Rückwirkendes Ereignis berechtigt nicht automatisch zur Änderung des Einkommensteuerbescheids

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Thema: Steuern: Gesellschafter/Geschäftsführer

vom: 29.06.2021



Zwar stellt ein sog. Einbringungsgewinn II, der im Anschluss an einen qualifizierten Anteilstausch entsteht, nach dem Gesetz ein rückwirkendes Ereignis dar, so dass der Einkommensteuerbescheid des einbringenden Gesellschafters aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses grundsätzlich geändert werden kann. Diese Änderung setzt aber voraus, dass der Einbringungsgewinn II erst nach Erlass des zu ändernden Einkommensteuerbescheids entstanden ist.

Hintergrund: Ein Einbringungsgewinn II entsteht, wenn ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft seine Beteiligung in eine Kapitalgesellschaft zu einem Wert unterhalb des gemeinen Wertes einbringt, also ohne Aufdeckung aller stillen Reserven, die übernehmende Gesellschaft die Stimmrechtsmehrheit an der eingebrachten Kapitalgesellschaft hat und anschließend die eingebrachte Beteiligung innerhalb von sieben Jahren veräußert. Der einbringende Gesellschafter wird dann rückwirkend so behandelt, als habe er seine Beteiligung zum gemeinen Wert, also unter Aufdeckung aller stillen Reserven, eingebracht, und muss einen sog. Einbringungsgewinn II versteuern. Nach dem Gesetzeswortlaut gilt die Veräußerung als rückwirkendes Ereignis. Damit ist grundsätzlich eine Änderung des Einkommensteuerbescheids aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses zulässig.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine natürliche Person und alleinige Gesellschafterin der C-GmbH. Im Jahr 2007 brachte sie ihre Beteiligung in die B-GmbH ein, und zwar zu einem Wert unterhalb des gemeinen Wertes. Außerdem brachte auch der D seine 100%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in die B-GmbH ein. Im August 2008 wurde die B-GmbH in die B-OHG und damit in eine Personengesellschaft im Wege des Formwechsels umgewandelt, wobei die Buchwerte angesetzt wurden. Im September 2008 wurde der Formwechsel im Handelsregister eingetragen. Am 16.4.2010 erließ das Finanzamt erstmalig einen Einkommensteuerbescheid gegenüber der Klägerin, ohne dabei einen Einbringungsgewinn II zu berücksichtigen. Am 18.7.2014 erließ das Finanzamt einen geänderten Einkommensteuerbescheid und setzte nun den Einbringungsgewinn II an. Es sah in dem Formwechsel der B-GmbH in die B-OHG eine Veräußerung der Beteiligung an der C-GmbH innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist. Die Änderung stützte das Finanzamt auf die Korrekturvorschrift für Änderungen aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine Änderung aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses für rechtswidrig, verwies die Sache aber an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Prüfung zurück, damit dieses nun andere Korrekturvorschriften prüfen kann:

  • Ein Einbringungsgewinn II ist entstanden. Die Umwandlung der B-GmbH in eine B-OHG ist als Veräußerung der Anteile an der C-GmbH durch die B-GmbH anzusehen. Ein Formwechsel ist nämlich tauschähnlich und damit ein Veräußerungsvorgang. Die Anteile an der C-GmbH stehen nach der formwechselnden Umwandlung der B-OHG zu und damit mittelbar den Gesellschaftern der B-OHG und nicht mehr der B-GmbH. Die Gesellschafter der B-OHG (die Klägerin und der D) verlieren zugleich ihre Beteiligung an der B-GmbH.

  • Zwar sieht der Gesetzgeber eine zum sog. Einbringungsgewinn II führende Veräußerung als rückwirkendes Ereignis an. Dies bedeutet aber nicht, dass damit auch eine Änderung des Bescheids zulässig ist. Vielmehr müssen die weiteren Voraussetzungen der Änderungsnorm erfüllt sein. Das bedeutet, dass die zum Einbringungsgewinn II führende Veräußerung nach dem Erlass des zu ändernden Bescheids entstanden sein muss. Ist sie hingegen vor dem Erlass des Steuerbescheids erfolgt, kann sie nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids zurückwirken.

  • Denkbar ist allerdings, dass das Finanzamt der Klägerin erst nach dem Erlass des Einkommensteuerbescheids vom 16.4.2010 von der formwechselnden Umwandlung in die B-OHG erfahren hat. In diesem Fall könnte es sich um eine neue Tatsache handeln, die ebenfalls zu einer Änderung des Bescheids berechtigen würde.

  • Das FG muss nun aufklären, wann das Finanzamt von der formwechselnden Umwandlung erfahren hat: vor Erlass des Bescheids vom 16.4.2010, so dass eine Änderung des Einkommensteuerbescheids ebenfalls ausscheiden würde, oder erst nach dem Erlass des Bescheids vom 16.4.2010, so dass eine Änderung wegen neuer Tatsachen in Betracht kommen könnte.

Hinweise: Das BFH-Urteil ist für Steuerpflichtige positiv, weil es die Änderung von Steuerbescheiden zu Ungunsten der Steuerpflichtigen erschwert. Denn allein die Einstufung einer Veräußerung als rückwirkendes Ereignis durch den Gesetzgeber führt nicht zwingend zu einer Änderung des Bescheids.

Ein Einbringungsgewinn II ist zu versteuern, weil die übernehmende Kapitalgesellschaft die eingebrachte Kapitalgesellschaftsbeteiligung zu 95 % steuerfrei veräußern kann, während der Gesellschafter nur eine Steuerfreiheit von 40 % erhalten hätte. Deshalb muss die Kapitalgesellschaft die eingebrachten Anteile sieben Jahre lang halten. Veräußert sie vorher, werden die stillen Reserven ganz oder zeitanteilig beim einbringenden Gesellschafter in Gestalt des Einbringungsgewinns II versteuert. Für die Klägerin ist der Einbringungsgewinn "ärgerlich", weil die Anteile nicht zu 95 % steuerfrei verkauft wurden, sondern nach der formwechselnden Umwandlung wieder dem sog. Teileinkünfteverfahren wie vor der Einbringung unterlagen und zu 60 % steuerpflichtig waren. Dies rechtfertigt dem BFH zufolge aber keine Ausnahme zugunsten der Klägerin, da die stillen Reserven an der C-GmbH und an der von D eingebrachten Beteiligung gemischt und ausgetauscht wurden. Eine Ausnahme kommt nach dem BFH daher nur bei Einpersonen-Kapitalgesellschaften in Betracht, d.h. wenn an der B-GmbH nur die Klägerin beteiligt gewesen wäre.

BFH, Urteil vom 18.11.2020 – I R 25/18; NWB

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