Für verfassungswidrig erklärtes Erbschaftsteuergesetz aus dem Jahr 2009 gilt bis 30.6.2016 fort

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Thema: Steuern: Alle Steuerzahler

vom: 23.06.2021



Das für verfassungswidrig erklärte Erbschaftsteuerrecht 2009 gilt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für Schenkungen und Erbfälle bis zum 30.6.2016 fort. Aufgrund dieser Weitergeltungsanordnung ist das Gesetz in diesem Zeitraum regulär anzuwenden und nicht zugunsten der Steuerpflichtigen erweitert oder einschränkend auszulegen. Auch kommt eine erneute Vorlage an das BVerfG nicht in Betracht.

Hintergrund: Das BVerfG hatte Ende 2014 das seit 2009 geltende Erbschaftsteuerrecht, das auch für Schenkungen gilt, als verfassungswidrig angesehen und seine Fortgeltung bis zum 30.6.2016 angeordnet. Seit dem 1.7.2016 gilt ein neues Erbschaftsteuergesetz. Nach beiden Gesetzen sind Grundstücke, die verpachtet bzw. vermietet werden, grundsätzlich kein begünstigtes Betriebsvermögen, das zu 85 % bzw. 100 % steuerfrei bleibt. Nach dem Erbschaftsteuerrecht 2009 war aber ein Betrieb, der bis zu 50 % Verwaltungsvermögen wie z.B. verpachtete Grundstücke enthielt, insgesamt steuerlich begünstigt. Seit dem 1.7.2016 ist dies nicht mehr der Fall, weil jedes verpachtete Grundstück vom Wert des Betriebs abgezogen wird.

Sachverhalt: Die Kläger sind die Neffen des A, der ein Einzelunternehmen betrieben hatte und dieses mit Ausnahme der Betriebsgrundstücke Anfang 2001 auf die X-GmbH übertrug. An der X-GmbH war der A mit ca. 1 % beteiligt und die beiden Kläger mit jeweils ca. 49,5 %. Seit 2001 verpachtete der A seine früheren Betriebsgrundstücke an die X-GmbH. Am 30.7.2012 übertrug A seine Grundstücke auf die Kläger gegen eine lebenslange Versorgungsrente von 6.000 € monatlich. Das Finanzamt sah hierin eine Schenkung und erkannte die Steuerfreiheit für Betriebsvermögen nicht an, weil die Grundstücke nicht eigenbetrieblich genutzt, sondern verpachtet worden sind. Die Kläger wandten hiergegen ein, dass das in ihrem Fall angewendete Erbschaftsteuergesetz 2009 verfassungswidrig sei.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Die Übertragung der Grundstücke auf die Kläger im Jahr 2012 war eine Schenkung. Diese Schenkung umfasste aber nicht steuerlich begünstigtes Betriebsvermögen, das zu mindestens 85 % steuerfrei bleibt, sondern sog. Verwaltungsvermögen, das weder nach dem Erbschaftsteuergesetz 2009 noch nach dem Erbschaftsteuergesetz 2016 steuerlich begünstigt ist.

  • Zwar war es nach dem Erbschaftsteuergesetz 2009 unschädlich, wenn das Betriebsvermögen bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen, z.B. verpachteten Grundstücken, besteht. Aber auch diese Grenze wurde im Streitfall überschritten, da der Verpachtungsbetrieb des A nur aus Verwaltungsvermögen bestand.

  • Bei den Grundstücken handelte es sich nicht um Immobilien, die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung verpachtet wurden und deshalb ausnahmsweise als begünstigtes Betriebsvermögen angesehen werden. Für eine Betriebsaufspaltung wäre erforderlich gewesen, dass A in der X-GmbH seinen geschäftlichen Willen hätte durchsetzen können; A war aber mit lediglich 0,9 % an der X-GmbH beteiligt.

  • Das Erbschaftsteuergesetz 2009 ist im Streitfall anwendbar, obwohl es vom BVerfG als verfassungswidrig angesehen worden ist; denn das BVerfG hat die Weitergeltung des Gesetzes bis zum 30.6.2016 angeordnet. Eine erneute Vorlage an das BVerfG ist nicht zulässig. Die vom BVerfG festgestellte Verfassungswidrigkeit rechtfertigt es auch nicht, das Gesetz weiter oder enger auszulegen; dies würde nämlich die vom BVerfG angeordnete Weitergeltungsanordnung unterlaufen.

Hinweise: Es gibt sowohl nach der seit 2009 als auch nach der seit dem 1.7.2016 geltenden Rechtslage zahlreiche Ausnahmen für Grundstücke, die dazu führen, dass Grundstücke als Betriebsvermögen steuerlich begünstigt werden und damit zu 85 % oder gar 100 % steuerfrei bleiben. Keine dieser Ausnahmen war im Streitfall aber erfüllt: Weder lag eine Betriebsaufspaltung vor, noch gehörten die Grundstücke zum sog. Sonderbetriebsvermögen des A.

Ob Betriebsvermögen im Erbfall oder bei Schenkungen zu 85 % oder gar zu 100 % steuerfrei bleibt, hängt u.a. davon ab, ob der Erbe bzw. Beschenkte die gesetzlichen Voraussetzungen wie z.B. die Fortführung des Betriebs für fünf oder für sieben Jahre erfüllen will.

BFH, Urteil vom 2.12.2020 - II R 22/18; NWB

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