Bindungswirkung eines stattgebenden Urteils bei der Schenkungsteuer

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Thema: Steuern: Alle Steuerzahler

vom: 17.11.2020



Gibt das Finanzgericht (FG) einer Klage des Steuerpflichtigen gegen einen Schenkungsteuerbescheid durch Urteil statt und führt es im Urteil aus, dass die vom Finanzamt berücksichtigte Schenkung weder für den im Bescheid genannten Zeitpunkt noch für einen späteren Zeitpunkt feststellbar ist, darf das Finanzamt die Schenkungsteuer nicht noch einmal festsetzen, selbst wenn der Schenker und der Beschenkte nach Verkündung des Urteils die Schenkung nachträglich schriftlich fixieren. Einem erneuten Schenkungsteuerbescheid steht nämlich die Bindungswirkung des vorausgegangenen Urteils entgegen.

Hintergrund: Ein rechtskräftiges Urteil bindet den Steuerpflichtigen und das Finanzamt, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist.

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine am 13.8.2008 von der A errichtete Stiftung. Als Anfangsvermögen sicherte die A der Klägerin ein Anfangsvermögen in Gestalt einer bestimmten Anzahl von Aktien der TU AG zu. Der Vorstand und der Aufsichtsrat der TU AG stimmten der Abtretung der Aktien auf die Klägerin am 5.11.2008 zu. Das Finanzamt setzte im Jahr 2011 Schenkungsteuer auf den 13.8.2008 fest; dies war der Tag der Errichtung der Klägerin. Hiergegen klagte die Klägerin. Das FG gab der Klage mit Urteil vom 11.11.2014 mit der Begründung statt, weder sei eine Abtretung für den 13.8.2008 noch für einen anderen Zeitpunkt feststellbar. Abtretungserklärungen seien nicht feststellbar; es genüge nicht, dass die Klägerin davon ausgegangen sei, dass eine Abtretung formlos möglich sei. Der Schenkungsteuerbescheid wurde daraufhin aufgehoben. Die Klägerin und die A kamen anschließend überein, dass die mündliche Abtretung nachträglich fixiert wurde. Sie hielten am 5.2.2015 schriftlich fest, dass die Abtretung der Aktien mündlich am 1.11.2008 erfolgt sei, und erklärten schriftlich, dass die A auf der Grundlage der Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrates der TU AG vom 5.11.2008 und in Vollziehung des Stiftungsgeschäfts vom 13.8.2008 Aktien an der TU AG an die Klägerin abtrete. Das Finanzamt setzte daraufhin im Jahr 2015 Schenkungsteuer zum Stichtag 5.8.2008 fest. Hiergegen klagte die Klägerin und wandte sich gegen die aus ihrer Sicht zu niedrigen Freibeträge.

Entscheidung: Der BFH gab der Klage statt und hob den Bescheid aus dem Jahr 2015 auf:

  • Das Finanzamt war aufgrund der Bindungswirkung des FG-Urteils vom 11.11.2014 an einer erneuten Festsetzung der Schenkungsteuer gehindert. Mit diesem Urteil ist nämlich die Schenkungsteuerpflicht bezüglich der Abtretung der Aktien verneint worden.

  • Das FG hatte im Urteil vom 11.11.2014 entschieden, dass eine wirksame Abtretung nicht festgestellt werden konnte, und zwar weder für den 13.8.2008 noch für einen anderen Zeitpunkt. Dies bezieht sich auf den gesamten Zeitraum bis zum 11.11.2014, dem Tag des Urteils. Nach Ansicht des FG hat es also bis zum 11.11.2014 überhaupt kein wirksames Abtretungsgeschäft gegeben.

  • Zwar gilt die Bindungswirkung nicht, soweit nachträglich Tatsachen neu bekannt werden und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Die schriftliche Fixierung der Abtretung am 5.2.2015 ist aber kein nachträglich bekannt gewordenes Beweismittel, da sie erst im Jahr 2015 und damit nach der Verkündung des Urteils des FG vorgenommen wurde.

Hinweis: An sich hatte die Klägerin nur die Berücksichtigung höherer Freibeträge begehrt. Der BFH hat aber den gesamten Bescheid aufgehoben und ist damit über den Klageantrag der Klägerin hinausgegangen. Dieses Hinausgehen über den Klageantrag ist möglich, wenn der BFH zu dem Ergebnis gelangt, dass der Bescheid insgesamt rechtswidrig ist.

Aus Sicht des Finanzamts war die Entscheidung des FG unglücklich, weil es ohne Not ausgeführt hatte, dass eine Abtretung auch für keinen anderen Zeitpunkt als den 13.8.2008 feststellbar ist. Dies hinderte das Finanzamt an einer erneuten Festsetzung von Schenkungsteuer für eine bis zum 11.11.2014 ausgeführte Schenkung. Für eine Schenkung, die nach dem 11.11.2014 ausgeführt worden wäre, hätte das Finanzamt aber Schenkungsteuer festsetzen können, ohne dass die Bindungswirkung des FG-Urteils dem entgegenstünde.

BFH, Urteil vom 19.2.2020 - II R 32/17, NWB

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