Verfahrensrecht | Inhalt der Grundbesitzakte ist keine neue Tatsache (FG)

Der 3. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass Umstände, die das Finanzamt bereits aus der Grundbesitzakte entnehmen konnte, keine neuen Tatsachen im Sinne von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellen (FG Münster, Urteil v. 26.7.2012 – 3 K 207/10 E).

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache im Sinne dieser Vorschrift ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller und immaterieller Art. Keine Tatsachen in diesem Sinne sind Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen. Eine Tatsache ist nachträglich bekannt geworden, wenn sie das Finanzamt beim Erlass des zu ändernden Bescheides noch nicht kannte. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Kenntnisstand ist die abschließende Zeichnung des für die Steuerfestsetzung zuständigen Beamten (vgl. BFH, Urteil v. 27.11.2001 – VIII R 3/01). Bekannt ist der zuständigen Dienststelle insbesondere der Inhalt der dort geführten Akten (vgl. BFH, Urteil v. 13.1.2011 – VI R 63/09).

Der Kläger finanzierte die Anschaffung verschiedener Grundstücke durch Darlehen. Wegen einer teilweisen Selbstnutzung konnte er die Schuldzinsen nur anteilig als Werbungskosten geltend machen. Hierzu hatte er bereits in den Vorjahren Unterlagen eingereicht, die das Finanzamt zur Grundbesitzakte nahm und Überwachungsbögen für die Gebäudeabschreibungen anlegte. In seinen Steuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger aufgrund einer fehlerhaften Aufteilung der Schuldzinsen einen zu hohen Schuldzinsenabzug geltend. Das Finanzamt veranlagte den Kläger zunächst erklärungsgemäß. Im Rahmen einer späteren Überprüfung des Schuldzinsenabzugs durch das Finanzamt reichte der Kläger zutreffende Anlagen V ein, woraufhin das Finanzamt die Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zulasten des Klägers änderte. Das Finanzgericht hob die Änderungsbescheide nun wieder auf.

Die Voraussetzungen für eine Änderung liegen im Streitfall nicht vor. Die für die Änderung maßgeblichen Tatsachen sind dem Finanzamt nicht nachträglich bekannt geworden. Der Umstand, dass die Grundstücke nicht vollständig fremdvermietet waren und auch die Aufteilungsprozentsätze waren bereits aus der Grundbesitzakte und den Eintragungen auf den Überwachungsbögen ersichtlich. Die aus den fehlerhaften Steuererklärungen folgende Mitwirkungspflichtverletzung des Klägers führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen der Änderungsvorschrift nicht vorliegen, können etwaige Pflichtverletzungen keine Änderungsmöglichkeit eröffnen.

Quelle: FG Münster online