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Kündigung wegen Eigenbedarf: Mieter darf Widerspruch ankündigen

Kündigung wegen Eigenbedarf: Mieter darf Widerspruch ankündigen

Soll eine vermietete Wohnung verkauft werden, darf der Mieter dieser Wohnung gegenüber einem Kaufinteressenten äußern, dass er eine eventuelle Eigenbedarfskündigung nicht akzeptieren wird. Der Mieter verletzt dadurch nicht seine Pflichten aus dem Mietvertrag.

Hintergrund

Der Vermieter einer Wohnung möchte diese verkaufen. Gegenüber Kaufinteressenten hatte der Mieter angekündigt, einer eventuellen Eigenbedarfskündigung zu widersprechen. Nach einer Abmahnung wegen dieses Verhaltens kündigte der Vermieter das Mietverhältnis zunächst ordentlich, anschließend nochmals fristlos, hilfsweise ordentlich.

Entscheidung

Das Amtsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Kündigungen unwirksam sind, weil dem Mieter keine erheblichen Pflichtverletzungen nachgewiesen werden konnten.

Dass der Mieter einem möglichen Eigenbedarf widersprochen haben soll, stellt keine Vertragspflichtverletzung dar. Dem Mieter ist es gestattet, einen Kaufinteressenten darauf hinzuweisen, dass er nicht bereit ist, die Wohnung auch bei einer Eigenbedarfskündigung des Käufers freiwillig zu verlassen. Denn ein Mieter darf sich gegen eine Eigenbedarfskündigung wehren, indem er den Eigenbedarf bezweifeln und der Kündigung widersprechen kann. Das darf der Mieter einem Erwerber auch mitteilen.

Kündigung: Wann gilt diese als zugegangen?

Kündigung: Wann gilt diese als zugegangen?

 Wirft der Arbeitgeber das Kündigungsschreiben an einem Sonntag in den Briefkasten des Arbeitnehmers, gilt dieses erst am darauf folgenden Montag als zugegangen. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer an Sonntagen arbeitet. 

Hintergrund

Eine Anwaltskanzlei hatte eine Rechtsanwaltsgehilfin auf Probe eingestellt. Die Probezeit endete am 30.11.2014. Dieser Tag war ein Sonntag, an dem die Rechtsanwaltsgehilfin auch zur Arbeit verpflichtet war. Für die Probezeit war eine Kündigungsfrist von 2 Wochen vereinbart. Der Rechtsanwalt entschloss sich kurz vor Ablauf der Probezeit dazu, der Anwaltsgehilfin die Kündigung auszusprechen und warf das Kündigungsschreiben am Sonntag, dem 30.11.2014, in den Briefkasten der Rechtsanwaltsgehilfin.

Die Anwaltsgehilfin wehrte sich dagegen mit einer Kündigungsschutzklage, da die Kündigung ihrer Auffassung nach erst am Montag, dem 1.12.2014 zugegangen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die Probezeit bereits beendet gewesen. Es gelte daher ab diesem Tag die gesetzliche Kündigungsfrist von 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.

 Entscheidung

Vor dem Landesarbeitsgericht bekam die Arbeitnehmerin Recht. Wird ein Kündigungsschreiben an einem Sonntag in den Briefkasten geworfen, gilt die Kündigung erst als am darauf folgenden Montag zu der üblichen Briefkastenleerungszeit zugegangen. Die Richter vertraten wie die Vorinstanz die Auffassung, dass eine Kündigung auch dann nicht als an einem Sonntag als zugegangen angesehen werden könne, wenn der Arbeitnehmer an diesem Tag arbeiten müsse.

Die Konsequenz: Die seitens des Rechtsanwalts am Sonntag eingeworfene Kündigung war verspätet, da sie erst am Montag nach Ablauf der Probezeit zugegangen war. Die Kündigung konnte nach der gesetzlichen Kündigungsfrist erst nach 4 Wochen zum 31.12.2014 wirksam werden.

Eigene Geschäfte des Arbeitnehmers mit Kunden rechtfertigt fristlose Kündigung

Eigene Geschäfte des Arbeitnehmers mit Kunden rechtfertigt fristlose Kündigung

Kernfrage
Arbeitnehmer dürfen im Marktbereich ihres Arbeitgebers keine eigenen Dienste und Leistungen anbieten. Insoweit erwächst aus dem Arbeitsvertrag während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ein Wettbewerbsverbot. Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte nunmehr darüber zu befinden, ob ein Wettbewerbsverstoß durch den Arbeitnehmer dessen fristlose Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigen könne, und zwar selbst dann, wenn der eigentliche Wettbewerbsverstoß bereits Jahre her, aber dem Arbeitgeber nicht bekannt war.

Sachverhalt
Der Kläger hatte für seinen Arbeitgeber einen Begutachtungsauftrag durchgeführt. Die anschließende Reparatur beim Kunden führte er „schwarz“ auf eigene Rechnung durch. Als der Arbeitgeber im Rahmen einer Reklamation der Reparaturmaßnahme 3 Jahre später von dem Vorfall erfuhr, kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos.

Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber recht, weil der fristlose Kündigungsgrund einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit eröffnet sei. Denn Arbeitnehmer dürfen im Marktbereich ihres Arbeitgebers keine eigenen Leistungen erbringen. Auch die Tatsache, dass bereits ein langjähriges Arbeitsverhältnis bestand, half dem Arbeitnehmer in der Interessenabwägung nicht. Darüber hinaus könne auch die Tatsache, dass zwischen eigentlichem Verstoß und Entdeckung Jahre vergangenen waren, nicht zugunsten des Arbeitnehmers gewertet werden. Denn die 2-Wochen-Frist bei fristlosen Kündigungen, die gewahrt werden müsse, beginne erst mit Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen.

Konsequenz
Wird ein Arbeitnehmer für Kunden seines Arbeitgebers auf eigene Rechnung tätig, ist eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung in der Regel auch Jahre später noch gerechtfertigt.

Wann beginnt Frist zur Erklärung der fristlosen Kündigung eines Geschäftsführers?

Wann beginnt Frist zur Erklärung der fristlosen Kündigung eines Geschäftsführers?

Kernaussage
Nach dem Gesetz können Dienstverhältnisse aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Die Kündigung muss dabei innerhalb von 2 Wochen ab dem Zeitpunkt erfolgen, an dem der Kündigungsberechtigte von dem wichtigen Grund erfährt. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied aktuell, dass diese 2-wöchige Frist zur Erklärung der fristlosen Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags erst ab positiver Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungsgrund läuft.

Sachverhalt
Der Kläger war zunächst Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft der Stadtsparkasse Düsseldorf, dann Geschäftsführer der beklagten GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Tochtergesellschaft ist. Im Jahr 2000 unterzeichnete der Kläger einen Beratervertrag der Tochtergesellschaft mit einem Kölner Kommunalpolitiker für die beabsichtigte Auflage eines Fonds unter Beteiligung der Stadtsparkasse Düsseldorf, ihrer Tochtergesellschaft und der Stadtsparkasse Köln. Nach dem Vortrag der beklagten GmbH beruhte dies auf einer Absprache zwischen dem Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse Köln und dem Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse Düsseldorf, nach der der Kommunalpolitiker keine Beratungsleistung erbringen sollte. Der Kommunalpolitiker erhielt ein jährliches Honorar von 200.000 DM, das vereinbarungsgemäß von der Stadtsparkasse Köln erstattet wurde. Im Jahr 2004 wurde der Beratervertrag mit teilweiser Rückwirkung aufgehoben. Nach der Veröffentlichung von Presseberichten, nach denen es sich um einen Scheinberatervertrag gehandelt habe und die zum Rücktritt des Kommunalpolitikers als Bürgermeister führten, wurde der Kläger am 16.2.2009 als Geschäftsführer der beklagten GmbH abberufen und sein Anstellungsvertrag fristlos gekündigt. Der Kläger verlangt die Feststellung, dass die Kündigung seines Dienstverhältnisses unwirksam sei und bekam schließlich vor dem Oberlandesgericht Recht.

Entscheidung
Die Richter urteilten, die außerordentliche Kündigung sei wegen Versäumung der Kündigungsfrist unwirksam gewesen. Der Bundesgerichtshof (BGH) allerdings sah die Feststellungen des Oberlandesgerichts zur Verfristung der Kündigungserklärung als nicht ausreichend an. Die Frist begann erst mit positiver Kenntnis der neuen Geschäftsführer der Tochtergesellschaft vom Kündigungsgrund zu laufen. Grobfahrlässige Unkenntnis genügt nicht, so dass keine Pflicht der Geschäftsführer bestand, aus Anlass der Aufhebung des Beratervertrags zu ermitteln, ob er nur zum Schein abgeschlossen wurde.

Konsequenz
Das Oberlandesgericht wird jetzt im zweiten Rechtsgang abschließend klären müssen, wann die neue Geschäftsführung positive Kenntnis vom Kündigungsgrund hatte. Jedenfalls gilt: Die 2-Wochen-Ausschluss-Frist beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat und ihm deshalb die Entscheidung über die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich ist Mit dem Ablauf der Frist verfällt das Recht zur außerordentlichen Kündigung endgültig. Unbenommen dessen kann der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung aussprechen.

Keine fristlose Kündigung durch Arbeitnehmer ohne Abmahnung

Keine fristlose Kündigung durch Arbeitnehmer ohne Abmahnung

Kernfrage
Außer in Fällen ganz besonders schwerwiegender Verstöße durch Arbeitnehmer bedarf eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber für ihre Wirksamkeit einer vorherigen Abmahnung. Dies gilt jedenfalls, wenn die fristlose Kündigung wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten ausgesprochen wird. Das Arbeitsgericht Berlin hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob der Grundsatz der Erforderlichkeit einer vorherigen Abmahnung auch für die vom Arbeitnehmererklärte fristlose Kündigung gilt.

Sachverhalt
Im Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzwechsel wollte ein Arbeitnehmer freigestellt werden. Zur Begründung führte er die erhebliche Zahl an Überstunden und die Tatsache an, dass er trotz Krankheit gearbeitet habe. Als der Arbeitgeber dem Freistellungsverlangen nicht nachkam, kündigte der Arbeitnehmer fristlos aus wichtigem Grund. Hiergegen klagte der Arbeitgeber.

Entscheidung
Das Arbeitsgericht Berlin gab dem Arbeitgeber Recht. Zwar sei die Heranziehung zu Überstunden in einem ganz erheblichen Ausmaß (rd. 750 Überstunden) geeignet, eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers zu rechtfertigen. Allerdings hätte der Arbeitnehmer vor der Kündigung seinen Arbeitgeber abmahnen müssen. Insoweit fänden auf den Arbeitsvertrag die allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen Anwendungen, die vorsehen, dass einer fristlosen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses, gleich von welcher Partei, eine Abmahnung der Gegenseite vorangehen müsse. Daran ändere auch nichts, dass der Arbeitnehmer sein Freistellungsverlangen begründet habe. Wenn dieses Schreiben als Abmahnung gewertet werden sollte, dann hätte es mindestens den Hinweis enthalten müssen, dass im Falle weiterer Überstunden die Kündigung des Arbeitnehmers drohe.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, dass die Arbeitsgerichte in der Einschätzung des Arbeitsvertrages als Dauerschuldverhältnis konsequent sind. Insbesondere muss auch der Arbeitnehmer die üblichen schuldrechtlichen Regelungen einhalten. Ob der Arbeitnehmer tatsächlich bis zum Ende der Kündigungsfrist gehalten werden konnte, ist allerdings nicht bekannt.

Kündigung einer Schwangeren wegen Kritik über facebook an Kunden des Arbeitgebers zulässig?

Kündigung einer Schwangeren wegen Kritik über facebook an Kunden des Arbeitgebers zulässig?

Rechtslage

Das Mutterschutzgesetz verbietet die Kündigung von Schwangeren. Nur in ganz geringen Ausnahmefällen ist eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund zulässig. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte im Rahmen der Überprüfung der Zustimmung einer Landesbehörde zu einer Kündigung darüber zu entscheiden, ob abfällige Äußerungen einer schwangeren Arbeitnehmerin über den wichtigsten Kunden ihres Arbeitgebers auf einer sozialen Plattform (hier: facebook), eine solche ausnahmsweise fristlose Kündigung rechtfertigen können.

Sachverhalt

Die schwangere Arbeitnehmerin war bei einem Sicherheitsdienst angestellt und mit der Überwachung des Eingangsbereichs eines Mobilfunkanbieters, der zugleich der wichtigste Kunde des Arbeitgebers war, beauftragt. Bei diesem war sie auch Privatkundin. Auf ihrem privaten facebook-Account postete die Klägerin sinngemäß, dass der Mobilfunkanbieter sie „ankotze“, weil er trotz Zahlung ihren Anschluss gesperrt hatte. Außerdem bezeichnete sie die Mitarbeiter des Mobilfunkanbieters als „Penner“. Der Arbeitgeber beantragte darauf hin bei einer Landesbehörde die Zustimmung zur fristlosen Kündigung, die auch beschieden wurde. Gegen diesen Zustimmungsbescheid richtete sich die Klage.

Entscheidung

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gab der Klägerin Recht. Der besondere Fall, der nach dem Mutterschutzgesetz eine fristlose Kündigung rechtfertige, stelle hohe Anforderungen an den wichtigen Grund. Diese Anforderungen würden über die Anforderungen an den wichtigen Grund, der sonst eine fristlose Kündigung rechtfertigen könne, weit hinaus gehen. Die Grenzen, hier in Form der Schmähkritik, seien nicht überschritten. Wenngleich die Wortwahl rüde sei, sei sie noch vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Hinzu komme, dass sich die Äußerungen konkret auf das reine Privatverhältnis der Klägerin zu ihrem Telefonanbieter beziehe. Schließlich sei bei facebook Postings zwischen öffentlichen, für jedermann zugänglichen Postings und privaten, nur für Freunde einsehbare, zu unterscheiden.

Konsequenz

Soweit sich Arbeitnehmer im privaten Bereich sozialer Netzwerke bewegen und die Grenzen der Schmähkritik nicht überschreiten, können ihre Äußerungen in diesen sozialen Netzwerken über Kunden ihres Arbeitgebers nicht zur Kündigung führen.

Außerordentliche Kündigung von ordentlich unkündbaren Mitarbeitern

Außerordentliche Kündigung von ordentlich unkündbaren Mitarbeitern

Kernfrage

Tarifverträge können vorsehen, dass Arbeitnehmer, wenn sie eine bestimmte Betriebszugehörigkeitszeit erreicht haben, nicht mehr ordentlich kündbar sind. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob diesen Arbeitnehmer jedenfalls dann, wenn ihr Arbeitsplatz aufgrund einer Umstrukturierung wegfällt, zumindest außerordentlich gekündigt werden kann

Sachverhalt

Die Klägerin war wegen ihrer langen Beschäftigungszeit und der einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen nicht mehr ordentlich kündbar. Im Rahmen einer Umstrukturierung beim Arbeitgeber traf dieser die unternehmerische Entscheidung, die Arbeiten, für die die Klägerin beschäftigt war, nicht mehr selber durchzuführen, sondern durch Fremdfirmen abwickeln zu lassen. Der Arbeitgeber kündigte daher das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich aus wichtigem Grund.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht gab der Klägerin Recht, ließ aber die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ausdrücklich zu. Das Arbeitsverhältnis habe nicht wirksam außerordentlich gekündigt werden können. Der Arbeitgeber könne sich beim Arbeitsvertrag, wie bei jedem anderen Vertrag auch, nicht ohne Weiteres von seiner Vertragsbindung lossagen, sondern müsse die ordentliche Unkündbarkeit der Klägerin bereits bei der Erstellung seines unternehmerischen Konzepts mit einplanen. Umstände für eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Klägerin hatte der Arbeitgeber gerade nicht vorgetragen. Insbesondere habe der Arbeitgeber nicht dazu vorgetragen, dass die Umstrukturierung in Form zukünftiger Fremdvergabe aus betrieblichen Gründen unumgänglich war.

Konsequenz

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bleibt abzuwarten. Dabei werden sich die Richter insbesondere dazu äußern müssen, ob betriebliche Zwänge dazu führen können, einen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer wieder kündbar werden zu lassen.

Kündigung wegen HIV-Infektion ist nicht immer AGG-rechtswidrig

Kündigung wegen HIV-Infektion ist nicht immer AGG-rechtswidrig

Rechtslage

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gibt dem diskriminierend gekündigten Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch gegenüber dem diskriminierenden Arbeitgeber. Ein Diskriminierungsmerkmal ist dabei eine Behinderung des Arbeitnehmers. Dabei gilt, dass schwere Krankheiten in der Regel mit einer Behinderung einher gehen, wobei im Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hinzu kommt, dass keine Schwerbehinderung im „klassischen“ Sinn vorliegen muss. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte darüber zu entscheiden, ob die Kündigung eines HIV-infizierten Mitarbeiters diskriminierend erfolgt und einen Entschädigungsanspruch auslöst.

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war im sogenannten Reinbereich bei einem Pharmaunternehmen in der Medikamentenherstellung beschäftigt. Für diesen Arbeitsbereich galt die generelle Anweisung, dass kranke Arbeitnehmer dort nicht beschäftigt werden dürfen. Als der Arbeitgeber von der HIV-Infektion des Mitarbeiters erfuhr, kündigte er das (sich noch in der Probezeit befindende) Arbeitsverhältnis. Hiergegen richtete sich die Klage, mit der der Kläger hilfsweise auch eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geltend machte.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab dem Arbeitgeber Recht. Er habe im sogenannten Reinbereich den Einsatz erkrankter bzw. kranker Arbeitnehmer generell ausschließen dürfen. Davon sei auch die Entlassung des dauerhaft HIV-infizierten Klägers gedeckt gewesen. Vor diesem Hintergrund war die Kündigung zulässig. Ohne über die Frage, ob eine HIV-Infektion mit einer Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gleich zu setzen sei, zu entscheiden, wies das Gericht auch den Entschädigungsanspruch ab. Denn selbst wenn eine Ungleichbehandlung vorgelegen habe, sei das Verhalten des Arbeitgebers gerechtfertigt gewesen. Ungeachtet dessen ließ das Gericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.

Konsequenz

Die Entscheidung erscheint für den Bereich der unmittelbaren Medikamentenherstellung gerechtfertigt; dort dürfte es keinen Unterschied machen, in welchem Grad ein Arbeitnehmer erkrankt ist. Alleine die Tatsache irgendeiner Erkrankung erscheint ausreichend, um die Reinheit der hergestellten Medikamente zu gefährden. Zu beobachten gilt es, ob das Bundesarbeitsgericht die Revision nutzt, um einerseits grundsätzlich zu entscheiden, ob eine HIV-Infektion eine Behinderung darstellt, und andererseits abgrenzt, ob es Arbeitsbereiche gibt, in denen besondere Regelungen per se zulässig sind.

Fristlose Kündigung bei heimlicher Aufzeichnung einer Betriebsratssitzung

Fristlose Kündigung bei heimlicher Aufzeichnung einer Betriebsratssitzung

Kernfrage

Mitglieder des Betriebsrates genießen besonderen Kündigungsschutz. Sie können aber (auch fristlos) gekündigt werden, wenn ihnen besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen, insbesondere im Rahmen ihrer Amtsausübung, zur Last gelegt werden können. Unter anderem ist es unzulässig, Betriebsratssitzungen ohne vorherige Ankündigung auf Tonband aufzunehmen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte über die Zulässigkeit und die Beweisanforderungen an eine fristlose Kündigung wegen des heimlichen Aufnehmens einer Betriebsratssitzung zu entscheiden.

Sachverhalt

Die Klägerin war langjährig unbeanstandet im Unternehmen beschäftigt und Mitglied des Betriebsrates. Kurz vor Beginn einer Betriebsratssitzung war sie auf ihrem Handy angerufen worden und hatte zum Telefonat den Raum verlassen. Als sie zurückkehrte, meinte eine weitere Teilnehmerin der Sitzung, sie habe das Handy noch eingeschaltet und zeichne die Sitzung auf. Die weiteren Einzelheiten der Sitzung und der Auseinandersetzung darüber, ob das Handy eingeschaltet gewesen war, sind streitig geblieben. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis aufgrund des Vorfalls nach Anhörung fristlos. Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage hatte die Klägerin vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.

Entscheidung

Das Gericht stellte zwar fest, dass das heimliche Aufzeichnen von Betriebsratssitzung wegen des Verstoßes gegen die Persönlichkeitsrechte der weiteren Teilnehmer und des an das Amt des Betriebsrats gestellten Vertrauenserfordernisses geeignet sei, auch eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, selbst wenn lediglich der dringende Verdacht bestehe. Im konkreten Fall sei aber nicht zweifelsfrei erwiesen, dass ein heimliches Abhören überhaupt vorgelegen habe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin seit langen Jahren unbeanstandet im Unternehmen beschäftigt gewesen sei. Hinzu komme, dass sich der Betriebsrat aus eigenem Recht hätte gegen das Abhören verteidigen können, so dass nicht zwingend damit zu rechnen gewesen sei, dass der Arbeitgeber mit Kündigung reagiere. Im Übrigen wäre es dem Arbeitgeber durch Abmahnung möglich gewesen, die Klägerin für die Zukunft auf die Sensibilität ihres Amtes hinzuweisen.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht angesichts der Beweislage nicht. Dem Grunde nach ist die heimliche Aufnahme einer Betriebsratssitzung aber geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Allerdings wird auf Beweisebene nachgewiesen werden müssen, dass ein bewusstes und gewolltes Mitschneiden vorgelegen hat.

Zum Zugang einer Kündigung bei minderjährigem Auszubildenden

Zum Zugang einer Kündigung bei minderjährigem Auszubildenden

Kernaussage

Das Berufsausbildungsverhältnis beginnt mit einer Probezeit. Während dieser Zeit kann das Ausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) sowohl vom Auszubildenden als auch vom Ausbilder jederzeit ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Eine solche Kündigung muss noch während der Probezeit zugehen. Ist der Auszubildende minderjährig und damit nur beschränkt geschäftsfähig, wird die Kündigung erst dann wirksam, wenn sie seinem gesetzlichen Vertreter, in der Regel einem Elternteil, zugeht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte kürzlich zu entscheiden, ob eine Kündigung den Eltern auch dann zugeht, wenn diese gerade verreist sind.

Sachverhalt

Der minderjährige Kläger schloss, vertreten durch seine Eltern, mit dem beklagten Unternehmen einen Vertrag über eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik für die Zeit ab 1.8.2008. Der Ausbildungsvertrag enthielt eine 3-monatige Probezeit. Der Ausbilder erklärte mit Schreiben vom 31.10.2008, dem letzten Tag der Probezeit, die Kündigung. Das Schreiben war gerichtet an den Kläger, gesetzlich vertreten durch die Eltern, und wurde durch Boten am selben Tag in den gemeinsamen Hausbriefkasten des Klägers und seiner an diesem Tag verreisten Eltern eingeworfen. Dort fand es der Kläger 2 Tage später und verständigte seine Mutter telefonisch von der Kündigung, die vom Kündigungsschreiben nach ihrer Rückkehr Anfang November 2008 tatsächlich Kenntnis erhielt. Mit einem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten, das beim Ausbilder Mitte November 2008 einging, wies der Kläger die Kündigung zurück, weil dieser keine Vollmachtsurkunde beigefügt war. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und unterlag zuletzt vor dem BAG.

Entscheidung

Die Kündigung wurde gegenüber den Eltern des Klägers als dessen gesetzlichen Vertretern erklärt. Mit dem Einwurf in den gemeinsamen Briefkasten der Familie war der Zugang der Kündigung bewirkt. Die Ortsabwesenheit der Eltern stand dem nicht entgegen. Für den Zugang reichte es aus, dass das Schreiben in den Herrschaftsbereich der Eltern gelangt war und sie es unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen konnten. Die Kündigung scheiterte auch nicht an der fehlenden Vollmachtsurkunde. Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls nicht mehr „unverzüglich“ im Sinne der gesetzlichen Anforderung.

Konsequenz

Ist eine Kündigungserklärung mit dem erkennbaren Willen abgegeben worden, dass sie den gesetzlichen Vertreter erreicht, und gelangt sie – etwa durch den Einwurf des Kündigungsschreibens in seinen Hausbriefkasten – tatsächlich in dessen Herrschaftsbereich, ist der Zugang bewirkt.