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Kindergeld: Der Streit um den Abschluss der ersten Berufsausbildung geht weiter

Kindergeld: Der Streit um den Abschluss der ersten Berufsausbildung geht weiter

 

Nimmt ein Kind im Anschluss an eine Berufsausbildung ein Studium auf, stellt sich die Frage, ob dieses noch Bestandteil der ersten Ausbildung ist oder nicht. Bei einer Ausbildung zum Steuerfachgehilfen und einem anschließenden Bachelor-Studium im Steuerrecht bejahte das Finanzgericht Düsseldorf den engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang und gewährte den Eltern das Kindergeld.

 

Hintergrund

Der 1993 geborene Sohn der Klägerin befand sich bis zum Juni 2014 in Berufsausbildung zum Steuerfachgehilfen. Im September 2014 begann er ein Studium an der Hochschule für Ökonomie & Management. Die Familienkasse lehnte die Kindergeldgewährung ab Juli 2014 ab, da der Sohn eine erste Berufsausbildung beendet hatte und sich in einer weiteren Berufsausbildung befand. Wegen seiner Vollzeit-Erwerbstätigkeit konnte der Sohn nicht mehr berücksichtigt werden.

Mit ihrer Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die Ausbildung zum Steuerfachangestellten und der unmittelbar im Anschluss anschließende Studiengang eine einheitliche Erstausbildung darstellten. Da es sich um eine sog. mehraktige Ausbildung handelte, war die erste Berufsausbildung Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsganges.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klägerin recht und entschied, dass das Bachelor-Studium des Sohnes einen Teil der Erstausbildung darstellte. Denn das ersichtliche Ausbildungsziel des Sohnes war die Erlangung des akademischen Grades eines “Bachelor of Arts”. Für die Frage, ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein weiterer Abschluss Teil der Erstausbildung sein kann, stellt der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung darauf ab, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Es kommt darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen.

Im vorliegenden Fall stellte das im Anschluss an die Ausbildung zum Steuerfachgehilfen zum nächsten Semesterbeginn aufgenommene Bachelor-Studium im Steuerrecht aufgrund des engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs zur ersten berufsqualifizierenden Maßnahme einen integrativen Bestandteil der erstmaligen Berufsausbildung. Der Klägerin stand damit trotz der Erwerbstätigkeit des Sohnes das Kindergeld zu.

Kindergeld darf bei Verletzung der Mitwirkungspflicht zurückgefordert werden

Kindergeld darf bei Verletzung der Mitwirkungspflicht zurückgefordert werden

Hat der Kindergeldberechtigte seine Mitwirkungspflichten verletzt, indem er eine Schulbescheinigung zu spät vorgelegt hat, und ist dadurch der Rückforderungsbescheid bestandskräftig geworden, ist die Familienkasse nicht zum Billigkeitserlass der Rückforderung verpflichtet.

Hintergrund

Die Mutter bekam für ihren volljährigen Sohn von August 2012 bis Juli 2014 Kindergeld. Im Sommer 2014 forderte die Familienkasse sie auf, eine Schulbescheinigung bzw. einen Nachweis über die Beendigung der Schulausbildung ihres Sohnes vorzulegen. Darauf reagierte die Mutter trotz mehrerer Aufforderungen nicht. Deshalb hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzungen auf und forderte das Kindergeld von 5.160 EUR zurück. Erst 4 Monate später legte die Mutter im Rahmen eines Einspruchs die gewünschten Nachweise vor. Nachdem die Familienkasse die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und den Einspruch als unzulässig verworfen hatte, beantragte die Mutter den Erlass der Kindergeld-Rückforderung aus Billigkeitsgründen.

Entscheidung

Auch das Finanzgericht lehnte einen Erlass aus Billigkeitsgründen ab, da die Familienkasse nicht zum Erlass der Kindergeld-Rückforderung verpflichtet ist. Das gilt auch dann, wenn das Kindergeld bereits auf SGB II-Leistungen angerechnet wurde. Der Grund: Die kindergeldberechtigte Mutter hat ihre Mitwirkungspflichten verletzt, indem sie die Schulbescheinigung zu spät vorgelegt hat. Deshalb ist der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid bestandskräftig geworden. Ihr wäre es auch möglich und zumutbar gewesen, hiergegen rechtzeitig Einspruch einzulegen.

Behinderte Kinder: Kein Kindergeld bei eigenem Einkommen

Behinderte Kinder: Kein Kindergeld bei eigenem Einkommen

Auch nachdem die Grenzbetragsregelung mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 entfallen ist, besteht ein Kindergeldanspruch für behinderte Kinder nur dann, wenn das Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Das entschied das Finanzgericht Sachsen-Anhalt.

Eltern behinderter Kinder haben auch dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind älter als 18 Jahre ist. Es ist sogar möglich, dass dieser Kindergeldanspruch über das 25. Lebensjahr hinaus weiterbesteht. Eine Einschränkung gibt es: Übersteigt das Einkommen des behinderten Kindes bestimmte Grenzen, entfällt der Anspruch. Bis 2011 wurde für die Berechnung des Grundbedarfs der sogenannte Grenzbetrag der Einkünfte in Höhe von 8.004 EUR herangezogen.

Grundfreibetrag ersetzt Grenzbetrag
Allerdings ersetzte der Gesetzgeber diesen Grenzbetrag mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 durch den Grundfreibetrag, der im Jahr 2012 bei 8.004 EUR lag. Diese Änderung war Gegenstand eines Rechtstreits, den das Finanzgericht Sachsen-Anhalt zu entscheiden hatte.

In dem Streit ging es um das Kindergeld für den seelisch behinderten Sohn einer Familie, der seit 2007 mit einem Grad der Behinderung von 70 % eingestuft ist und seit 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit bezieht. Der Sohn lebt zudem in einem eigenen Haushalt.

Nachdem die Familienkasse im Jahr 2012 den Bedarf und die verfügbaren Mittel des Sohns errechnet hatte, hob es die Festsetzung des Kindergelds ab 1.9.2012 auf. Begründung: Der Sohn sei aufgrund der eigenen finanziellen Mittel in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Konkret: Die Einkünfte lagen über dem Grundfreibetrag von 8.004 EUR.

Dagegen legte die Familie Einspruch ein und verwies darauf, dass mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 der Grenzbetrag entfallen sei und damit unabhängig von den eigenen Einkünften des Sohns ein Anspruch auf Kindergeld bestehe. Nachdem das Finanzamt den Einspruch zurückgewiesen hatte, erhob die Familie die Klage vor dem Finanzgericht.

Finanzgericht lässt keine Revision zu
Das Finanzgericht folgte jedoch der Rechnung der Familienkasse, dass der Sohn der Klägerin in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten. Das sei dann der Fall, wenn das Kind genügend Geld verdiene, um den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Dieser setze sich dabei zusammen aus dem allgemeinen Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf. Für den Streitzeitraum 2012 sei der Grundbedarf mit dem damaligen Grundfreibetrag von 8.004 EUR anzusetzen. Hinzu komme ein individueller behinderungsbedingter Mehraufwand. Dafür könne der Steuerpflichtige Einzelnachweise vorlegen, andernfalls komme der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag zum Ansatz. Liegen dann die Einkünfte des Kindes über der Summe aus Grundfreibetrag und Mehraufwand, entfalle auch der Anspruch der Eltern auf das Kindergeld.

Kindergeld für die nicht verheiratete Tochter mit eigenem Kind

Kindergeld für die nicht verheiratete Tochter mit eigenem Kind

Ab 2012 ist der Unterhaltsanspruch, der der nicht verheirateten Tochter gegen den Vater ihres Kindes zusteht, für den Kindergeldanspruch ohne Bedeutung.

Hintergrund
X ist Vater einer Tochter (T), für die er Kindergeld bezog. T ist Mutter eines 2010 geborenen Kindes. Sie befand sich in einer Berufsausbildung.

Die Familienkasse hob gegenüber V die Festsetzung des Kindergelds für T ab Januar 2013 auf, weil nicht mehr die Eltern gegenüber T unterhaltspflichtig seien, sondern der Vater des Kindes.

Das Finanzgericht gab der Klage mit der Begründung statt, nach der Rechtslage ab 2012 komme es auf etwaige Unterhaltsansprüche gegen den Vater des Kindes nicht mehr an.

Entscheidung
Ebenso wie das Finanzgericht ist auch der Bundesfinanzhof der Auffassung, dass der Unterhaltsanspruch, der T gegen den Vater ihres Kindes zusteht, für die Kindergeldberechtigung des X ohne Bedeutung ist. Damit steht X für die in 1992 geborene (über 18-jährige, noch nicht 25 Jahre alte) T Kindergeld zu, da sie sich in Berufsausbildung befand und noch keine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen hatte.

Der Bundesfinanzhof beruft sich auf den Gesetzeswortlaut. Danach ist ab 2012 die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes – im Gegensatz zu der bis Ende 2011 geltenden Rechtslage – ohne Bedeutung. Der Bundesfinanzhof hatte bereits in einem früheren Urteil unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Verheiratung eines Kindes der kindergeldrechtlichen Berücksichtigung nicht entgegensteht, weil dafür keine typische Unterhaltssituation vorausgesetzt wird. Der Unterhaltsanspruch eines verheirateten Kindes gegenüber seinem Ehegatten wirkt sich auf den Kindergeldanspruch nicht aus. Wie der Bundesfinanzhof in dem aktuellen Fall nun entschieden hat, gilt Entsprechendes auch für den Unterhaltsanspruch einer nicht verheirateten Tochter gegen den Vater ihres Kindes.

Kindergeld und Job: 20-Stunden Grenze gilt nicht immer

Kindergeld und Job: 20-Stunden Grenze gilt nicht immer

Ein Auszubildender, der ein duales Studium absolviert, hat nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Münster Anspruch auf Kindergeld, auch wenn er nebenher mehr als 20 Stunden in der Woche arbeitet.

Hintergrund
Ob Eltern für ihre Kinder nach Vollendung des 18. Geburtstags noch Kindergeld erhalten, hängt von unterschiedlichen Voraussetzungen ab. So haben volljährige Kinder, die bereits über eine Ausbildung verfügen oder sich in einer weiteren Ausbildung oder in der Übergangszeit zwischen 2 Ausbildungen befinden, nur dann einen Anspruch, wenn der Nebenjob folgende Bedingungen erfüllt:

  • Es handelt sich um Einkommen aus einem Ausbildungsverhältnis.
  • Es handelt sich um Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung (Minijob).
  • Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit überschreitet 20 Stunden nicht.

Der Fall
Genau um den dritten Punkt ging es im Streitfall. Der Sohn des Klägers hatte nach seinem Abitur mit einer Berufsausbildung zum Industriekaufmann begonnen. Entsprechend der Stellenausschreibung nahm er parallel dazu ein Bachelor-Studium im Studiengang „Business Administration“ an einer dualen Hochschule auf, das er nach bestandener Prüfung zum Industriekaufmann fortsetzte. Daneben arbeitete er 24 Stunden wöchentlich in seinem Ausbildungsbetrieb.

Den Antrag auf Weiterzahlung des Kindergelds nach Abschluss der Prüfung zum Industriekaufmann lehnte die Familienkasse indes ab. Begründung: Das Studium sei nicht begünstigt, weil der Sohn des Klägers eine Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden pro Woche ausübe.

Klage vor dem Finanzgericht erfolgreich
Dieser Begründung folgte das Finanzgericht Münster aber nicht. Der Student habe zwar seine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen. Das Studium sei jedoch trotz des Umfangs der Beschäftigung von mehr als 20 Stunden pro Woche begünstigt, weil es sich hierbei um ein Ausbildungsverhältnis handele. Dies ergebe sich aus den Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber und aus der Verzahnung der Tätigkeit mit dem Studium. Entsprechend der Stellenausschreibung könne der Sohn mit dem Abschluss „Industriekaufmann“ noch nicht als endgültig ausgebildet betrachtet werden.

Kindergeld trotz Wegfalls der Meldung als Arbeitsuchender

Kindergeld trotz Wegfalls der Meldung als Arbeitsuchender

Stellt die Arbeitsagentur die Vermittlung mangels einer Pflichtverletzung des Kindes zu Unrecht ein, besteht die Meldung als Arbeitsuchender unbefristet fort.

Hintergrund
Zu entscheiden war, ob der 20-jährige Sohn als arbeitsuchendes Kind für das Kindergeld zu berücksichtigen ist.

Der Sohn war seit April 2009 bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet. Letztmals im August 2009 setzte er sich mit der Agentur in Verbindung. Anfang Dezember nahm er einen Termin bei der Agentur ohne Angabe von Gründen nicht wahr. Die von der Agentur versandte Mitteilung, sie beabsichtige, die Arbeitsvermittlung einzustellen, blieb unbeantwortet. Darauf fertigte die Agentur unter dem 5.1.2010 eine Verfügung, mit der sie die Arbeitsvermittlung einstellte. Mit Wirkung vom 11.1.2010 meldete sie den Sohn aus der Arbeitsvermittlung ab.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom November 2010 ab Februar 2010 auf, weil der Sohn bei der Agentur nicht mehr als arbeitsuchendes Kind gemeldet sei. Zugleich forderte sie den Vater auf, das für den Streitzeitraum gewährte Kindergeld zu erstatten.

Das Finanzgericht gab der Klage mit der Begründung statt, der Vater bestreite den Zugang der Einstellungsverfügung, die damit nicht wirksam bekannt gegeben worden sei. Der Status als arbeitssuchend sei daher nicht entfallen.

Entscheidung
Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts besteht allein wegen des Fehlens einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung die Meldung als Arbeitsuchender nicht zeitlich unbefristet fort. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob das Kind die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Führt diese Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Agentur die Vermittlung zu Recht eingestellt hat, entfällt der Kindergeldanspruch mit Ablauf des Monats, in dem das arbeitsuchende Kind von der Agentur aus der Vermittlung abgemeldet wurde. Sollte die Agentur die Vermittlung hingegen zu Unrecht eingestellt haben, bestehen die Meldung und damit der Kindergeldanspruch zeitlich unbefristet fort.

Die Pflicht zur Vermittlung des Arbeitsuchenden ist – anders als früher – nicht mehr auf 3 Monate beschränkt; sie besteht grundsätzlich unbefristet fort. Die Agentur kann allerdings die Vermittlung einstellen, wenn der Arbeitsuchende seine Pflichten – Einreichung von Unterlagen, Einhaltung der der Eingliederungsvereinbarung oder der ihm durch Verwaltungsakt auferlegten Eigenbemühungen – ohne wichtigen Grund nicht erfüllt. Als „Sanktion“ sieht das Gesetz für diesen Fall eine „Vermittlungssperre“ für 12 Wochen vor. Entscheidend für den Fortbestand der Arbeitsuchendmeldung ist daher, ob das Kind eine entsprechende Pflichtverletzung begangen hat.

Der Bundesfinanzhof betont, dass – anders als früher – nicht mehr bei jeglicher mangelnder Mitwirkung die Vermittlung eingestellt werden kann. Nunmehr ist erforderlich, dass einer der gesetzlich genannten Fälle (mangelnde Einreichung von Unterlagen, Verstoß gegen die Eingliederungsvereinbarung oder die auferlegten Eigenbemühungen) vorliegt. Damit berechtigt nicht mehr jede Terminversäumnis zur Einstellung der Vermittlung, sondern nur, wenn z. B. die Pflicht zum Erscheinen in der Eingliederungsvereinbarung festgelegt ist.

Kindergeld und Zweitwohnsitz

Kindergeld und Zweitwohnsitz

Kernproblem
Innerhalb der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) kann es vorkommen, dass in mehreren Ländern zugleich ein gesetzlicher Anspruch auf Kindergeld entsteht. Für diese Anwendungsfälle existiert die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Hier gibt es Zuständigkeitsregelungen, die eine Sicherung der Ansprüche gewähren oder Doppelberücksichtigung verhindern sollen. Wurde Kindergeld in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig gewährt, führte das zum Wegfall der Begünstigung im Inland. Hier hat sich jedoch die Rechtsprechung weiterentwickelt.

Sachverhalt
Ein deutscher Staatsangehöriger und Vater von 2 Töchtern bewohnte bereits seit 1977 eine Einliegerwohnung seiner Eltern in Rheinland-Pfalz. Nachdem er im Jahr 2005 arbeitslos geworden war, trat er im Jahr 2006 eine Beschäftigung in Prag an. Ehefrau und Kinder zogen mit um. Die bisherige Wohnung wurde beibehalten und mit der Familie während des Urlaub und der Schulferien umfangreich (und nicht mit einer Ferienwohnung vergleichbar) genutzt. Einige Jahre später verlangte die Familienkasse das nach dem Umzug gezahlte Kindergeld zurück, weil kein Wohnsitz in Deutschland vorläge. Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zurück. Nach dessen Ansicht hatte zwar ein Zweitwohnsitz in Deutschland vorgelegen; der Anspruch auf Kindergeld sei aber ausgeschlossen, weil nach der VO Nr. 1408/71 das Recht des Beschäftigungsstaates Tschechien gelte, obwohl der Vater dort nach eigener Aussage kein Kindergeld erhalten habe. Der Vater zog vor den Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung
Der BFH bestätigte zunächst die Wohnsitzentscheidung des FG, weil ein Wohnsitz weder den überwiegenden Aufenthalt im Inland (z. B. nach der 183-Tage-Regelung) noch den Lebensmittelpunkt voraussetze. Ob die VO Nr. 1408/71 überhaupt zur Anwendung kam, vermochte der Senat mangels Feststellung des Versicherungsstatus des Vaters nicht zu entscheiden. Er stellte jedoch klar, dass selbst für den Fall der Anwendbarkeit keine Sperrwirkung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats eintrete, folglich Ansprüche allein nach dem deutschen EStG zu beurteilen sind. An der gegenteiligen Auffassung werde nach neuer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr festgehalten.

Konsequenz
Im Ausland gewährte Ansprüche führen nach Auffassung des Senats nicht zu einer vollständigen Versagung des deutschen Kindergelds, sind aber gegenzurechnen, so dass ein Differenz-Kindergeld zur Auszahlung gelangt.

Kindergeld: Sind eigene Einkünfte des verheirateten Kindes relevant?

Kindergeld: Sind eigene Einkünfte des verheirateten Kindes relevant?

Kernproblem
Für volljährige Kinder steht den Eltern Kindergeld zu, wenn sich die Kinder in Berufsausbildung befinden und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Nach langjähriger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erlosch der Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind grundsätzlich mit dessen Eheschließung, weil die Unterhaltsverpflichtung der Eltern infolge der Heirat und der zivilrechtlich vorrangigen Verpflichtung des Ehegatten regelmäßig entfiel. Ein Anspruch auf Kindergeld blieb nur erhalten, wenn die Einkünfte des Ehepartners für den vollständigen Unterhalt des Kindes nicht ausreichten und das Kind auch nicht über ausreichende eigene Mittel verfügte (sogenannter Mangelfall). Seit dem Jahr 2012 ist Kindergeld stets unabhängig von den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes zu gewähren, soweit sich das Kind in Erstausbildung oder einem Erststudium befindet. An der Rechtsauffassung der Familienkassen hat sich aber in Bezug auf verheiratete Kinder nichts geändert. Diesmal klagte eine Mutter, deren verheiratete Tochter über ausreichendes Einkommen verfügte.

Sachverhalt
Für ihre 24-jährige Tochter beantragte eine Mutter im Jahr 2013 Kindergeld. Die Tochter war seit dem Jahr 2010 verheiratet und absolvierte ein Erststudium der Rechtswissenschaften. Ihr Ehemann befand sich in Ausbildung und erhielt ein geringes Schulgeld von jährlich ca. 3.000 EUR. Durch ein Stipendium und eine Beschäftigung als Wissenschaftliche Hilfskraft standen der Tochter mehr als 10.000 EUR im Jahr zur Verfügung. Die Familienkasse lehnte die Auszahlung von Kindergeld ab, weil sich die Tochter selbst unterhalten könne und ein Mangelfall nicht vorliege. Dagegen klagte die Mutter vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (FG), weil der grundsätzlich unterhaltsverpflichtete Ehemann der Tochter nur über geringes Einkommen verfüge und damit ein Mangelfall vorläge. Eigene Einkünfte und Bezüge der Tochter im Erststudium seien seit dem Jahr 2012 unerheblich.

Entscheidung
Das FG hat der Mutter das Kindergeld zugesprochen, aber die (bereits anhängige) Revision beim BFH zugelassen. Da sich das Kind in Erstausbildung beziehungsweise dem Erststudium befinde, sei eine Überprüfung der Einkünfte und Bezüge nach der Neufassung der Kindergeldregelung nicht mehr erforderlich. Das müsse auch gelten, wenn das Kind bereits verheiratet sei, denn aus dem Wortlaut der Regelung sei nicht zu entnehmen, dass der Familienstand zu berücksichtigen ist. Dem stehe auch die Rechtsprechung des BFH zum „Mangelfall“ nicht mehr entgegen, nachdem der Gesetzgeber in Kauf genommen habe, dass auch für Kinder mit hohem eigenem Einkommen Kindergeld gezahlt werde. Die einschlägigen Verwaltungsanweisungen der Familienkassen binden dagegen nur die Verwaltung, nicht die Gerichte.

Konsequenz
Alle hiervon betroffenen Eltern sollten das Kindergeld rückwirkend ab Januar 2012 beantragen, soweit das verfahrensrechtlich möglich ist. In einem ähnlichen Fall hat der BFH bereits entschieden, dass der Mangelfallrechtsprechung die Grundlage entzogen sei.

Kein Kindergeld mehr nach abgeschlossenem Erststudium

Kein Kindergeld mehr nach abgeschlossenem Erststudium

Kernaussage
Das Kindergeld wird in Deutschland im Regelfall als Steuervergütung nach dem Einkommensteuergesetz gezahlt. Es beträgt in Deutschland seit Januar 2010 für das erste und zweite Kind jeweils 184 EUR monatlich; anspruchsberechtigt sind grundsätzlich die Eltern. Hierzu hat das Finanzgericht Düsseldorf kürzlich entschieden, dass für ein volljähriges Kind, welches sein Erststudium mit dem Bachelor-Studium abgeschlossen hat und das während des Promotionsstudiums einer Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden nachgeht, kein Kindergeld gezahlt wird. Die gesetzliche Bestimmung ist insoweit verfassungsgemäß.

Sachverhalt
Die Parteien stritten um die Gewährung von Kindergeld. Der Sohn des Klägers hatte sein Bachelorstudium und seinen Masterstudiengang abgeschlossen und befand sich in einem als Zweitstudium anzusehenden Promotionsstudium. Zusätzlich war er an der Universität als wissenschaftlicher Assistent tätig. Diese Tätigkeit ist in Bayern auf die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten (40,10 Stunden), d. h. auf 20,05 Stunden beschränkt. Mit der Begründung, der Sohn des Klägers gehe nach abgeschlossenem Erststudium einer Beschäftigung mit mehr als 20 Wochenstunden nach, versagte die Familienkasse die Gewährung des Kindergelds ab 2012. Hiergegen wandte sich der klagende Vater und argumentierte, das Gesetz spreche vom „Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums“. Das Wort „und“ bedeute also, dass eine Erwerbstätigkeit nur dann zur Versagung des Kindergeld führen könne, wenn das Kind beides, d. h. eine Berufsausbildung und ein Studium beendet habe, was bei seinem Sohn aber nicht vorliege.

Entscheidung
Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Familienkasse Recht und bejahte den Wegfall des Kindergeldanspruchs. Der Sohn des Klägers konnte ein abgeschlossenes Erststudium vorweisen und arbeitete während des Zweit(Promotions)studiums regelmäßig – also nicht nur ausnahmsweise – wöchentlich mehr als 20 Stunden als wissenschaftlicher Assistent. Das Einkommensteuergesetz stelle ausdrücklich auf die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit ab, so die Richter. Dass diese regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im konkreten Fall 20,05 Stunden betrug und folglich lediglich minimal über der schädlichen Grenze von 20 Wochenstunden lag, rechtfertigte für das Finanzgericht keine andere Beurteilung. Aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut folge, dass auch bei geringfügiger Überschreitung der 20-Stunden-Grenze eine Abrundung nach unten nicht möglich sei: wähle der Gesetzgeber durch Pauschalierung eine Grenze, sei diese von der Familienkasse zu beachten und könne nicht durch Billigkeitsspielräume erweitert werden.

Konsequenz
Das Finanzgericht hält die Gesetzesbestimmung für verfassungsgemäß. Selbst wenn es aufgrund der gesetzlichen Pauschalierung und Typisierung im Einzelfall zu steuersystematisch nicht gerechtfertigten Zahlungen von Kindergeld kommen sollte, sei die damit verbundene Ungleichbehandlung durch den Grundsatz der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt. Das besondere Pech des Klägers war hier, dass sein Sohn in Bayern studierte, denn hätte der Sachverhalt in einem anderen Bundesland gespielt, in dem die tarifliche Wochenarbeitszeit genau oder weniger als 40 Stunden beträgt, wäre dem Kläger das Kindergeld gewährt worden.

Kindergeld auch für Kinder einer eingetragenen Lebenspartnerin

Kindergeld auch für Kinder einer eingetragenen Lebenspartnerin

Kernaussage

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat aktuell entschieden, dass einer Lebenspartnerin ein Kindergeldanspruch auch für die in den gemeinsamen Haushalt aufgenommenen Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin zusteht. Der BFH hat damit die für Ehegatten geltende Regelung auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft angewandt, nach der im Haushalt lebende gemeinsame Kinder der Ehegatten zusammengezählt werden. Sobald beide Lebenspartner oder Ehegatten zusammen mehr als 2 Kinder haben, ist diese Regelung günstiger, als wenn jeder einzelne Ehegatte oder Lebenspartner für seine Kinder Kindergeld beantragt. Denn das Kindergeld steigt ab dem dritten Kind von 184 EUR auf 190 EUR an und beträgt für das vierte und jedes weitere Kind 215 EUR.

Sachverhalt

Im Streitfall lebt die Klägerin in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sie wohnt gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Kindern, ihrer eingetragenen Lebenspartnerin sowie mit deren beiden minderjährigen Kindern in einem Haushalt. Für ihre Kinder erhält sie Kindergeld. Darüber hinaus begehrte sie für den Zeitraum ab Dezember 2009 vergeblich Kindergeld für die in dem gemeinsamen Haushalt versorgten Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Nach seiner Meinung ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Einkommensteuer- und Kindergeldfestsetzungen die Gleichbehandlung von Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften mit Ehegatten und Ehen auch insoweit geboten, als Kindergeldfestsetzungen noch nicht bestandskräftig sind. Der Gesetzgeber habe mit Gesetz vom 15.7.2013 eine Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern für das gesamte Einkommensteuergesetz mithin auch für das dort im 10. Abschnitt geregelte Kindergeldrecht bezweckt.

Konsequenz

Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 7.5.2013 entschieden hatte, dass der Ausschluss eingetragener Lebenspartner vom Ehegattensplitting mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sei, sind nunmehr die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden (§ 2 Abs. 8 EStG). Die Neuregelung des Gesetzes vom 15.7.2013 findet auch bei noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen Anwendung (§ 52 Abs. 2a EStG). Der BFH hat mit seinem Urteil entschieden, dass diese Anwendungsregelung auch für Kindergeldfestsetzungen gilt.