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Nachweis von Krankheitskosten unterliegt strengen Regeln

Nachweis von Krankheitskosten unterliegt strengen Regeln

Kernproblem

Ändert sich eine langjährige Rechtsprechung zuungunsten der Finanzverwaltung, wird häufig der Versuch unternommen, durch Gesetzesänderung den ursprünglichen Rechtszustand wieder herbeizuführen. Beispiele hierzu sind die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zur steuerlichen Behandlung von Erstausbildungskosten bzw. des Erststudiums als Werbungskosten, zur Verneinung der Steuererstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen oder die Zulassung erleichterter Nachweispflichten zum Abzug von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen. Im letztgenannten Fall hatte der BFH im Jahr 2010 einen formalisierten Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch ein vorheriges amtsärztliches Attest mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung für nicht erforderlich gehalten. Das heilte der Gesetzgeber mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 und führte den formalisierten Nachweis mit Wirkung für alle offenen Fälle ein. Es hat nicht lange gedauert, bis sich ein Finanzgericht mit der Verfassungsmäßigkeit dieser „Rückwirkung“ auseinandersetzen musste.

Sachverhalt

Im Streitfall hatten Eltern ihren an Legasthenie leidenden Sohn auf Empfehlung eines Facharztes sowie des schulpsychologischen Dienstes in einem Internat untergebracht. Den von den Eltern für das Jahr 2007 beantragten Abzug der selbst getragenen Internatskosten sowie für Heimfahrten des Sohnes als außergewöhnliche Belastungen lehnte das Finanzamt mangels Nachweis durch ein vorher ausgestelltes amtsärztliches Attest ab. Hiergegen klagten die Eltern beim Finanzgericht Münster.

Entscheidung

Die Finanzrichter wiesen die Klage mit Hinweis auf die neu eingeführte gesetzliche Forderung nach einem amtsärztlichen Attest bzw. einer Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ab. Die gesetzliche Rückwirkung tolerierten die Richter als „ausnahmsweise zulässig“, denn der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung lediglich die Rechtslage vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgeschrieben. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Eltern bestehe auch nicht, weil der BFH seine Rechtsprechung erst Ende 2010 geändert habe. Somit bestand nach Auffassung der Richter für die Eltern im Streitjahr 2007 kein Anlass zu der Annahme, dass sie die streitigen Aufwendungen anders – als durch Vorlage eines amtsärztlichen Attestes – nachweisen könnten.

Konsequenz

Das Gericht hat die Revision beim BFH zugelassen. Sollte diese eingelegt werden, bietet sich in vergleichbaren Fällen die Möglichkeit, durch Einspruch und Antrag auf ein Ruhen des Verfahrens von einem positiven Ausgang zu profitieren.