Umsatzsteuerliche Organschaft auch mit Personengesellschaft, an der natürliche Personen beteiligt sind, zulässig

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Thema: Steuern: Unternehmer

vom: 06.05.2021



Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erkennt eine umsatzsteuerliche Organschaft auch dann an, wenn die Organgesellschaft (Tochtergesellschaft) eine Personengesellschaft ist, an der auch natürliche Personen beteiligt sind. Es ist daher unbeachtlich, dass die natürliche Person nicht in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert ist, weil der Organträger keine Stimmrechte an einer natürlichen Person halten kann.

Hintergrund: Bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft werden der Organträger und seine Organgesellschaften als ein Unternehmen zusammengefasst, so dass nur der Organträger Umsatzsteuer schuldet, und zwar auch für die Umsätze, die die Organgesellschaften ausgeführt haben. Der Organträger macht auch die Vorsteuern für die Organgesellschaften geltend. Eine Organschaft besteht, wenn eine Organgesellschaft wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Die finanzielle Eingliederung erfordert die Stimmenmehrheit. Nach deutschem Recht kann nur eine juristische Person wie z.B. eine GmbH eine Organgesellschaft sein; der EuGH hat aber bereits vor einigen Jahren entschieden, dass grundsätzlich auch Personengesellschaften Organgesellschaften sein können.

Sachverhalt: Klägerin war eine GmbH & Co. KG, die sich als Organgesellschaft der M-GmbH ansah. Die Gesellschafter der Klägerin waren die M-GmbH (der mögliche Organträger), die A-GmbH als Komplementärin, die D-GbR sowie die natürlichen Personen C, D und E als Kommanditisten. Bei der Klägerin galt das Mehrheitsprinzip. Die M-GmbH hatte sechs Stimmen an der Klägerin, während die übrigen Gesellschafter jeweils eine Stimme hatten. Die Klägerin war wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der M-GmbH eingegliedert. Das Finanzamt erkannte die Klägerin nicht als Organgesellschaft an, weil an ihr auch natürliche Personen beteiligt waren, an denen die M-GmbH keine Stimmenmehrheit hielt.

Entscheidung: Der EuGH entschied, dass die Klägerin eine Organgesellschaft sein kann, so dass nur die M-GmbH als Organträgerin die Umsatzsteuer abführen muss:

  • Nach dem europäischen Umsatzsteuerrecht können auch Personengesellschaften Organgesellschaften sein. Die einzelnen EU-Staaten dürfen die Anerkennung einer Organgesellschaft nicht davon abhängig machen, dass die Organgesellschaft eine juristische Person ist. Das europäische Umsatzsteuerrecht ist nicht restriktiv auszulegen.

  • Für die Anerkennung einer Organgesellschaft genügt es, dass diese wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung war nicht streitig; die finanzielle Eingliederung bestand, weil die M-GmbH als Organträgerin die Mehrheit der Stimmrechte an der Klägerin hatte. Damit konnte die M-GmbH ihren Willen bei der Klägerin durchsetzen.

  • Die Finanzverwaltung darf nicht verlangen, dass an der Personengesellschaft nur juristische Personen beteiligt sind, an denen der Organträger die Stimmrechtsmehrheit hält. Eine derartige Anforderung ist nach dem europäischen Umsatzsteuerrecht nicht gerechtfertigt und darf auch nicht zwecks Bekämpfung der Missbrauchsgefahr und der Steuerhinterziehung verlangt werden.

Hinweise: Der EuGH hat bereits vor ein paar Jahren entschieden, dass das deutsche Gesetz, das nur juristische Personen als Organgesellschaften anerkennt, mit dem europäischen Umsatzsteuerrecht nicht vereinbar ist. Die Finanzverwaltung hat daraufhin reagiert und nun auch Personengesellschaften als Organgesellschaften anerkannt, aber nur, wenn sämtliche Gesellschafter der Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind; dies setzte voraus, dass alle Gesellschafter der Personengesellschaft juristische Personen sind, da nur an juristischen Personen eine Stimmenmehrheit begründet werden kann.

Der EuGH widerspricht nun der Auffassung der Finanzverwaltung und lässt auch Personengesellschaften, an denen natürliche Personen beteiligt sind, als Organgesellschaften zu. Damit die Finanzverwaltung nicht schutzlos ist, stellt der EuGH es anheim, dass die Finanzverwaltung einen schriftlichen Nachweis für die finanzielle Eingliederung verlangen kann oder dass die Organschaft eine Bewilligung durch das Finanzamt voraussetzt. Auf diese Weise könnte verhindert werden, dass das im Gesellschaftsvertrag verankerte Mehrheitsprinzip durch ein Einstimmigkeitsprinzip mündlich ausgetauscht wird und sich damit die Voraussetzungen für die finanzielle Eingliederung ändern, ohne dass das Finanzamt hiervon zeitnah erfährt.

EuGH, Urteil vom 15.4.2021 - Rs. C-868/19 „M-GmbH“, NWB

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