestellt wie vor dem Änderungsbescheid. Im Folgenden trage ausschließlich das Finanzamt das Risiko der Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Leistungsempfänger. Zwar stehe die Annahme der Abtretung im Ermessen des Finanzamtes, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 S. 3 und 4 UStG habe das Finanzamt dieses Ermessen jedoch regelmäßig dahingehend auszuüben, dass es die Abtretung annimmt.
37Regelmäßig bestehe auch der zivilrechtliche Anspruch des Leistenden gegenüber dem Leistungsempfänger. Diese Frage sei zivilrechtlich einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich.
38Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot liege nach der neueren Rechtsprechung des BFH nicht vor.
39Zudem würde das Vorgehen der Klägerin und der Q GmbH auch zu einem systemwidrigen Ergebnis führen, da der Q GmbH die Umsatzsteuer erstattet würde, die vom leistenden Unternehmer, der Klägerin, nicht an das Finanzamt abzuführen wäre. Das umsatzsteuerrechtliche Neutralitätsprinzip wäre in diesem Falle nicht gewahrt. Folge wäre ein systembedingter echter Steuerausfall.
40Im Streitfall habe der Klägerin ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen die Q GmbH zugestanden. Auch habe der Beklagte das Bestehen dieses Anspruches bereits im Festsetzungsverfahren geprüft. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin bereits im Festsetzungsverfahren vor Ergehen des angefochtenen Änderungsbescheids mit Schreiben vom 10. Dezember 2014 über das Bestehen und die Abtretbarkeit einer entsprechenden Forderung auf Nachentrichtung der Umsatzsteuer gegen die Q GmbH hingewiesen worden sei. Zudem habe für die Klägerin nach Erhalt dieses Schreibens die Möglichkeit bestanden, den Beklagten auf ein etwaiges Nichtbestehen eines abtretbaren Anspruches hinzuweisen und dies entsprechend zu belegen. Dies aber habe die Klägerin nicht getan, sondern sich darauf beschränkt, den verfahrensrechtlich nach § 176 Abs. 2 AO zu gewährenden Vertrauensschutz anzuführen. Bereits aus diesem Grunde habe der Beklagte einen abtretbaren Anspruch unterstellen und daraus folgend die Umsatzsteuerfestsetzung für 2012 gemäß § 27 Abs. 19 UStG ändern können.
41Das Verfahren ruhte aufgrund des Beschlusses vom 14. Oktober 2016 bis zum Ergehen der die Instanz abschließenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs in den Verfahren V R 16/16 und V R 24/16.
42Entscheidungsgründe
43Die Klage ist unbegründet.
44Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2012 vom 29. Januar 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO). Der Beklagte war befugt, die ursprüngliche Umsatzsteuerfestsetzung zu ändern und damit die - unstreitig - materiell zutreffende Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin festzusetzen. Die Regelung des § 176 AO steht dieser Änderung gemäß § 27 Abs. 19 S. 2 UStG nicht entgegen; § 27 Abs. 19 S. 2 UStG ist verfassungs- und unionsgemäß.
45Die Befugnis des Beklagten zur Änderung der ursprünglichen, gemäß § 168 S. 2 AO einer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehenden Umsatzsteuerfestsetzung ergibt sich zwar nicht aus dem im angefochtenen Änderungsbescheid benannten § 164 Abs. 2 AO, da einer solchen Änderung der Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO entgegenstünde (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 23. Februar 2017, V R 16, 24/16, BStBl II 2017, 760). Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig, aber unerheblich, da nach ständiger und zutreffender Rechtsprechung des BFH die Angabe einer unzutreffenden Änderungsvorschrift ohne Bedeutung ist, wenn die Änderung durch das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer anderen Änderungsvorschrift gedeckt ist (vgl. bspw. BFH-Beschluss vom 12. August 2013 X B 196/12, BFH/NV 2013, 1761 m.w.N.).
46Der Beklagte konnte die ursprüngliche Umsatzsteuerfestsetzung für 2012 aber gemäß § 27 Abs. 19 S. 1 UStG ändern.
47Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hat, Steuerschuldner zu sein (§ 27 Abs. 19 S. 1 UStG). Nach § 27 Abs. 19 S. 2 UStG steht § 176 AO der Änderung nicht entgegen.
48Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Klägerin und die Q GmbH sind davon ausgegangen, dass die Q GmbH die Umsatzsteuer für die von der Klägerin im Jahr 2012 erbrachten Leistungen gemäß § 13b UStG schuldete. Dies ergibt sich ohne weiteres bereits aus der Rechnungsstellung durch die Klägerin, den Umsatzsteueranmeldungen durch die Q GmbH (vgl. in diesen Sinne auch BFH in BStBl II 2017, 760, Rn. 55) und auch durch das Schreiben der Q GmbH an die Klägerin vom 28. November 2014. Der Senat folgt der Klägerin nicht in ihrer Argumentation, dass sie lediglich auf die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften vertraut und sich keine eigene Meinung gebildet habe, damit im Ergebnis auch nicht davon „ausgegangen sei“, dass die Q GmbH die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schulde. Vielmehr reicht es aus, dass die Klägerin und die Q GmbH die Rechnungen und ihre Umsatzsteuervoranmeldung entsprechend der damals geltenden Verwaltungsvorschriften erstellt und abgegeben und damit den verwirklichten Sachverhalt und die Verwaltungsvorschriften subsumiert haben. Bereits hierdurch sind die Klägerin und die Q GmbH im Sinne des § 27 Abs. 19 S. 1 UStG von der Steuerschuldnerschaft der Q GmbH nach § 13b UStG „ausgegangen“. Die Bildung einer eigenen, von den Verwaltungsvorschriften abweichenden oder darüber hinausgehenden Rechtsauffassung setzt § 27 Abs. 19 S. 1 UStG nicht voraus. Dies wäre auch mit dem Zweck dieser Vorschrift nicht zu vereinbaren, da § 27 Abs. 19 UStG eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung gerade für den Fall ermöglichen soll, dass Leistender und Leistungsempfänger die Umsatzsteuer entsprechend der damals geltenden Verwaltungsvorschriften erklärt haben.
49Der Ausschluss der Vertrauensschutzregelung des § 176 AO durch § 27 Abs. 19 Satz 1, 2 UStG verstößt nach Auffassung des erkennenden Senats weder gegen Verfassungs- noch gegen Unionsrecht. Der Senat folgt der Auffassung des BFH im Urteil vom 23. Februar 2017, wonach § 27 Abs. 19 Satz 1, 2 UStG dahingehend verfassungs- und unionsrechtskonform auszulegen ist, dass eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung dann zulässig ist, wenn dem leistenden Unternehmer - im Streitfall der Klägerin - ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht (BFH in BStBl. II 2017, 760; so auch FG Münster Urteil vom 15. Mai 2018 5 K 3278/15 U, EFG 2018, 1504). Der durch § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG angeordnete Ausschluss des abgabenrechtlichen Vertrauensschutzes ist hiernach (nur) dann zu rechtfertigen, wenn das Bestehen und die Abtretbarkeit einer Forderung nicht erst im Anschluss an die Änderung des Umsatzsteuerbescheides, sondern bereits im Festsetzungsverfahren geklärt würden. Bei dieser unionsrechtskonformen Auslegung bestehen nach zutreffender Auffassung des BFH auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (eingehend hierzu auch Kessens, MwStR 2016, 226 ff.). Auch hat der Senat keine Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der Regelung über die Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen gem. § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UStG sowie der Änderungsvorschrift des § 27 Abs. 19 Satz 1, 2 UStG.
50Der Klägerin steht im Streitfall auch ein abtretbarer Anspruch gegen die Q GmbH zu.
51Nach der Rechtsprechung des BFH folgt in Fällen wie dem vorliegenden Fall der abtretbare Anspruch des Leistenden gegen den Leistungsempfänger auf Nachzahlung der Umsatzsteuer aus dem Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB (BFH in BStBl II 2017, 760, Rn. 50). Der Bundesgerichtshof hingegen leitet, ohne dass er zu einem anderen Ergebnis käme, den Zahlungsanspruch unmittelbar aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ab (BGH-Urteil vom 17. Mai 2018 VII ZR 157/17, NJW 2018, 2469). Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass die Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger Schuldner der Umsatzsteuer ist, dass sich diese Annahme als falsch herausgestellt hat, dass die Vertragsbeteiligten keine vertragliche Regelung für diesen Fall getroffen haben und dass nach dem hypothetischen Willen der Vertragsparteien in diesem Fall die Klägerin als Leistende von der Q GmbH die Umsatzsteuer verlangen könnte. Dies ist auch im Streitfall der Fall und deckt sich mit dem eigenen Vorbringen der Klägerin, wonach für den eingetretenen Fall, dass die Steuerschuldnerschaft nicht bei der Q GmbH liege, eben keine vertragliche Regelung getroffen worden sei. Schutzwürdige Interessen der Q GmbH gegen eine entsprechende Vertragsauslegung bzw. Vertragsergänzung sind nicht erkennbar, da sie selbst durch den Erstattungsantrag bei dem für sie zuständigen Finanzamt die Umsatzsteuerpflicht der Klägerin erst ausgelöst hat.
52Es wäre dabei unerheblich, ob der Anspruch der Klägerin verjährt wäre. Denn eine (mögliche) Verjährung würde nicht zum Erlöschen des Anspruchs führen, sondern dem Leistungsempfänger nur eine Einrede ermöglichen. An der vom BFH lediglich (im Rahmen der unionsrechtskonformen Auslegung) geforderten Abtretbarkeit der Forderung würde eine Verjährung jedenfalls nichts ändern (so auch Gieseler/Dürr, BB 2017, 2075, 2079).
53Selbst wenn man das Nichtvorliegen der Verjährungsvoraussetzungen als Voraussetzung für das Vorliegen eines abtretbaren Anspruchs und damit für das Bestehen einer Änderungsmöglichkeit nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG ansehen würde, so war im maßgeblichen Zeitpunkt der Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2012 am 29. Januar 2015 jedenfalls noch keine Verjährung eingetreten. Die regelmäßige (dreijährige) Verjährungsfrist nach § 195 BGB beginnt gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (in NJW 2018, 2469) der Zeitpunkt, in dem die Klägerin von dem von der Q GmbH gestellten Erlassantrag erfahren hat, mithin durch das Schreiben der Q GmbH vom 28. November 2014. Im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Änderungsbescheids am 29. Januar 2015 war dieser Anspruch mithin offenkundig nicht verjährt.
54Gründe für ein Erlöschen des Anspruchs sind weder vorgetragen worden noch nach Aktenlage ersichtlich.
55Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Beklagte vor Erlass des streitgegenständlichen Änderungsbescheids verpflichtet gewesen wäre, das Vorliegen eines abtretbaren Anspruchs der Klägerin gegen die Q GmbH abschließend zu prüfen und diese Prüfung unterlassen habe.
56Zum einem ergibt sich eine solche Pflicht des Beklagten aus dem Urteil des BFH (in BStBl II 2017, 760) nicht. Vielmehr reicht es nach diesem Urteil für die verfassungs- und unionskonforme Auslegung des § 27 Abs. 19 UStG aus, dass das Vorliegen dieses Anspruchs im Festsetzungsverfahren und damit bis zum Abschluss des Festsetzungsverfahrens durchgeführt wird und nicht erst bei der Frage der Erfüllungswirkung der Abtretung im anschließenden Erhebungsverfahren. Andernfalls hätte auch der BFH das Vorliegen des abtretbaren Anspruchs des Leistenden gegen den Leistungsempfänger nicht prüfen können.
57Zum anderen hat der Beklagte das Bestehen eines solchen Anspruchs hinreichend geprüft, indem er die Klägerin mit Schreiben vom 10. Dezember 2014 auf die Möglichkeit eines solchen Anspruchs und die Abtretbarkeit an Zahlung statt nach § 27 Abs. 19 S. 3 und 4 UStG hinwies. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, Gründe vorzubringen, die gegen das Bestehen oder für das Erlöschen eines etwaigen Anspruchs sprechen könnten und damit eine weitere Prüfung durch den Beklagten initiieren können. Dies aber hat die Klägerin nicht getan, sondern lediglich mitgeteilt, dass sie keine geänderten Rechnungen gegenüber der Q GmbH stellen werden, mithin ihre Ansprüche gegenüber der Q GmbH nicht geltend machen werden. Damit aber ist eine Schutzwürdigkeit der Klägerin nicht mehr zu erkennen. Der Vorwurf, der Beklagte habe bei dieser Sachlage den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, entbehrt jeder Grundlage.
58Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
59Gründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung des Einzelfalls unter Zugrundelegung der zwischenzeitlich zu dem vorliegenden Problemkreis ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung.