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Fristversäumnis durch Vorlage von Fristsachen als nicht fristgebunden

Fristversäumnis durch Vorlage von Fristsachen als nicht fristgebunden

Kernaussage

Auch wenn eine Fristsache aufgrund eines Büroversehens als nicht fristgebunden vorgelegt wird, hat sich der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt durch einen Blick in die Akten davon zu überzeugen, was zu tun ist und in welcher Frist die Bearbeitung zu erfolgen hat. Kommt er diesen Anforderungen nicht nach, ist ihm ein eigens Verschulden zur Last zu legen.

Sachverhalt

Die Klage der anwaltlich vertretenen Klägerin wurde in der ersten Instanz abgewiesen. Das Urteil wurde dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt der Klägerin am 25.1.2010 zugestellt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.2.2010 legte dieser für die Klägerin fristgerecht Berufung ein. Die Begründung der Berufung erfolgte jedoch erst am 30.3.2010. Zugleich wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Versäumung der Frist beruhe darauf, dass die bisher sorgfältig arbeitende und ordnungsgemäß überwachte Anwaltsgehilfin für die Berufungsbegründungsfrist nur die Vorfrist im Fristenkalender vermerkt und diese Frist als normale Vorlagefrist behandelt habe. Dies hatte zur Folge, dass die Akte am Tag des Ablaufs der Vorfrist ohne den sonst üblichen auffälligen Vermerk „Fristsache“ vorgelegt wurde. Der Fristablauf sei erst am 29.3.2010 bemerkt worden, als der Prozessbevollmächtigte die Akte zur Hand genommen habe. Das Oberlandesgericht (OLG) hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) gab dem Berufungsgericht recht. Die Klägerin hat die Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Den Prozessbevollmächtigten trifft hinsichtlich der Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist ein eigenes Verschulden, das der Klägerin zuzurechnen ist. Er hätte sich nämlich in angemessener Frist durch einen Blick in die Akten davon überzeugen müssen, was zu tun ist und wie lange er sich mit der Bearbeitung Zeit lassen kann. Innerhalb der gebotenen Frist von einer Woche hätte er unschwer feststellen können, wann die Berufungsbegründung einzureichen ist.

Konsequenz

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wird bei Versäumung einer Notfrist, Rechtsmittel- oder Einspruchsfrist nur gewährt, wenn der Prozessbevollmächtigte den Fehler nicht selbst zu verantworten hat. Im Zusammenhang mit einem Büroversehen hat die Rechtsprechung den Maßstab an die Organisationspflichten sehr hoch angelegt, so dass eine Entlastung in den meisten Fällen nicht gelingt.