Grunderwerbsteuer: Rückgängigmachung des Kaufvertrags wegen fehlerhafter Angaben zur Wohnfläche

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Thema: Steuern: Alle Steuerzahler

vom: 31.08.2020



Zwar wird die Grunderwerbsteuer auf Antrag aufgehoben, wenn der Kaufvertrag über die Immobilie rückgängig gemacht wird. Nach Ablauf von zwei Jahren gilt dies aber nur dann, wenn der Vertrag von einem der beiden Vertragspartner nicht erfüllt wird und der andere Vertragspartner deswegen einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung des Grundstücksgeschäfts hat. Setzt der Kaufvertrag einen „schweren“ Mangel für die Rückgängigmachung voraus, so erfordert dies bei einer geltend gemachten Wohnflächendifferenz eine Abweichung von mehr als 10 % von der vereinbarten Wohnfläche.

Hintergrund: Grunderwerbsteuer entsteht mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags. Wird der Vertrag innerhalb von zwei Jahren rückgängig gemacht, wird auf Antrag die Grunderwerbsteuer aufgehoben. Nach Ablauf von zwei Jahren verlangt der Gesetzgeber aber eine Rückabwicklung des Vertrags wegen Nichterfüllung von Vertragsbedingungen.

Sachverhalt: Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag aus dem August 2006 eine noch zu errichtende Eigentumswohnung. Im Kaufvertrag war die Fläche der Wohnung mit „ca. 270 qm“ angegeben. Zugleich verwies der Kaufvertrag auf die Teilungserklärung, in der für die Wohnung eine Fläche von 256 qm angegeben war und nach der sich die Fläche nach der sog. Zweite Berechnungsverordnung richtete. Weiterhin bestand nach dem Kaufvertrag das Recht, den Kaufvertrag rückgängig zu machen, allerdings nur im Fall eines schweren und unbehebbaren Mangels. Das Finanzamt erließ einen Grunderwerbsteuerbescheid. Im Dezember 2009 machten die Klägerin und die Verkäuferin den Kaufvertrag aufgrund eines Gewährleistungsanspruchs der Klägerin rückgängig; nach einem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachten habe die Wohnfläche lediglich 218 qm betragen. Das Finanzamt lehnte den Antrag der Klägerin, die Grunderwerbsteuer aufzuheben, ab.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Die Rückgängigmachung des Kaufvertrags ist erst im Dezember 2009 und damit nach Ablauf von mehr als zwei Jahren erfolgt. Die Grunderwerbsteuer kann daher nur dann aufgehoben werden, wenn die Klägerin einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gegen die Verkäuferin hatte; erforderlich war, dass sie ihren Anspruch einseitig und gegen den Willen der Verkäuferin durchsetzen konnte.

  • Ein Rückabwicklungsanspruch der Klägerin konnte dem Kaufvertrag zufolge nur bei einem „schweren“ Mangel bestehen. Geht es um die Abweichung von der vereinbarten Wohnfläche, besteht ein schwerer Mangel dann, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % kleiner ist als vereinbart. Denn auch im Mietrecht gilt eine Minderfläche von mehr als 10 % als Erheblichkeitsschwelle und berechtigt den Mieter zur Mietminderung; beim Erwerb einer vermieteten Wohnung müsste der Käufer also eine ggf. jahrzehntelange Ertragsminderung hinnehmen, wenn die Wohnung um mehr als 10 % kleiner ist als vereinbart.

  • Im Streitfall war eine Wohnfläche von 256 qm vereinbart. Dies war die exakte Größe, die in der Teilungserklärung angegeben war, auf die wiederum der Kaufvertrag Bezug nahm. Die exakte Größe von 256 qm ist maßgeblich, weil die andere angegebene Größe von 270 qm nur als ungefähre Größe angegeben war.

  • Da die Teilungserklärung auf die sog. Zweite Berechnungsverordnung Bezug nahm, war die tatsächliche Wohnfläche nach dieser Verordnung zu ermitteln; diese Berechnung ergab eine tatsächliche Fläche von 277 qm, die größer war als 256 qm. Damit lag kein schwerer Mangel vor, der zu einem Rücktritt berechtigt hätte.

Hinweise: Eine Flächendifferenz von bis zu 10 % hätte im Streitfall deshalb nicht zu einem Rücktritt berechtigt, weil nach dem Kaufvertrag nur ein „schwerer“ Mangel zu einem Rücktritt berechtigte. Der Grund, weshalb die Klägerin erst nach mehr als zwei Jahren einen Mangel geltend machte, lag möglicherweise darin, dass ihr Bruder der Geschäftsführer der Veräußerin war.

Eine Rückgängigmachung des Kaufvertrags innerhalb von zwei Jahren führt auf Antrag grundsätzlich zur Aufhebung der Grunderwerbsteuer. Problematisch wird es, wenn die Rückgängigmachung erst nach Ablauf der zwei Jahre erfolgt: In diesem Fall muss einer der beiden Vertragspartner einen gesetzlichen oder vertraglichen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung wegen Nichterfüllung von Vertragsbedingungen haben. Es genügt nicht, wenn die Kaufvertragsparteien irrtümlich von einem derartigen Rechtsanspruch ausgehen. Umgekehrt ist es unschädlich, wenn die Rückabwicklung einvernehmlich erfolgt, sofern der durchsetzbare Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung besteht.

BFH, Urteil v. 19.2.2020 - II R 4/18; NWB

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