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Erbschaftsteuer: Wann wird ein Haus für eigene Wohnzwecke genutzt?

Erbschaftsteuer: Wann wird ein Haus für eigene Wohnzwecke genutzt?

Die Befreiung von der Erbschaftsteuer für ein Familienheim wird nur gewährt, wenn das Haus selbst zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber aus zwingenden beruflichen Gründen an der Nutzung für eigene Wohnzwecke gehindert ist.

Hintergrund

K ist Alleinerbe seines in 2009 verstorbenen Vaters V. Zum Nachlass gehörte ein von V selbst genutztes Einfamilienhaus, das K nach dem Erbfall renovierte und ab August 2010 vermietete. Weder K noch seine Familie nutzten das Haus zu eigenen Wohnzwecken. Seit 2006 ist K als Professor an der Universität X tätig. Er hatte sich dazu verpflichtet, seinen Wohnsitz an den Dienstort oder in dessen Nähe zu verlegen. Dort wohnt er auch, seit 2010 in einem von den Eheleuten neu errichteten Haus.

In der Erbschaftsteuer-Erklärung machte K die Steuerbefreiung für ein Familienheim geltend. Er gab an, eine Selbstnutzung des von V geerbten Hauses sei wegen seiner beruflichen Tätigkeit mit Residenzpflicht in X bei der Entfernung von 500 km aus objektiv zwingenden Gründen nicht möglich.

Das Finanzamt versagte die Steuerbefreiung, weil die berufliche Tätigkeit des K kein zwingender Grund dafür sei, das Haus nicht für eigene Wohnzwecke zu nutzen. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Klage als unbegründet ab.

Die Steuerbefreiung erfasst u. a. die Wohnung in einem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück, wenn die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Die Bestimmung zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt vor, wenn der Erwerber die Absicht hat, das Haus selbst zu nutzen und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Der Erwerber muss also tatsächlich in die Wohnung einziehen und diese entsprechend nutzen.

Es genügt nicht, wenn der Erwerber lediglich angibt, die Wohnung sei zur Selbstnutzung bestimmt, könne aber aus zwingenden Gründen nicht für eigene Wohnzwecke genutzt werden. Die Steuerbefreiung scheidet daher aus, wenn der Erwerber von vornherein gehindert ist, die Wohnung für eigene Wohnzwecke zu nutzen und deshalb auch tatsächlich nicht einzieht. Die Gründe, die der Aufnahme der Selbstnutzung entgegenstehen sind unerheblich. Eine Steuerbefreiung kommt daher selbst dann nicht in Betracht, wenn zwingende Gründe den Erwerber an einer Selbstnutzung hindern. Nimmt der Erwerber die Selbstnutzung überhaupt nicht auf, ist das erworbene Haus kein Familienheim und damit der Erwerb nicht steuerbefreit.

Erbschaftsteuer: Befreiung nur bei Nutzung zu eigenen Wohnzwecken

Erbschaftsteuer: Befreiung nur bei Nutzung zu eigenen Wohnzwecken

 Wird die geerbte elterliche Wohnung nach dem Erbfall nicht selbst zu eigenen Wohnzwecken genutzt, sondern unentgeltlich an die dort weiterhin wohnende Mutter überlassen, gibt es keine Befreiung von der Erbschaftsteuer.

 Die Mutter der Klägerin hatte als testamentarisch eingesetzte Erbin die Erbschaft ausgeschlagen. Die Klägerin war damit Alleinerbin ihres 2010 verstorbenen Vaters.

Für die geerbte elterliche Wohnung machte sie eine Befreiung von der Erbschaftsteuer geltend. Ihre Begründung: Es handelt sich bei der Wohnung um ein Familienwohnheim, da das vor dem Erbfall von beiden Eltern genutzte Objekt nunmehr von der Mutter allein genutzt werde. Die unentgeltliche Überlassung durch die Klägerin an ihre Mutter stelle eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar, was zur Erbschaftsteuerbefreiung führe.

Dagegen verneinte das Finanzamt im Streitfall eine Selbstnutzung der Klägerin zu eigenen Wohnzwecken im Sinne der erbschaftsteuerlichen Befreiungsvorschrift und setzte deshalb Erbschaftsteuer in Höhe von ca. 50.000 EUR fest.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dem Finanzamt Recht und wies die Klage ab. Nach dem Gesetzestext und nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfordere die Steuerbefreiung, dass die Wohnung als sog. Familienheim beim Erben unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sei und dass sich in dieser Wohnung der Mittelpunkt des familiären Lebens des Erben befinde. Hierfür sei es nicht ausreichend, dass die Klägerin nur gelegentlich zwei Räume genutzt und die Wohnung im Übrigen unentgeltlich ihrer Mutter überlassen habe. Denn die unentgeltliche Überlassung zu Wohnzwecken an die Mutter als Angehörige stelle keine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken der Klägerin dar.

Auch sei es nicht entscheidend, dass sie täglich in die Wohnung gekommen und gelegentlich dort in einem Zimmer übernachtet habe, um ihre Mutter zu betreuen und zu versorgen. Gleiches gelte für den Umstand, dass die Klägerin ein weiteres Zimmer der Wohnung genutzt habe, um dort Nachlassunterlagen zu lagern und um von dort den Nachlass zu verwalten.

Erbschaftsteuer: Kosten für die Entmüllung sind nicht abzugsfähig

Erbschaftsteuer: Kosten für die Entmüllung sind nicht abzugsfähig

Die Kosten für die Entmüllung eines zum Nachlass gehörenden Hauses sind als Kosten für die Verwaltung des Nachlasses im Rahmen der Erbschaftsteuer nicht abzugsfähig.

Hintergrund

Der Kläger ist der Erbe. Zum Nachlass gehörte ein Wohnhaus, das zu einem Preis von ca. 56.000 EUR veräußert wurde. Weil der Erblasser ein sog. „Messie“ war, musste das Haus vor der Veräußerung aufwendig entmüllt werden. Dadurch entstanden Kosten von insgesamt 17.569 EUR. Das Finanzamt verweigerte bei der Erbschaftsteuerfestsetzung den Abzug dieser Kosten.

Entscheidung

Das Finanzgericht erkannte die Kosten ebenfalls nicht an. Die Entmüllungskosten sind dem Kläger weder unmittelbar mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses noch mit der Erlangung des Erwerbs entstanden. Vielmehr gehören diese Kosten zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Verwaltung des Nachlasses.

Dass das Grundstück nicht ohne vorherige Entmüllung vom Erben sinnvoll genutzt werden konnte, mag zwar ein tatsächliches Hindernis für den späteren Verkauf gewesen sein. Dieser Zustand hat jedoch den Erben nicht daran gehindert, das Erbe des Grundstücks anzutreten.

Erbschaftsteuer: Grundstück im Zustand der Bebauung

Erbschaftsteuer: Grundstück im Zustand der Bebauung

Die Erbschaftsteuerermäßigung ist auch zu gewähren, wenn beim Tod des Erblassers zwar noch kein Mietvertrag abgeschlossen worden ist, aber der Erblasser zu diesem Stichtag seine konkrete Vermietungsabsicht selbst noch mit Beginn der Bebauung ins Werk gesetzt hat.

Hintergrund
Die Erblasserin und der Kläger erwarben 2011 die Grundstücke Y und Z zu je ½ Anteil. Auf diesen sollten zur Vermietung vorgesehene Einfamilienhäuser errichtet werden. Die Erblasserin verstarb in 2012 und wurde vom Kläger allein beerbt. Die Einfamilienhäuser wurden im Februar 2013 fertiggestellt und alsdann zeitnah vermietet.

Der Kläger begehrte für die Hausgrundstücke Y und Z die Steuerermäßigung mit der Begründung, dass die Erblasserin die Vermietung der zu errichtenden Einfamilienhäuser unmittelbar nach deren Fertigstellung geplant habe. Es habe sich deshalb um Grundstücke im Zustand der Bebauung gehandelt, die hätten vermietet werden sollen.

Das Finanzamt gewährte die Steuerbefreiung nicht, weil die fraglichen Grundstücke im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin tatsächlich (noch) nicht vermietet waren.

Entscheidung
Das Finanzgericht hat dem Kläger Recht gegeben und entschieden, dass die Hausgrundstücke zu Wohnzwecken vermietet wurden, wie dies das Erbschaftsteuergesetz erfordert.

Zwar seien die Mietverträge erst nach dem Tod der Erblasserin und nach der Fertigstellung der Objekte abgeschlossen worden. Für die Steuerermäßigung sei jedoch nicht Voraussetzung, dass bereits der Erblasser selbst einen Mietvertrag abgeschlossen haben muss. Maßgebend sei nur, dass das Grundstück jedenfalls letztlich vom Erwerber zu Wohnzwecken vermietet werde.

Die Steuerermäßigung sei nicht nur zu gewähren, wenn im Zeitpunkt der Steuerentstehung bereits ein Mietvertrag abgeschlossen worden ist. Auf dieses formale Kriterium könne es schon deshalb nicht ankommen, weil der Zeitpunkt des Abschlusses eines Mietvertrags mitunter von Zufälligkeiten abhänge und als solcher nichts an einer bereits teilweise realisierten Absicht des Erblassers ändern könne, das noch fertig zu stellende Gebäude zu vermieten.

Erbschaftsteuer ist keine Nachlassverbindlichkeit

Erbschaftsteuer ist keine Nachlassverbindlichkeit

Das Finanzamt darf die Erbschaftsteuer im Insolvenzverfahren nicht durch Feststellungsbescheid als Nachlassverbindlichkeit geltend machen.

Hintergrund
Der Erblasser war von seiner Tochter und seiner Lebensgefährtin je zur Hälfte beerbt worden. Nachdem die Lebensgefährtin ihren Erbteil auf die Tochter des Erblassers übertragen hatte, wurde das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Finanzamt erließ gegenüber dem Kläger einen Feststellungsbescheid, mit dem es die gegenüber der Tochter bereits bestandskräftig festgesetzte Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit geltend machte. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass der Nachlass nach der Erbauseinandersetzung nicht mehr für Steuerverbindlichkeiten der Erben hafte.

Entscheidung
Seine Klage hatte Erfolg. Der Senat führt aus, dass ein Feststellungsbescheid nur in Bezug auf Insolvenzforderungen erlassen werden dürfe. In einem Nachlassinsolvenzverfahren resultierten solche aus Nachlassverbindlichkeiten. Dies seien allerdings nur vom Erblasser herrührende Schulden oder Verbindlichkeiten, die den Erben als solchen treffen. Die Erbschaftsteuer stelle demgegenüber eine Eigenschuld des Erben dar, weil sie der Höhe nach an das persönliche Verwandtschaftsverhältnis des Erben zum Erblasser anknüpfe und das Gesetz ausdrücklich den Erben als Steuerschuldner bestimme. Auch unter dem Gesichtspunkt der Haftung scheide eine Qualifizierung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit aus, da eine Haftung des Nachlasses für die Erbschaftsteuer nur bis zur Erbauseinandersetzung in Betracht komme. Diese sei aber bereits vor Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens erfolgt.

Erbschaftsteuer: Zum Billigkeitserlass

Erbschaftsteuer: Zum Billigkeitserlass

Kernaussage
Die Ablehnung einer abweichenden Steuerfestsetzung aus sachlichen oder persönlichen Billigkeitsgründen ist obgleich des im Erbschaftsteuerrecht geltenden Stichtagsprinzips nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Erbschaftsteuer auf eine durch Vermächtnis zugewendeten Leibrente entfällt, die wegen Insolvenz des verpflichteten Erben nicht mehr gezahlt wird.

Sachverhalt
Die Klägerin war Vermächtnisnehmerin nach ihrem verstorbenen Lebensgefährten. Erben und Vermächtnisverpflichtete waren dessen Sohn und Tochter. Das Vermächtnis bestand aus einer Einmalzahlung, zahlbar in 5 gleichen Jahresraten und aus einer monatlichen Leibrente. Das Finanzamt (FA) setzte Erbschaftsteuer fest für Sachwerte und für die Rente in Form der beantragten Jahresversteuerung. Aufgrund einer Überschuldung der Vermächtnisverpflichteten erfolgen keine Rentenzahlungen mehr. Daher beantragte die Klägerin, ihr die entsprechende Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Das FA lehnte den Antrag ab. Hiergegen klagt die Klägerin vor dem Finanzgericht (FG).

Entscheidung
Vor dem FG hatte die Klägerin ebenfalls keinen Erfolg. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer zwar dem Gesetz entspricht, aber infolge eines Gesetzesüberhangs den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass sie unbillig erscheint. Dies setzt voraus, dass der Gesetzgeber die mit der Einziehung der Steuer verbundene Härte nicht bewusst in Kauf genommen hat. Danach kommt ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht in Betracht, da andernfalls das im Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht geltende und vom Gesetzgeber bewusst eingeführte Stichtagsprinzip unterlaufen würde. Das Stichtagsprinzip führt dazu, dass erst nach dem Stichtag eintretende Entwicklungen, die den Umfang bzw. den Wert des empfangenen Vermögens betreffen, für die Steuerfestsetzung nicht zu berücksichtigen sind. Daher kann die nachträgliche Entreicherung der Vermächtnisverpflichteten hier nicht berücksichtigt werden.

Konsequenz
Es bleibt abzuwarten, ob das Urteil rechtskräftig wird. Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Dort stellt sich folgende Frage: Ist die festgesetzte Erbschaftsteuer für ein Vermächtnis, für das die Jahresversteuerung nach § 23 Abs. 1 ErbStG gewählt wurde nach Vermögensverfall des Vermächtnisverpflichteten wegen sachlicher oder persönlicher Billigkeitsgründe zu erlassen?

Erbschaftsteuer: Teilweise Rückzahlung des gezahlten Einmalbeitrags für Rentenversicherung

Erbschaftsteuer: Teilweise Rückzahlung des gezahlten Einmalbeitrags für Rentenversicherung

Kernaussage
Erhält ein Ehegatte vereinbarungsgemäß einen Teil des Einmalbeitrags, den er ursprünglich für eine vom anderen Ehegatten abgeschlossene Rentenversicherung gezahlt hat, von dem Versicherungsunternehmen aufgrund des Todesfalls erstattet, bevor die geleisteten Rentenzahlungen die Höhe des Einmalbeitrags erreicht haben, unterliegt der Erstattungsbetrag nicht der Erbschaftsteuer.

Sachverhalt
Die Ehefrau des Klägers schloss im Jahr 2003 einen Rentenversicherungsvertrag gegen einen einmaligen Gesamtbeitrag von 150.000 EUR ab. Den Beitrag bezahlte der Kläger. Für den Fall, dass die Ehefrau verstirbt, wurde vereinbart, dass die Versicherung den Differenzbetrag des gezahlten Beitrags abzüglich der gezahlten Renten an den Kläger zurückzahlt. Im Jahr 2006 verstarb die Ehefrau. Der Kläger war alleiniger Erbe. Das beklagte Finanzamt beurteilte den Differenzbetrag aus der Versicherung als steuerpflichtigen Erwerb und unterwarf diesen der Erbschaftsteuer. Der Kläger ist der Auffassung, die Zahlung stelle einen nicht steuerbaren Vermögensrückfall dar. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Kläger Recht.

Entscheidung
Bei dem Rentenversicherungsvertrag handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter. Die erbschaftsteuerliche Steuerbarkeit setzt jedoch voraus, dass die Zuwendung an den Dritten im Verhältnis zum Erblasser alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigiebigen Zuwendung aufweist. Entscheidend ist deshalb, ob eine Vermögensverschiebung vorliegt. Hinsichtlich des durch den Tod der Ehefrau aufschiebend bedingten Rückzahlungsanspruchs fehlte es vorliegend an der erforderlichen Vermögensverschiebung zwischen der Ehefrau und dem Kläger. Nicht die Ehefrau, sondern der Kläger hatte den Versicherungsbeitrag gezahlt. Auf das Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsunternehmen und der Ehefrau kommt es nicht an. Der BFH teilt somit die aktuelle Auffassung der Finanzverwaltung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Leistungen aus einer Lebensversicherung beim Erwerb durch einen Bezugsberechtigten der Erbschaftsbesteuerung unterliegen.

Konsequenz
Nach vorheriger Auffassung der Finanzverwaltung war für die erbschaftsteuerliche Beurteilung entscheidend, ob der Prämienzahler von vornherein sowohl für den Erlebens- als auch für den Todesfall unwiderruflich bezugsberechtigt war. Richtigerweise ist nun nur noch zu beurteilen, ob und gegeben falls in welchem Umfang der Bezugsberechtigte die Versicherungsbeiträge geleistet hat.

Bewertung von Gesellschafterforderungen bei der Erbschaftsteuer

Bewertung von Gesellschafterforderungen bei der Erbschaftsteuer

Kernfrage
Das alte Bewertungsrecht (bis 31.12.2008) für die Erbschaftsteuer sah vor, dass Betriebsvermögen mit den Steuerbilanzwerten bewertet wurden. Mit anderen Worten, die Bewertungsansätze der Steuerbilanz wurden für Zwecke der Erbschaftsteuer maßgeblich. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob dieser Grundsatz, insbesondere im Fall der Uneinbringlichkeit einer Forderung durchbrochen werden kann.

Sachverhalt
Der Erblasser hinterließ im Nachlass eine Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft. Gegen diese Kommanditgesellschaft hatte der Erblasser, z. B. aus Pachtverträgen, schuldrechtliche Forderung. Diese wurden auf einem Verrechnungskonto gebucht und in einer Sonderbilanz des Erblassers bei der Kommanditgesellschaft geführt. Kurz nach dem Tode des Erblassers wurde das Insolvenzverfahren über die Kommanditgesellschaft eröffnet und nach einiger Zeit mangels Masse abgelehnt. Im Rahmen der Erbschaftsteuer wurden die Forderungen des Erblassers gegen die Kommanditgesellschaft mit ihrem Steuerbilanzwert, also dem Nennwert, bewertet und der Erbschaftsteuer unterworfen. Hiergegen wandte sich der Erbe und machte geltend, die Forderungen seien tatsächlich wertlos gewesen.

Entscheidung
Der BFH hielt an den Steuerbilanzwerten fest. Insbesondere bei Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft gelten für deren Bewertung die ertragsteuerlichen Grundsätze. In der Mitunternehmerschaft bedeute dies aber, dass Forderungen des Gesellschafters in der Gesamt(hands)bilanz wie Eigenkapital auszuweisen seien. Selbst wenn sich die Forderung als wertlos erweise, folge aus der Behandlung als Eigenkapital, dass eine Wertberichtigung während des Bestehens der Gesellschaft nicht in Frage komme. Entsprechend sei die Forderung mit dem Nennwert als Betriebsvermögen zu bewerten.

Konsequenz
Nach der Entscheidung kann im alten Erbschaftsteuerrecht nicht von den Steuerbilanzwerten abgewichen werden. Allerdings betrifft die Entscheidung lediglich altes Erbschaftsteuerrecht.

Keine Anrechnung von im Ausland gezahlter Erbschaftsteuer, wenn ein DBA fehlt

BFH, Pressemitteilung Nr. 45/13 vom 31.07.2013 zum Urteil II R 10/12 vom 19.06.2013

Im Ausland gezahlte Erbschaftsteuer, für die im Inland eine Anrechnung nicht vorgesehen ist, bleibt unberücksichtigt. Aus höherrangigem Recht ergibt sich kein Zwang zur Anrechnung. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 19. Juni 2013 (II R 10/12) entschieden. Die Doppelbesteuerung muss aber unter Umständen durch Billigkeitsmaßnahmen gemildert werden.

Die Klägerin ist Miterbin ihrer im Jahr 2000 verstorbenen Großtante, die Kapitalvermögen (Bankguthaben und festverzinsliche Wertpapiere) u.a. in Frankreich angelegt hatte. Frankreich erhob für das dort angelegte Kapitalvermögen Erbschaftsteuer nach einem Steuersatz von 55 %. Im Inland unterfällt dasselbe Vermögen ebenfalls der Erbschaftsteuer. Eine Anrechnung der im Ausland gezahlten Erbschaftsteuer war nicht vorgesehen. Weder greift die geltende Anrechnungsvorschrift, weil das Vermögen nach deutschem Recht zum Inlandsvermögen zählt, noch bestand ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf diesem Gebiet.

Das zuständige Finanzamt (FA) setzte die deutsche Erbschaftsteuer entsprechend fest und rechnete die französische Erbschaftsteuer weder auf die deutsche Erbschaftsteuer an noch zog es sie von deren Bemessungsgrundlage ab. Es erließ lediglich einen Teil der Erbschaftsteuer wegen sachlicher Unbilligkeit. Klage und Revision blieben erfolglos.

Der BFH hat die Auffassung des FA und des Finanzgerichts bestätigt, dass die französische Erbschaftsteuer bei der Festsetzung der deutschen Erbschaftsteuer unberücksichtigt bleibt. Unionsrecht, insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit, steht der mehrfachen Belastung eines Erwerbs von Todes wegen mit Erbschaftsteuer durch mehrere Staaten nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht entgegen. Das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention verlangen ebenfalls nicht, dass die ausländische Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet oder als Nachlassverbindlichkeit von deren Bemessungsgrundlage abgezogen werden muss.

Der BFH hat aber darauf hingewiesen, dass eine übermäßige, konfiskatorische Steuerbelastung Billigkeitsmaßnahmen erfordern kann. Ob der im Streitfall vorgenommene Teilerlass den Anforderungen insoweit genügte, war allerdings nicht Gegenstand des Verfahrens.

Im Verhältnis zu Frankreich hat sich die Rechtslage in der Zwischenzeit geändert. Eine Doppelbesteuerung wie im Streitfall wird nun durch das am 3. April 2009 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe, Erbschaften und Schenkungen vermieden. Die Entscheidung ist aber nach wie vor im Verhältnis zu Staaten von Bedeutung, mit denen kein solches Doppelbesteuerungsabkommen besteht und die für die Erhebung von Erbschaftsteuer an den Wohnsitz oder Sitz des Schuldners von Kapitalforderungen des Erblassers anknüpfen.

 

Bedeutung der ausländischen Erbschaftsteuer auf Kapitalvermögen eines inländischen Erblassers für die deutsche Erbschaftsteuer


Leitsatz:

  1. Die Erbschaftsteuer, die ein ausländischer Staat auf den Erwerb von Kapitalvermögen erhebt, das ein inländischer Erblasser in dem Staat angelegt hatte, ist bei Fehlen eines DBA weder auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen noch als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.
  2. Führt die Doppelbesteuerung zu einer übermäßigen, konfiskatorischen Steuerbelastung, kann eine Billigkeitsmaßnahme geboten sein.

Tatbestand:

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist zu 1/4 Miterbin ihrer im April 2000 verstorbenen Großtante … (E), die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) hatte. Der Nachlass bestand aus in Deutschland und in Frankreich angelegtem Kapitalvermögen (Bankguthaben und festverzinsliche Wertpapiere) sowie Bargeld. Vom Reinnachlass von insgesamt 3.263.160 DM entfielen 2.842.820 DM auf das in Frankreich angelegte Kapitalvermögen. Die Klägerin hat ebenso wie die anderen Miterben ihren Wohnsitz in Deutschland.

2

Die französische Erbschaftsteuer für das in Frankreich angelegte Kapitalvermögen wurde gegenüber der Klägerin unter Berücksichtigung geringfügiger Abschläge von der Bemessungsgrundlage nach dem für Großnichten vorgesehenen Steuersatz (55 %) in Höhe von umgerechnet 383.237 DM erhoben.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) setzte die Erbschaftsteuer gegen die Klägerin durch den nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 20. Dezember 2001 zunächst auf 50.108,14 € (98.003 DM) fest. Das FA berücksichtigte dabei die französische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit.

4

In den während des Einspruchsverfahrens ergangenen Änderungsbescheiden vom 23. April 2004 und 13. Februar 2008 berücksichtigte das FA die französische Erbschaftsteuer nicht mehr als Nachlassverbindlichkeit. Es setzte die Erbschaftsteuer zuletzt auf 119.464,88 € (233.653 DM) fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

5

Da das FA die Gesamtbelastung durch die französische und die deutsche Erbschaftsteuer teilweise als sachlich unbillig ansah, erließ es die Steuer durch Bescheid vom 23. April 2007 gemäß § 227 AO in Höhe eines Teilbetrags von 40.559,25 €.

6

Das Finanzgericht (FG) wies die gegen die Steuerfestsetzung gerichtete Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1290 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, die französische Erbschaftsteuer sei weder auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen noch als Nachlassverbindlichkeit abziehbar. Ein Verstoß gegen Unions- oder Verfassungsrecht liege nicht vor.

7

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die ausländische (hier: französische) Erbschaftsteuer auf im Ausland angelegtes Kapitalvermögen müsse in erweiternder Auslegung von § 21 Abs. 1 und 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. § 121 des Bewertungsgesetzes (BewG) auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden. Dies folge insbesondere aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie den Grundrechten auf Eigentum (Art. 14 GG) und auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie der in Art. 23 GG zum Ausdruck kommenden Europafreundlichkeit des GG. Sie, die Klägerin, werde allein wegen der Anlage von Kapitalvermögen durch E in Frankreich höher besteuert als wenn diese das Kapital in Deutschland angelegt hätte. Die gesamte Steuerbelastung erreiche eine unverhältnismäßige Höhe und sei daher auch mit dem in Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (1. ZP-EMRK) garantierten Schutz des Eigentums unvereinbar. Darüber hinaus beschränke die Nichtanrechnung der französischen Erbschaftsteuer mehrere Grundfreiheiten, und zwar die Kapitalverkehrsfreiheit, die aktive und passive Dienstleistungsfreiheit und die allgemeine persönliche Freizügigkeit. Betroffen seien auch das Binnenmarktprinzip und das Loyalitätsgebot. Aufgrund der Höhe der gesamten Steuerbelastung sei außerdem das Recht auf Eigentum (Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union –EUGrdRCh–) verletzt. Die unionsrechtlichen Fragen müssten durch eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) geklärt werden. Zumindest müsse die französische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden.

8

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 22. April 2010 aufzuheben und die Erbschaftsteuer unter Änderung des Bescheids vom 13. Februar 2008 auf 14.085,34 € herabzusetzen.

9

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe:

II.

10

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die angefochtene Steuerfestsetzung entspricht den Vorschriften des ErbStG und ist sowohl mit Unionsrecht als auch mit Verfassungsrecht und Art. 1 des 1. ZP-EMRK vereinbar.

11

1. Das FG hat zu Recht angenommen, dass aufgrund unbeschränkter Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Buchst. a ErbStG auch das in Frankreich angelegte Kapitalvermögen der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt und die französische Erbschaftsteuer nicht auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen ist.

12

a) Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG ist –soweit hier maßgebend– bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer herangezogen worden sind, dann, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz im Inland hatte, die ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt, sofern nicht ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) anzuwenden ist. Besteht der Erwerb nur zum Teil aus Auslandsvermögen, ist der darauf entfallende Teilbetrag der deutschen Erbschaftsteuer gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG in der Weise zu ermitteln, dass die für das steuerpflichtige Gesamtvermögen einschließlich des steuerpflichtigen Auslandsvermögens sich ergebende Erbschaftsteuer im Verhältnis des steuerpflichtigen Auslandsvermögens zum steuerpflichtigen Gesamtvermögen aufgeteilt wird. Was unter Auslandsvermögen i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG zu verstehen ist, ist in Abs. 2 der Vorschrift geregelt.

13

War der Erblasser zur Zeit seines Todes Inländer, etwa weil er im Inland einen Wohnsitz hatte (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG), gelten nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG als Auslandsvermögen i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG alle Vermögensgegenstände der in § 121 BewG genannten Art, die auf den ausländischen Staat entfallen, sowie alle Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen.

14

Im Privatvermögen gehaltene Forderungen von Inländern gegen ausländische Schuldner gehören danach nur dann zum Auslandsvermögen in diesem Sinn, wenn die Voraussetzungen des § 121 Nr. 7 oder 8 BewG sinngemäß erfüllt sind, wenn also beispielsweise die Forderung durch ausländischen Grundbesitz unmittelbar oder mittelbar gesichert ist. Private Guthaben von Inländern bei ausländischen Banken rechnen danach nicht zum Auslandsvermögen (Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 16. Januar 2008 II R 45/05, BFHE 218, 423, BStBl II 2008, 623). Gleiches gilt auch für ausländische festverzinsliche Wertpapiere, die Inländern gehören (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 7 Satz 2 BewG; vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 2 Rz 64; Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 121 Rz 41; ders. in Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG, Rz 17; ebenso bereits Urteil des Reichsfinanzhofs vom 9. Januar 1936 III A 246/35, RStBl 1936, 120, zur Bestimmung des Inlandsvermögens).

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b) Dass die Erbschaftsteuer, die ein ausländischer Staat für den von Todes wegen erfolgenden Erwerb von privaten, gegen ausländische Schuldner gerichteten Forderungen inländischer Erblasser erhebt, von den genannten Ausnahmefällen abgesehen nicht auf die deutsche Erbschaftsteuer für diesen Erwerb angerechnet wird, verstößt nicht gegen Unionsrecht, und zwar unabhängig davon, welchen Steuersatz der ausländische Staat anwendet und wie hoch die sich aus der in- und ausländischen Erbschaftsteuer ergebende Gesamtbelastung ist. Da die Rechtslage durch die Rechtsprechung des EuGH bereits geklärt bzw. klar ersichtlich ist, bedarf es nicht der Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

16

aa) Nach dem EuGH-Urteil vom 12. Februar 2009 C-67/08, Margarete Block (Slg. 2009, I-883) stehen Art. 56 und 58 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft –EG– (jetzt Art. 63, 65 AEUV), die die Freiheit des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten regeln, der doppelten Belastung einer Kapitalforderung mit Erbschaftsteuer nicht entgegen.

17

Zur Begründung führte der EuGH aus, der Umstand, dass Nachlassgüter wie Kapitalforderungen in Deutschland kein „Auslandsvermögen“ seien, für das nach der nationalen Regelung ein Anspruch auf Anrechnung der im Ausland entrichteten Erbschaftsteuer auf die in Deutschland geschuldete Erbschaftsteuer bestehe, führe zwar dazu, dass es im Fall von Forderungen gegen ein Finanzinstitut, das in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei, der Erbschaftsteuer auf sie erhoben habe, zu einer höheren steuerlichen Belastung komme als im Fall von Forderungen gegen ein in Deutschland ansässiges Finanzinstitut. Dieser Steuernachteil folge aber daraus, dass die beiden betreffenden Mitgliedstaaten ihre Besteuerungsbefugnis parallel zueinander ausgeübt hätten, und zwar so, dass der eine, nämlich Deutschland, sich dafür entschieden habe, auf Kapitalforderungen dann die deutsche Erbschaftsteuer zu erheben, wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz in Deutschland habe, während der andere, also im seinerzeitigen Streitfall das Königreich Spanien, die Entscheidung getroffen habe, auf solche Forderungen die spanische Erbschaftsteuer dann zu erheben, wenn der Schuldner in Spanien ansässig sei.

18

Nach der Rechtsprechung des EuGH (Nachweise im EuGH-Urteil Margarete Block in Slg. 2009, I-883 Rdnrn. 30 f.) schreibe indes das Unionsrecht bei seinem gegenwärtigen Entwicklungsstand und in einer Situation wie der des seinerzeitigen Ausgangsverfahrens (Erwerb von Kapitalforderungen einer inländischen Erblasserin gegen Finanzinstitute in Spanien ohne Bestehen eines auf die Erbschaftsteuer bezogenen DBA) in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Europäischen Union keine allgemeinen Kriterien für die Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Dementsprechend sei, abgesehen von bestimmten, vorliegend nicht einschlägigen Richtlinien, bis heute im Rahmen des Unionsrechts keine Maßnahme der Vereinheitlichung oder Harmonisierung zum Zweck der Beseitigung von Doppelbesteuerungstatbeständen erlassen worden.

19

Demgemäß verfügten die Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Entwicklungsstand des Unionsrechts vorbehaltlich dessen Beachtung über eine gewisse Autonomie in diesem Bereich und seien nicht verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen und namentlich die sich aus der parallelen Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnisse ergebende Doppelbesteuerung zu beseitigen und so in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Anrechnung der Erbschaftsteuer zu ermöglichen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzstaat des Erben entrichtet worden sei.

20

Wie der EuGH im Urteil Margarete Block in Slg. 2009, I-883 Rdnrn. 32 f. weiter ausgeführt hat, ändert daran auch der Umstand nichts, dass § 21 ErbStG günstigere Anrechnungsregeln vorsieht, wenn der Erblasser bei seinem Ableben seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland hatte, weil in einem solchen Fall der Begriff des Auslandsvermögens nach Abs. 2 Nr. 2 dieser Vorschrift weiter gefasst ist als in einem Fall wie dem der Klägerin des damaligen Ausgangsverfahrens. Diese unterschiedliche Behandlung ergibt sich jedoch, wie der EuGH zur Begründung dargelegt hat, im Fall des Nachlasses einer Person, die zur Zeit ihres Ablebens ihren Wohnsitz nicht im Inland hatte, daraus, dass der betreffende Mitgliedstaat, wie es ihm im Rahmen seiner Besteuerungsbefugnisse zusteht, den Wohnsitz des Gläubigers als Anknüpfungskriterium für die Behandlung des Nachlasses als „Auslandsvermögen“ und demzufolge für die Anrechenbarkeit der in einem anderen Mitgliedstaat entrichteten Erbschaftsteuer in Deutschland gewählt hat. Außerdem garantiere das Unionsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH einem Unionsbürger nicht, dass die Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat als demjenigen, in dem er bis dahin gewohnt habe, steuerneutral sei. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich könne eine solche Verlegung für den Bürger je nach dem Einzelfall mehr oder weniger vorteilhaft sein.

21

Der EuGH hat seine Rechtsprechung, nach der das Unionsrecht in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Europäischen Union keine allgemeinen Kriterien für die Verteilung der Befugnisse der Mitgliedstaaten untereinander vorschreibt und keine unbedingte Verpflichtung zur Verhinderung einer rechtlichen Doppelbesteuerung durch mehrere Mitgliedstaaten besteht, durch den Beschluss vom 19. September 2012 C-540/11, Levy und Sebbag (Internationales Steuerrecht –IStR– 2013, 307) erneut bestätigt. Er hat dazu in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 12. Mai 1998 C-336/96, Gilly, Slg. 1998, I-2793) ausgeführt, dass der u.a. auf die Einleitung von Verhandlungen durch die Mitgliedstaaten zur Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft bezogene Art. 293 EG (ersatzlos gestrichen durch den Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 13. Dezember 2007, BGBl II 2008, 1039; vgl. Tippelhofer, IStR 2013, 310, 311) nicht den Zweck gehabt habe, eine als solche rechtswirksame Vorschrift zu definieren, sondern sich darauf beschränkt habe, den Rahmen für Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten zu bilden. Selbst wenn die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft eines der Ziele des Vertrags sei, gehe aus dem Text des Art. 293 EG hervor, dass dieser als solcher nicht dazu geeignet sei, Privatpersonen Rechte zu verleihen, die vor nationalen Gerichtsbarkeiten geltend gemacht werden könnten. Aus den in Art. 10 EG (vgl. nunmehr Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union –EUV–) geregelten Loyalitätspflichten ergebe sich ebenfalls keine Verpflichtung zur Beseitigung der Doppelbesteuerung durch mehrere Mitgliedstaaten. Diese Vorschrift formuliere lediglich eine allgemeine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, deren konkreter Inhalt in jedem Einzelfall von den Bestimmungen des Vertrags oder den sich aus seinem allgemeinen System ergebenden Regelungen abhänge. Art. 10 EG könne daher nicht so ausgelegt werden, dass er für die Mitgliedstaaten eine unabhängige Verpflichtung über die sich aus Art. 56 und 293 EG für sie ergebenden Verpflichtungen hinaus begründe.

22

bb) Der erkennende Senat hält die Rechtsprechung des EuGH, nach der Unionsrecht abgesehen vom Vorliegen besonderer Regelungen eine Doppelbesteuerung nicht ausschließt, für zutreffend und folgt ihr auch für den vorliegenden Fall. Die Rechtsprechung des EuGH deckt auch die von der Klägerin ergänzend erwähnten unionsrechtlichen Gesichtspunkte ab, nämlich das Binnenmarktprinzip (Art. 14 Abs. 2 EG, nunmehr Art. 26 Abs. 2 AEUV), die aktive und passive Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG, nunmehr Art. 56 AEUV) und die allgemeine persönliche Freizügigkeit (Art. 18 EG, nunmehr Art. 21 AEUV). Entscheidend ist auch insoweit, dass das Unionsrecht die grundsätzliche Autonomie der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer unberührt lässt und diese nicht dazu verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen und namentlich die sich aus der parallelen Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnisse ergebende Doppelbesteuerung zu beseitigen.

23

cc) Der EuGH hat die Zulässigkeit der Doppelbesteuerung in Fällen der von ihm beurteilten Art nicht davon abhängig gemacht, dass die in- und ausländische Erbschaftsteuer zusammen nicht einen bestimmten Prozentsatz des doppelt mit Steuer belasteten Erwerbs überschreitet. Eine solche Grenze kann auch nicht gezogen werden; denn das Unionsrecht sieht auch bei einer sehr hohen Belastung des Erwerbs von Todes wegen durch in- und ausländische Erbschaftsteuer keine allgemeinen Kriterien für die Verteilung der Besteuerungsbefugnisse bei der Erbschaftsteuer zwischen den Mitgliedstaaten vor.

24

dd) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin insoweit auch nicht aus dem vom EuGH im Urteil Margarete Block in Slg. 2009, I-883 nicht herangezogenen Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EUGrdRCh. Nach dieser Vorschrift hat jede Person das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Dies bedeutet aber nicht, dass im Streitfall die französische Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden muss, weil Frankreich für den Erwerb des in Frankreich angelegten Kapitalvermögens der E einen Steuersatz von 55 % angewendet hat. Dies ergibt sich aus folgenden Gründen:

25

aaa) Die ursprüngliche Fassung der EUGrdRCh (Amtsblatt der Europäischen Union –ABlEU– 2000 Nr. C 364, 1) wurde am 7. Dezember 2000 und somit erst nach dem Eintritt des Erbfalls im April 2000 proklamiert. Bei dieser Fassung handelte es sich zudem nicht um verbindliches Recht, sondern lediglich um eine politische Erklärung (Mayer in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV Rz 35; Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Vor GR-Charta Rz 3).

26

bbb) Rechtliche Verbindlichkeit erlangte die inzwischen überarbeitete EUGrdRCh (ABlEU 2007 Nr. C 303, 1, BGBl II 2008, 1165) erst durch die Neufassung des Art. 6 Abs. 1 EUV durch Art. 1 Nr. 8 des Vertrags von Lissabon (a.a.O.), der für Deutschland am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist (Bekanntmachung vom 13. November 2009, BGBl II 2009, 1223), und zwar ohne Rückwirkung (Streinz, EUV/AEUV, Vor GR-Charta Rz 7, m.w.N.).

27

ccc) Abgesehen vom zeitlichen Ablauf im vorliegenden Fall kommt Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EUGrdRCh im Hinblick auf eine Doppelbesteuerung eines Erwerbs von Todes wegen mit in- und ausländischer Erbschaftsteuer schon deshalb keine Bedeutung zu, weil die EUGrdRCh nach ihrem Art. 51 Abs. 1 Satz 1 nur für die Organe und Einrichtungen der Europäischen Union und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Europäischen Union gilt. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil vom 26. Februar 2013 C-617/10, Åkerberg Fransson, Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht 2013, 99 Rdnrn. 19 ff., m.w.N.) finden die in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung. Der EuGH könne daher eine nationale Rechtsvorschrift nicht im Hinblick auf die EUGrdRCh beurteilen, wenn sie nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts falle. Dieser eingeschränkte Anwendungsbereich der EUGrdRCh sei gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 EUGrdRCh bei deren Auslegung zu berücksichtigen. Werde eine rechtliche Situation nicht vom Unionsrecht erfasst, sei der EuGH nicht zuständig, um über sie zu entscheiden, und die möglicherweise angeführten Bestimmungen der EUGrdRCh könnten als solche keine neue Zuständigkeit begründen. Diese Erwägungen entsprächen denen, die Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV zugrunde lägen, wonach durch die Bestimmungen der EUGrdRCh die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in keiner Weise erweitert würden. Ebenso dehne die EUGrdRCh nach ihrem Art. 51 Abs. 2 den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründe weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union, noch ändere sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben (vgl. dazu auch Urteil des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 24. April 2013 1 BvR 1215/07, Neue Juristische Wochenschrift 2013, 1499, Rz 88 ff.).

28

Da es sich beim Erbschaftsteuerrecht nicht um Unionsrecht, sondern um rein nationales, nicht unionsrechtlich determiniertes Recht handelt, scheidet somit eine Überprüfung der Doppelbesteuerung an Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EUGrdRCh aus.

29

ddd) Soweit das Recht auf Eigentum als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts unabhängig von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EUGrdRCh geschützt ist, bezieht sich dies unter Berücksichtigung der Zuständigkeiten der Europäischen Union und des EuGH ebenfalls nur auf unionsrechtlich geregelte Bereiche (vgl. Streinz, EUV/AEUV, GR-Charta Art. 17 Rz 4 ff.) und zudem nicht auf das Vermögen als solches. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 21. Februar 1991 verbundene Rechtssachen C-143/88 und C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen AG u.a., Slg. 1991, I-415, Rdnr. 74) kann die Verpflichtung, eine Abgabe zu zahlen, nicht als Verstoß gegen das Eigentumsrecht angesehen werden (vgl. dazu auch Depenheuer in Tettinger/Stern, Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, 2006, Art. 17 Rz 37 f.; Streinz, EUV/AEUV, GR-Charta Art. 17 Rz 6).

30

c) Eine Pflicht Deutschlands, bei Fehlen eines auf die Erbschaftsteuer bezogenen DBA die Erbschaftsteuer, die ein ausländischer Staat für den von Todes wegen erfolgenden Erwerb von privaten, gegen ausländische Schuldner gerichteten Forderungen inländischer Erblasser erhebt, von den in § 121 Nrn. 7 und 8 BewG genannten Ausnahmefällen abgesehen auf die deutsche Erbschaftsteuer für diesen Erwerb anzurechnen, lässt sich auch der Gewährleistung des Eigentums und des Erbrechts durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) nicht entnehmen.

31

aa) Diese Grundrechte verpflichten Deutschland nicht, bei Fehlen eines DBA eine Belastung durch in- und ausländische Steuern in den genannten Fällen durch die Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Steuer, also durch eine einseitige Maßnahme zu vermeiden. Eine solche Pflicht Deutschlands wäre mit der ihm zukommenden Autonomie auf dem Gebiet der Erbschaftsbesteuerung nicht vereinbar. Jedem Staat steht kraft seiner Finanzhoheit als Teil seiner Souveränität das Recht zur Erhebung von Steuern zu. Dieses Recht wird lediglich durch das Territorialitätsprinzip eingeschränkt. Das Völkerrecht steht einer Doppelbesteuerung grundsätzlich nicht entgegen, solange eine substantiell hinreichende Verbindung zwischen dem eigenen Hoheitsgebiet und dem ausländischen Sachverhalt besteht (Wernsmann in Erbrecht und Vermögensnachfolge, System, Struktur, Vertrag, Festschrift für Manfred Bengel und Wolfgang Reimann zum 70. Geburtstag, 2012, S. 371, 373). Einen Rechtsgrundsatz, dass eine Doppelbesteuerung schlechthin unzulässig sei, gibt es nicht (BFH-Urteil vom 14. Februar 1975 VI R 210/72, BFHE 115, 319, BStBl II 1975, 497).

32

bb) Eine substantiell hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet von Deutschland besteht insbesondere bei einem Erwerb von Todes wegen von einem Inländer, und zwar auch insoweit, als es um die Besteuerung des Erwerbs von Kapitalvermögen geht, das der Erblasser im Ausland angelegt hatte. In einem solchen Fall entspräche die alleinige Besteuerung durch Deutschland den internationalen Gepflogenheiten, die im Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern –OECD-MA (E)– (abgedruckt bei Jülicher, a.a.O., § 2 Rz 152 ff.) zum Ausdruck kommen. Wie der EuGH im Urteil Gilly in Slg. 1998, I-2793 ausgeführt hat, ist es für die Mitgliedstaaten nicht abwegig, sich für die Zwecke der Aufteilung der Steuerhoheit an der völkerrechtlichen Praxis und den von der OECD erarbeiteten Musterabkommen zu orientieren (Rz 31).

33

Nach Art. 7 OECD-MA (E) kann Vermögen, das Teil des Nachlasses oder einer Schenkung einer Person mit Wohnsitz in einem Vertragsstaat ist und in den Art. 5 und 6 OECD-MA (E) nicht behandelt wurde, ohne Rücksicht auf seine Belegenheit nur in diesem Staat besteuert werden. Art. 5 und 6 OECD-MA (E) betreffen unbewegliches Vermögen und bewegliches Vermögen einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung, nicht aber Forderungen aus Guthaben und festverzinslichen Wertpapieren, die Inländer als Privatpersonen bei ausländischen Kreditinstituten angelegt haben. Für derartiges Vermögen steht somit nach Art. 7 OECD-MA (E) das alleinige Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat des Erblassers zu.

34

Dies ist ein sachlicher Grund im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) dafür, dass die Erbschaftsteuer, die ein ausländischer Staat für den von Todes wegen erfolgenden Erwerb von privaten gegen ausländische Schuldner gerichteten Forderungen inländischer Erblasser erhebt, von den in § 121 Nrn. 7 und 8 BewG genannten Ausnahmefällen abgesehen, nicht auf die deutsche Erbschaftsteuer für diesen Erwerb angerechnet wird. Die Anlage von Kapitalvermögen im Ausland kann zur Anwendbarkeit ausländischen Erbschaftsteuerrechts führen und bedingt dadurch das Risiko, dass es im Erbfall zu einer Doppelbesteuerung kommt. Im Rahmen der Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG kann der inländischen Besteuerung in einem solchen Fall nicht entgegengehalten werden, dass die Steuerlast bei einer Anlage im Inland insgesamt niedriger gewesen wäre. Bei einer Anlage im Inland handelt es sich nämlich um einen anderen Sachverhalt als bei einer Anlage im Ausland, die auch zur Anwendung ausländischen Erbschaftsteuerrechts führen kann.

35

cc) Dem Art. 7 OECD-MA (E) entspricht auch die Rechtslage nach dem Abkommen vom 12. Oktober 2006 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe, Erbschaften und Schenkungen –DBA Frankreich– (BGBl II 2007, 1403), das am 3. April 2009 in Kraft getreten ist (BGBl II 2009, 596). Nach Art. 9 DBA Frankreich kann Vermögen, das Teil des Nachlasses oder einer Schenkung einer Person mit Wohnsitz in einem Vertragsstaat ist und in den Art. 5, 6, 7 und 8 DBA Frankreich nicht behandelt wurde, ohne Rücksicht auf seine Belegenheit nur in diesem Staat besteuert werden. Zu diesem Vermögen gehören u.a. Guthaben und festverzinsliche Wertpapiere, die Inländer als Privatpersonen bei ausländischen Kreditinstituten angelegt haben. Es handelt sich dabei nicht um bewegliches materielles Vermögen i.S. des Art. 8 DBA Frankreich. Dies ergibt sich aus Nr. 4 des zwischen Deutschland und Frankreich vereinbarten Protokolls zu dem DBA Frankreich. Danach gelten Bargeld, Forderungen jeder Art, Aktien und Gesellschaftsanteile nicht als bewegliches materielles Vermögen i.S. des Art. 8 DBA Frankreich. Dieses Protokoll ist nach Art. 18 DBA Frankreich Bestandteil dieses DBA.

36

dd) Eine Pflicht Deutschlands, eine von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erhobene Erbschaftsteuer stets auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch Art. 23 GG nicht entnommen werden. Diese Vorschrift regelt allgemein die Mitwirkung Deutschlands bei der Entwicklung der Europäischen Union. Die Regelung von Einzelfragen wie etwa die Vermeidung einer unionsrechtlich nicht ausgeschlossenen Doppelbesteuerung eines Erwerbs von Todes wegen ist nicht Gegenstand der Vorschrift.

37

ee) Ist die Höhe der Steuerbelastung, die sich aus der Doppelbesteuerung des von Todes wegen erfolgenden Erwerbs von Forderungen eines inländischen Erblassers gegen ausländische Schuldner insgesamt ergibt, bezogen auf den Wert der Forderungen unter Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und des auf dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beruhenden Übermaßverbots nicht hinnehmbar, hat auch dies nicht zur Folge, dass die ausländische Steuer auf die inländische Erbschaftsteuer anzurechnen ist. In einem solchen Fall kommen vielmehr Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO als verfassungsrechtlich ausreichende Abhilfemaßnahmen in Betracht (vgl. Jülicher, a.a.O., § 21 Rz 6; Jochum in Wilms/Jochum, § 21 ErbStG Rz 20, 110; Weinmann in Moench/Weinmann, § 21 ErbStG Rz 5; Riedel in Daragan/ Halaczinsky/Riedel, ErbStG, BewG, § 21 ErbStG Rz 68; Schaumburg, IStR, 3. Aufl. 2011, Rz 14.12, 15.244, 16.494). Wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes in Einzelfällen zu einem „ungewollten Überhang“ führen würde, kann eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass bestehen (BVerfG-Beschluss vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174, unter C.III., m.w.N.). Auf nähere Einzelheiten braucht insoweit im vorliegenden Verfahren nicht eingegangen zu werden, weil der Erlassbescheid vom 23. April 2007 nicht Gegenstand des Verfahrens ist.

38

d) Auch aus dem in Art. 1 des 1. ZP-EMRK geregelten Schutz des Eigentums lässt sich keine Verpflichtung Deutschlands zur generellen Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer entnehmen. Diese Vorschrift schließt eine Doppelbesteuerung bei Fehlen eines DBA ebenso wie das Unions- und das Verfassungsrecht zumindest nicht grundsätzlich aus. Sie enthält keine Kriterien zu der Frage, wie und zu Lasten welchen Staates eine Doppelbesteuerung vermieden werden soll. Jedenfalls im Regelfall ist das Recht auf Eigentum nicht verletzt, wenn der Staat, dem nach den internationalen Gepflogenheiten, die im OECD-MA (E) zum Ausdruck kommen, das ausschließliche Besteuerungsrecht für einen Erwerb von Todes wegen zusteht, von diesem Recht Gebrauch macht und eine etwaige von einem ausländischen Staat zusätzlich erhobene Erbschaftsteuer nicht anrechnet.

39

Eine übermäßige, konfiskatorische Steuerbelastung kann allerdings eine Verletzung des durch Art. 1 des 1. ZP-EMRK gewährleisteten Rechts auf Eigentum begründen (Peukert in Frowein/ Peukert, EMRK-Kommentar, 3. Aufl., Art. 1 des 1. ZP, Rz 74; Cremer in Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 2006, Kap. 22 Rz 85). Eine Verpflichtung Deutschlands, die konfiskatorische Wirkung der Doppelbesteuerung durch eine Anrechnung der ausländischen Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer und somit durch eine einseitige Maßnahme zu beseitigen, lässt sich indes nach Ansicht des Senats aus Art. 1 des 1. ZP-EMRK nicht ableiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie im vorliegenden Fall bei Bestehen eines dem OECD-MA (E) entsprechenden DBA das alleinige Besteuerungsrecht Deutschland zustünde und der ausländische Staat, der durch die Höhe des von ihm angesetzten Steuersatzes wesentlich zu der konfiskatorischen Wirkung der Doppelbesteuerung beigetragen hat, wie im Streitfall Frankreich ebenfalls die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), der EMRK beigetreten ist.

40

Auch in diesem Zusammenhang kommen indes Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO und dem jeweils maßgebenden Recht des ausländischen Staates, der ebenfalls der EMRK beigetreten ist, als ausreichende Abhilfemaßnahmen in Betracht. Auf nähere Einzelheiten braucht in diesem Zusammenhang nicht eingegangen zu werden, da Billigkeitsmaßnahmen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

41

e) Die französische Erbschaftsteuer ist danach im Streitfall nicht auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen. Die Voraussetzungen für eine Anrechnung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 ErbStG sind nicht erfüllt. Bei dem von E in Frankreich angelegten Kapitalvermögen handelt es sich nicht um Auslandsvermögen i.S. des § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 121 BewG. Die von der Klägerin begehrte Anrechnung kann weder auf Unions- noch auf Verfassungsrecht oder Art. 1 des 1. ZP-EMRK gestützt werden.

42

2. Ebenfalls zutreffend hat das FG angenommen, dass die französische Erbschaftsteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar ist.

43

a) Gemäß § 10 Abs. 8 ErbStG ist die von dem Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht abzugsfähig. Dies gilt nicht nur für die Erbschaftsteuer nach dem ErbStG, sondern übereinstimmend mit der Auffassung der Finanzverwaltung (H E 10.11 der Hinweise zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 vom 19. Dezember 2011, BStBl I 2011 Sondernummer 1, 117) gleichermaßen auch für ausländische Steuern, die der deutschen Erbschaftsteuer entsprechen (FG Düsseldorf, Urteil vom 13. Mai 2009 4 K 155/08 Erb, EFG 2009, 1310; Gebel in Troll/Gebel/ Jülicher, ErbStG, § 10 Rz 268; ders., Betriebs-Berater –BB– 1999, 135, 142; Billig, Finanz-Rundschau 2009, 298; Pahlke in Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, 1998, § 10 Rz 99, § 21 Rz 4; Jochum, a.a.O., § 10 ErbStG Rz 208, § 21 Rz 19 f.; Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG, Rz 177; Jüptner in Fischer/ Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 4. Aufl., § 10 Rz 291, § 21 Rz 9; Weinmann, a.a.O., § 10 ErbStG Rz 110, § 21 ErbStG Rz 5; Richter in Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 21 ErbStG Rz 34; Szczesny in Tiedtke, ErbStG, 2009, § 10 Rz 87; Tetens in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kompakt-Kommentar, Stuttgart 2009, § 10 Kap. 6.5.8; Seifried in Rödl/ Preißer u.a., a.a.O., § 21 Kap. 1; Schaumburg, a.a.O., Rz 15.244; a.A. Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 10 Rz 59, § 21 Rz 2; Eisele in Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG, Rz 3; Schuck in Viskorf/Knobel/ Schuck, a.a.O., § 10 ErbStG Rz 155; Högl in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 10 ErbStG Rz 256, § 10 ErbStG Rz 11; Reich/ Voß/Striegel in Tiedtke, a.a.O., § 21 Rz 31).

44

Die Berücksichtigung ausländischer Erbschaftsteuer ist vorbehaltlich von Billigkeitsmaßnahmen in § 21 ErbStG eingehend und differenziert geregelt und erfolgt im Wege der Anrechnung. Dabei handelt es sich um eine abschließende Regelung, die den Abzug ausländischer Erbschaftsteuern als Nachlassverbindlichkeiten ausschließt (FG Nürnberg, Urteil vom 18. Dezember 1962 II 374/61, EFG 1963, 311; FG Düsseldorf, Urteil in EFG 2009, 1310; Gebel, BB 1999, 135, 142; ders. in Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2006, 130, 131; Pahlke, a.a.O., § 10 Rz 99, § 21 Rz 4; Jülicher, a.a.O., § 21 Rz 5; Geck, a.a.O., § 10 ErbStG, Rz 177; Jüptner, a.a.O., § 21 Rz 9; Weinmann, a.a.O., § 21 ErbStG Rz 5; Richter, a.a.O., § 21 ErbStG Rz 34; Riedel, a.a.O., § 21 ErbStG Rz 68; Hamdan, Die Beseitigung internationaler Doppelbesteuerung durch § 21 ErbStG, 2007, Rz 467 f.). Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass der Gesetzgeber ausländische Erbschaftsteuern, die § 21 ErbStG von der Anrechnung auf die deutsche Erbschaftsteuer ausschließt, als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigen will. Eine solche Berücksichtigung würde dem Sinn und Zweck des § 21 ErbStG widersprechen, nach dem sich ausländische Erbschaftsteuern nur unter bestimmten Voraussetzungen bei der Festsetzung der deutschen Erbschaftsteuer auswirken sollen.

45

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin angeführten Entstehungsgeschichte des § 10 Abs. 8 ErbStG. § 12 Abs. 7 ErbStG 1922 (RStBl I 1922, 695) bestimmte, dass die Erbschaftsteuer nicht abgezogen wird. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 ErbStG 1922 war auf Antrag die im Ausland erhobene Erbschaftsteuer bei der Berechnung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen, soweit die Steuerpflicht im Ausland befindliche Sachen, Forderungen gegen ausländische Schuldner oder Rechte, deren Übertragung an eine Eintragung in ausländische Bücher geknüpft ist, betraf. In Satz 2 der Vorschrift wurde der Reichsminister der Finanzen ermächtigt, stattdessen auf Gegenseitigkeit die Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Steuer zu bestimmen.

46

Der Abzug der im Ausland erhobenen Erbschaftsteuer bei der Berechnung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit war seinerzeit somit der Regelfall. Die Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Steuer bedurfte der Zulassung durch den Reichsminister der Finanzen und setzte Gegenseitigkeit voraus.

47

Derartige Regelungen gibt es inzwischen nicht mehr. Vielmehr hat der Gesetzgeber selbst die Anrechnung der ausländischen Erbschaftsteuer auf die inländische Erbschaftsteuer in § 21 ErbStG geregelt und dadurch die Berücksichtigung ausländischer Erbschaftsteuern bei der Festsetzung der inländischen Erbschaftsteuer dem Grunde und der Art und Weise nach abschließend bestimmt.

48

c) Soweit sich einzelne Stimmen in der Literatur (Meincke, a.a.O., § 21 Rz 2; Eisele, a.a.O., § 21 ErbStG, Rz 3) auf die in § 34c des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem Steuerpflichtigen eingeräumte Möglichkeit berufen, hinsichtlich der Berücksichtigung der auf ausländische Einkünfte entfallenden ausländischen Einkommensteuer zwischen der Anrechnung auf die deutsche Einkommensteuer und dem Abzug bei der Ermittlung der Einkünfte zu wählen, kann dem für das Erbschaftsteuerrecht nicht gefolgt werden; denn eine entsprechende Regelung enthält das Erbschaftsteuerrecht gerade nicht (Pahlke, a.a.O., § 21 Rz 4; Jochum, a.a.O., § 21 Rz 19; Seifried in Rödl/Preißer u.a., a.a.O., § 21 Kap. 1).

49

Im Übrigen würde ein den Regelungen des § 34c EStG entsprechendes Wahlrecht dem Begehren der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen. Die ausländische Steuer kann nämlich nur dann auf Antrag des Steuerpflichtigen bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 34c Abs. 2 EStG abgezogen werden, wenn die Voraussetzungen für eine Anrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG erfüllt sind (Schmidt/Heinicke, EStG, 32. Aufl., § 34c Rz 15; Gosch in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 34c Rz 29). Eine entsprechende Anwendung des in § 34c Abs. 2 EStG vorgesehenen Wahlrechts auf die Erbschaftsteuer hätte demgemäß zur Folge, dass nur gemäß § 21 ErbStG anrechenbare ausländische Erbschaftsteuern nach Wahl des Steuerpflichtigen als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden könnten. Da diese Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt sind, wäre ein Abzug der französischen Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit ebenfalls ausgeschlossen.

50

d) Aufgrund der Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des Erbschaftsteuerrechts zwingt auch Unionsrecht nicht zum Abzug ausländischer Erbschaftsteuern als Nachlassverbindlichkeiten. Dem Unionsrecht lässt sich nicht entnehmen, welcher der beteiligten Staaten die vom anderen Staat erhobene Erbschaftsteuer bei der Festsetzung der eigenen Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit abziehen müsste.

Normen:

EGV:10  EGV:56  EGV:58  EGV:293  EUV:4/3  EUV:6/1  AEUV:63  AEUV:65  AEUV:267  EUGrdRCh:17/1/1  EUGrdRCh:51/1/1  EUGrdRCh:52/7  GG:2/1  GG:3/1  GG:14/1  GG:23  ErbStG:2/1/1  ErbStG:10/8  ErbStG:21  BewG:121  AO:163  AO:227

Erbschaftsteuer | Unentgeltliches Wohnrecht als begünstigtes Familienheim (FG)

Erbschaftsteuer:Wohn- und Nutzungsrechte nicht erbschaftsteuerfrei nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG

 Leitsatz

Der Erwerb von Todes wegen eines bloßen Wohnrechts an einer nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG begünstigten Immobilie ist nicht erbschaftsteuerbefreit.

 Gesetze

ErbStG § 13 Abs 1 Nr 4b

 Instanzenzug

BFH 22.10.2012 – II R 45/12

 Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Erwerb eines der Klägerin von Todes wegen zugewandten lebenslangen unentgeltlichen Wohnrechts an der Obergeschosswohnung eines den Kindern des Erblassers (voraus-) vermachten bebauten Grundstücks nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b des Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes in der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung (ErbStG ) steuerfrei bleibt.

Die Klägerin ist die Ehefrau des am 2. August 2009 verstorbenen Herrn A. Dieser hatte mit notariellem Testament vom 19. Mai 2004, teilweise geändert und ergänzt durch notarielles Testament vom 7. November 2008, seine beiden Kinder A1 und A2 sowie seine Ehefrau – die Klägerin – zu gleichen Teilen zu Erben eingesetzt und darüber hinaus verfügt, dass seine Kinder im Wege des Vorausvermächtnisses unter anderem das jeweils hälftige Miteigentum an dem in B belegenen Grundstück C-Straße … erhalten sollten. Die Vorausvermächtnisse waren beschwert durch die Anordnung eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnrechts zugunsten der Klägerin an der in den beiden Obergeschossen dieses Objekts befindlichen Wohnung, die die Klägerin und ihr Ehemann – der Erblasser – unstreitig bis zu dessen Tod gemeinsam bewohnt hatten. Das Wohnrecht sollte auch die Nutzung aller dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Räume, Anlagen und Einrichtungen einschließen. Außerdem sollte die Klägerin befugt sein, nach ihrer Wahl drei der vier in dem Anwesen vorhandenen Stellplätze auf Lebenszeit unentgeltlich zu nutzen. Ergänzend wurde der Klägerin das Recht eingeräumt, die dingliche Absicherung sowohl des Wohnrechts als auch des Stellplatznutzungsrechts im Grundbuch auf eigene Kosten zu verlangen.

In der am 10. Juni 2010 von dem Testamentsvollstrecker und gleichzeitigen Bevollmächtigten der Klägerin eingereichten Erbschaftsteuererklärung beantragte dieser, der Klägerin für den Erwerb der Obergeschosswohnung des in B belegenen Objekts C-Straße … bzw. für die Einräumung des Wohnrechts hieran gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG die Steuerbefreiung für Familienheime zu gewähren. Die für eigene Wohnzwecke von der bisherigen Wohnung des Erblassers jetzt selbst und zuvor gemeinsam mit ihm genutzte Wohnfläche bezifferte die Klägerin mit 212 qm. Den Grundbesitzwert gab sie mit 1.043.472 EUR an. Die Anlage Erb 19 Steuerbefreiung Familienheim enthält in ihrer rückseitigen Anleitung u.a. den Hinweis, dass nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG der Erwerb von Todes wegen eines Familienheims durch den überlebenden Ehegatten begünstigt ist und dass als Familienheim das Eigentum oder Miteigentum an einem im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück i.S. von § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) gilt.

Mit notariellem Vermächtniserfüllungsvertrag vom 16. September 2010, auf dessen Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, übertrug der Testamentsvollstrecker zunächst in Erfüllung der vom Erblasser angeordneten Vorausvermächtnisse das in B belegene Grundstück C-Straße … zu jeweils hälftigem Miteigentum auf die beiden Kinder des Erblassers A1 und A2. Sodann räumte er nach Maßgabe der vom Erblasser weiterhin getroffenen letztwilligen Verfügungen der Klägerin auf deren Lebenszeit ein unentgeltliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an der Wohnung in den beiden Obergeschossen des Anwesens C-Straße … in B ein. Zur Sicherung dieses Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts bestellte er der Klägerin je eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an dem belasteten Grundstück.

Durch Bescheid vom 5. Mai 2011 setzte der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO) Erbschaftsteuer i.H. von 235.847 EUR gegen die Klägerin fest. Dabei ging er von einem Erwerbswert i.H. von insgesamt 1.697.374 EUR aus, in den das der Klägerin eingeräumte Wohnungsrecht an der Obergeschosswohnung des Objekts C-Straße … mit einem – der Höhe nach unstreitigen – Kapitalwert von 442.024 EUR einfloss. Wegen der Einzelheiten der Wertermittlung wird auf die Ausführungen des Beklagten im Erörterungsschreiben vom 29. April 2011 Bezug genommen. Den Grundbesitzwert des nachlasszugehörigen Grundstücks C-Straße … setzte er, da eine gesonderte Feststellung auf den Todestag im Zeitpunkt der Erbschaftsteuerveranlagung noch nicht durchgeführt war, im Wege der Schätzung (vorerst) mit 1.072.866 EUR an. Dem Begehren der Klägerin, ihr für den (anteiligen) Erwerb des Grundstücks C-Straße … die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG zu gewähren, entsprach der Beklagte nicht. Zur Begründung verwies er auf die testamentarisch verfügte Verpflichtung der Klägerin zur Weitergabe des Objekts an die insoweit begünstigten Vermächtnisnehmer und gleichzeitigen Miterben A1 und A2, die gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2 ErbStG der Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung durch die Klägerin entgegenstehe. Das der Klägerin außerdem zugewandte Wohnrecht an der Obergeschosswohnung des Grundstücks stelle kein substanziell begünstigtes Vermögen i.S. der Befreiungsvorschrift dar.

Im Verlauf des Verfahrens über den Einspruch der Klägerin, mit dem diese sich gegen die Versagung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG wandte, erteilte der Beklagte ihr am 15. August 2011 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten, weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Erbschaftsteuerbescheid über 339.530 EUR. Dabei bezog er das der Klägerin eingeräumte Wohn- und Mitbenutzungsrecht unverändert mit dem bisherigen Kapitalwert von 442.024 EUR in die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs ein.

Unter dem 8. September 2011 stellte das zuständige Lagefinanzamt B den Grundbesitzwert für das Objekt C-Straße … im Wege der Schätzung auf 1.301.569 EUR fest. Eine Auswertung dieses Bescheids für Zwecke der Erbschaftsteuer erfolgte nach Lage der Akten zunächst nicht.

Den Einspruch der Klägerin wies der Beklagte unter Beibehaltung des Nachprüfungsvorbehalts mit Rechtsbehelfsentscheidung vom 24. Oktober 2011 als unbegründet zurück. Hierzu führte er im Wesentlichen aus:

Die Weitergabeverpflichtung eines dem Grunde nach begünstigungsfähigen Familienheims an einen Dritten stehe der Gewährung der Steuerbegünstigung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG an den zur Weitergabe Verpflichteten entgegen. Da der Erblasser in seinen Testamenten vom 19. Mai 2004 und 7. November 2008 verfügt habe, dass das Eigentum an dem in B belegenen Objekt C-Straße … im Wege des Vorausvermächtnisses auf seine beiden Kinder übergehen solle, könne die zur Weitergabe verpflichtete Klägerin die Steuerbefreiung für den ursprünglich von Todes wegen erworbenen 1/3-Miteigentumsanteil an dem genannten Grundstück nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2 ErbStG nicht für sich in Anspruch nehmen.

Soweit die Klägerin die Obergeschosswohnung aufgrund des ihr testamentarisch eingeräumten Wohnungsrechts selbst zu eigenen Wohnzwecken nutze, stehe ihr die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG ebenfalls nicht zu. Die Begünstigung sei u.a. tatbestandlich mit dem Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG verknüpft. Der Erwerb eines bloßen Nutzungsrechts an einem Familienheim sei hingegen nicht von der Erbschaftsteuer befreit, weil kein begünstigtes Vermögen in seiner Substanz übertragen werde. Dass der Gesetzgeber die Gewährung der Steuerbefreiung davon abhängig mache, dass der Steuerpflichtige Eigentum oder Miteigentum an dem Grundstück erwerbe, liege in seinem Ermessen und begegne keinerlei Bedenken.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt, bei der Erbschaftsteuerfestsetzung über ihren Erwerb von Todes wegen die für Familienheime geltende Befreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG erwerbsmindernd zu berücksichtigen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

Die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG sei auch für das ihr eingeräumte Wohnrecht zu gewähren. Die Nutzung des Familienheims aufgrund eines Wohnrechts könne nicht anders behandelt werden als die Zuwendung eines Familienheims unter Lebenden nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG oder der Erwerb von Todes wegen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG . Die Argumentation des Beklagten berücksichtige nur einen Teil der Tatbestandsvoraussetzungen der Befreiungsvorschrift. Zu diesen Voraussetzungen gehörten der Erwerb von Todes wegen, das Eigentum oder Miteigentum an einem im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR gelegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG und die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch den Erblasser bis zum Erbfall sowie die Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken durch den Erwerber. Der Nutzung des Familienheims durch den Erwerber komme nach dem Gesetzeswortlaut entscheidende Bedeutung zu. Dennoch werde diese Steuerbefreiung auch dann gewährt, wenn der Erwerber an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert sei. Dadurch werde im Gesetzestext zum Ausdruck gebracht, dass die Möglichkeit bzw. das Recht zur Selbstnutzung für den Erhalt der Begünstigung ausreichend seien. Aus diesem Grunde entspreche es nicht der Intention des Gesetzgebers, wenn – wie hier – die tatsächliche Selbstnutzung aufgrund eines Wohnrechts der Besteuerung unterworfen werde, während die tatsächliche Nicht-Selbstnutzung steuerfrei gestellt werde. Aus diesen Überlegungen folge, dass das ihr – der Klägerin – eingeräumte Wohnrecht, in Ausübung dessen sie die Obergeschosswohnung tatsächlich selbst nutze, ebenfalls erbschaftsteuerfrei bleiben müsse.

Insoweit bestehe eine Gesetzeslücke, die durch Auslegung geschlossen werden müsse.

Die in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2 ErbStG normierte Einschränkung für Fälle, in denen das begünstigte Vermögen aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen werden müsse, verstoße gegen die in der BT-Drucksache 16/11107 (Seite 8) niedergelegte Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG . Danach solle die Regelung zur Steuerfreistellung von Wohneigentum für Ehegatten und Lebenspartner neben dem Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraumes auch dem Ziel der Lenkung in Grundvermögen schon zu Lebzeiten des Erblassers dienen. Das Familiengebrauchsvermögen solle krisenfest erhalten werden.

Dieser Zweck werde nicht erreicht, wenn – wie hier – das Familienheim bei den Kindern besteuert werde, weil diese es nicht selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzen, und ihr – der Klägerin – die Befreiung mit der Begründung versagt werde, sie sei zur Weiterleitung des Eigentums auf die Kinder verpflichtet. Da ihr durch die Einräumung des Wohnrechts keine Liquidität zugeflossen sei, müsse sie die Erbschaftsteuer aus dem restlichen durch den Erbfall erworbenen Vermögen entrichten. Die Besteuerung des Wohnrechts bei ihr – der Klägerin – und die gleichzeitige Besteuerung des Eigentumserwerbs bei den Kindern verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG ).

Die Befreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis c ErbStG griffen insgesamt zu kurz, weil Regelungen, wie sie der Erblasser im vorliegenden Fall getroffen habe, von ihnen nicht erfasst würden. Dabei handele es sich um eine in der Praxis weit verbreitete Gestaltung, die dem Erhalt des Vermögens dienen solle. Der Gesetzgeber habe das Familienvermögen schützen wollen und dabei den häufig vorkommenden Lebenssachverhalt der Übertragung von Familienwohnheimen unter Vorbehalt des Wohnrechts zur Absicherung des überlebenden Ehegatten nicht bedacht. Die Versagung der Steuerbefreiung möge in solchen Fällen einer Weitergabeverpflichtung gerechtfertigt sein, in denen der Erwerber das Familienwohnheim tatsächlich nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzen wolle. In den Fällen hingegen, in denen – wie hier – der überlebende Ehepartner abgesichert werden solle, sei dies nicht gerechtfertigt. Das Weitergabeverbot des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2 ErbStG müsse daher unter Berücksichtigung von Art. 6 GG in der Weise einschränkend ausgelegt werden, dass eine Besteuerung erst stattfinde, wenn aufgrund einer Übertragung des Familienwohnheims dieses tatsächlich nicht mehr zu Wohnzwecken innerhalb der Familie genutzt werde. Daher sei die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG abweichend vom Gesetzeswortlaut auch auf dem Ehegatten eingeräumte Wohnrechte anwendbar (Hinweis auf Troll / Gebel / Jülicher, ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 68).

Der Beklagte hat der Klägerin unter dem 1. August 2012 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten, weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid erteilt, mit dem er die Erbschaftsteuer aus hier nicht entscheidungserheblichen Gründen auf 335.293 EUR erhöht hat. Dieser Bescheid ist gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

Die Klägerin beantragt,

den geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom 1. August 2012 dahingehend zu ändern, dass bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG für das Objekt C-Straße … in B berücksichtigt wird,

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Zur Begründung nimmt er zunächst vollinhaltlich Bezug auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus:

Ob es gerechtfertigt wäre, auch Nießbrauch oder Wohnrecht, dem überlebenden Ehegatten nicht selten gewährt, nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG zu begünstigen, könne aufgrund des den Erwerb des Familienheims selbst verlangenden Gesetzeswortlauts nach geltendem Recht dahingestellt bleiben. Denn auch ohne ausdrückliche Regelung wie bei § 13c ErbStG (vgl. dazu Abschnitt 36 Abs. 6 Satz 4 AE ErbSt bzw. RE 13c Absatz 6 Satz 5 ErbStR 2011 ) könne ein übertragenes Nutzungsrecht bei der Qualifikation des Zuwendungsgegenstands nicht einem Grundstück gleich erachtet werden (Hinweis auf Troll / Gebel / Jülicher, ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 68).

Zudem stehe die Steuerbefreiung unter dem Nachversteuerungsvorbehalt. Sie verlange die Selbstnutzung der Wohnung als Eigentümer über einen Zeitraum von zehn Jahren; eine Weiterübertragung unter Nutzungsvorbehalt sei als Verstoß gegen den Nachversteuerungsvorbehalt anzusehen (RE 13.4 Abs. 6 Sätze 1 und 2 ErbStR 2011 ).

Eine Gesetzeslücke, die durch Auslegung geschlossen werden müsse, sei entgegen der Ansicht der Klägerin nicht vorhanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstands wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

I. Der nach § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordene Erbschaftsteueränderungsbescheid vom 1. August 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr für den Erwerb des Wohnrechts an der Obergeschosswohnung des den Kindern des Erblassers vermachten Grundstücks C-Straße … in B die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG zu gewähren.

1. Nach Satz 1 dieser Vorschrift bleibt der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums (u.a.) an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG durch den überlebenden Ehegatten steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung gemäß Satz 2 dieser Bestimmung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Die Gewährung der Steuervergünstigung für das in Satz 1 der Vorschrift legal definierte „Familienheim” setzt danach voraus, dass folgende Tatbestandsmerkmale – kumulativ – erfüllt sind:

A)          Es handelt sich um einen Erwerb von Todes wegen i.S. von § 3 ErbStG (in Abgrenzung zu den nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG begünstigten Schenkungen unter Lebenden, § 7 ErbStG ), wozu insbesondere Erwerbe durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB ), durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. §§ 2147 ff BGB ) oder durch ein Schenkungsversprechen auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG i.V.m. § 2301 BGB ), aber auch die (fiktiven) Erwerbstatbestände des § 3 Abs. 2 ErbStG gehören (vgl. z.B. Viskorf in NWB-Kommentar zum ErbStG und BewG , § 13 ErbStG Rz. 51, Moench / Kien-Hümbert, ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 33, und Schmidt in Tiedtke, ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 147).

B)          Erwerber ist der überlebende Ehegatte oder der überlebende Lebenspartner.

C)          Erwerbsgegenstand ist das Eigentum oder Miteigentum (u.a.) an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S. von § 181 Abs. 1 bis 5 BewG.

D)          Der Erblasser muss darin bis zu seinem Tod selbst gewohnt haben oder an der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken aus zwingenden Gründen gehindert gewesen sein.

E)           Die Wohnung muss beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein.

F)           Als Negativvoraussetzung: Der Erwerber darf nicht auf Grund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers, also z.B. eines testamentarisch angeordneten (Voraus-) Vermächtnisses, einer Auflage, einer Teilungsanordnung oder eines Erbvertrags, zur Weitergabe des (potentiell) begünstigten Vermögens auf einen Dritten verpflichtet sein; die Befreiung soll vielmehr allein dem Letzterwerber zugutekommen, sofern dieser zum begünstigten Personenkreis gehört (Moench /Kien-Hümbert. ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 35, und Viskorf in NWB-Kommentar zum ErbStG und BewG , § 13 ErbStG Rz. 79).

 

2. Im vorliegenden Fall sind nicht alle vorgenannten Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ erfüllt.

a) Soweit die Klägerin auf Grund ihrer testamentarischen Erbeinsetzung neben den Kindern des Erblassers entsprechend ihrer Quote zu einem Drittel Miteigentümerin des nachlasszugehörigen Grundstücks C-Straße … in B geworden war, ist ihr zwar mit Versterben des Erblassers – zunächst – von Todes wegen das Miteigentum an einem in B und mithin im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 BewG , d.h. einem Zweifamilienhaus, angefallen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB ). Sie war jedoch durch das zugunsten der Kinder des Erblassers ausgesetzte, mit notariellem Vertrag vom 16. September 2010 anordnungsgemäß vollzogene Vorausvermächtnis und mithin auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers verpflichtet, das ihr anteilig zugefallene Eigentum an dem begünstigten Vermögensgegenstand auf einen Dritten – nämlich die Kinder als (Voraus-) Vermächtnisnehmer – zu übertragen. Für diesen Fall schließt § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2 ErbStG , wie der Beklagte zutreffend erkannt hat, die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung durch den (Erst-) Erwerber ausdrücklich aus.

b) Soweit die Klägerin ihre Anspruchsberechtigung aus dem ihr vom Erblasser eingeräumten Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an Teilen der Immobilie herleitet, liegen zwar die Voraussetzungen zu d) und e) vor, da der Erblasser die in dem Anwesen C-Straße … befindliche, 212 qm große Obergeschosswohnung unstreitig bis zu seinem Tod zusammen mit seiner Ehefrau – der Klägerin – zu eigenen Wohnzwecken genutzt und die Klägerin diese Nutzung auch nach dem Tod ihres Ehemannes – des Erblassers – fortgesetzt hat. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch die Klägerin erfolgte jedoch nicht als Eigentümerin oder Miteigentümerin des begünstigten Vermögens, sondern als Inhaberin eines ihr vom Erblasser letztwillig zugewandten Wohnungsund Mitbenutzungsrechts hieran.

c) Die Ansicht der Klägerin, der Nutzung des Familienheims durch den Erwerber zu eigenen Wohnzwecken komme die entscheidende Bedeutung für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG zu, findet entgegen ihrer Einschätzung weder im Gesetzeswortlaut noch in den sonstigen für die Normauslegung heranzuziehenden Umständen eine Stütze. Das Gesetz enthält vielmehr eine abschließende Aufzählung diverser Tatbestandsmerkmale, die in ihrer Gesamtheit erfüllt sein müssen, um den Anspruch auf Gewährung der Steuerbefreiung zu begründen. Dass einzelnen dieser Merkmale im Verhältnis zu den anderen eine größere oder gar die „entscheidende” Bedeutung zukommen soll, ist nicht ersichtlich. Aber selbst wenn innerhalb der Tatbestandsvoraussetzungen eine derartige „Bedeutungshierarchie” bestünde, würde dies nichts an dem Erfordernis ändern, dass für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG alle in dieser Vorschrift genannten Tatbestandsmerkmale, also auch etwaige „weniger bedeutsame” Voraussetzungen, (kumulativ) vorliegen müssen.

3. Der mit der Klage weiterhin vorgetragenen Auffassung, die Befreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG sei bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen im Wege der Analogie auch auf solche Sachverhalte anzuwenden, in denen der potentiell zum begünstigten Personenkreis gehörende Erwerber – wie hier – eines der genannten Grundstücke ganz oder teilweise auf der Grundlage eines (bloßen) Nutzungsrechts zu eigenen Wohnzwecken selbst nutzt, vermag sich der erkennende Senat ebenso wenig anzuschließen wie der vorrangig zu prüfenden Möglichkeit einer erweiternden Auslegung des Begünstigungstatbestands.

a) Nach Ansicht des erkennenden Senats kann die Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG , die ausdrücklich auf den Erwerb von Todes wegen „des Eigentums oder Miteigentums” an einem der gesetzlich festgelegten Objekte abstellt, auch unter Berücksichtigung der den Materialien zu entnehmenden Gesetzesbegründung nicht dahin verstanden werden, dass über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinaus auch der Erwerb eines bloßen Wohn- oder sonstigen Nutzungsrechts von der Erbschaftsteuer befreit sein soll (so im Ergebnis auch Jülicher in Troll / Gebel / Jülicher, ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 68, der die Frage, ob es gerechtfertigt wäre, auch Nießbrauch und Wohnrecht nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG zu begünstigen, „auf Grund des den Erwerb des Familienheim selbst verlangenden Wortlauts der Vorschrift” nach geltendem Recht dahingestellt sein lässt).

aa) Grundlage jeder Auslegung ist der Gesetzestext. Dabei können einzelne Tatbestandsmerkmale zwar zum Teil eng, zum Teil weit ausgelegt werden. Eine extensive Auslegung des Normenwortlauts ist jedoch nicht zulässig, wenn der Wortsinn einzelner Tatbestandsmerkmale so eindeutig ist, dass für eine weitergehende Interpretation kein Raum mehr bleibt. Je konkreter eine gesetzliche Vorschrift gefasst ist, desto weniger Raum ist für eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung (Klein / Gersch, AO , Kommentar, § 4 Rz. 27, m.w.N.). Der noch mögliche Wortsinn begrenzt die Auslegungsfähigkeit (BFH-Urteil vom 24. Januar 1974 IV R 76/70 , BStBl II 1974, 295 , 296 , m.w.N.).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen schließt der noch mögliche Wortsinn des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG es aus, diese Vorschrift unmittelbar auch auf den Erwerb eines bloßen Wohnungs- oder sonstigen Nutzungsrechts an einem der begünstigten Objekte anzuwenden.

Der bürgerlich-rechtliche Begriff des „Eigentums” oder „Miteigentums” wird durch die Regelungen des BGB , insbesondere durch die §§ 903 ff BGB und die dazu ergangene Zivilrechtsprechung bestimmt. Danach ist Eigentum das umfassendste dingliche Herrschaftsrecht, das die Rechtsordnung an einer beweglichen und unbeweglichen Sache zulässt (Palandt / Bassenge, Kommentar zum BGB , Überblick vor § 903 Rz. 1). Nach § 903 Satz 1 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Miteigentum als Unterform des Eigentums liegt vor, wenn das Eigentum an einer Sache mehreren nach Bruchteilen zusteht (§ 1008 BGB ).

Demgegenüber handelt es sich bei dem Wohnungsrecht um einen Sonderfall der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit mit nießbrauchsähnlicher Gestaltung in der Form, dass der Berechtigte ein Gebäude oder einen Teil davon unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung nutzen kann (§ 1093 Abs. 1 BGB ). Ist das Recht – wie hier – auf einen Teil des Gebäudes beschränkt, so kann der Berechtigte die zum gemeinschaftlichen Gebrauch der Bewohner bestimmten Anlagen und Einrichtungen mitbenutzen (§ 1093 Abs. 3 BGB ). Das Wohnungsrecht weist dem Berechtigten daher nur einen kleinen Ausschnitt derjenigen Befugnisse zu, die in ihrer Gesamtheit üblicherweise dem Grundstückseigentümer als dem Inhaber der umfassenden dinglichen Sachherrschaft zustehen.

Vor dem Hintergrund dieser im bürgerlichen Recht klar und eindeutig festgelegten Bedeutungsunterschiede zwischen dem Rechtsinstitut des Eigentums bzw. Miteigentums einerseits und dem des Wohnungsrechts (als Sonderform der Nutzungsrechte) andererseits ist eine auch das Wohnungsrecht einschließende Auslegung des in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG enthaltenen Tatbestandsmerkmals „Eigentum oder Miteigentum” nicht möglich.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt auch eine analoge Anwendung dieser Begünstigungsvorschrift auf den Erwerb von Wohnungsrechten nicht in Betracht.

aa) Unabdingbare Voraussetzung der analogen Anwendung einer Rechtsnorm auf einen Sachverhalt, den diese Rechtsnorm nach ihrer durch den möglichen Wortsinn begrenzten Auslegung nicht mehr erfasst, ist, dass das Gesetz lückenhaft ist, d.h. keine Regelung für den zu beurteilenden Sachverhalt enthält. Eine Lücke – als planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts (Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, Seite 30) – liegt überall, aber auch nur dort vor, wo es, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage, Seite 357 f). Mit anderen Worten: Eine Gesetzeslücke ist anzunehmen, wenn ein Gesetz keine Regelung für einen bestimmten Sachverhalt enthält, der nach dem Gedanken des Gesetzes hätte geregelt werden müssen (BFH-Urteil vom 24. Januar 1974 IV R 76/70 , BStBl II 1974, 295 , 297 , und Klein / Gersch, AO , Kommentar, § 4 Rz. 36). „Offen” ist die Regelungslücke, wenn das Gesetz völlig schweigt, weil bei seinem Zustandekommen ein bestimmter Sachbereich oder eine einzelne Frage eines solchen Sachbereichs entweder absichtlich nicht geregelt, sondern die Regelung der Rechtsprechung überlassen oder übersehen worden ist (Tipke / Kruse, AO und FGO , § 4 AO Tz. 351, m.w.N.). Demgegenüber liegt ein sogenannter „rechtspolitischer Fehler” vor, wenn sich eine gesetzliche Regelung lediglich rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig erweist (Larenz, a.a.O., Seite 353, und Canaris, a.a.O., Seite 33 f und 73, sowie BFH-Urteil vom 24. Januar 1974 IV R 76/70 , BStBl II 1974, 295 , 297 ). Die Feststellung, ob eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts oder nur ein rechtspolitischer Fehler vorliegt, kann im Einzelfall beträchtliche Schwierigkeiten bereiten, sofern die Materialien des Gesetzes keine zweifelsfreien Hinweise in die eine oder andere Richtung geben (BFH-Urteil vom 24. Januar 1974 IV R 76/70 , BStBl II 1974, 295 , 297 ).

bb) Ausweislich der Gesetzesmaterialien verfolgt die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Neuregelung den „Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums” sowie die „Lenkung in Grundvermögen schon zu Lebzeiten des Erblassers” (BT-Drucks. 16/11107, 10, vgl. auch Viskorf in NWB-Kommentar zum ErbStG und BewG , § 13 ErbStG Rz. 48, Kobor in Fischer / Jüptner / Pahlke, ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 36, Schmidt in Tiedtke, ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 132, u.a.m.). Zum einen sollen die potentiellen Erblasser bereits zu Lebzeiten in ihrer Investitionsentscheidung dahingehend beeinflusst werden, ihr Vermögen in Grundvermögen anzulegen (vgl. Moench / Kien-Hümbert, ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 32). Zum anderen soll „vor dem Hintergrund der Finanzmarktentwicklung des Jahres 2008 … das Familiengebrauchsvermögen krisenfest erhalten werden” (BT-Drucks. 16/11107, 10). Diese Vorstellungen des Reformgesetzgebers, die jedenfalls primär darauf abzielen, den Erhalt des Vermögensgegenstands „Immobilie” zu fördern (vgl. hierzu kritisch Steiner, ErbStB 2011, 350, 352, m.w.N.), sprechen eher dafür, die Steuerbefreiung auf den Erwerb des (Mit-) Eigentums an einem der genannten Grundstücke, also den Erwerb „des Familienheims selbst” (Jülicher in Troll / Gebel / Jülicher, ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 68), zu beschränken. Untermauert wird diese Annahme zudem durch die Regelungen zur Weitergabeverpflichtung (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Sätze 2 und 3 ErbStG ), durch die sichergestellt werden soll, dass nur demjenigen die Begünstigung gewährt wird, der auch das Eigentum an dem Familienheim erhält (Moench / Kien-Hümbert, ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 35). Demgegenüber lassen sich Anhaltspunkte für die mit der Klage vorgetragene Ansicht, dass der Gesetzgeber trotz des eindeutigen Normenwortlauts auch andere Rechtspositionen wie etwa dingliche und / oder schuldrechtliche Nutzungsrechte an einer potentiell begünstigten Immobilie in den Befreiungstatbestand einbeziehen wollte, weder den Materialien noch anderen über die Gesetzgebungsmotive Auskunft gebenden Unterlagen entnehmen. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis fehlt es an „zweifelsfreien Hinweisen” (BFH-Urteil vom 24. Januar 1974 IV R 76/70 , BStBl II 1974, 295 , 297 ) für das Vorliegen einer – ggf. im Wege der Analogie zu schließenden – Regelungslücke. In diesen Fällen, in denen eine Regelung zwar möglicherweise verbesserungswürdig, aber eben nicht lückenhaft ist, scheidet eine Rechtsfortbildung aus, weil sich andernfalls das Gericht an die Stelle des Gesetzgebers setzen würde (BFH-Urteile vom 26. Juni 1986 IV R 151/84 , BStBl II 1986, 741 , 743 , und vom 16. Dezember 1987 I R 350/83, BStBl II 1988, 600 , 602 , sowie Klein / Gersch, AO , Kommentar, § 4 Rz. 36).

Ob der im Schrifttum vereinzelt geäußerten Kritik zuzustimmen ist, wonach es als „Webfehler” des Gesetzes anzusehen sei, dass engste Angehörige jeweils für sich von Todes wegen begünstigt erwerben können, wenn jeweils einer bzw. eine Gruppe Eigentümer des Objekts ist und es zugleich bewohnt, während es umgekehrt schädlich sein solle, wenn Eigentum und Nutzungsrecht gerade zwischen diesen beiden Personen (-gruppen) auseinanderfallen (so Jülicher in Troll / Gebel / Jülicher, ErbStG , Kommentar, § 13 Rz. 68 a.E.), bedarf bei dieser Sachlage keiner abschließenden Klärung.

c) Entgegen der Ansicht der Klägerin begegnet die Beschränkung des in § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG normierten Befreiungstatbestands auf den Erwerb des Vollrechts (Eigentum oder Miteigentum) auch keinerlei verfassungsrechtlichen Bedenken.

aa) Die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG ) gewährleistet das Erbrecht als Rechtsinstitut und als Individualrecht. Die verfassungsrechtliche Garantie des Erbrechts lässt es gleichwohl zu, dass der Steuergesetzgeber eine Erbschaftsteuer (vgl. Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG ) vorsieht, die den durch den Erbfall beim Erben anfallenden Vermögenszuwachs und die dadurch vermittelte finanzielle Leistungsfähigkeit belastet (vgl. BVerfG-Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 , BVerfGE 93, 165, 172 = BStBl II 1995, 671). Dabei eröffnet ihm die Befugnis nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG , Inhalt und Schranken des Erbrechts gesetzlich zu bestimmen, eine weitreichende Gestaltungsbefugnis. Die Erbrechtsgarantie gewährleistet nicht das unbedingte Recht, den gegebenen Eigentumsbestand von Todes wegen ungemindert auf Dritte zu übertragen (BVerfG in BVerfGE 93, 165, 174 = BStBl II 1995, 671 ff). Auch der Erbschaftsteuergesetzgeber ist jedoch an die Begrenzungen gebunden, die sich für die Regelungsbefugnis nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG – außer aus dem grundlegenden Gehalt der Erbrechtsgarantie selbst – z.B. aus dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG ) und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG ) ergeben (BVerfG-Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 , BVerfGE 93, 165, 174 = BStBl II 1995, 671 , 674 ff). Danach ist eine an Ehe und Familie anknüpfende steuerrechtliche Benachteiligung grundsätzlich untersagt, und die familiären Bezüge der nächsten Angehörigen zum Nachlass sind erbschaftsteuerlich zu berücksichtigen (BVerfG-Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 , BVerfGE 93, 165, 174 ff = BStBl II 1995, 671 , 674 ff, sowie BVerfG-Beschluss vom 28. Oktober 1997 1 BvR 1644/94 , BVerfGE 1997, 1 ff , m.w.N.). Vor diesem Hintergrund leitet das BVerfG in ständiger Rechtsprechung aus dem Verwandtenerbrecht (Art. 6 Abs. 1 GG ) und der Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ) u.a. das Erfordernis her, den steuerlichen Zugriff bei (engen) Familienangehörigen, insbesondere bei Ehegatten und Kindern, derart zu mäßigen, dass diesen der jeweils überkommene Nachlass zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder – bei kleineren Vermögen – völlig steuerfrei zugute kommt (BFH-Beschluss vom 14. Juli 2011 II B 27/11 , BFH/NV 2011, 1881 , m.w.N. aus der BVerfG-Rspr., vgl. auch Meincke, ErbStG , Kommentar, 16. Auflage, § 15 Rz. 2 und § 16 Rz. 1 sowie Einführung Rz. 10). Insoweit sieht es das BVerfG als verfassungsrechtlich unverzichtbar an, die Belastung mit Erbschaftsteuer – wie in §§ 15 , 16 und 19 ErbStG geschehen – nach dem Grad der verwandtschaftlichen Beziehung abzustufen.

bb) Diese durch das Verwandtenerbrecht (Art. 6 Abs. 1 GG ) bedingten verfassungsrechtlichen Vorgaben werden durch den Umstand, dass die Steuervergünstigung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG tatbestandlich an den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem der gesetzlich näher bezeichneten Grundstücke anknüpft, nicht in Frage gestellt. Denn der Vergünstigungskatalog des § 13 ErbStG sieht – anders als die den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers Rechnung tragende Bestimmung des § 16 ErbStG – sachliche Befreiungen vor, die wegen des besonderen Gegenstands der Zuwendung oder sonstigen Vermögensanfalls aus in der Sache des Erwerbs liegenden Gründen gewährt werden (vgl. hierzu Meincke, ErbStG , Kommentar, 16. Auflage, § 13 Rz. 1 und § 16 Rz. 1).

Soweit das BVerfG in seiner zur Erbschaftsteuer ergangenen Entscheidung vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165 ff ) punktuell Bezug nimmt auf seinen die Verfassungsmäßigkeit der Vermögensteuer betreffenden (und diese verneinenden) Beschluss 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121 = BStBl II 1995, 655) vom gleichen Tage, kann der erkennende Senat dahinstehen lassen, ob und inwieweit das BVerfG auch eine besondere erbschaftsteuerliche Begünstigung des sogenannten „Gebrauchsvermögens” verlangt hat (verneinend BFH-Beschluss vom 1. September 2004 II B 35/03 mit Anmerkung Steinhauff in jurisPR-SteuerR 26/2006). Selbst wenn es nämlich eine derartige Privilegierung für verfassungsrechtlich notwendig oder jedenfalls geboten hielte, wäre diesem Erfordernis durch die Befreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG genüge getan. Indem der Gesetzgeber die Gewährung der Steuervergünstigung davon abhängig gemacht hat, dass der Erwerber Eigentümer der Immobilie wird und diese außerdem selbst für eigene Wohnzwecke nutzt, also Eigentum und tatsächliche Nutzung in einer Person zusammenfallen, überschreitet er nicht die durch die Verfassung, insbesondere durch Art. 6 Abs. 1 GG , gezogenen Grenzen des durch Art. 14 Abs. 1 GG eröffneten Gestaltungsspielraums. In der Kommentarliteratur wird vielmehr umgekehrt diskutiert, ob die in der Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG angegebenen Verschonungsgründe überhaupt tragfähig sind in Anbetracht der Tatsache, dass dem Schutz des „Familienheims” als „Familiengebrauchsvermögen” bereits die mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz zum 1. Januar 2009 deutlich angehobenen persönlichen Freibeträge für Ehegatten, Kinder und Enkelkinder dienen (Viskorf in NWB-Kommentar zum ErbStG und BewG , § 13 ErbStG Rz. 49). Bei dieser Sachlage stellt sich daher nicht vorrangig die mit der Klage aufgeworfene Frage, ob der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG aus verfassungsrechtlichen Gründen erweiternd auszulegen ist, sondern es gilt primär zu klären, ob es einen tragfähigen Gemeinwohlgrund gibt, der es rechtfertigt, den Erwerb eines „Familienheims” gegenüber anderen Erwerbsgegenständen steuerlich zu begünstigen (so offenbar Viskorf in NWB-Kommentar zum ErbStG und BewG , § 13 ErbStG Rz. 49).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .

3. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen, ob auch der Erwerb von Todes wegen eines bloßen Wohnrechts an einer nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG begünstigten Immobilie erbschaftsteuerbefreit ist.