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Abgehörte Selbstgespräche im Prozess verwertbar?

Abgehörte Selbstgespräche im Prozess verwertbar?

Kernaussage

Abgehörte Selbstgespräche sind strafrechtlich nicht verwertbar; auch nicht gegen Mitbeschuldigte.

Sachverhalt

In einem Mordprozess waren 3 Personen angeklagt. Als wichtigstes Beweismittel wurden Mitschnitte von Selbstgesprächen eines der Angeklagten in das Verfahren eingeführt. Auf den Mitschnitten waren Bemerkungen zu hören wie: „… die L. ist schon lange tot, die wird auch nicht wieder …“ oder auch „langweilig, der das Gehirn rauszuprügeln … kann ich dir sagen, ja und weg damit … werde auch keine mehr wegknallen … nö … wir haben sie tot gemacht“. Das Landgericht verurteilte die 3 Angeklagten aufgrund dieser geständnisgleichen Indizien wegen gemeinschaftlichen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe.

Entscheidung

Die hiergegen gerichtete Revision der Angeklagten hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass das Mitschneiden von Selbstgesprächen in den intimsten Kernbereich der eigenen Persönlichkeit eingreife. Daher seien die Mitschnitte nicht als Beweise verwertbar. Der Grund für diese Unverwertbarkeit liegt bereits in der verfassungsrechtlich gewährleisteten Möglichkeit, sich in einem letzten Rückzugsraum mit dem eigenen Ich befassen zu können, ohne staatliche Verfolgung fürchten zu müssen. So würden Gedanken typischerweise in Form eines „inneren Sprechens“ entwickelt. Dass dieses „innere Sprechen“ vor dem Hintergrund der nicht-öffentlichen Äußerungssituation sich gelegentlich zu „lautem Denken“ auswachse, kann hieran nichts ändern. Anders als bei Tagebüchern sei zudem das gesprochene Wort flüchtig und der laut Denkende müsse daher die spätere Enttarnung nicht fürchten. Weil durch den Mitschnitt des Selbstgesprächs der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts verletzt sei, gelte das Beweisverwertungsverbot auch zugunsten der Mitangeklagten.

Konsequenz

Diese Entscheidung dürfte künftig in allen Strafverfahren eine Rolle spielen, in denen es zu Abhörmaßnahmen gekommen ist. War der Angeklagte bei der belastenden Äußerung allein, so dürfte dies zu einem Verwertungsverbot führen. Derartige Äußerungen dürfen bei der Urteilsfindung dann nicht berücksichtigt werden.