Drittwirkung einer Umsatzsteuerfestsetzung für eine Organgesellschaft
Thema: Steuern: Gesellschafter/Geschäftsführer
vom: 20.10.2021
Wird für eine Organgesellschaft Umsatzsteuer festgesetzt, weil ihre Stellung als Organgesellschaft nicht erkannt wird bzw. sich erst später aufgrund einer Rechtsprechungsänderung herausstellt, entfaltet die Umsatzsteuerfestsetzung eine sog. Drittwirkung gegenüber dem Organträger, wenn sie unanfechtbar ist. Der Organträger kann dann bei seiner eigenen Umsatzsteuerfestsetzung die Vorsteuer, die die Organgesellschaft geltend gemacht hat, nicht abziehen. Allerdings kann er geltend machen, dass die von ihm an die Organgesellschaft erbrachten Umsätze sog. nicht steuerbare Innenumsätze sind.
Hintergrund: Nach dem Gesetz kann eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen einem Organträger und einer GmbH als Organgesellschaft gebildet werden, wenn die GmbH in das Unternehmen des Organträgers finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert ist. Im Jahr 2015 hat der Bundesfinanzhof auch die GmbH & Co. KG unter bestimmten Voraussetzungen als Organgesellschaft anerkannt. Die Organschaft hat zur Folge, dass nur der Organträger die Umsatzsteuer aus seinen Umsätzen und aus den Umsätzen der Organgesellschaft schuldet und auch nur der Organträger die Vorsteuer aus den Leistungen, die an ihn oder an die Organgesellschaft erbracht worden sind, geltend machen kann.
Im Verfahrensrecht gibt es eine sog. Drittwirkung: Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt worden, muss dies auch derjenige gegen sich gelten lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, z.B. als Geschäftsführer, anzufechten.
Sachverhalt: Im Streitjahr 2008 bestand nach Auffassung des Klägers (Einzelunternehmer) und des Finanzamts eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen dem Kläger als Organträger und der PL-GmbH sowie der PC-GmbH als Organgesellschaften.
Daneben war der Kläger noch alleiniger Kommanditist der C-GmbH & Co. KG, der P- GmbH & Co. KG und der R-GmbH & Co. KG sowie auch der Alleingeschäftsführer der jeweiligen Komplementär-GmbH. Diese drei KG waren nach damaliger Auffassung des Klägers und des Finanzamts keine Organgesellschaften. Die PL-GmbH und die PC-GmbH erbrachten Leistungen an die drei KG, die die Vorsteuer hieraus geltend machten. Das Finanzamt erließ gegenüber den drei KG Umsatzsteuerbescheide für das Streitjahr 2008, die teilweise unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen. Der Kläger legte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der jeweiligen Komplementär-GmbH weder Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide ein noch stellte er einen Änderungsantrag; zum 31.12.2016 trat bei den drei KG Festsetzungsverjährung ein.
Im Jahr 2013 beantragte der Kläger die Änderung der ihm gegenüber ergangenen Umsatzsteuerfestsetzung für 2008 und machte nunmehr aufgrund der sich anbahnenden Rechtsprechungsänderung eine umsatzsteuerliche Organschaft geltend. Der Kläger begehrte den Abzug der Vorsteuer der drei KG aus den Leistungen Dritter.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:
Der Kläger kann die Vorsteuer, die den drei KG von anderen Unternehmern in Rechnung gestellt worden ist, nicht abziehen. Dem Vorsteuerabzug steht nämlich die Drittwirkung der unanfechtbaren Umsatzsteuerbescheide der drei KG entgegen. Nach diesen drei Umsatzsteuerbescheiden sind die KG keine Organgesellschaften; vielmehr sind die drei KG jeweils Umsatzsteuerschuldner und damit auch Vorsteuerabzugsberechtigte.
Der Kläger kann aber hinsichtlich seiner eigenen Umsatzsteuerfestsetzung für 2008 beantragen, dass die sog. Innenumsätze innerhalb der Organschaft nicht besteuert werden. Insoweit kann er geltend machen, dass auch die drei KG zum Organkreis gehören. Dies hat zur Folge, dass sowohl die Umsätze des Klägers an die drei KG als auch die Umsätze der PL-GmbH und der PC-GmbH an die drei KG als nicht steuerbare Innenumsätze behandelt werden. Insoweit entfalten die Umsatzsteuerbescheide der drei KG keine Drittwirkung, die den Kläger bindet. Dies gilt auch dann, wenn die drei KG die Vorsteuer aus den von der PL-GmbH, von der PC-GmbH oder vom Kläger erbrachten Leistungen abgezogen haben sollten; es gibt nämlich kein Korrespondenzprinzip, das den Vorsteuerabzug davon abhängig macht, dass beim leistenden Unternehmer Umsatzsteuer auf die Leistung entsteht.
Hinweise: Der Grund für den Sinneswandel des Klägers findet sich in einer Änderung der Rechtsprechung. Nach dem Gesetz dürfen an sich nur juristische Personen Organgesellschaften sein; der BFH hat jedoch seine Rechtsprechung geändert und auch die GmbH & Co. KG unter bestimmten Voraussetzungen als Organgesellschaft anerkannt. Damit kamen im Streitfall die C-GmbH & Co. KG, die P-GmbH & Co. KG und die R-GmbH & Co. KG als Organgesellschaften in Betracht, so dass der Kläger eine Änderung seiner Umsatzsteuerfestsetzung beantragte.
Der Kläger hätte aber auch in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der jeweiligen Komplementär-GmbH der drei KG die Umsatzsteuerbescheide der drei KG anfechten sollen oder ihre Änderung beantragen sollen, soweit die Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Dann wäre die Bindungswirkung weggefallen, wenn dies vor Eintritt der Festsetzungsverjährung geschehen wäre. Allerdings hätten sich dann für die KG auch Nachteile ergeben, z.B. der Wegfall des Vorsteuerabzugs. Der BFH macht deutlich, dass ein „Rosinenpicken“ zwischen einem Organträger und einer Organgesellschaft nicht möglich ist.
BFH, Urteil v. 26.8.2021 - V R 13/20; NWB