Fahrtkosten können für Behinderte zur Steuerfalle werden

Fahrtkosten können für Behinderte zur Steuerfalle werden

Setzt das Versorgungsamt per Bescheid den Grad der Behinderung herab, hat das steuerliche Folgen für die Betroffenen. Denn das Finanzamt kann nachträglich die Absetzbarkeit der Kosten für Fahrten zur Arbeit einschränken, wenn der Bescheid erst später rechtskräftig wird.

Hintergrund
Arbeitnehmer können die Fahrtkosten zum Arbeitsplatz über die Entfernungspauschale in ihrer Steuererklärung geltend machen. Für Behinderte gibt es sogar eine erweiterte Abzugsmöglichkeit. Denn bei einem Behinderungsgrad von mehr als 70 % können die Betroffenen entweder die tatsächliche Höhe der Fahrtkosten oder die allgemeine Kilometerpauschale von 0,30 Cent ansetzen.

Glücklicherweise verbessert sich bei manchen Betroffenen der Gesundheitszustand. Damit sinkt aber auch der Behinderungsgrad mit der Folge, dass sich auch die steuerliche Behandlung der Fahrtkosten ändern kann, wie der aktuelle Streitfall zeigt.

Der Streitfall
Im Mai 1994 hatte das Versorgungsamt den Kläger per Bescheid als Schwerbehinderten mit einem Behinderungsgrad von 80 % anerkannt. Diesen Bescheid hob das Amt jedoch im Dezember 1999 auf und setzte den Behinderungsgrad auf 20 % herab. Da der Kläger diesen Bescheid gerichtlich anfocht, blieb er in den Streitjahren von 2000 bis 2007 weiterhin Inhaber des ursprünglichen Schwerbehindertenausweises. Folglich machte er in seinen Steuererklärungen weiterhin die tatsächlichen Fahrtkosten geltend.

Im Januar 2007 wies das Bundessozialgericht die Klage des Behinderten jedoch in letzter Instanz zurück. Folge: Das Finanzamt zog mit einem neuen Feststellungsbescheid für die steuerliche Behandlung der Fahrkosten nach. Im Klartext: Es berücksichtigte für die Fahrten zum Arbeitsplatz nicht die tatsächlichen Kosten, sondern nur die Entfernungspauschale.

Damit war der Kläger nicht einverstanden. Vor dem Finanzgericht begründete er seine Klage gegen den Feststellungsbescheid damit, dass er bis Juni 2007 im Besitz eines gültigen Schwerbehindertenausweises gewesen sei und damit auch die erhöhten Wegekosten geltend machen konnte. Der abweichende Feststellungsbescheid vom Dezember 1999 stehe dem nicht entgegen, da er erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundessozialgericht im Januar 2007 bestandskräftig geworden sei. Das Finanzgericht wies die Klage jedoch ab und ließ auch die Revision zum Bundesfinanzhof nicht zu.

Bundesfinanzhof weist Beschwerde zurück
Auch die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesfinanzhof, mit der der Kläger die Zulassung der Revision erreichen wollte, war nicht erfolgreich. Die Richter verwiesen vielmehr auf die bisherige Rechtsprechung. Trotz der Gültigkeit des Schwerbehindertenausweises bis zum bestandskräftigen Abschluss des Verfahrens vor dem Bundessozialgericht sei korrekt gewesen, die Einkommensteuerbescheide rückwirkend zu ändern, wenn wie im Streitfall der Behinderungsgrad rückwirkend geändert wurde.

Die Richter des Bundesfinanzhofs machten klar, dass auch in diesem Fall der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Vorrang habe. Mit der rechtskräftigen Herabsetzung des Behinderungsgrades sei es daher notwendig gewesen, die Fahrtkosten entsprechend steuerlich anders zu behandeln.

Praxistipp
Der Hinweis des Bundesfinanzhofs auf den Grundsatz der Besteuerung der Leistungsfähigkeit mag sehr formal klingen, dennoch werden Betroffene in solchen Fällen nicht an dieser Argumentation vorbeikommen. Auch in Zukunft werden sich solche Streitfälle nicht vermeiden lassen. Betroffene sollten daher in schwebenden Verfahren finanzielle Vorsorge treffen, damit sie nicht mit hohen Steuernachzahlungen konfrontiert werden, wenn die Sozialgerichte entsprechende Bescheide Jahre später für rechtskräftig erklären.