Zum Zugang einer Kündigung bei minderjährigem Auszubildenden
Kernaussage
Das Berufsausbildungsverhältnis beginnt mit einer Probezeit. Während dieser Zeit kann das Ausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) sowohl vom Auszubildenden als auch vom Ausbilder jederzeit ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Eine solche Kündigung muss noch während der Probezeit zugehen. Ist der Auszubildende minderjährig und damit nur beschränkt geschäftsfähig, wird die Kündigung erst dann wirksam, wenn sie seinem gesetzlichen Vertreter, in der Regel einem Elternteil, zugeht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte kürzlich zu entscheiden, ob eine Kündigung den Eltern auch dann zugeht, wenn diese gerade verreist sind.
Sachverhalt
Der minderjährige Kläger schloss, vertreten durch seine Eltern, mit dem beklagten Unternehmen einen Vertrag über eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik für die Zeit ab 1.8.2008. Der Ausbildungsvertrag enthielt eine 3-monatige Probezeit. Der Ausbilder erklärte mit Schreiben vom 31.10.2008, dem letzten Tag der Probezeit, die Kündigung. Das Schreiben war gerichtet an den Kläger, gesetzlich vertreten durch die Eltern, und wurde durch Boten am selben Tag in den gemeinsamen Hausbriefkasten des Klägers und seiner an diesem Tag verreisten Eltern eingeworfen. Dort fand es der Kläger 2 Tage später und verständigte seine Mutter telefonisch von der Kündigung, die vom Kündigungsschreiben nach ihrer Rückkehr Anfang November 2008 tatsächlich Kenntnis erhielt. Mit einem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten, das beim Ausbilder Mitte November 2008 einging, wies der Kläger die Kündigung zurück, weil dieser keine Vollmachtsurkunde beigefügt war. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und unterlag zuletzt vor dem BAG.
Entscheidung
Die Kündigung wurde gegenüber den Eltern des Klägers als dessen gesetzlichen Vertretern erklärt. Mit dem Einwurf in den gemeinsamen Briefkasten der Familie war der Zugang der Kündigung bewirkt. Die Ortsabwesenheit der Eltern stand dem nicht entgegen. Für den Zugang reichte es aus, dass das Schreiben in den Herrschaftsbereich der Eltern gelangt war und sie es unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen konnten. Die Kündigung scheiterte auch nicht an der fehlenden Vollmachtsurkunde. Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls nicht mehr „unverzüglich“ im Sinne der gesetzlichen Anforderung.
Konsequenz
Ist eine Kündigungserklärung mit dem erkennbaren Willen abgegeben worden, dass sie den gesetzlichen Vertreter erreicht, und gelangt sie – etwa durch den Einwurf des Kündigungsschreibens in seinen Hausbriefkasten – tatsächlich in dessen Herrschaftsbereich, ist der Zugang bewirkt.