Umsatzsteuerbefreiung ärztlicher Gutachtentätigkeit auf Veranlassung des Jobcenters

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hessen (Urteil vom 12. Juni 2023, 6 K 798/20) wurde die Frage der Umsatzsteuerbefreiung für ärztliche Leistungen, die im Rahmen von Maßnahmen der Arbeitsförderung erbracht werden, ausführlich behandelt. Diese Entscheidung bietet wichtige Erkenntnisse und Anhaltspunkte für die steuerliche Behandlung von ärztlichen Gutachten, die auf Veranlassung von Jobcentern erstellt werden.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Arzt in freier Mitarbeit, war sowohl für die A-GmbH, die nach § 178 SGB III zertifiziert ist, als auch für das Gesundheitsamt tätig. Seine Tätigkeit umfasste hauptsächlich medizinisch-psychologische Begutachtungen und die Begutachtung der Erwerbs- und Leistungsfähigkeit. Diese Gutachten waren für das Jobcenter bestimmt, das sie zur Einschätzung der beruflichen Eignung und zur Entscheidungsfindung über Leistungsansprüche verwendete.

Rechtliche Bewertung

Die Kernfrage war, ob diese ärztlichen Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG (Heilbehandlungen) oder nach § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG (Leistungen von Einrichtungen mit sozialem Charakter) umsatzsteuerbefreit sind. Zusätzlich wurde die Anwendbarkeit des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) betrachtet, der Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge verbunden sind, von der Umsatzsteuer befreit.

  1. Medizinisch-psychologische Begutachtung: Diese Leistungen wurden als umsatzsteuerbefreit anerkannt, da sie hauptsächlich der Diagnose, Behandlung und Heilung von Krankheiten dienten. Diese Anerkennung erfolgte trotz der Tatsache, dass die Ergebnisse letztlich dem Jobcenter zur Arbeitsvermittlung dienten.
  2. Begutachtung der Erwerbs- und Leistungsfähigkeit: Diese Gutachten zielten darauf ab, dem Jobcenter Entscheidungshilfen zu bieten und waren nicht primär gesundheitsbezogen. Folglich waren sie nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerbefreit, könnten jedoch unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen, sofern sie als mit der Sozialfürsorge eng verbundene Dienstleistungen angesehen werden.

Die Rolle des Jobcenters und der A-GmbH

Interessanterweise spielte die Art der Beauftragung eine entscheidende Rolle bei der steuerlichen Beurteilung:

  • Durch das Jobcenter vermittelte Leistungen über die A-GmbH: Da die A-GmbH als zertifizierte Einrichtung fungierte und der Kläger als Subunternehmer tätig war, wurden diese Leistungen als umsatzsteuerfrei behandelt.
  • Direkte Beauftragung durch das Gesundheitsamt: Diese Leistungen fielen nicht unter die Steuerbefreiungen, da das Gesundheitsamt selbst nicht als Einrichtung der Sozialfürsorge anerkannt ist und es an einer expliziten Unterbeauftragung fehlte.

Praktische Implikationen

Dieses Urteil verdeutlicht die Komplexität der steuerrechtlichen Einordnung ärztlicher Leistungen, insbesondere wenn sie im Kontext der Arbeitsförderung und sozialen Sicherheit erbracht werden. Es empfiehlt sich für ähnlich gelagerte Fälle, das BMF-Schreiben vom 2. Juli 2023 zurate zu ziehen, das zwar primär andere Vorschriften behandelt, aber wertvolle Auslegungshilfen bietet.

Fazit

Ärzte und ihre Steuerberater sollten bei der umsatzsteuerlichen Behandlung von Gutachtentätigkeiten, die für Jobcenter oder ähnliche soziale Einrichtungen durchgeführt werden, sorgfältig die jeweiligen Vertragsbeziehungen und die spezifische Natur der erbrachten Leistungen prüfen. Nur so kann gewährleistet werden, dass alle möglichen Steuerbefreiungen korrekt angewandt werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in diesem Bereich weiterentwickelt und welche Richtlinien zukünftig für solche Konstellationen zur Anwendung kommen werden.