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Entfernungspauschale: Unfallkosten sind mit abgegolten

Entfernungspauschale: Unfallkosten sind mit abgegolten

Mit der Entfernungspauschale sind grundsätzlich sämtliche Aufwendungen abgegolten, die einem Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit bzw. nach Hause entstehen. Deshalb können die Kosten eines Unfalls und unfallbedingte Krankheitskosten nicht zusätzlich steuerlich geltend gemacht werden.

Hintergrund

Die Klägerin hatte auf der Fahrt zur Arbeit mit ihrem Auto einen Unfall. Danach klagte sie über Schmerzen im Kopf- und Nackenbereich. Die Reparaturkosten für das Fahrzeug beliefen sich auf ca. 7.000 EUR. Sowohl die Behandlungskosten als auch die Kosten der Reparatur bekam die Klägerin nur zum Teil erstattet. Die verbleibenden Kosten machte sie in ihrer Steuererklärung geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Reparaturkosten für das Fahrzeug als Werbungskosten an, nicht dagegen die Krankheitskosten.

Entscheidung

Die Klage hatte beim Finanzgericht keinen Erfolg. Denn nach Auffassung der Richter deckt die Entfernungspauschale nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes sämtliche Aufwendungen ab, die durch die Wege zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte entstehen. Dazu gehören auch die außergewöhnlichen Kosten, die z. B. bei einem Unfall entstehen. Deshalb kommt eine steuerliche Berücksichtigung der Behandlungskosten nicht infrage. Aus diesem Grund hätte das Finanzamt die Reparaturkosten für das Fahrzeug ebenfalls nicht berücksichtigen dürfen.

Entfernungspauschale: Unfallkosten sind mit abgegolten

Entfernungspauschale: Unfallkosten sind mit abgegolten

Mit der Entfernungspauschale sind grundsätzlich sämtliche Aufwendungen abgegolten, die einem Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit bzw. nach Hause entstehen. Deshalb können die Kosten eines Unfalls und unfallbedingte Krankheitskosten nicht zusätzlich steuerlich geltend gemacht werden.

Hintergrund

Die Klägerin hatte auf der Fahrt zur Arbeit mit ihrem Auto einen Unfall. Danach klagte sie über Schmerzen im Kopf- und Nackenbereich. Die Reparaturkosten für das Fahrzeug beliefen sich auf ca. 7.000 EUR. Sowohl die Behandlungskosten als auch die Kosten der Reparatur bekam die Klägerin nur zum Teil erstattet. Die verbleibenden Kosten machte sie in ihrer Steuererklärung geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Reparaturkosten für das Fahrzeug als Werbungskosten an, nicht dagegen die Krankheitskosten.

Entscheidung

Die Klage hatte beim Finanzgericht keinen Erfolg. Denn nach Auffassung der Richter deckt die Entfernungspauschale nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes sämtliche Aufwendungen ab, die durch die Wege zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte entstehen. Dazu gehören auch die außergewöhnlichen Kosten, die z. B. bei einem Unfall entstehen. Deshalb kommt eine steuerliche Berücksichtigung der Behandlungskosten nicht infrage. Aus diesem Grund hätte das Finanzamt die Reparaturkosten für das Fahrzeug ebenfalls nicht berücksichtigen dürfen.

Entfernungspauschale: Nutzung verschiedener öffentlicher Verkehrsmittel

Entfernungspauschale: Nutzung verschiedener öffentlicher Verkehrsmittel

Legt der Arbeitnehmer die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowohl mit dem eigenen Pkw als auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück, ist die insgesamt anzusetzende Entfernungspauschale teilstreckenbezogen zu ermitteln. Teilstrecken, die mit verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden, sind dabei als eine Teilstrecke anzusehen.

Hintergrund
Im Streitfall ist der Kläger zunächst mit dem Pkw 5 km zum Bahnhof und danach mit der Deutschen Bahn zum Hauptbahnhof des Beschäftigungsorts sowie anschließend mit der U-Bahn zur Arbeitsstätte gefahren. In seiner Steuererklärung machte er geltend, dass es sich um 3 Teilstrecken handele, und damit die U-Bahn-Fahrten mit den tatsächlichen Kosten anzusetzen seien. Das Finanzamt vertrat jedoch die Auffassung, dass es sich lediglich um 2 Teilstrecken – nämlich Fahrt zum Bahnhof mit dem Pkw (1. Teilstrecke) und Fahrt mit der Deutschen Bahn und der U-Bahn (2. Teilstrecke) handele, mit der Folge, dass durch die Begrenzung auf 4.500 EUR die tatsächlichen Kosten für die U-Bahn nicht zusätzlich angesetzt werden konnten.

Entscheidung
Das Finanzgericht hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Nach Auffassung des Finanzgerichts können im Streitfall insgesamt lediglich 2 Teilstrecken Berücksichtigung finden. Hierbei handelt es sich zunächst um jene Teilstrecke von der Wohnung des Klägers zum Hauptbahnhof, welche dieser mit seinem privaten Pkw zurückgelegt hat. Die 2. Teilstrecke bildet sodann jene vom Hauptbahnhof bis zur Arbeitsstätte, welche der Kläger mit öffentlichen Verkehrsmitteln – und zwar mit der Deutschen Bahn und der U-Bahn – zurückgelegt hat.

Dass die Teilstrecke vom Hauptbahnhof am Arbeitsort zur Arbeitsstätte nicht weiter unterteilt werden kann und dementsprechend für das letzte Teilstück, welches der Kläger mit der U-Bahn zurückgelegt hat, kein gesondertes Wahlrecht zwischen dem Ansatz der Entfernungspauschale und dem Ansatz der tatsächlichen Kosten besteht, folgt nach Auffassung des Finanzgerichts aus dem Wortlaut des Einkommensteuergesetzes. Der Gesetzgeber verwendet für das Tatbestandsmerkmal „für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel” den Plural. Dementsprechend kann unter dieses Tatbestandsmerkmal die Benutzung mehrerer unterschiedlicher öffentlicher Verkehrsmittel subsumiert werden. Wäre die Auffassung des Klägers zutreffend, hätte der Gesetzgeber in der Art formuliert, dass Aufwendungen „für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels” angesetzt werden können, soweit sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen.

Für Fahrten zwischen Wohnung und Feuerwache gilt Entfernungspauschale

Für Fahrten zwischen Wohnung und Feuerwache gilt Entfernungspauschale

Kernproblem

Das Reisekostenrecht wird sich mit Wirkung ab dem 1.1.2014 ändern. Eine wesentliche Änderung erfährt das Lohnsteuerrecht durch die Ablösung des bisherigen Begriffs der „regelmäßigen Arbeitsstätte“ durch die „erste Tätigkeitsstätte“ des Arbeitnehmers. Das sorgt zwar in vielen Fällen für Klarheit, bringt für einige Berufsgruppen aber auch Nachteile. Während der Bundesfinanzhof (BFH) der Bezirksleiterin einer Supermarktkette, die im Wechsel ihre Filialen ohne zentralen Schwerpunkt aufsuchte, noch eine Auswärtstätigkeit mit der Folge des Ansatzes von Reisekosten zugestand, dürfte das in Zukunft schwieriger werden. Im schlimmsten Fall könnte sogar die der Wohnung am nächsten gelegene Filiale zur ersten Tätigkeitsstätte werden. Für das zurzeit noch geltende Recht nimmt die Flut der Entscheidungen nicht ab. Diesmal hatte ein Feuerwehrmann geklagt.

Sachverhalt

Der nur einer Hauptwache zugeordnete Berufsfeuerwehrmann arbeitete im Schichtdienst. Er begann an 83 Tagen im Jahr morgens seinen 24-stündigen Dienst, an dem er an Einsätzen zur Lebensrettung, zum Löschen von Bränden oder zur Gefahrgutbeseitigung teilnahm. Nach Beendigung der Einsätze kehrte er regelmäßig zur Wache zurück und verrichtete dort andere Dienste. Darüber hinaus sah der Dienstplan Bereitschaftszeit vor. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Feuerwehrmann aufgrund der günstigeren Rechtsprechung des BFH Reisekosten für eine Auswärtstätigkeit geltend, weil er den qualitativen Schwerpunkt seiner Tätigkeit im Einsatz außerhalb der Wache sah. Das Finanzamt lehnte ab und gewährte nur die Entfernungspauschale, weil es die einsatzfreie Zeit als ebenso prägend für den Beruf ansah.

Entscheidung

Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht gab dem Finanzamt Recht und wies die Klage ab. Es war der Auffassung, dass der Feuerwehrmann auch an der Feuerwache schwerpunktmäßig tätig geworden sei, denn diese gewährleiste die Funktionsfähigkeit und ständige sofortige Einsatzbereitschaft der Berufsfeuerwehr. Damit sei auch kein Vergleich mit der durch die Rechtsprechung anerkannten Auswärtstätigkeit eines Betriebsprüfers gerechtfertigt, der in seinem Finanzamt lediglich gelegentlich an Dienstbesprechungen oder Verwaltungstätigkeiten teilnahm.

Konsequenz

Dem Feuerwehrmann wird auch das neue Reisekostenrecht nicht weiterhelfen. Gäbe es neben der Hautwache noch eine andere Wache, ließe sich durch eine dauerhafte Zuordnung dorthin ab 2014 ein günstigeres Ergebnis erzielen, selbst wenn diese nur untergeordnet aufgesucht würde. Auch andere Arbeitnehmer sollten das jetzt prüfen. Wie das Bundesfinanzministerium (BMF) Schreiben ausführt, können dafür Hilfs- und Nebentätigkeiten ausreichen.

Welche Entfernungspauschale gilt für Reisetage: ganze oder halbe?

Welche Entfernungspauschale gilt für Reisetage: ganze oder halbe?

Kernaussage
Wird aufgrund einer Dienstreise lediglich die Hin- oder Rückfahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Rahmen der so genannten Pendlerpauschale durchgeführt, steht dem Steuerpflichtigen die Entfernungspauschale in unverminderter Höhe von 0,30 EUR je Entfernungskilometer zu.

Sachverhalt
Ein Steuerberater trat an verschiedenen Tagen aufgrund von vor oder im Anschluss an Mandantenbesuche stattfindenden Büroaufenthalten (Dienstreise) lediglich eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an. Für die Fahrten zwischen Wohnung und Büro machte er die tatsächlichen Kosten geltend. Das Finanzamt gewährte ihm daraufhin jedoch lediglich den Abzug der Pendlerpauschale unter Berücksichtigung der halben Pendlerpauschale in Höhe von 0,15 EUR je Entfernungskilometer. Im Anschluss an das erfolglose Einspruchsverfahren legte der Steuerpflichtige Klage vor dem Finanzgericht (FG) Münster ein.

Entscheidung
Die Münsteraner Richter entschieden, dass die Fahrten nicht mit den tatsächlich hierfür angefallenen Kosten, sondern nur nach den Grundsätzen der Pendlerpauschale berücksichtigt werden können. Die Regelungen zur Pendlerpauschale rechtfertigten jedoch nicht die durch das Finanzamt vorgenommene hälftige Kürzung der Kosten je Entfernungskilometer, sodass auch an Tagen einfach durchgeführter Fahrten die volle Pendlerpauschale in Höhe von 0,30 EUR zu gewähren sei. Die Richter begründeten ihre Auffassung mit der Gesetzesformulierung, aus der sich unmissverständlich ergebe, dass die Pendlerpauschale unabhängig davon, wie oft die Strecke je Arbeitstag zurückgelegt werde, welches Verkehrsmittel benutzt oder welche Kosten tatsächlich angefallen seien, in voller Höhe berücksichtig werde.

Konsequenz
Die Sichtweise des Finanzgerichts muss für Arbeitnehmer entsprechend gelten. Für sie kann das Urteil zu einer erhöhten Pauschalierungsmöglichkeit für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber führen. Die Pauschalierung der Lohnsteuer mit einem Steuersatz von 15 % ist auf den Betrag der geltend zu machenden Pendlerpauschale beschränkt. Führt der Arbeitnehmer an einem Tag lediglich eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch, könnte die Pauschalierung somit trotzdem in Höhe der regulären Pendlerpauschale erfolgen. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.

Reparaturkosten infolge Falschbetankung neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten abziehbar

Das Niedersächsische Finanzgericht (NFG) hat mit Urteil vom 24.04.2013 (Az.: 9 K 218/12) einer Klage zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Kfz-Reparaturaufwendungen stattgegeben. Die Kosten waren dem Kläger wegen eines durch eine Falschbetankung auf dem Weg zur Arbeitsstelle verursachten Motorschadens entstanden. Das Gericht hat sich dabei gegen die zu diesem Problemkreis bisher ergangene FG-Rechtsprechung und die Auffassung der Finanzverwaltung gestellt.

Der Kläger hatte auf dem Weg von seinem Wohnort zur Arbeitsstelle beim Tanken aus Unachtsamkeit statt Diesel Benzin in sein Fahrzeug eingefüllt. Als der Motor kurze Zeit nach Fortsetzung der Fahrt „unregelmäßig“ lief, bemerkte er das Unglück. Der Kläger gelangte noch bis zu einer nahe gelegenen Werkstatt, die den Motorschaden reparierte. Die Versicherung lehnte eine Erstattung der Reparaturkosten (ca. 4.300 Euro) wegen der Sorgfaltspflichtverletzung des Klägers ab. Das Finanzamt meinte, neben der Entfernungspauschale (sog. Pendlerpauschale) seien nur Kosten eines Unfalls zum Werbungskostenabzug zuzulassen. Die Falschbetankung sei aber kein Unfall.

Das NFG stand vor dem Rechtsproblem, dass nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit dem Ansatz der verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale seit dem Jahr 2001 sämtliche Kosten für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten sein sollten. Die seit Einführung der Entfernungspauschale hierzu ergangene FG-Rechtsprechung und ein Teil der steuerrechtlichen Literatur haben mit Blick auf diesen Wortlaut Ausnahmen stets abgelehnt. Die Finanzverwaltung hat gleichwohl im Grundsatz Unfallkosten neben der Entfernungspauschale zum Werbungskostenabzug zugelassen.

Der 9. Senat des NFG hat dagegen die durch den Ansatz der Entfernungspauschale erfolgte Abgeltungswirkung auf die gewöhnlichen (laufenden) Kfz-Kosten, die einer Pauschalierung zugänglich sind, begrenzt und damit im Wege der Gesetzesauslegung die Rechtslage wiederhergestellt, die vor 2001 seit mehreren Jahrzehnten bestand. Danach waren neben der früheren Kilometerpauschale stets außergewöhnliche Wegekosten (z. B. Motorschaden, Diebstahl, Unfall) als Werbungskosten abzugsfähig.

Nach Überzeugung des Gerichts entspricht diese Auslegung dem in den Gesetzesmaterialien ausreichend klar zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzesgebers. Im Übrigen ist eine solche Auslegung – so die Finanzrichter – auch verfassungsrechtlich geboten, da anderenfalls § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG einem Abzugsverbot für Werbungskosten gleichkomme. Für eine solche Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips fehle aber die erforderliche sachliche Rechtfertigung.

Das NFG hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und Fortbildung des Rechts zugelassen. Ein Az. des BFH ist derzeit noch nicht bekannt.

Quelle: FG Niedersachsen, Pressemitteilung vom 17.05.2013 zum Urteil 9 K 218/12 vom 24.04.2013

Abzug von außergewöhnlichen Kfz-Kosten als Werbungskosten neben der Entfernungspauschale / Umfang der Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG
1. Durch eine Falschbetankung auf dem Weg vom Wohnort zur Arbeitsstelle und den dadurch herbeigeführten Motorschaden verursachte Reparaturaufwendungen sind als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG steuermindernd bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen (entgegen seit Einführung der Entfernungspauschale ergangener FG-Rechtsprechung; entgegen BMF-Schreiben vom 3. Januar 2013 IV C 5 – S 2351/09/10002 – DOK 2012/11700915, FR 2013, 190 Tz. 4).2. Außergewöhnliche Wegekosten, die einer Pauschalierung grundsätzlich nicht zugänglich sind, sind nicht durch den Ansatz der Entfernungspauschale von 0,30 Euro (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) abgegolten, denn sie werden durch die in § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG gesetzlich normierte Abgeltungswirkung nicht erfasst.3. Der in den Gesetzesbegründungen anlässlich der Einführung der Entfernungspauschale im Jahr 2001 und den folgenden Gesetzesänderungen des § 9 EStG zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers gebietet eine entsprechende Auslegung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG gegen den scheinbar klaren Wortlaut.

4. Da außergewöhnliche Wegekosten bei beruflicher Veranlassung grundsätzlich Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG darstellen, würde bei einer durch die bisherige FG-Rechtsprechung vorgenommenen (einschränkenden) Auslegung ansonsten § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG in seiner Wirkung einem Abzugsverbot für Werbungskosten gleichkommen.

5. Zur Vermeidung eines sachlich nicht gerechtfertigten Verstoßes gegen das objektive Nettoprinzip ist daher § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG in verfassungskonformer Weise über den Wortlaut hinaus so auszulegen, dass lediglich laufende Kfz- und Wegekosten, die grundsätzlich einer Pauschalierung zugänglich sind, von der Abgeltungswirkung erfasst werden.

Niedersächsisches Finanzgericht 9. Senat, Urteil vom 24.04.2013, 9 K 218/12

§ 9 Abs 1 S 1 EStG, § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG, § 9 Abs 2 S 1 EStG

Tatbestand

1
Streitig ist der Werbungskostenabzug von Reparaturkosten, die infolge einer Falschbetankung auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstanden sind.
2
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Kläger beziehen beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger ist Angestellter der X-AG.
3
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung  für das Streitjahr 2010 beantragte der Kläger den Abzug von 4.264 € für die Reparatur seines Pkw´s als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Nach den Angaben des Klägers war die Reparatur durch eine Falschbetankung auf dem Weg zur Arbeitsstätte verursacht.
4
Der Steuererklärung beigefügt war eine Unfall-/Schadenmeldung an die X- Versicherungsvermittlungs-GmbH. Danach hatte der Kläger am 5. November 2009 auf dem Weg zur Arbeitsstelle in W an der Tankstelle in C irrtümlich anstatt Diesel Benzin getankt und diese Falschbetankung erst kurz vor F bemerkt, als das Fahrzeug „unregelmäßig“ fuhr. Der Pkw wurde nach der Schadensschilderung des Klägers anschließend beim Autohaus W in F zur Reparatur abgegeben.
5
Nach den Feststellungen des Senats ereigneten sich sowohl die Falschbetankung als auch der anschließende Motorschaden am 5. November 2009 auf dem  Weg vom Wohnort des Klägers in R zur Arbeitsstelle in W. Dieser Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung von 24. April 2013).
6
Die Reparaturkosten betrugen nach der Rechnung des Autohauses W vom 30. November 2009 insgesamt 4.263,19 € (Arbeitspreis: 614,87 €; Materialkosten: 2.967,64 € inkl. 15,26 € für Betankung nach Reparatur; Umsatzsteuer: 680,68 €). Bezüglich der Einzelpositionen wird auf die Rechnung vom 30. November 2009 Bezug genommen.
7
Der Steuererklärung beigefügt war zudem ein Schreiben der X-AG vom 4. Januar 2010, in dem mitgeteilt wurde, dass der Kläger für seinen Schaden unbeschränkt selbst hafte und die Reparaturkosten selbst zu zahlen habe.
8
Das beklagte Finanzamt ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass die Kosten mit dem Ansatz der Kilometerpauschale abgegolten seien und es sich auch nicht um einen Verkehrsunfall gehandelt habe.
9
Der gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid 2010 gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
10
Mit der vorliegenden Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Abzug der Reparaturkosten als Werbungskosten weiter. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen Folgendes vor:
11
Die durch die Falschbetankung verursachten Reparaturkosten seien wie Unfallkosten zu behandeln und damit steuerlich neben der Entfernungspauschale abzugsfähig. Ein Unfall sei ein unerwünschtes, von außen auf einen und/oder mehrere Menschen oder Dinge rasch einwirkendes Ereignis, dass zu einem unfreiwilligen Schaden führe. Genauso sei die Falschbetankung passiert. Für den Abzug solcher Unfallkosten als Werbungskosten sei es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob neben der beruflichen Veranlassung weitere Umstände den Unfall herbeigeführt hätten, insbesondere, ob der Unfall auf das Verhalten eines Dritten oder eines Naturereignisses zurückzuführen seien. Auch das eigene Verhalten des Steuerpflichtigen, z.B. bei der Unfallverursachung, sei steuerlich ohne Bedeutung, wenn und solange dieses Verhalten nicht dem Bereich der privaten Lebensführung zuzurechnen sei. Das sei vorliegend nicht der Fall. Der Schaden sei auch nicht abwendbar gewesen. Zu einem Unfall zählten nicht nur Verkehrsunfälle, sondern auch vergleichbare Ereignisse.
12
Die Kläger beantragen,
13
den Einkommensteuerbescheid 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2012 abzuändern und weitere Werbungskosten in Höhe von 4.248 € bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit steuermindernd zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
14
Der Beklagte beantragt,
15
die Klage abzuweisen.
16
Der Beklagte weist darauf hin, dass gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG klargestellt sei, dass durch die Entfernungspauschalen sämtliche Aufwendungen abgegolten seien, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und durch die Familienheimfahrten veranlasst seien. Auf die Frage, ob der entstandene Schaden am Fahrzeug durch die Falschbetankung mit einem Unfall vergleichbar sei, komme es nicht an. Im Übrigen habe der Kläger eine erhebliche Sorgfaltspflichtverletzung begangen. Das habe auch dazu geführt, dass die Versicherung den Schaden nicht übernommen habe. Der Schaden sei abwendbar gewesen, wenn der Kläger nicht losgefahren wäre. Der beantragte Werbungskostenabzug führe vorliegend ausschließlich zur Belastung der Allgemeinheit und sei deshalb zu versagen. Bezüglich des weiteren Vorbringens verweist der Beklagte auf seinen Einspruchsbescheid vom 2. Juli 2012.
 

Entscheidungsgründe

17
1. Die Klage ist begründet.
18
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2010 vom 23. Dezember 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2012 sind rechtwidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -).
19
Die durch die Falschbetankung auf dem Weg vom Wohnort zur Arbeitsstelle und den dadurch herbeigeführten Motorschaden verursachten Reparaturaufwendungen sind als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG steuermindernd bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 EStG).
20
a. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Zu den Erwerbsaufwendungen zählen beruflich veranlasste Fahrtkosten. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG mit den tatsächlich entstandenen Aufwendungen oder mit 0,30 € pro gefahrenen Kilometer als Werbungskosten abzugsfähig. Allerdings begrenzt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (ab VZ 2014: erste Tätigkeitsstätte). Diese sind nur in Höhe der Entfernungspauschale abzugsfähig.
21
Bei den streitbefangenen Reparaturkosten, die infolge der Falschbetankung auf dem Weg zur Arbeitsstelle entstanden sind, handelt es sich dagegen um außergewöhnliche, nicht durch die vorgenannten Kilometerpauschbeträge abgegoltenen Aufwendungen.
22
Mit diesen Kilometerpauschbeträgen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH dazu die normalen, voraussehbaren Kosten, die dem Arbeitnehmer bei Benutzung des eigenen privaten PKW für berufliche Zwecke entstehen, abgegolten. Deshalb können insbesondere Kraftfahrzeugsteuern, Haftpflichtversicherungsprämien, übliche Reparaturkosten, Parkgebühren und Absetzung für Abnutzung nicht neben den Kilometer-Pauschbeträgen als Werbungskosten abgezogen werden. In den Pauschbeträgen sind indessen nicht berücksichtigt Unfallkosten und sonstige Kosten, die ihrer Natur nach außergewöhnlich sind und sich einer Pauschalierung entziehen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 1982 VI R 133/79, BStBl II 1982, 325, m.w.N.; BFH-Urteil vom 22. September 2010 VI R 54/09, BStBl. II 2011, 354). Zu den durch diese Norm nicht abgegoltenen Aufwendungen gehören – ähnlich den Reparaturkosten bei Motorschäden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 29. Januar 1982 VI R 133/79, BStBl II 1982, 325, m.w.N) – auch die im Streitfall durch die Falschbetankung verursachten Aufwendungen. Auch derartige Kosten sind einer Pauschalierung nicht zugänglich und können daher neben der Entfernungspauschale als (normale) Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abgezogen werden, denn sie sind ohne Zweifel durch das Arbeitsverhältnis veranlasst. Entscheidend ist insoweit der Anlass der Fahrt (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1994 VI R 54/94, BFH/NV 1995, 668 betr. Pkw-Unfallschaden bei der Fahrt zu einer Betriebsveranstaltung).
23
Da nach den Feststellungen des Senats sowohl die Falschbetankung als auch der dadurch verursachte Motorschaden am 5. November 2009 auf dem (direkten) Weg zur Arbeitsstelle in W stattgefunden haben, steht diese Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis fest.
24
Entgegen der Auffassung des Beklagten steht dem Werbungskostenabzug nicht entgegen, dass die Falschbetankung und damit der Schaden am Motor ggf. durch ein grob fahrlässiges Handeln des Klägers verursacht worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. Mai 2007 VI R 73/05, BStBl. II 2007, 766 betr. Schadensfahrt unter Alkoholeinfluss). Ausnahmsweise kommt der Werbungskostenabzug nur dann nicht in Betracht, wenn das auslösende Moment die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit war. Hierfür hat der Senat keine Anhaltspunkte.
25
Ebenso hat der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in Kenntnis der Falschbetankung losgefahren ist und damit der Schaden vermeidbar gewesen wäre.
26
Da die Kläger in der mündlichen Verhandlung ihren Klageantrag eingeschränkt haben und auf Hinweis des Senats die Betankungskosten von 15,26 € nicht mehr geltend machen, ist im Übrigen die Höhe des Werbungskostenabzugs zwischen den Beteiligten unstreitig. Insoweit hat auch der Senat keine Bedenken, da es sich um reine Reparaturkosten handelt.
27
b. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind derartige außergewöhnliche Wegekosten nicht durch den Ansatz der Entfernungspauschale von 0,30 € (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung) abgegolten, denn sie werden durch die in § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung gesetzlich normierte Abgeltungswirkung nicht erfasst.
28
aa. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmer für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 € anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 € im Kalenderjahr; ein höherer Betrag ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Pkw benutzt. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG gilt, dass durch die Entfernungspauschalen sämtliche Aufwendungen abgegolten sind, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und durch die Familienheimfahrten veranlasst sind.
29
Die Rechtsentwicklung bis zu der vorstehenden Gesetzesfassung, die historische Gesetzesentstehung und die jeweiligen gesetzgeberischen Motive geben nach Überzeugung des Senats Aufschluss über das Verständnis der streitentscheidenden Vorschriften.
30
(1) Nach der bis einschließlich zum Veranlagungszeitraum 2000 geltenden Fassung des § 9 Abs. 1 Satz 3  EStG unterschied der Gesetzgeber vom Verkehrsmittel abhängig wie folgt:
31
„Werbungskosten sind auch …
32
4. Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Fährt der Arbeitnehmer an einem Arbeitstag mehrmals zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hin und her, so sind die zusätzlichen Fahrten nur zu berücksichtigen, soweit sie durch einen zusätzlichen Arbeitseinsatz außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit oder durch eine Arbeitszeitunterbrechung von mindestens vier Stunden veranlaßt sind. Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so sind die Fahrten von oder zu einer Wohnung, die nicht der Arbeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird. Bei Fahrten mit einem eigenen oder zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeug sind die Aufwendungen mit den folgenden Pauschbeträgen anzusetzen:
33
a)bei Benutzung eines Kraftwagens 0,70 Deutsche Mark,
34
b)bei Benutzung eines Motorrads oder Motorrollers 0,33 Deutsche Mark“
35
Mit diesen Kilometerpauschbeträgen waren nach der ständigen Rechtsprechung des BFH dazu die normalen, voraussehbaren Kosten, die dem Arbeitnehmer bei Benutzung des eigenen privaten PKW für berufliche Zwecke entstehen, abgegolten. Deshalb konnten insbesondere Kraftfahrzeugsteuern, Haftpflichtversicherungsprämien, übliche Reparaturkosten, Parkgebühren und Absetzung für Abnutzung nicht neben den Kilometer-Pauschbeträgen als Werbungskosten abgezogen werden. In den Pauschbeträgen waren indessen nicht berücksichtigt Unfallkosten und sonstige Kosten, die ihrer Natur nach außergewöhnlich sind und sich einer Pauschalierung entziehen (vgl. etwa BFH-Urteile vom 29. Januar 1982 VI R 133/79, BStBl. II 1982, 325, m.w.N. betr. Motorschaden; vom 22. September 2010 VI R 54/09, BStBl. II 2011, 354 betr. Kosten eines Chauffeurs; vom 21. August 2012 VIII R 33/09, BFH/NV 2013, 114 betr. Unfallkosten). Diese außergewöhnlichen Kosten waren daneben als Werbungskosten gemäß § 9  Abs. 1 Satz 1 EStG abzugsfähig.
36
Dieser Auffassung war auch die Finanzverwaltung gefolgt (siehe H 42 – außergewöhnliche Kosten – LStH 2000).
37
(2) Durch das Gesetz zur Einführung der Entfernungspauschale erfolgte aus umwelt- und verkehrspolitischen Gründen ab dem Veranlagungszeitraum 2001 eine Umstellung der steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie für Familienheimfahrten von einem Kilometerpauschbetrag auf eine einheitliche verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale. Aus sozialen Erwägungen wurde die Entfernungspauschale auf 0,80 DM angehoben, um die zusätzlichen Belastungen der Kraftfahrzeugnutzer durch die erhöhten Treibstoffkosten abzufedern (BT-Drucks. 14/4242 S. 5).
38
Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG lautete nun wie folgt:
39
„4. Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,70 DM für die ersten 10 Kilometer und 0,80 DM für jeden weiteren Kilometer anzusetzen, höchstens jedoch 10.000 DM; ein höherer Betrag als 10.000 DM ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. … „
40
Zusätzlich wurden die Sätze 1 und 2 wie folgt in § 9 Abs. 2 EStG neu eingefügt:
41
„(2) Durch die Entfernungspauschalen sind sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und durch die Familienheimfahrten veranlasst sind. Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel können angesetzt werden, soweit sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen. …“
42
Nach dem Regierungsentwurf des Gesetzes zur Einführung einer Entfernungspauschale war zunächst dem neuen § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG nach einem Semikolon angefügt worden:
43
„dies gilt auch für Aufwendungen in Folge eines Verkehrsunfalls.“
44
Nach der Begründung dieses Entwurfs sollten mit der Entfernungspauschale sämtliche Aufwendungen, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. Familienheimfahrten veranlasst sind, abgegolten sein. Sie sollte danach auch ein Beitrag zur Steuervereinfachung sein, weil sie zukünftig Rechtsstreitigkeiten zwischen den Steuerpflichtigen und dem Finanzamt über die Berücksichtigung besonderer Kosten (z.B. Kosten für Abholfahrten)und außergewöhnlicher Kosten (z.B. Unfallkosten) bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und Familienheimfahrten vermeidet (vgl. BT-Drucks. 14/4242, S. 6).
45
Auf Empfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages wurde jedoch später der zweite Halbsatz des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG im Regierungsentwurf wieder gestrichen, „um eine Schlechterstellung von Pkw-Nutzern gegenüber der ursprünglichen Regelung“ zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 14/4631 S.11).
46
Diesem Willen des Gesetzgebers Rechnung tragend hat die Finanzverwaltung die Gesetzesfassung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG so ausgelegt, dass zumindest Unfallkosten als außergewöhnliche Kosten auch weiterhin neben der Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind (vgl. BMF 11. Dezember 2001 IV C 5-S 2351-300/01, BStBl. I 2001, 994 Tz. 3).
47
(3) Im Steueränderungsgesetz 2007 vom 19. Juli 2006 (BStBl. I 2006, 432) wurden ab VZ 2007 die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr als Werbungskosten anerkannt. Diese Aufwendungen wurden als Entfernungspauschale nur noch ab dem 20 km Entfernung „wie“ Werbungskosten berücksichtigt (vgl. § 9 Abs. 2 EStG in der Fassung des StÄndG 2007).
48
In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu (BT-Drucks. 16/1545, 14 linke Spalte 2. Absatz):
49
In den Beratungen zum Gesetz zur Einführung einer Entfernungspauschale (BGBl. 2000 I S. 1918) ist zum Ausdruck gebracht worden, dass neben der Entfernungspauschale weiterhin Unfallkosten als außergewöhnliche Kosten berücksichtigt werden sollen (Bundestagsdrucksache 14/4631), obwohl § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG bestimmt, dass mit der Entfernungspauschale sämtliche Aufwendungen für das Zurücklegen der Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten abgegolten sind. An dieser Ausnahmeregelung wird, auch im Hinblick auf die Streichung der Sonderregelung für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, nicht mehr festgehalten. Ab 2007 sollen auch die Unfallkosten unter die Abgeltungswirkung fallen. Nach der Gesetzesänderung soll die Ausnahmeregelung nach Textziffer 3 des BMF-Schreibens vom 11. Dezember 2001 (BStBl I S. 994) aufgehoben werden.“
50
(4) Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 9. Dezember 2008 (2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210) die unter (3) dargestellte Gesetzeslage für verfassungswidrig erklärt und vorläufig durch die vor 2007 bestehende Regelungslage ersetzt hatte, führte der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale die alte Gesetzeslage rückwirkend ab 2007 fort.
51
Im allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung heißt es unter anderem (BT-Drucks. 16/12099 S. 6):
52
Der wesentliche materielle Unterschied zu der vorläufigen Regelung des Bundesverfassungsgerichts besteht darin, dass nach der Gesetzeslage 2006
53
– Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch abziehbar sind, soweit sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen, und
54
– Unfallkosten als außergewöhnliche Aufwendungen nicht durch die Entfernungspauschale abgegolten sind.“
55
56
Durch die Entfernungspauschale sind weiterhin sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und Familienheimfahrten entstehen
57
Entsprechend diesem gesetzgeberischen Willen lässt die Finanzverwaltung Unfallkosten auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wieder als außergewöhnliche Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zum Werbungskostenabzug zu. Sonstige gewöhnliche (z.B. Parkkosten, Finanzierungskosten, Versicherungsbeiträge, Beiträge für Kraftfahrerverbände) oder außergewöhnliche Aufwendungen (z.B. Diebstahl, Motorschaden) sollen aber von der Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG erfasst sein (so BMF-Schreiben vom 3. Januar 2013 IV C 5 – S 2351/09/10002 – DOK 2012/11700915, FR 2013, 190 Tz. 4).
58
bb. Seit der Einführung der Entfernungspauschale ist die steuerliche Bewertung der vorstehenden Gesetzesentwicklung im Hinblick auf die Frage der Reichweite der Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG umstritten.
59
(1) Soweit ersichtlich hatte sich der Bundesfinanzhof für Zeiträume ab VZ 2001 nicht mit Fällen der Abgeltungswirkung für außergewöhnliche Kosten für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu befassen. Im Übrigen vertritt der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich aus der Formulierung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 “zur Abgeltung … ist für jeden Arbeitstag … anzusetzen“ unmissverständlich ergebe, dass der  Abzugsbetrag ungeachtet tatsächlich höherer oder niedriger Aufwendungen je Arbeitstag berücksichtigt werde. Dies wird nach Auffassung des BFH zudem durch § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG bestätigt. Danach greift die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale auch dann ein, wenn wegen atypischer Dienstzeiten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zweimal arbeitstäglich erfolgen. Sämtliche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien damit abgegolten. Eine Einschränkung des Anwendungsbereiches im Wege einer teleologischen Reduktion auf „normale“ oder „typische“ Arbeitsverhältnisse sei nicht möglich. Der Gesetzgeber sei von Verfassungswegen nicht verpflichtet, für atypische Dienstzeiten eine Ausnahme von der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale vorzunehmen (vgl. BFH-Beschluss vom 11. September 2003 VI B 101/03, BStBl. II 2003, 893 betreffend Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale bei einem Opernchorsänger; BFH-Beschluss vom 11. September 2012 VI B 43/12, BFH/NV 2012, 2023). Im Urteil vom 15. April 2010 (VI R 20/08, BStBl. II 2010, 805) hat der BFH die Abgeltungsreichweite der Entfernungspauschale insoweit präzisiert, als regelmäßig sämtliche mit dem Betrieb des Fahrzeugs verbundenen Aufwendungen abgegolten sind. Diese Abgeltungswirkung erfasse auch eine Leasingsonderzahlung. Dagegen ist nach Auffassung des BFH der Abzug der Kosten für ein in der Semestergebühr gegebenenfalls enthaltendes Semesterticket nicht von der Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG erfasst, wenn die Entrichtung eines gegebenenfalls in der Semestergebühr mitenthaltenen Betrags für ein Semesterticket auf einem anderen Veranlassungszusammenhang (z.B. der für das Studium erforderlichen Erlangung  des Studentenstatus) beruht (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 2011 III R 38/08, BStBl. II 2012, 338).
60
(2) Die bislang mit der Rechtsproblematik befassten Finanzgerichte sind bis auf eine Ausnahme (siehe unten) der Auffassung, dass durch außergewöhnliche Ereignisse wie Diebstahl, Unfall oder Motorschaden verursachte Aufwendungen nicht zusätzlich als Werbungskosten neben der Entfernungspauschale geltend gemacht werden können (vgl. u.a. FG München, Urteil vom 21. April 2009 13 K 4357/07, juris, betr. Motorschaden aufgrund vorzeitigem Verschleiß; FG Hamburg, Urteil vom 5. Juli 2006 1 K 4/06, EFG 2006, 1822 betr. auf der Fahrt zur Arbeit gestohlener PKW; FG Nürnberg, Urteil vom 4. März 2010 4 K 1497/08, EFG 2010, 1125 betr. Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit; Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 18. März 2005 8 K 4194/04, DStRE 2006, 258 betr. Diebstahl eines Motorrollers; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Mai 2008 3 K 1699/05, DStRE 2008, 1498 betr. Kfz-Unfall).
61
Soweit ersichtlich, ist nur das FG Schleswig–Holstein (Urteil vom 30. September 2009 2 K 386/07, DStRE 2010, 147) der Auffassung, dass die Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG nur gewöhnliche Kosten umfasst, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstehen. Danach könnten außergewöhnliche Kosten neben der Entfernungspauschale abgezogen werden. Diese Auffassung stützt sich auf die ältere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zur Rechtslage bis einschließlich VZ 2000. Im dortigen Streitfall spielte dies jedoch keine Rolle, da die streitbefangenen Mautgebühren  als gewöhnliche Kosten angesehen und damit als mit der Entfernungspauschale abgegolten gewertet wurden. Eine Auseinandersetzung mit der bereits zur Zeit der Urteilsabfassung  vielfachen entgegenstehenden FG-Rechtsprechung zur Erfassung auch der außergewöhnlichen Kosten und dem entgegenstehenden Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG erfolgte nicht.
62
Die übrige FG-Rechtsprechung stellt in erster Linie auf den Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG ab. Dieser eindeutige Wortlaut schließe die Geltendmachung weiterer – auch außergewöhnlicher – Aufwendungen aus (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 4. März 2010, a.a.O., m.w.N.). Die frühere Rechtsprechung des BFH, die neben den alten Kilometerbeträgen den Ansatz außergewöhnlicher Aufwendungen gestattete, beziehe sich auf einen anderen Gesetzestext und sei daher durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit Wirkung ab dem 1. Januar 2001 überholt (so ausdrücklich FG München, Urteil vom 21. April 2009, a.a.O.; FG Nürnberg, Urteil vom 4. März 2010, a.a.O.).
63
Durch die Entfernungspauschale seien nach der ausdrücklichen Bestimmung und nach dem unmissverständlichen Wortsinn sämtliche Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Diese der Steuervereinfachung dienende Abgeltungswirkung habe angesichts des Wortlauts der Vorschrift zur Folge, dass außergewöhnliche Aufwendungen neben der Entfernungspauschale nicht mehr abziehbar seien. Neben dem Wortsinn des § 9 Abs. 2. Satz 1 EStG spreche auch die Systematik des Gesetzes dagegen, außergewöhnliche Kosten neben den Pauschalen für abzugsfähig zu halten. Ausnahmen von der in § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG geregelten umfassenden Abgeltungswirkung seien in § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG geregelt. Daraus werde deutlich, dass eine Ausnahme für außergewöhnliche Kosten, wenn es denn eine geben sollte, dort bei den weiteren Ausnahmen hätte geregelt werden können und müssen. Das sei jedoch nicht geschehen, was auch jenseits des klaren Wortlauts dafür spreche, dass es für außergewöhnliche Kosten keine Ausnahme geben solle (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 18. März 2005, a.a.O.).
64
Auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes soll sich nach der Auffassung der vorgenannten FG-Rechtsprechung nichts anderes ergeben. Zwar ergebe sich aus der Gesetzesbegründung, dass eine Schlechterstellung von PKW-Benutzern gegenüber der ursprünglichen Regelung nicht gewollt sei (BT-Drucksache 14/4631, S.11). Da die Abgeltungswirkung nun aber ausdrücklich gesetzlich verankert sei, liege die Schlussfolgerung nahe, dass darüber hinausgehende Aufwendungen nicht mehr abziehbar sein sollen. Ein möglicherweise bestehender anderweitiger Wille des Finanzausschusses helfe nicht über den klaren Wortlauts des §  9 Abs. 2 Satz 1 EStG hinweg. Es seien auch keine vernünftigen Gründe dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber angesichts des klaren Wortlautes nicht das zum Ausdruck gebracht habe, was er zum Ausdruck habe bringen wollen (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 18. März 2005, a.a.O.).
65
Die Gesetzeshistorie könne nicht zur Begründung eines dem klaren Wortlaut des Gesetzes widersprechenden Ergebnisses herangezogen werden. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt ausgesprochen, dass die Gesetzesmaterialien mit Vorsicht, nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden dürften, als sie auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen. Der sogenannte Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, könne bei der Interpretation nur insoweit berücksichtigt werden, als er im Text Niederschlag gefunden habe. Die Materialien dürften nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen. Auch der BFH folge dieser Formel vom objektivierten Willen des Gesetzgebers. Eine Auslegung gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut sei nur in einem äußerst beschränkten Maße, und zwar dann zulässig, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem offenbar unrichtigen bzw. zu einem jeder wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis führen würde, dass dem Sinn und Zweck der Vorschrift und dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufe (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 4. März 2010, a.a.O., unter Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 3. September 1999 I B 169/98, BFH/NV 2000, 42).
66
Nach Auffassung der bisherigen FG-Rechtsprechung bestätigt der objektivierte Regelungswille, der in dem eindeutigen Wortlaut („sämtliche Aufwendungen“) seinen Niederschlag gefunden habe, schließlich auch denSinn und Zweck der Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Sie diene dadurch der Vereinfachung, dass grundsätzlich nur noch die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und die Anzahl der Arbeitstage festgestellt werden müsse. Dadurch entfalle für den Steuerpflichtigen das Erfordernis, seine Aufwendungen zu belegen und für die Verwaltung eine  diesbezügliche Überprüfung. Sinn und Zweck der Einführung der Abgeltungswirkung in § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sollte nach den gesetzgeberischen Motiven auch die Vermeidung zukünftiger Rechtsstreitigkeiten zwischen Steuerpflichtigen und dem Finanzamt über die Berücksichtigung besonderer Kosten (z.B. Kosten für Abholfahrten) und außergewöhnliche Kosten (z. B. Unfallkosten) bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sein (vgl. FG Münster, Urteil vom 19. Dezember 2012 11 K 1785/11 F, EFG 2013, 419, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VIII R 12/13 betr. sog. Dreiecksfahrten). Wenn jedoch eine derartige Typisierung zur Verwaltungsvereinfachung vorgenommen werde, seien auch Unschärfen und von dem typischen Geschehensablauf abweichende Konstellationen  hinzunehmen. Der Gesetzgeber dürfe sich im Übrigen grundsätzlich am Regelfall orientieren und sei nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber habe vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen und deren Abwicklung einen Raum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen. Dabei fordere der Gleichheitssatz nicht eine immer mehr individualisierende und spezialisierende Gesetzgebung, die letztlich die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs gefährde. Es habe dem Gesetzgeber auch unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) freigestanden, für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte eine typisierende Abgeltungsregelung zu treffen, auch wenn dadurch nicht in allen Fällen die tatsächlich angefallenen Aufwendungen abgedeckt werden, selbst wenn es sich hierbei um nach der früheren Rechtslage berücksichtigungsfähige außergewöhnliche Aufwendungen handele (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 18. März 2005, a.a.O.).
67
Selbst Unfallkosten auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte werden nach der FG-Rechtsprechung trotz großzügiger Handhabung durch die Finanzverwaltung aus den vorstehenden Gründen nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 4. März 2010 a.a.O.; möglicherweise anderer Auffassung: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Mai 2008 3 K 1699/05, DStRE 2008, 1498 betr. Anrechnung von Entschädigungsleistungen der privaten Vollkaskoversicherung auf entstandene Unfallkosten).
68
(3) Die Auffassungen zum Umfang der Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind in der steuerrechtlichen Literatur geteilt.
69
(a) Teilweise wird ausgehend vom Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG und dem Fehlen einer Abgeltungsregelung bis 2001 geschlossen, dass über die Entfernungspauschale hinaus ein Abzug auch außergewöhnlicher Aufwendungen unter Berufung auf die Grundvorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht möglich ist (so u.a. Bergkemper in Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, § 9 Anm. 641; ders., FR 2011, 288, 289; Zimmer in Littmann/Bitz/Pust, Kommentar zum EStG, Stand Febr. 2013, 98 Erg. Lfg., § 9 Rz. 901; Urban, FR 2011, 289; Kettler, DStZ 2002, 677; Fuchsen, StB 2001, 122). Dies bedeute eine Schlechterstellung gegenüber der bis 2000 geltenden Rechtspraxis. Die Systematik (andere Ausnahmen sind explizit im Gesetz aufgeführt) und der Regelungszweck (Steuervereinfachung) werden zudem als Begründung angeführt. Die Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sei nicht entscheidend, weil es bei der Auslegung eines Gesetzes in erster Linie nicht auf den historischen, sondern einen objektivierten Willen des Gesetzgebers ankomme (so ausdrücklich Zimmer, a.a.O.).
70
(b) Ein anderer Teil, insbesondere der Kommentarliteratur, ist dagegen der Auffassung, dass auch nach Einführung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG Aufwendungen, die ihrer Natur durch außergewöhnliche, nicht pauschalierbare Ereignisse entstehen, neben der Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind (so Thürmer in: Blümich, Kommentar zum EStG/KStG/GewStG, § 9 EStG Rz. 510; Schmidt/Drenseck, EStG, 30. Auflage 2011, § 9  Rz. 126; Schmidt/Loschelder, EStG, 32. Auflage 2013, § 9 Rz. 126 jeweils unter Berufung auf BFH-Urteil vom 22. September 2010 VI R 54/09, BStBl. II 2011, 354; Frotscher, EStG-Kommentar, § 9 Rz. 148; v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG-Kommentar, § 9 Rdnr. F90 ff.). Ungewöhnliche Kosten führten zu einer ungleichen Belastung des Steuerpflichtigen und müssten daher neben der Entfernungspauschale ansetzbar sein (so Frotscher, a.a.O.). Zudem werden die Gesetzesmaterialien zur Begründung herangezogen (so v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O.).
71
cc. Nach der Überzeugung des Senats werden die streitbefangenen Reparaturkosten als außergewöhnliche Kosten entgegen der von den vorgenannten Finanzgerichten und einem Teil der steuerrechtlichen Literatur vertretenen Auffassung nicht von der Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG erfasst.
72
(1) Zunächst ist den Vertretern der gegenteiligen Auffassung zuzugestehen, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG („sämtliche Aufwendungen“) scheinbar eine vom Senat vorgenommene Auslegung nicht zulässt (so wohl u.a. Bergkemper in Hermann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Anm. 641; ders. FR 2011, 288, 289; Urban, FR 2011, 289). Maßgebend für die Interpretation einer gesetzlichen Vorschrift ist aber nicht nur der reine Wortlaut, sondern entscheidend ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 2010 IV R 23/08, BFHE 231, 544, BStBl II 2011, 277). Der Feststellung dieses Willens dienen die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalische Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien (vgl. hierzu Kanzler, FR 2007, 525) und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung). Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 2010, a.a.O.; Geserich, Beihefter zu DStR Heft 31/2011, 59).
73
Gegen den Wortlaut ist die Auslegung eines Gesetzes deshalb nur ausnahmsweise möglich, wenn nämlich die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen (offenbar unrichtigen bzw. zu einem jeder wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden, so unverständlichen Ergebnis führen würde, dass ein verständiger Steuerpflichtiger das Gesetz nicht so hätte auffassen können) Ergebnis führt, dass vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigt sein kann, oder wenn sonst anerkannte Auslegungsmethoden, etwa eine verfassungskonforme Auslegung, dies verlangen (Geserich, a.a.O., m.w.N.).
74
Aus Sicht des Senats wird der objektivierte Wille des Gesetzgebers in Bezug auf die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG nur im Zusammenhang mit der historischen Gesetzesentwicklung und der diesbezüglichen Gesetzesbegründung deutlich. Wie bereits unter 1. b. aa. oben dargestellt wurde, waren zunächst bis zum Jahr 2000 mit den unterschiedlichen Kilometerpauschsätzen für Kraftwagen bzw. Motorräder oder Motorroller lediglich die normalen, voraussehbaren Kosten, die dem Arbeitnehmer bei der Benutzung der Verkehrsmittel für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstehen, abgegolten. Ausnahmsweise ließ das Gesetz in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. auch mehrmalige Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an einem Arbeitstag zum Werbungskostenabzug zu. Außergewöhnliche Kosten, die ihrer Natur nach einer Pauschalierung nicht zugänglich waren (z.B. Motorschaden, Unfallkosten und Ähnliches), waren daneben entsprechend der langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung als Werbungskosten gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abzugsfähig. Mit der Gesetzesänderung ab dem Veranlagungszeitraum 2001 und der Einführung der einheitlichen, verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale wollte der Gesetzgeber mit der erstmaligen Einführung einer Abgeltungswirkung in § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG offensichtlich eine Steuervereinfachung erzielen, und zwar zunächst im Hinblick auf die Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt über die Berücksichtigung besonderer Kosten (z.B. Kosten für Abholfahrten) und außergewöhnliche Kosten (z.B. Unfallkosten) bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (BT-Drucks. 14/4242, Seite 6). Im Entwurf der Bundesregierung enthielt § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG insoweit jedoch nach dem Semikolon den Nachsatz „dies gilt auch für Aufwendungen in Folge eines Verkehrsunfalls“. Ausweislich der vorgenannten Gesetzesbegründung ist klar zum Ausdruck gekommen, dass die Unfallkosten lediglich als Beispiel für außergewöhnliche Wegekosten gemeint sind. Um eine Schlechterstellung gegenüber der vorgenannten Rechtslage bis einschließlich VZ 2000 zu vermeiden, wurde dieser Nachsatz schließlich in der endgültigen Gesetzesfassung wieder weggelassen. Dadurch hat der Gesetzgeber in objektivierbarer Weise zum Ausdruck gebracht, dass mit dem schließlich Gesetz gewordenen Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG – anders als zunächst beabsichtigt – außergewöhnliche Kosten wie Unfallkosten nicht von der Abgeltungswirkung erfasst werden sollen. Anders wäre nicht erklärlich, warum der Gesetzgeber in der Ausgangsfassung des Regierungsentwurfes die Notwendigkeit gesehen hatte, die Unfallkosten ausdrücklich in die Umfang der Abgeltungswirkung mit aufzunehmen. Diesen Willen des Gesetzgebers entsprechend hat auch das maßgeblich an Gesetzesvorhaben beteiligte Bundesfinanzministerium gehandelt und zumindest Unfallkosten als außergewöhnliche Kosten auch weiterhin neben der Entfernungspauschale berücksichtigt. So gesehen ist auch nicht verwunderlich, dass der entgegenstehende Wortlaut der Regelung aus Kreisen der Finanzverwaltung als offensichtliches Redaktionsversehen dargestellt wird (vgl. Morsch, DStR 2001, 245). Danach war eine derartige Ausweitung der Abzugsbeschränkung vom Gesetzgeber gerade nicht beabsichtigt.
75
Das wird auch dadurch erkennbar, dass bei der Bemessung der Entfernungspauschale der Höhe nach der Gesetzgeber – gegenüber der bis VZ 2000 geltenden Kilometerpauschale – lediglich eine Steigerung der Benzinkosten berücksichtigt hat. Eine Einrechnung eines Betrags für außergewöhnliche Kosten hat – zutreffender Weise (weil nicht pauschalierungsfähig) – gar nicht stattgefunden.
76
Zweifel an diesem objektivierten Willen des Gesetzgebers, der in verunglückter Weise scheinbar im Wortlaut keinen klaren und eindeutigen Niederschlag gefunden hat, können aus Sicht des Senates nicht bestehen, denn der Gesetzgeber hat in mehrfacher Weise bei späteren Gesetzesänderungen in den Begründungen zum Ausdruck gebracht, dass weiterhin außergewöhnliche Kosten für Wege zwischen Wohnung und Arbeit abzugsfähig sein sollen (so z.B. in der Gesetzesbegründung zum Steueränderungsgesetz 2007, BT-Drucks. 16/1545, 14). Ab dem VZ 2007 sollten ausdrücklich auch die Unfallkosten unter die Abgeltungswirkung fallen.
77
Noch deutlicher wird dieser objektivierte Wille in der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale (BT-Drucksache 16/12099, Seite 6). Hier führt der Gesetzgeber weiterhin aus, dass bis 2006 und auch zukünftig Unfallkosten als außergewöhnliche Aufwendungen nicht durch die Entfernungspauschale abgegolten sind. Durch die Entfernungspauschale sollen weiterhin sämtliche Aufwendungen abgegolten werden, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und Familienfahrten entstehen. Dies kann (bei gleichzeitiger Geltung des unveränderten Wortlauts „sämtliche Aufwendungen“) nur so verstanden werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die üblichen, normalen, einer Pauschalierung zugänglichen Aufwendungen abgegolten sein sollen, nicht jedoch außergewöhnliche Kfz-Kosten wie z.B. Unfallkosten. So hat auch das Bundesfinanzministerium die aktuelle Gesetzesfassung – bezogen auf die Unfallkosten – im BMF-Schreiben vom 3. Januar 2013 (FR 2013, 190 Tz. 4) ausgelegt.
78
Im Ergebnis gebieten die vorgenannten Gesetzesentwicklungen und –begründungen aus Sicht des Senates zwingend eine Auslegung dahingehend, dass außergewöhnliche Aufwendungen nicht mit der Entfernungspauschale abgegolten sind.
79
Sinn und Zweck und Systematik des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG stehen dem nicht entgegen. Wie die Entscheidungen des BFH und der Finanzgerichte im Anschluss an die Gesetzesänderung im Jahr 2001 zeigen, bleibt der Steuervereinfachungszweck des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG erhalten. Dies gilt sowohl hinsichtlich sämtlicher laufenden Kfz-Kosten als auch hinsichtlich der Problematik von Mehrfach-, Umweg-, Dreiecks- oder Abholfahrten.
80
Aus systematischer Sicht vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die Gesetzessystematik dem gefundenen Auslegungsergebnis widerspricht. Allein aus der Aufnahme weiterer tatsächlich neben der Entfernungspauschale zu berücksichtigender Kosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kann nicht geschlossen werden, dass alle anderen Kosten vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen sein sollen.
81
(2) Obwohl für den Senat nicht bindend, hat die Finanzverwaltung den Umfang der Abgeltungswirkung in ähnlicher Weise interpretiert, insbesondere ausgehend ebenfalls von der Gesetzeshistorie und der Gesetzesbegründung, jedoch beschränkt auf die Unfallkosten. Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Senat jedoch nicht prüfen, ob die im vorliegenden Streitfall relevanten Reparaturkosten unfallkostenähnlich sind und der Kläger aus diesem Grund ebenfalls in den für ihn sachlichen Anwendungsbereich des BMF-Schreibens vom 3. Januar 2013 gelangt. Norminterpretierende oder typisierende Verwaltungsvorschriften oder BMF-Schreiben mit materiell-rechtlichem Inhalt dürfen durch die Gerichte weder wie Gesetze ausgelegt noch verändert werden (BFH-Beschluss vom  15. März 2011 VI B 145/10, BFH/NV 2011, 983).
82
Für eine solche Beschränkung der Abzugsfähigkeit außergewöhnlicher Wegekosten im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG auf Unfallkosten ergeben sich für den Senat dagegen auch keinerlei Anhaltspunkte im Gesetz oder der Steuerrechtsprechung. Nach der Terminologie des EStG sind Unfallkosten keine eigenständige Kategorie von Erwerbsaufwendungen, die einer gesonderten steuerlichen Behandlung zugänglich wären. Sie stellen vielmehr – so schon die BFH-Rechtsprechung für VZ bis 2000 – eine (wenn auch die wohl praxisrelevanteste) Fallgruppe der außergewöhnlichen Wegekosten dar, die nicht vorhersehbar und für den Steuerpflichtigen unabwendbar sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1994 VI R 54/94, BFH/NV 1995, 668).
83
Diese Rechtsauffassung wird bestätigt durch die Gesetzesbegründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Einführung einer Entfernungspauschale. Hier heißt es in der Begründung zur Ausgangsfassung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG (vgl. BT-Drucks. 14/4242, S. 6) wörtlich:
84
„Sie ist deshalb auch ein Beitrag zur Steuervereinfachung, weil sie zukünftig Rechtsstreitigkeiten zwischen den Steuerpflichtigen und dem Finanzamt über die Berücksichtigung besonderer Kosten (z.B. Kosten für Abholfahrten) und außergewöhnlicher Kosten (z.B. Unfallkosten) bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und Familienheimfahrten vermeidet.“
85
(3) Da die streitbefangenen Reparaturkosten unstreitig Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG darstellen (s.o.), würde bei einer durch die bisherigen FG-Rechtsprechung vorgenommenen (einschränkenden) Auslegung ansonsten § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG in seiner Wirkung einem Abzugsverbot für Werbungskosten gleichkommen (vgl. z.B. zur Verfassungswidrigkeit des Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2012 9 K 1637/10, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VIII R 13/13; zur Verfassungswidrigkeit des Abzugsverbots des § 9 Abs. 6 EStG siehe Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG, Anm. 711 u. Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG, Anm. 9). Ein damit einhergehender Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip wäre jedoch nicht gerechtfertigt.
86
Die vom Gesetzgeber (einzig) angeführten Vereinfachungszwecke können lediglich eine geringfügige Mehrbelastung rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2010 1 BvR 12/07, BVerfGE 127, 224 unter D.III.3.b.dd. der Entscheidungsgründe). Ein Ausschluss aller außergewöhnlichen Wegekosten vom Werbungskostenabzug verlässt diesen dem Gesetzgeber eröffneten Rahmen jedoch deutlich. Die Fälle von Aufwendungen in Folge von Unfall, Diebstahl oder Motorschaden auf dem Weg zur Arbeitsstelle erscheinen dem Senat zum einen nicht vernachlässigbar gering. Zum anderen hätte der Gesetzgeber nicht in ausreichendem Maße dargelegt, dass es sich nur um eine kleine Zahl von Fällen handelt, die im Rahmen einer Pauschalierung aufgehen kann. Eine entsprechende Erhebung hierzu ist dem Senat jedenfalls nicht bekannt.
87
Außerdem tritt durch eine Einbeziehung der außergewöhnlichen Wegekosten in die Abgeltungswirkung ein großer Vereinfachungseffekt nicht ein. Die außergewöhnlichen Wegekosten beruhen auf einem besonderen, isolierten Ereignis. Deshalb sind die Kosten in aller Regel leicht von den übrigen laufenden Kfz-Kosten zu trennen. Nur der einheitliche berufliche Anlass – die Fahrt zur Arbeitsstelle – verbindet die laufenden mit den außergewöhnlichen Kosten.
88
Auch unter diesem Aspekt kann § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG in verfassungskonformer Weise daher über den scheinbar klaren Wortlaut der Vorschrift hinaus nur so ausgelegt werden, dass lediglich laufende Kfz- und Wegekosten, die grundsätzlich einer Pauschalierung zugänglich sind, von der Abgeltungswirkung erfasst werden.
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Im Ergebnis folgt der Senat in diesem Punkt der Auffassung von Frotscher (ESt-Kommentar, § 9 Rz. 148), der ebenfalls in einer Einbeziehung außergewöhnlicher Kosten in die Pauschalierung einen Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sieht. Danach belasten ungewöhnliche Kosten die Steuerpflichtigen ungleich und müssen daher als Einzelkosten neben der Pauschale angesetzt werden.
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(4) Für die vorgenommene Auslegung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG spricht nach Überzeugung des Senats auch, dass für den Fall, dass der Gesetzgeber tatsächlich eine Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Wegekosten und damit eine Schlechterstellung gegenüber der jahrzehntelang bestehenden BFH-Rechtsprechung gewollt hätte, dies deutlich entweder im Gesetz selber (wie zunächst beabsichtigt durch den Nachsatz) oder zumindest in der Gesetzesbegründung hätte zum Ausdruck gebracht müssen werden. Das Gegenteil ist der Fall. Objektiv erkennbar ist das in den Gesetzesbegründungen der Folgeänderungen bewusst nicht geschehen, da sich der Gesetzgeber vielmehr für den Erhalt der Abzugsfähigkeit der Unfallkosten als Teil der außergewöhnlichen Kosten ausgesprochen hat.
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Nach alledem hat die Klage in vollem Umfang Erfolg.
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Die Neuberechnung bzw. Neufestsetzung der Einkommensteuer 2010 wird dem beklagten Finanzamt gemäß § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) übertragen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
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4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO). Im Rahmen des Revisionsverfahrens hätte der BFH die Möglichkeit, den derzeitigen, aus Sicht des Senats unhaltbaren Rechtszustand zu beenden und für Rechtsklarheit zu sorgen. Nach aktueller Rechtslage entscheidet die Finanzverwaltung (über den Wortlaut hinweg) nach eigenem, nicht überprüfbaren und nicht justiziablen Ermessen, welche Reparaturkosten über den Begriff „Unfallkosten“ als außergewöhnliche Wegekosten abzugsfähig sind und welche nicht.

Entfernungspauschale bei Dreiecksfahrten

Entfernungspauschale bei Dreiecksfahrten

Kernproblem
Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindert sich die Einkommensteuer um die Entfernungspauschale. Die Pauschale von 30 Cent je Entfernungskilometer ist unabhängig vom tatsächlich genutzten Verkehrsmittel abzugsfähig. Ob die Strecke mit eigenem oder fremdem Pkw, öffentlichen Verkehrsmitteln, Moped, Fahrrad oder gar zu Fuß zurückgelegt wurde, ist irrelevant. Das gilt selbst für Tage, an denen z. B. wegen Nutzung einer Fahrgemeinschaft keine Kosten entstanden sind. Was für den einen von Vorteil ist, kann sich jedoch für den anderen als nachteilig erweisen. Aus Gleichheitsgrundsätzen gilt die Entfernungspauschale auch für Selbstständige. Haben diese einen Pkw im Betriebsvermögen, ergeben sich bei Ermittlung der tatsächlichen Kosten mit Abschreibungen, Reparaturen usw. zumeist wesentlich höhere Beträge, als die vom Gesetz gewährten 15 Cent je tatsächlich gefahrenem Kilometer zur Betriebsstätte und zurück. Der Abzug der tatsächlichen Kosten gilt dagegen für Reisekosten. Von daher ist entscheidend, wie so genannte „Dreiecksfahrten“ steuerlich behandelt werden.

Sachverhalt
Ein selbstständiger Steuerberater behandelte seine Dreiecksfahrten (entweder Wohnung-Mandant-Büro-Wohnung oder Wohnung-Büro-Mandant-Wohnung) komplett als betriebliche Fahrten mit vollem Kostenabzug. Das Finanzamt wollte das nur für die Teilstrecken akzeptieren, die unmittelbar beim Mandanten begannen oder endeten. Für die jeweils unmittelbare Fahrt zwischen Wohnung und Betrieb setzte es die hälftige Entfernungspauschale von 15 Cent an. Hiergegen klagte der Steuerberater auf Ansatz der tatsächlichen Kosten vor dem Finanzgericht Münster.

Entscheidung
Der Steuerberater konnte einen Teilerfolg erringen, denn das Gericht gewährte ihm zumindest die komplette Entfernungspauschale von 30 Cent. Einen darüber hinaus gehenden Abzug lehnte es ab, weil der vorherige oder nachgelagerte Mandantenbesuch die Eigenschaft der Fahrtstrecke als solche zwischen Wohnung und Betriebsstätte nicht automatisch aufhebe. Die typisierende Regelung gelte auch dann, wenn der gesetzgeberische Zweck zur Minderung der Wegekosten im Einzelfall nicht erreichbar sei. Wegen der pauschalierenden Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale sah das Finanzgericht allerdings auch keinen Raum für eine Halbierung, selbst wenn für einen der beiden Wege bereits ein voller Betriebsausgabenabzug gewährt wurde.

Konsequenz
Dass die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig geworden ist, wird zumindest das Renommee des klagenden Steuerberaters erhöhen. Materiell geht der Ansatz der kompletten Entfernungspauschale bereits weiter, als dies die Verwaltungsanweisungen im Lohnsteuerrecht vorsehen. Sollte die Entscheidung weiterhin Bestand haben, müsste sich das auch für Arbeitnehmer positiv auswirken.

Entfernungspauschale für offensichtlich verkehrsgünstigere Verbindung?

Entfernungspauschale für offensichtlich verkehrsgünstigere Verbindung?

Kernproblem

Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte werden mit der Entfernungspauschale abgegolten. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung maßgebend. Eine längere Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt wird. In diesen an sich eindeutigen Gesetzestext werden sowohl einschränkende als auch erweiternde Regelungen hineininterpretiert, wenn einmal nicht die kürzeste Entfernung in der Einkommensteuererklärung zum Ansatz kommen soll. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat hier mit zwei Entscheidungen für Klarheit gesorgt.

Sachverhalt

In dem einen Streitfall hatte das Finanzamt mit Billigung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz eine tatsächlich genutzte längere verkehrsgünstigere Strecke nicht anerkannt, weil eine willkürlich verlangte Fahrtzeitverkürzung von mindestens zwanzig Minuten nicht erreicht wurde. Dagegen hatte das Finanzgericht Düsseldorf sogar eine längere Strecke toleriert, die den Finanzrichtern zwar offensichtlich verkehrsgünstiger erschien, aber tatsächlich nicht benutzt wurde.

Entscheidung

Es liegt nahe, dass der BFH nur einen der beiden Fälle zugunsten der Steuerzahler entscheiden konnte. Den Streit verloren hat der Arbeitnehmer mit „fiktiver Umwegstrecke“. Hier haben die Richter klargestellt, dass nur eine tatsächlich zurückgelegte Strecke in Betracht kommt. Der Ansatz einer bloß möglichen, aber vom Steuerpflichtigen nicht benutzten Straßenverbindung scheidet kategorisch aus. Dagegen trat der BFH dem Verlangen nach einer mindestens zwanzigminütigen Zeitersparnis entgegen. Hier seien vielmehr alle Umstände des Einzelfalls, wie z. B. die Streckenführung, die Schaltung von Ampeln o. ä. in die Beurteilung einzubeziehen. Eine Straßenverbindung könne auch dann „offensichtlich verkehrsgünstiger“ sein, wenn bei ihrer Benutzung nur eine geringe Zeitersparnis zu erwarten sei.

Konsequenz

Zu Recht weist der BFH in seiner Urteilsbegründung darauf hin, dass die Forderung nach einer zwanzigminütigen Zeitersparnis die Erweiterungsmöglichkeit für Arbeitnehmer mit insgesamt geringerer Fahrzeit zur Arbeit komplett ausschließen würde. Dagegen sieht er jedoch in einer geringfügigen Verkürzung von unter 10 % keinen ausschlaggebenden Anreiz für die Wahl einer abweichenden Route. Die 10 %-Grenze sollte daher als Anhaltspunkt dienen und eingehalten werden, um am Ende erfolgreich argumentieren zu können.

Entfernungspauschale umfasst auch die 2. tägliche Fahrt zur Arbeit

Entfernungspauschale umfasst auch die 2. tägliche Fahrt zur Arbeit

Kernproblem

Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte werden mit der Entfernungspauschale abgegolten. Zur Abgeltung ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitsstätte aufsucht, eine Pauschale von 30 Cent je vollen Entfernungskilometer anzusetzen. Das Gesetz sieht darüber hinaus keine zusätzliche Vergünstigung vor, wenn die Arbeitsstätte mehrfach täglich aufgesucht werden muss. Das war bis zum Jahr 2000 anders. Die damalige Regelung begünstigte auch weitere tägliche Fahrten, soweit sie durch einen zusätzlichen Arbeitseinsatz außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit oder durch eine Arbeitszeitunterbrechung von mindestens 4 Stunden veranlasst waren. Ein im Theater beschäftigter Chorsänger fühlte sich durch die jetzige Regelung zur Entfernungspauschale in seinen Grundrechten verletzt und klagte vor dem Finanzgericht.

Sachverhalt

Der Chorsänger hatte in den Streitjahren überwiegend (im Durchschnitt 166 Tage jährlich) zweimal täglich von zu Hause aus das Theater aufsuchen müssen, da er nach dem Arbeitsvertrag sowohl an den Proben als auch an den Aufführungen teilnehmen musste. Nach der früheren Regelung hätten die Voraussetzungen eines zusätzlichen Werbungskostenabzugs vorgelegen, denn die Pause zwischen Proben und Aufführungen betrug mindestens vier Stunden. Das Finanzamt lehnte den Ansatz der „Doppelfahrten“ ab. Der Sänger sah hierin einen Verstoß gegen das Netto-Prinzip und sah sich bei seiner Klage durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Werkstorprinzip gestärkt.

Entscheidung

Das Hessische Finanzgericht beließ es bei der Abgeltung durch „einfache“ Entfernungspauschale. Zwar läge nach eine Ungleichbehandlung zu solchen Arbeitnehmern vor, die trotz geringeren Aufwands für die Fahrten zur Arbeitsstätte ebenfalls die volle Entfernungspauschale erhielten, und auch das objektive Nettoprinzip sei durchbrochen. Die Richter tolerierten das jedoch im Interesse eines vereinfachten Steuerverfahrens und sahen keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, weil es sich bei Mehrfachfahrten um untypische Sachverhalte handele. Hier stehe dem Gesetzgeber ein Typisierungsspielraum zu, in dessen Rahmen er sich auch bewegt habe. So hätte die bis zum Jahr 2000 geltende Regelung häufig zu zeitintensiven und aufwendigen Prüfungen geführt.

Konsequenz

Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat allerdings bereits früher bei einem Opernsänger die „einfache“ Entfernungspauschale toleriert (ebenso das FG Sachsen-Anhalt – auch ein Opernsänger – und das FG Münster bei einem Verkäufer). Wenn kein Umdenkprozess beim BFH stattfindet, ist leider keine andere Entscheidung zu erwarten. Dies trifft dann nicht nur die offensichtlich verstärkt streitsuchenden Sänger, sondern insbesondere Berufsgruppen im Verkauf oder der Gastronomie.