Erbschaftsteuerbefreiung für benachbarte Doppelhaushälfte
Thema: Steuern: Alle Steuerzahler
vom: 14.12.2021
Die Vererbung einer Doppelhaushälfte, die vom Erblasser selbst genutzt wurde und neben der vom Erben genutzten anderen Doppelhaushälfte liegt, ist erbschaftsteuerfrei, wenn der Erbe die geerbte Doppelhaushälfte mit seiner bereits vorhandenen Doppelhaushälfte verbindet und er die geerbte Doppelhaushälfte zur unverzüglichen Selbstnutzung bestimmt. Dies setzt grundsätzlich eine Selbstnutzung innerhalb von sechs Monaten voraus, es sei denn, es sind gravierende Baumängel vorhanden und der Erbe bemüht sich um eine Beseitigung der Mängel in angemessener Weise.
Hintergrund: Die Vererbung eines Familienheims, d. h. einer vom Erblasser selbst genutzten Immobilie, ist erbschaftsteuerfrei, wenn der Erbe die Immobilie unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt und soweit das Familienheim eine Wohnfläche von 200 m² nicht übersteigt.
Sachverhalt: Der Kläger und sein Vater lebten in einem Doppelhaus und bewohnten jeweils eine Hälfte. Der Vater starb im Oktober 2013 und vererbte seine Doppelhaushälfte an den Kläger. Der Kläger verband beide Hälften miteinander und begann im Herbst 2014 mit der Entrümpelung, nutzte die geerbte Doppelhaushälfte aber zunächst noch nicht selbst, da in der geerbten Doppelhaushälfte Feuchtigkeitsschäden entdeckt wurden. Erst ab August 2016 nutzte der Kläger die geerbte Doppelhaushälfte zu eigenen Wohnzwecken. Das Finanzamt versagte die Steuerbefreiung, weil der Kläger die geerbte Doppelhaushälfte nicht unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt hatte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Grundsätzlich kann die geerbte Doppelhaushälfte erbschaftsteuerfrei sein. Denn der Vater des Klägers hatte sie zu eigenen Wohnzwecken genutzt, und der Kläger verband die geerbte Doppelhaushälfte mit der eigenen, selbstgenutzten Doppelhaushälfte.
Allerdings muss noch aufgeklärt werden, ob die geerbte Doppelhaushälfte unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt wurde und damit als Familienheim dienen sollte. Hierfür genügt es nicht, dass die geerbte Doppelhaushälfte zunächst nur als Lagerplatz und lediglich der Garten genutzt wurde. Vielmehr musste der Kläger die geerbte Immobilie grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten selbst nutzen.
Erfolgt die Selbstnutzung erst nach Ablauf von sechs Monaten, ist dies nur dann unschädlich, wenn dem Erben eine Selbstnutzung innerhalb von sechs Monaten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich war. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich nach Beginn der Renovierung ein gravierender Baumangel zeigt, der vor dem Einzug beseitigt werden muss. Es genügt dann, wenn der Erbe die erforderlichen Bauarbeiten unverzüglich in Auftrag gibt. Verzögern sich dann die Baumaßnahmen, weil die Handwerker ausgelastet sind, ist dies dem Erben nicht anzulasten. Der Erbe ist nicht verpflichtet, einen unverhältnismäßigen Aufwand zu betreiben, um den Mangel zu beseitigen.
Auch bei Entdeckung eines größeren Baumangels muss der Erbe aber grundsätzlich zeitnah mit der Entrümpelung beginnen. Eine spätere Entrümpelung ist nur dann unschädlich, wenn sie nicht zu einer Verzögerung bei der Selbstnutzung führt, weil ohnehin erst der Baumangel beseitigt werden muss.
Hinweise: Das FG muss nun aufklären, ob der Kläger die Beseitigung der Feuchtigkeit nach der Verkehrsanschauung angemessen gefördert hat. Er ist nicht verpflichtet, alles technisch Denkbare wie z.B. Trocknungsgeräte einzusetzen, um den Mangel schnellstmöglich zu beseitigen. Der BFH macht deutlich, dass kein allzu strenger Maßstab bei der Beseitigung von Baumängeln an einer geerbten Immobilie angelegt werden darf. Es kommt auf die Verkehrsanschauung an, so dass eine angemessene Förderung des Baufortschritts genügt.
Sollte im Streitfall eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung zu bejahen sein, muss das FG noch prüfen, ob die geerbte Doppelhaushälfte eine Fläche von mehr als 200 m² aufwies. Falls ja, wäre die Steuerfreiheit nur teilweise zu gewähren, bei einer Fläche von 300 m² also nur zu 2/3.
BFH, Urteil v. 6.5.2021 - II R 46/19; NWB