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Inhaltsverzeichnis

Zwangsmittelverbot - steuerrechtlich

§ 393 Abs. 1 Satz 2 AO

1. Allgemeines

Im Besteuerungsverfahren sind Zwangsmittel i.S.d. § 328 AO gegen den Steuerpflichtigen, gegen den auch wegen einer Steuerstraftat nach § 369 AO ein Steuerstrafverfahren oder wegen einer Steuerordnungswidrigkeit i.S.d. § 377 AO ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist, unzulässig, wenn er dadurch gezwungen werden würde, sich selbst zu belasten.

Das steuerrechtliche Zwangsmittelverbot greift also immer dann, wenn der Steuerpflichtige gleichzeitig im Besteuerungsverfahren seine Mitwirkungs- und Auskunftspflichten zu erfüllen hat und ihm im eigenen Steuerstrafverfahren als Beschuldigter gem. § 136 StPO ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zugesprochen wird (BFH, 11.09.1996 - VII B 176/94, BFH/NV 1997, 166). Die Einleitung des Steuerstrafverfahrens gem. § 397 AO und die zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat begründen kein Recht für den Steuerpflichtigen, im Besteuerungsverfahren seine Mitwirkung zu verweigern. Würde das steuerrechtliche Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 Satz 2 AO nicht vorhanden sein, so könnte das Auskunftsverweigerungsrecht im Strafverfahren unterlaufen werden und die im Besteuerungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse im Strafverfahren verwertet werden. Somit steht der § 393 Abs. 1 Satz 2 AO zwar im achten Teil der Abgabenordnung bei den Straf- und Bußgeldvorschriften sowie für das Straf- und Bußgeldverfahren, ist aber hierfür nur rein deklaratorisch von Bedeutung; er ist allein für das Besteuerungsverfahren von Belang. Die Norm regelt die Pflichtenstellung für den am Strafverfahren beteiligten Steuerpflichtigen. Damit wird der Grundsatz durchbrochen, dass beide Verfahren voneinander unabhängig sind.

Zur Mitwirkung des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren siehe Beschuldigter - Mitwirkung.

Auch wenn Besteuerungsverfahren und Strafverfahren rechtlich verselbständigt sind, so dürfen die im jeweiligen Verfahren erlangten Kenntnisse auch im jeweils anderen Verfahren verwertet werden. Immer vorausgesetzt, dass sie rechtmäßig erlangt worden sind. Dies gilt insbesondere in den Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 AO, in denen die Besteuerungstatsache maßgeblich für das Tatbestandsmerkmal der Steuerverkürzung ist. Unter aktiver Mitwirkung ist infolgedessen die Erfüllung der Mitwirkungs-, Auskunfts- und Vorlagepflichten im 1. bis 7. Teil der AO zu verstehen, siehe hierzu Beschuldigter - Mitwirkung.

Hinweis:

Das Strafverfahren kann gem. § 396 AO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Besteuerungsverfahrens ausgesetzt werden, wenn die Beurteilung der Tat als Steuerhinterziehung davon abhängt,

  • ob ein Steueranspruch besteht,

  • ob Steuern verkürzt sind oder

  • ob nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt sind.

Die Finanzbehörde i.S.v. § 6 Abs. 2 AO nimmt als Trägerin des Verwaltungsverfahrens in Steuersachen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr und wird von der Norm mit dem Verbot der Zwangsmittelanwendung belegt. Kommt der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungs-, Auskunfts- und Vorlagepflichten im Besteuerungsverfahren freiwillig nach, so kann das Verbot der Zwangsmittelanwendung allein vom Regelungsinhalt schon nicht mehr greifen. Die erlangten Informationen können somit auch steuerlich verwertet werden, wenn sie sich zu seinen Lasten auswirken.

Über § 410 Abs. 1 Nr. 4 AO gilt § 393 AO neben den verfahrensrechtlichen Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten auch für das Bußgeldverfahren entsprechend.

Das Zwangsmittelverbot gilt nur für die Anwendung von Zwangsmitteln i.S.d. § 328 AO (Zwangsgeld § 329 AO, Ersatzvornahme § 330 AO, Unmittelbarer Zwang § 331 AO). Auch bereits die Androhung ist untersagt. Zwangsmaßnahmen, die jedoch nach dem Strafprozessrecht zulässig sind, werden vom Zwangsmittelverbot nicht berührt. Das Verbot umfasst ferner nur die Anwendung von Zwangsmittels zur Herbeiführung einer aktiven Mitwirkung an der Aufklärung der Besteuerungstatsache. Die Duldung von konkreten Ermittlungsmaßnahmen zur Aufdeckung belastender Umstände und Tatsachen kann folglich mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.

2. Adressat der Norm

§ 393 Abs. 1 Satz 2 AO schützt lediglich den Steuerpflichtigen vor einer Durchsetzung der steuerlichen Mitwirkungspflichten durch die Finanzbehörde mit Hilfe eines Zwangsmittel i.S.d. § 328 AO. Dritte, die im Besteuerungsverfahren gegen den Beschuldigten und damit auch Steuerpflichtigen einer Mitwirkungspflicht unterliegen, werden durch das Verbot der Zwangsmittelanwendung nicht geschützt (BFH, 16.12.1997 - VII B 45/97, BFH/NV 1998, 763, 766). Sie dürfen mit Zwangsmitteln zur Erfüllung ihrer Pflichten im Besteuerungsverfahren angehalten werden. Die allgemeinen Mitwirkungsverweigerungsrechte der §§ 101 bis 106 AO sind jedoch zu beachten. Der gesetzliche Vertreter i.S.v. § 34 AO, der sich wegen einer zugunsten des vertretenen Steuerpflichtigen begangenen Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit selbst belasten würde, ist hingegen wieder unter den Schutz des § 393 Abs. 1 Satz 2 AO gestellt.

3. Selbstbelastung

Für die Selbstbelastung muss aus der Erfüllung der Mitwirkungspflicht heraus die Gefahr der Verfolgung wegen einer vom Steuerpflichtigen begangenen Tat i.S.d. Gesetzes erwachsen oder verstärken (BFH, 21.12.1992 - XI B 55/92, BStBl 1993 II , 451). Hierfür ist die Möglichkeit der Durchführung eines Steuerstrafverfahrens ausreichend. Auf die Einleitung des Steuerstrafverfahrens nach § 397 AO kommt es grundsätzlich nicht an (BFH, 24.11.1954 - II 231/52 U, BStBl 1955 III ,30).

Der Steuerpflichtige muss sich wegen einer Steuerstraftat i.S.d. § 369 AO bzw. einer Steuerordnungswidrigkeit nach § 377 AO in der Gefahr einer Ahndung sehen. Sieht der Steuerpflichtige sich in der Gefahr, sich wegen einer nichtsteuerlichen Straftat selbst zu belasten, so greift § 393 Abs. 1 Satz 2 AO nicht ein. In diesen Fällen können Zwangsmittel zur Durchsetzung der steuerlichen Mitwirkungspflichten in Bezug auf die steuerliche Beurteilung des Lebenssachverhaltes angewandt werden. Es ist jedoch die Anwendung des § 393 Abs. 2 AO zu prüfen, siehe hierzu Verwendungsverbot - strafrechtlich. Der Steuerstraftat und -ordnungswidrigkeit gleichgestellt sind die Vorspiegelungstaten i.S.d. § 385 Abs. 2 AOund die anderen Verfehlungen, auf die ausdrücklich das Steuerstrafverfahrensrecht anzuwenden ist.

Der Zeitpunkt der Begehung der Steuerverfehlung muss vor dem Zeitpunkt der geforderten Erfüllung der Mitwirkungspflicht liegen. Der Versuch einer Tat kann nur dann im Rahmen des Zwangsmittelverbots Berücksichtigung finden, wenn er mit Strafe oder Bußgeld bedroht ist (§§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 2 StGB, § 13 Abs. 2 OWiG). Ansonsten muss die Tatvollendung gegeben sein. Erfüllt der Beschuldigte mit einem Rücktritt vom Versuch i.S.d. § 24 StGB oder mit einer Selbstanzeige i.S.d. § 371 AO seine Mitwirkungspflicht und erlangt damit Straffreiheit, so kommt es nicht zur Anwendung des steuerrechtlichen Zwangsmittelverbots.

Hinweis:

Werden vor Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder in Unkenntnis der Einleitung eines solchen Strafverfahrens Tatsachen oder Beweismittel für eine Tat, die keine Steuerstraftat ist, in Erfüllung der steuerlichen Pflichten offenbart, so dürfen diese Kenntnisse gem. § 393 Abs. 2 AO nicht gegen den Steuerpflichtigen für die Verfolgung der Tat durch die Staatsanwaltschaft oder ein Gericht verwandt werden, sog. strafrechtliches Verwendungsverbot. Siehe hierzu auch Verwendungsverbot - strafrechtlich.

Die Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit muss auch vom Steuerpflichtigen begangen worden sein. Hierzu ist es erforderlich, dass der Beschuldigte Tatbeteiligter an der rechtswidrigen und vorwerfbaren Handlung oder Unterlassung ist, die den Tatbestand des Gesetzes erfüllt und geahndet wird. Tatbeteiligter ist der Allein-, Mit- und der Nebentäter in der Form der Täterschaft sowie der Gehilfe oder Anstifter als Teilnehmer an der Tat. § 393 Abs. 1 Satz 2 AO bietet keinen Schutz vor einer erzwungenen strafrechtlichten Selbstbelastung eines Angehörigen des Steuerpflichtigen.

Die Gefahr der Verfolgung ist nicht gegeben, wenn Rechtfertigungsgründe bzw. schuldbefreiende oder strafausschließende Umstände vorliegen oder der Steuerpflichtige wegen der Tat bereits rechtskräftig verurteilt worden ist. Somit schließt die strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 AO, die Schuldunfähigkeit i.S.d. § 19 StGB sowie die Verjährung nach den §§ 78 ff. StGB die Anwendung des steuerrechtlichen Zwangsmittelverbots aus. In den Fällen, in denen das Steuerstrafverfahren noch nicht eingeleitet ist, muss die Gefahr der Selbstbelastung damit tatsächlich gegeben sein. Eine Gefahr lediglich in der Vorstellung des Steuerpflichtigen ist nicht ausreichend.

Zwischen der Steuerstraftat bzw. der Steuerordnungswidrigkeit und dem Mitwirkungsverlangen muss ein sachlicher Zusammenhang gegeben sein, damit die Gefahr der Selbstbelastung gegeben ist (BFH, 11.09.1996 - VII B 176/94, BFH/NV 1997, 166). So wird die Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 AO als Steuerstraftat nach § 369 AO durch die Steuerart und den Besteuerungszeitraum bestimmt. Demnach ist auch das Verbot der Zwangsmittelanwendung bei der Aufklärung des Sachverhalts in den jeweiligen Steuerfestsetzung der Steuerart und des Besteuerungszeitraumes begrenzt, für die ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden ist. Eine Begrenzung auf die einzelne Besteuerungstatsache, die Mittelpunkt der Verkürzungshandlung ist, sieht das Gesetz nicht vor. Frühere oder spätere Besteuerungszeiträume bzw. andere Steuerarten, als die im Tatvorwurf genannten, werden somit nicht unter Schutz gestellt. In diesen Fällen muss der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nachkommen.

Die Verfolgungsgefahr muss bei Erfüllung der Mitwirkungspflicht vorliegen. Ansonsten würde das steuerrechtliche Zwangsmittelverbot nicht zur Anwendung kommen, wenn die Umstände, die die Verfolgungsgefahr in sich bergen, der Verfolgungsbehörde bereits bekannt wären und der Steuerpflichtige diese lediglich bestätigen würde (BFH, 02.02.1989 - IV B 114/88, BFH/NV 1989, 761). Daraus folgt, dass das Verbot ebenfalls nicht greift, wenn sich aus der geforderten Mitwirkung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Rückschlüsse auf den Tatvorwurf ziehen lassen (BFH, 11.09.1996 - VII B 176/94, BFH/NV 1997, 166).

Hinweis:

§ 393 AO lässt das Zwangsmittelverbot im Besteuerungsverfahren ausdrücklich zur Anwendung kommen, wenn gegen den Steuerpflichtigen bereits wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat bzw. Steuerordnungswidrigkeit eine Strafverfahren gem. § 397 Abs. 1 AO eingeleitet worden ist. Diese Einleitung ist dem Steuerpflichtigen nunmehr als Beschuldigtem im Strafverfahren gem. § 397 Abs. 3 AO spätestens dann mitzuteilen, wenn er zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung aufgefordert wird. Somit gilt mit dieser Belehrung stets das Zwangsmittelverbot im Besteuerungsverfahren über § 393 Abs. 1 Satz 3 AO. Zugleich hat eine Belehrung über das strafprozessuale Mitwirkungsverweigerungsrecht des Beschuldigten zu erfolgen (§ 136 StPO). Gleiches gilt nicht nur bei Einleitung des Strafverfahrens, sondern auch bei Einleitung des Bußgeldverfahrens.

Die Gründe für die Verfolgungsgefahr hat der Steuerpflichtige in den Fällen, bei denen eine Einleitung des Steuerstrafverfahrens noch nicht erfolgt ist, glaubhaft zu machen, wobei hieran keine überhöhten Anforderung gestellt werden können. Mithin ist ein Beweis nicht zu fordern. Es reicht vielmehr aus, wenn der Steuerpflichtige eine Versicherung an Eides statt gem. § 95 AO über die Richtigkeit der Tatsache, die er behauptet, abgibt.

4. Umfang und zeitliche Geltung des Zwangsmittelverbots

Die h.M. nimmt als Umfang des Zwangsmittelverbots den strafprozessualen Tatbegriff i.S.d. §§ 155 Abs. 1, 264 Abs. 1 StPO an. Insofern kommt dem Tatvorwurf erhebliche Bedeutung zu. Demnach ist auf den Gegenstand des entsprechenden Strafverfahrens abzustellen. Bei der Abgabe einer unrichtigen bzw. unvollständigen Steuererklärung ist somit der gesamte Besteuerungssachverhalt, d.h. die Einkunftsarten des jeweiligen Besteuerungszeitraumes vom Zwangsmittelverbot umfasst und nicht nur die falsche Angabe bezüglich einer Besteuerungstatsache.

Das steuerrechtliche Zwangsmittelverbot entfaltet seine Wirkung bereits mit Überschreiten der Grenze zur straf- und bußgeldrechtlichen Steuerverfehlung. Ist bereits der Versuch strafbar, so liegt dieser Zeitpunkt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung. Ansonsten liegt er bei der Vollendung der Tat. Das Ende des Steuerstraf- bzw. Bußgeldverfahrens begrenzt in keinem Fall die Wirksamkeit des steuerrechtlichen Zwangsmittelverbots, sondern es wirkt vielmehr noch darüber solange hinaus, wie die Mitwirkung in dem evtl. noch andauernden Besteuerungsverfahren den Steuerpflichtigen belasten kann.

Dieses Wirken über das Steuerstrafverfahren hinaus hängt von dessen Abschluss ab. Bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat ist die Offenbarung im Besteuerungsverfahren zu einer weitaus größeren Steuerhinterziehung oder noch einer anderen Steuerstraftat, als mit Urteil festgestellt, unschädlich. Das Verfahren kann gem. § 363 Abs. 1 StPO nicht zu dem Zweck wieder aufgenommen werden, eine andere Strafzumessung auf Grund desselben Strafgesetzes herbeizuführen. § 362 Nr. 4 StPO lässt die Wideraufnahme des Verfahrens zuungunsten des Angeklagten nur für den Fall zu, dass er auf Grund eines vor Gericht außergerichtlich abgegebenen Geständnisses der Straftat freigesprochenen worden ist.

War eine in der Hauptverhandlung zugunsten des Angeklagten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht (§ 362 Nr. 1 StPO) oder hat sich ein Zeuge oder Sachverständiger bei einem zugunsten des Angeklagten abgelegen Zeugnisses oder abgegebenen Gutachtens einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht (§ 362 Nr. 2 StPO), so kann das durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossene Verfahren wieder aufgenommen werden. In diesen Fällen ist auf Grund § 364 StPO jedoch eine Wiederaufnahme nur zur Verurteilung aus einem anderen Strafgesetz zulässig. Fortan wirkt auch wieder das steuerrechtliche Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO.

5. Verstoß gegen das Zwangsmittelverbot

Im Steuerstrafverfahren mit demselben Besteuerungssachverhalt wie im Festsetzungsverfahren unterliegen Auskünfte, Aussagen und Vorlagen, die unter Anwendung bzw. Androhung von Zwangsmitteln i.S.d. § 328 AO erzwungen worden sind, einem gänzlichen Verwertungsverbot. Dies ergibt sich aus dem sog. Gemeinschuldnerbeschluss des BVerfG, 13.01.1981 - 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 51 f. Hieraus folgt das strafrechtliche Verwertungsverbot der unter Anwendung oder Androhung von Zwang in einem anderen Verfahren erlangten Kenntnisse aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG.

Ein Verwertungsverbot der unter Verstoß gegen das Zwangsmittelverbot erlangten Kenntnisse im Besteuerungsverfahren folgt aus dem Verfahrensfehler mit Verletzung der steuerlichen Pflichten bei der Informationsgewinnung. Die Verwertung wäre somit bereits steuerlich rechtswidrig.

6. Belehrung

Gem. § 393 Abs. 1 Satz 4 AO ist der Steuerpflichtige über

  • die Selbstständigkeit des Besteuerungsverfahrens und des Steuerstrafverfahrens,

  • den Fortbestand der steuerlichen Mitwirkungs-, Auskunfts- und Vorlagepflichten und

  • das Verbot der Zwangsmittelanwendung und dessen Geltendmachung

zu belehren, soweit dazu Anlass besteht. Ein konkreter Anlass besteht immer dann, wenn Anhaltspunkte für einen Tatverdacht vorliegen und der Steuerpflichtige bei Erfüllung seiner steuerlichen Mitwirkungspflicht sich der Gefahr einer Selbstbelastung aussetzen könnte. Dieser Fall ist immer gegeben vor Beginn der steuerlichen Ermittlungen, wenn das Steuerstraf- bzw. das Bußgeldverfahren bereits eingeleitet worden ist. Die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bzw. des Bußgeldverfahrens zieht die Belehrung immer nach sich. Vor Beginn einer steuerlichen Außenprüfung kann sie ebenfalls erfolgen.

Die Schriftform für die Belehrung ist nicht vorgeschrieben, ebenso wenig fordert das Gesetz, dass die Belehrung aktenkundig zu machen ist. Beides bietet sich jedoch unter dem Gesichtpunkt des Rechtsschutzes und der Rechtssicherheit an. In der Praxis erfolgt die geforderte Belehrung häufig zu Beginn der Steuerfahndungsprüfung durch den ermittelnden Beamten mündlich vor Ort. Nach Abschluss der Durchsuchungsmaßnahme wird in der Regel über die Belehrung ein entsprechender Aktenvermerk zu der Strafakte genommen.

Der Amtsträger, der im Besteuerungsverfahren die Erfüllung der Mitwirkungspflicht von dem Steuerpflichtigen fordert, muss auch die Belehrung i.S.d. § 393 Abs. 1 Satz 4 AO vornehmen. Dies ist in den meisten Fällen grundsätzlich auch der Amtsträger, der das Steuerstrafverfahren durchführt.

Bei einer Verletzung der Belehrungspflicht kommt es im Steuerstrafverfahren zu einem Verwertungsverbot auf der Grundlage der §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StPO, wenn die Belehrung im Strafverfahren nicht erfolgte. Eine Ausnahme ist nur dann anzunehmen, wenn davon auszugehen ist, dass der Beschuldigte seine Rechte bereits kannte. Die erlangten Erkenntnisse können auch dann im Strafverfahren nicht verwertet werden, wenn die Belehrung im Besteuerungsverfahren nicht erfolgte. Es ist nicht ausreichend, dem Steuerpflichtigen z.B. bei Beginn einer steuerlichen Außenprüfung ein Merkblatt mit dem Belehrungsinhalt zu übergeben, da nicht anzunehmen ist, dass der Steuerpflichtige in der Belastungssituation an dieses Merkblatt noch denkt.

Im Besteuerungsverfahren gilt für den Fall des Verstoßes gegen die Belehrungspflicht ein steuerrechtliches Verwertungsverbot, da ebenso ein Verstoß gegen ein steuerrechtliches Verbot der Informationsgewinnung vorliegt.

7. Möglichkeit der Selbstanzeige

Unabhängig vom Schutz des Zwangsmittelverbots steht es dem Steuerpflichtigen immer noch offen, eine Selbstanzeige nach § 371 AO zu erstatten, indem er die unrichtigen oder unvollständigen Angaben berichtigt bzw. ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt und die verkürzte Steuer innerhalb einer angemessenen Frist nachzahlt. Der Steuerpflichtige erlangt hiermit Straffreiheit. Hierunter fällt z.B. auch die Abgabe einer korrekten Umsatzsteuerjahreserklärung für den Fall, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum unrichtig oder unvollständig gewesen sind. Eine korrekte Bezeichnung als "Selbstanzeige" ist nicht erforderlich (BGH, 19.03.1991 - 5 StR 516/90, NJW 1991, 2844, 2866; BGH, 13.10.1998 - 5 StR 392/98, NStZ 1999, 38). Mit der Selbstanzeige kann also die Zwangslage umgangen werden, sich mit der Abgabe der richtigen und vollständigen Jahreserklärung entweder selbst zu belasten oder mit Abgabe einer zusätzlichen unrichtigen bzw. unvollständigen Jahreserklärung eine erneute Steuerstraftat zu begehen.

Zu beachten ist hierbei jedoch die Möglichkeit, dass der Beschuldigte zwar eine wirksame Selbstanzeige i.S.d. § 371 AO abgegeben hat, die Straffreiheit jedoch nicht eintreten kann, weil die momentane wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen eine Zahlung der verkürzten Steuer nicht zulässt oder ein Ausschlussgrund i.S.d. § 371 Abs. 2 AO vorliegt. In diesen Fällen ist der Steuerpflichtige nach h.M. in der Literatur durch ein sog. steuerstrafrechtliches Verwertungsverbot für die selbstbelastenden Angaben geschützt. Dieses Verwertungsverbot wird aus der allgemeinen Handhabung der Abgabenordnung abgeleitet, den staatlichen Strafanspruch im Rahmen des Strafverfolgungsinteresses hinter den fiskalischen Interessen auf Realisierung des Steueranspruchs nach den wahrheitsgemäßen Angaben des Steuerpflichtigen zurücktreten zu lassen.

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