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Vergünstigung für Arbeitnehmer-Erfindungen ist kein begünstigter Arbeitslohn

Vergünstigung für Arbeitnehmer-Erfindungen ist kein begünstigter Arbeitslohn

Kernproblem
Für außerordentliche Einkünfte sind Steuervergünstigungen zur Einkommensteuer möglich. Bei Arbeitnehmern findet man u. a. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten (z. B. Jubiläumszuwendungen) oder Entschädigungen (leider häufig verbunden mit dem Verlust des Arbeitsplatzes) vor. Die durch den zusammengeballten Zufluss entstehenden Progressionsnachteile sollen durch die so genannte Fünftelregelung abgemildert werden. Vereinfacht ausgedrückt wird hierbei die fiktive Einkommensteuerbelastung von 1/5 der Vergütung oder Entschädigung ermittelt, um diese dann anschließend mit 5 zu multiplizieren. Dadurch kommt es zu Progressionsvorteilen, wenn man sich nicht ohnehin im Spitzensteuersatz befindet. Ob eine Vergütung für eine Arbeitnehmererfindung hierunter fallen kann, war Gegenstand einer Klage beim Finanzgericht Münster.

Sachverhalt
Der angestellte Ingenieur eines Herstellers von Sicherheitsgläsern für gepanzerte Militärfahrzeuge hatte ein „Aluminium Silicon Tape“ zur Verbesserung der Produktion entwickelt. Nach der Eintragung eines Patents zugunsten des Arbeitgebers erhielt er nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz zur Abgeltung aller Ansprüche eine einmalige Zahlung von 268.000 EUR. Hierfür begehrte er in seiner Steuererklärung die Fünftelregelung, weil ihm die Vergütung für eine mehrjährige Erfindungstätigkeit zusammengeballt zugeflossen sei. Das Finanzamt lehnte den Progressionsvorteil ab.

Entscheidung
Das Finanzgericht folgte der Ansicht des Finanzamts. Der Vergütungsanspruch des Ingenieurs habe sich nicht an der Dauer der Erfindungstätigkeit orientiert, sondern am Wert der Nutzungs- und Verwertungsrechte. Damit sei das Entgelt als Ausgleich für den Rechtsübergang und nicht für eine mehrjährige Tätigkeit gezahlt worden. Eine Entschädigung könne nicht vorliegen, weil ein erstmaliger Vergütungsanspruch festgestellt und abgegolten wurde, und nicht bereits vorher feststehende Ansprüche.

Konsequenz
Das Finanzgericht steht mit seiner Meinung nicht alleine da, denn auch der Bundesfinanzhof (BFH) hat vor einigen Jahren einem Erfinder keine Tarifvergünstigung gewährt. Auf der anderen Seite würde aber unter dem Aspekt der „Zusammenballung“ einiges dafür sprechen. Zumindest ist der aktuelle Fall nochmal beim BFH anhängig geworden.

Arbeitnehmer muss sein Zeugnis im Betrieb abholen

Arbeitnehmer muss sein Zeugnis im Betrieb abholen

Rechtslage
Jedem Arbeitnehmer steht am Ende des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis zu. In der Regel wird es dem Arbeitnehmer zugeschickt; dies stellt aber dem Grunde nach eine Serviceleistung des Arbeitgebers dar. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat jetzt grundsätzlich darüber befunden, wer verpflichtet ist, ein Zeugnis an welcher Stelle abzuholen bzw. zu übergeben.

Sachverhalt
Im Ergebnis handelt es sich bei der Entscheidung um eine sogenannte Kostenentscheidung, weil sich das Verfahren erledigt hatte. Zugrunde lag folgender Sachverhalt: Der Kläger hatte einen eigenen Zeugnisvorschlag vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitgeber übersandt. Dieses Zeugnis sollte zunächst dem Kläger zugesandt werden, da der Zeugnistermin aber noch nicht erreicht war, teilte der Arbeitgeber dem Kläger zuletzt mit, das Zeugnis könne am Zeugnistermin (= Datum des letzten Arbeitstages) abgeholt werden. Als der Arbeitgeber nach Aufforderung zur Zusendung des Zeugnisses das Zeugnis nicht übersandte, erhob der Kläger Klage auf Zeugniserteilung. Im Gerichtstermin wurde das Zeugnis schließlich übergeben, worauf hin über die Kosten der Zeugniserteilungsklage zu entscheiden war.

Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht entschied zu Lasten des klagenden Arbeitnehmers. Wenn keine besondere Regelung, z. B. im Arbeitsvertrag, vorliegt und auch keine besonderen Umstände bestehen, die dafür sprechen, dass das Zeugnis auf einem besonderen Weg übergeben werden sollte, dann greifen die allgemeinen Regelungen, wonach die Leistung (= Übergabe des Zeugnisses) am Ort des Schuldners (= der Arbeitgeber) zu erbringen sei. Mit anderen Worten, bei der Zeugniserteilung handelt es sich dem Grunde nach um eine Holschuld des Arbeitnehmers.

Konsequenz
Für die Erteilung des Endzeugnisses gilt, dass es am letzten Arbeitstag am Sitz des Arbeitgebers zu übergeben ist. Eine Klage auf Zeugniserteilung ohne einen eigenen Abholversuch birgt damit die Gefahr, dass der Arbeitnehmer die Kosten des Rechtsstreits, wenn er in den Gerichtstermin geht, zu übernehmen hat.

Wann könne sich Arbeitnehmer auf Schriftformverstoß berufen?

Wann könne sich Arbeitnehmer auf Schriftformverstoß berufen?

Kernaussage
Scheidet ein Arbeitnehmer, der unbedingt und schnell zu einem anderen Unternehmen wechseln möchte, lediglich aufgrund eines mündlichen Aufhebungsvertrags aus dem Arbeitsverhältnis aus, so kann er sich Jahre später regelmäßig nicht mehr auf einen Verstoß gegen die gesetzliche Schriftformpflicht berufen. Die Berufung auf das Schriftformerfordernis ist in diesem Fall treuwidrig. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer bereits ein neues Arbeitsverhältnis mit einem dritten Arbeitgeber eingegangen ist.

Sachverhalt
Die Klägerin arbeitete bei der Beklagten. 2007 wechselte die Klägerin auf eigenen Wunsch zu einem Schwesterunternehmen der Beklagten in die Schweiz. Die Beklagte verzichtete auf Einhaltung der Kündigungsfrist und schrieb der Klägerin, dass das Anstellungsverhältnis zum 30.7.2007 endet. Im August 2011 kündigte das Schwesterunternehmen der Klägerin. Daraufhin verklagte die Klägerin das Schwesterunternehmen auf eine Abfindung unter Anrechnung der Vorbeschäftigung, machte gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung geltend und nahm ein neues Arbeitsverhältnis in der Schweiz an.

Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht entschied, anders als die Vorinstanz, dass die Klägerin keine Weiterbeschäftigung verlangen kann. Zwar ist das Arbeitsverhältnis 2007 nicht formwirksam beendet worden. Entgegen der gesetzlichen Schriftformbestimmung fehlt die Schriftform für den Aufhebungsvertrag. Hierauf kann sich die Klägerin aber wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht berufen. Es liegt ein widersprüchliches Verhalten vor. Denn der Klägerin wurde eine reibungslose Beendigung ihres Arbeitsverhältnis auf ihren Wunsch ermöglicht. Auf die schriftliche Bestätigung, die jedoch nicht der Schriftform genügt, da auch die Klägerin den Aufhebungsvertrag hätte unterschreiben müssen, hat diese nicht reagiert. Erst 4 Jahre später hat sich die Klägerin an den Formverstoß erinnert, was jedoch widersprüchlich zu ihrem Vorverhalten ist. Weiter hat die Klägerin durch die Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck gebracht, dass sie nie an den Fortbestand des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses geglaubt hat.

Konsequenz
Der Arbeitnehmer kann sich bei einem Formverstoß nicht „die Rosinen rauspicken“, indem er 4 Jahre später einen Formverstoß rügt, der ihm vorher egal war und sogar seinem Willen entsprach. In einer solchen Situation widerspricht es Treu und Glauben, sich auf den Formverstoß zu berufen.

Keine fristlose Kündigung durch Arbeitnehmer ohne Abmahnung

Keine fristlose Kündigung durch Arbeitnehmer ohne Abmahnung

Kernfrage
Außer in Fällen ganz besonders schwerwiegender Verstöße durch Arbeitnehmer bedarf eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber für ihre Wirksamkeit einer vorherigen Abmahnung. Dies gilt jedenfalls, wenn die fristlose Kündigung wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten ausgesprochen wird. Das Arbeitsgericht Berlin hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob der Grundsatz der Erforderlichkeit einer vorherigen Abmahnung auch für die vom Arbeitnehmererklärte fristlose Kündigung gilt.

Sachverhalt
Im Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzwechsel wollte ein Arbeitnehmer freigestellt werden. Zur Begründung führte er die erhebliche Zahl an Überstunden und die Tatsache an, dass er trotz Krankheit gearbeitet habe. Als der Arbeitgeber dem Freistellungsverlangen nicht nachkam, kündigte der Arbeitnehmer fristlos aus wichtigem Grund. Hiergegen klagte der Arbeitgeber.

Entscheidung
Das Arbeitsgericht Berlin gab dem Arbeitgeber Recht. Zwar sei die Heranziehung zu Überstunden in einem ganz erheblichen Ausmaß (rd. 750 Überstunden) geeignet, eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers zu rechtfertigen. Allerdings hätte der Arbeitnehmer vor der Kündigung seinen Arbeitgeber abmahnen müssen. Insoweit fänden auf den Arbeitsvertrag die allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen Anwendungen, die vorsehen, dass einer fristlosen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses, gleich von welcher Partei, eine Abmahnung der Gegenseite vorangehen müsse. Daran ändere auch nichts, dass der Arbeitnehmer sein Freistellungsverlangen begründet habe. Wenn dieses Schreiben als Abmahnung gewertet werden sollte, dann hätte es mindestens den Hinweis enthalten müssen, dass im Falle weiterer Überstunden die Kündigung des Arbeitnehmers drohe.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, dass die Arbeitsgerichte in der Einschätzung des Arbeitsvertrages als Dauerschuldverhältnis konsequent sind. Insbesondere muss auch der Arbeitnehmer die üblichen schuldrechtlichen Regelungen einhalten. Ob der Arbeitnehmer tatsächlich bis zum Ende der Kündigungsfrist gehalten werden konnte, ist allerdings nicht bekannt.

Wann müssen Arbeitnehmer ihren Dienstwagen nach Kündigung zurückgeben?

Wann müssen Arbeitnehmer ihren Dienstwagen nach Kündigung zurückgeben?

Kernfrage

Wird Arbeitnehmern ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen, stellt der Dienstwagen einen Gehaltsbestandteil dar, den der Arbeitnehmer versteuern muss. Wird das Arbeitsverhältnis gekündigt und ist arbeitsvertraglich nichts geregelt, ist der Dienstwagen erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitgeber zurückzugeben. Deshalb sehen Arbeitsverträge Regelungen zur vorzeitigen Rückgabe von Dienstfahrzeugen vor. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr über die Wirksamkeit solcher Rückgabeklauseln, hier in Form des Widerrufs der Gewährung eines Dienstfahrzeugs, sowie die Angemessenheit ihrer Ausübung zu entscheiden.

Sachverhalt

Nachdem ein Arbeitnehmer die Eigenkündigung erklärt hatte, verlangte der Arbeitgeber die unverzügliche Rückgabe eines überlassenen Dienstfahrzeugs (des einzigen Fahrzeugs des Arbeitnehmers). Diese erfolgt am Tag nach der Kündigung; ab diesem Tag war der Arbeitnehmer freigestellt. Grundlage war eine Regelung im Arbeitsvertrag, die vorsah, dass ein Dienstwagen zurückzugeben war, sobald eine Freistellung erfolgte. Gleichzeitig schloss der Arbeitsvertrag Schadensersatzansprüche aus. Dennoch machte der Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche wegen der vorzeitigen Beendigung der Dienstfahrzeugnutzung in Höhe einer Ausfallentschädigung geltend.

Entscheidung

Der Arbeitnehmer bekam vor dem BAG Recht. Zwar urteilte das Gericht, die Klausel, die einen Widerruf der Fahrzeuggestellung mit Beginn der Freistellung ermögliche, sei auch unter den Gesichtspunkten Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam, weil der Rückgabezeitpunkt klar geregelt sei. Ungeachtet dessen stehe dem Arbeitnehmer der Ersatzanspruch zu, weil der Widerruf der Fahrzeuggestellung im konkreten Fall unangemessen gewesen sei. Zum einen habe der Arbeitgeber den Widerruf nicht begründet, zum anderen habe der Arbeitnehmer kein anderes Fahrzeug gehabt. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer den geldwerten Vorteil der privaten Nutzung für den vollen Monat, in den der Widerruf fiel, habe versteuern müssen.

Konsequenz

Regelungen in Arbeitsverträgen zur sofortigen Rückgabe eines Dienstfahrzeugs sind, wenn sie klar formuliert sind, wirksam. Allerdings wird der Arbeitgeber bei Widerruf nicht umhin kommen, eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen, um sich nicht Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sehen.

Arbeitgeber muss Daten ausgeschiedener Arbeitnehmer sofort von Homepage löschen

Arbeitgeber muss Daten ausgeschiedener Arbeitnehmer sofort von Homepage löschen

Kernfrage

Dienstleistungsunternehmen, insbesondere im Bereich der Beratung, veröffentlichen auf Ihren Internetseiten häufig Fotos mit Namen und zusätzlichen Informationen Ihrer Arbeitnehmer. Oftmals werden die Arbeitnehmer auch in Beiträgen auf der Internetseite genannt. Diese Veröffentlichungen sind nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer ihnen zustimmt. Denn grundsätzlich liegt bei einer unberechtigten Verwendung von Bild und Namen ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht am eigenen Bild und Namen vor. Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte nunmehr darüber zu entscheiden, wann und in welchem Umfang ein ausgeschiedener Arbeitnehmer einen Löschungsanspruch gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber hat.

Sachverhalt

Der Kläger war Rechtsanwalt. Sein bisheriger Arbeitgeber hatte während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ein Profil auf der Internetseite veröffentlicht. Darüber hinaus befand sich sein Name auch im Nachrichtenbereich der Homepage. Nach dem Ausscheiden war der Kläger weiterhin als Rechtsanwalt tätig und verlangte die Löschung seiner persönlichen Daten von der Website. Dem kam die Kanzlei lediglich im Hinblick auf das Profil nach; der Verweis im Nachrichtenbereich wurde nicht gelöscht. Hiergegen beantragte der Kläger einstweiligen Rechtsschutz und hatte Erfolg.

Entscheidung

Bei Ausscheiden eines Arbeitnehmers ist jeder Verweis auf seine Person oder seinen Namen von der Internetpräsenz des bisherigen Arbeitgebers zu löschen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Veröffentlichung werbenden Charakter hat und geeignet ist, den Anschein zu erwecken, die Kompetenz des Arbeitnehmers stünde dem Arbeitgeber noch zur Verfügung. Ein berechtigtes Interesse des ehemaligen Arbeitgebers an der Weiterverwendung bestand hier nicht.

Konsequenz

Die Entscheidung überzeugt. Mit dem Ausscheiden eines Arbeitnehmers ist der ehemalige Arbeitgeber nicht mehr berechtigt, mit der Kompetenz des Arbeitnehmers zu werben. Dies gilt insbesondere in Branchen, in denen auch gezielt nach Personen und Qualifikationen gesucht wird. Dass im Einzelfall ein berechtigtes Interesse an der Weiterveröffentlichung besteht, dürfte nur in besonderen Ausnahmefällen gegeben sein.

Arbeitnehmer darf nicht über gesundheitliche Eignung täuschen

Arbeitnehmer darf nicht über gesundheitliche Eignung täuschen

Kernfrage

Arbeitsverträge sind Verträge, die neben den arbeitsrechtlichen Spezialvorschriften auch den allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen unterliegen. Das bedeutet, dass Arbeitsverträge in Folge eine Anfechtung gegenstandslos werden können. Solche Anfechtungsmöglichkeiten bieten sich in der Regel, wenn eine Arbeitsvertragspartei die andere bei Vertragsabschluss getäuscht hat. Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte darüber zu entscheiden, ob eine solche zur Anfechtung berechtigende Täuschung vorliegt, wenn der Arbeitnehmer verschweigt, dass er die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Arbeitsplatz nicht erfüllt.

Sachverhalt

Der Kläger war für eine Stelle eingestellt worden, die arbeitsvertraglich ausdrücklich den Einsatz in Nachtschichten vorsah. Dabei hatte er verschwiegen, dass ihm aufgrund ärztlicher Atteste Nachtarbeit untersagt war. Diese Atteste legte er nach Beginn des Arbeitsverhältnisses vor und verlangte Befreiung von der Nachtschicht. Der Arbeitgeber erklärte die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung und gewann vor Gericht.

Entscheidung

Aus Gründen der Planbarkeit der Arbeitsabläufe und der Gleichbehandlung sei der Arbeitgeber darauf angewiesen gewesen, dass seine Arbeitnehmer im kompletten Schichtdienst eingesetzt werden konnten. Dies war auch Gegenstand des Arbeitsvertrags geworden, so dass die Täuschung des Arbeitnehmers, trotz gesundheitlicher Gründe zum vollen Schichtdienst geeignet zu sein, auch kausal für den Abschluss des Arbeitsvertrags geworden sei. Das Arbeitsverhältnis endet in diesen Fällen mit Zugang der Anfechtung.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zutreffend, jedoch mit Vorsicht zu genießen. Sie wird dort gültig, wo der Arbeitnehmer zur Wahrheit im Vorfeld des Arbeitsvertrags verpflichtet war. Ob sie auch dort gilt, wo Arbeitnehmer im Vorfeld des Abschlusses des Arbeitsvertrags lügen dürfen (zum Beispiel eine Schwangere im Hinblick auf die Schwangerschaft), ist zweifelhaft.

Beschränkung von Urlaubsabgeltungsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer

Beschränkung von Urlaubsabgeltungsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer

Rechtslage

Urlaubsansprüche, jedenfalls die gesetzlichen Mindestansprüche, die ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht nehmen kann, bleiben erhalten und sind abzugelten; so der Europäische Gerichtshof (EuGH). Darüber hinaus entsteht der Urlaubsanspruch auch dann, wenn ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, so das Bundesarbeitsgericht (BAG). Damit werden Urlaubsansprüche von langzeiterkrankten Arbeitnehmern zu einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko für die Arbeitgeber. Der Europäische Gerichtshof hat jetzt in einem Verfahren zu klären, ob diese sich perpetuierende Kette von wachsenden und im Zweifel abzugeltenden Urlaubsansprüchen von Langzeiterkrankten begrenzt werden kann.

Sachverhalt

Der Kläger des deutschen Ursprungsverfahrens war 2002 nach einem Infarkt arbeitsunfähig erkrankt; allerdings einigten sich die Parteien erst 2008 auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eingeklagt hatte der Arbeitnehmer im Jahre 2009 die Abgeltung der angesammelten Urlaubsansprüche für die Jahre 2006 bis 2008. Dabei stellte das zuständige Landesarbeitsgericht fest, dass der Urlaubsanspruch des Jahres 2006 nach deutschem Recht und Tarifvertrag wegen Ablaufs des Übertragungszeitraums erloschen sei und legte dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob diese Rechtsfolge europarechtskonform sei.

Entscheidung

Der EuGH hat diese Frage bejaht. Das Unionsrecht lasse es zu, dass im Falle eines über mehrere Jahre hinweg arbeitsunfähigen Arbeitnehmers einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Tarifverträge die Ansammlung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub auf einen Zeitraum von 15 Monaten beschränkt werde. Eine unbegrenzte Ansammlung von Urlaubsansprüchen werde dem Sinn und Zweck der Urlaubsgewährung, nämlich der Erholung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, nicht mehr gerecht. Zwar könne eine Nachholung des Urlaubs noch der Erholung dienen; irgendwann falle die positive Erholungswirkung jedoch weg. Dabei seien für die Länge des Übertragungszeitraums 2 Gesichtspunkte maßgeblich. Zum einen müsse die Dauer des Übertragungszeitraums die Dauer des Bezugszeitraums (= nach deutschem Recht das Kalenderjahr) deutlich überschreiten. Zum Anderen müsse der Arbeitgeber vor der Gefahr der Ansammlung zu langer Abwesenheitszeiten ausreichend geschützt werden. Vor diesem Hintergrund sei eine Beschränkung des Übertragungszeitraums auf 15 Monate nicht zu beanstanden.

Konsequenz

Die Entscheidung ist positiv, weil sie eine häufig gestellte Streitfrage bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen langzeiterkrankter Arbeitnehmer klar regelt. Bei der Urlaubsabgeltung ist „nur“ abzustellen auf diejenigen Urlaubsansprüche, die nach dem Bundesurlaubsgesetz noch nicht verfallen sind.

Wann können Arbeitnehmer vom Aufhebungsvertrag zurücktreten?

Wann können Arbeitnehmer vom Aufhebungsvertrag zurücktreten?

Rechtslage

Auch der Aufhebungsvertrag über ein Arbeitsverhältnis ist ein „normaler“ schuldrechtlicher Vertrag, auf den die allgemeinen Regelungen zu Pflichtverletzungen und ihren Konsequenzen anzuwenden sind. Das heißt beispielsweise, dass eine Partei vom Aufhebungsvertrag gegebenenfalls zurücktreten kann, wenn die andere Partei ihre Pflichten verletzt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte vor diesem Hintergrund die Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen, unter welchen Voraussetzungen der arbeitnehmerseitige Rücktritt von einem Aufhebungsvertrag zulässig sein kann.

Sachverhalt

Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatten sich nach langjähriger Tätigkeit in Form eines Vertrags über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung geeinigt. Während des Zeitraums, den der Aufhebungsvertrag bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsah, wurde der Arbeitgeber insolvent; der Betrieb wurde durch den Insolvenzverwalter an einen Dritten veräußert. Der Arbeitnehmer hatte beim Arbeitgeber zum Beendigungstermin wiederholt die Zahlung der Abfindung unter Fristsetzung angemahnt. Nach Ablauf der letzten Frist trat er vom Aufhebungsvertrag zurück und verlangte aufgrund des durch den Insolvenzverwalter vollzogenen Betriebsübergangs Weiterbeschäftigung durch den Betriebserwerber.

Entscheidung

Anders als noch die Unterinstanzen, wies das Bundesarbeitsgericht die Klage ab. Zwar bestehe grundsätzlich ein Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die vertraglich vorgesehene Abfindung trotz Mahnung nicht zahle. Voraussetzungen für dieses Rücktrittsrecht seien aber zum Einen, dass das Rücktrittsrecht nicht ausdrücklich oder konkludent abbedungen worden sei. Zum Anderen, dass dem Arbeitgeber ohne Erfolg eine angemessene Zahlungsfrist gesetzt worden und die Abfindungsforderung selbst durchsetzbar sei, der Arbeitgeber also leisten müsse und dürfe. An letztem Kriterium scheitere hier der Rücktritt, denn aufgrund des Insolvenzverfahrens sei es dem Arbeitgeber verboten gewesen, über sein Vermögen zu verfügen. Hätte er verfügt, wäre die Abfindungszahlung nach insolvenzrechtlichen Regelungen anfechtbar gewesen.

Konsequenz

Die Entscheidung bringt Rechtssicherheit für denjenigen, der einen Betrieb aus der Insolvenz erwirbt. Gleichzeitig bedeutet es für den Arbeitnehmer, der einen langfristigen Aufhebungsvertrag schließt, dass er das Insolvenzrisiko seines Arbeitgebers trägt (wenn nicht ein vertragliches Rücktrittsrecht hier vorgesehen ist). Der Arbeitnehmer bleibt mit seiner Abfindungsforderung an die Insolvenzmasse verwiesen.

Sind Fremdgeschäftsführer und Vorstände unionsrechtlich Arbeitnehmer?

Sind Fremdgeschäftsführer und Vorstände unionsrechtlich Arbeitnehmer?

Rechtslage

Eine Vielzahl arbeitnehmerschützender Regelungen ist europarechtlich kodifiziert. Darunter fallen insbesondere Regelung des Diskriminierungsschutzes und grundlegende Arbeitnehmerschutzvorschriften (hier: Mutterschutz). Dabei gilt, dass sich diese europarechtlichen Regelungen nach dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff richten. Nach deutschem Arbeitnehmerbegriff sind Mitglieder eines Vertretungsorgans einer Kapitalgesellschaft, insbesondere der GmbH-Geschäftsführer, in keinem Fall als Arbeitnehmer anzusehen, weil der Geschäftsführer Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt. Entsprechend kann der Geschäftsführer auch keine Arbeitnehmerschutzrechte in Anspruch nehmen. Für den Bereich des Mutterschutzes hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf eine lettische Vorlagefrage hin darüber zu entscheiden, ob die Kündigung bzw. die Abberufung einer schwangeren Geschäftsführerin aufgrund geltender Mutterschutzvorschriften wirksam sein kann.

Sachverhalt

Die Klägerin war (für 3 Jahre) zur Geschäftsführerin einer Kapitalgesellschaft berufen, ohne an deren Kapital beteiligt zu sein (sogenannte Fremd-Geschäftsführerin). Ob ein schuldrechtlicher Anstellungsvertrag bestand, war zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls erhielt die Geschäftsführerin eine Vergütung und hatte Urlaubsansprüche. Als die Schwangerschaft der Klägerin bekannt wurde, berief das Aufsichtsgremium der Kapitalgesellschaft die Geschäftsführerin ab, was gleichbedeutend mit der Kündigung eines etwaigen Anstellungsvertrages war. Nach lettischem Recht war insbesondere die Abberufung jederzeit uneingeschränkt zulässig. Die Klägerin machte geltend, sie sei alleine wegen ihrer Schwangerschaft in diskriminierender Weise und unter Verstoß gegen unionsrechtlichen Mutterschutz abberufen bzw. gekündigt worden.

Entscheidung

Der EuGH gab der Klägerin Recht. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff sei dadurch gekennzeichnet, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringe, für die sie eine Vergütung erhalte. Dass das lettische Recht das Verhältnis zwischen Mitglied der Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft und Kapitalgesellschaft nicht als Arbeitsverhältnis einstufe, sei für die unionsrechtliche Einordnung nicht maßgeblich. Vor diesem Hintergrund sei für Zwecke der Gewährung unionsrechtlichen Mutterschutzes die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft zu bejahen. Die Arbeitnehmereigenschaft bestehe, wenn das Leitungsmitglied der Gesellschaft gegenüber Leistungen erbringe und in sie eingegliedert sei, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübe und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhalte. Zudem wies der EuGH darauf hin, dass eine nationale Regelung, die eine Kündigung eines schwangeren Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft erlaube, wegen des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbots selbst dann unzulässig sein könnte, wenn das Mitglied der Unternehmensleitung nicht unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fiele.

Konsequenz

Die Entscheidung hat auch Auswirkungen für Deutschland, das in seinen nationalen Regelungen mit den im Verfahren vor dem EuGH streitgegenständlichen lettischen Gesetzesregelungen zumindest vergleichbar ist. Konkret bedeutet dies, dass jedenfalls weibliche Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft und Fremdgeschäftsführerinnen einer GmbH unter den Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes fallen. Ob sie mit allen Konsequenzen als Arbeitnehmerinnen anzusehen sind, ist nicht abschließend festgestellt; allerdings geht die Ansicht des EuGH wohl in diese Richtung.