Anerkennung ausländischer Entscheidungen

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf (20/2164) zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 2. Juli 2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung (ZPO) vorgelegt. Das Übereinkommen regelt den Angaben zufolge die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen aus weiteren Vertragsstaaten außerhalb der Europäischen Union. Es erhöhe die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit in grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, indem es die Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung und ihre Grenzen in Gestalt einheitlich geregelter Anerkennungshindernisse festlegt.

Zur Durchführung des Übereinkommens sollen in erster Linie Vorschriften des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes genutzt werden. Denn dieses Gesetz enthalte bereits Durch- und Ausführungsvorschriften für vergleichbare Rechtsinstrumente. Daneben sieht der Entwurf maßvolle Änderungen des autonomen Vollstreckbarerklärungsverfahren für ausländische Urteile in Paragraf 722 ZPO vor.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 14.06.2022

Durchbruch bei Fristverlängerung

In der Sitzung am 10.06.2022 gab der Deutsche Bundesrat grünes Licht für die verlängerte Abgabefrist bei den Steuererklärungen 2020 bis 2024. Eine gute Nachricht für alle Steuerberater*innen, die zeigt: Der Einsatz der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) hat sich gelohnt. Denn sie macht sich seit Langem für eine derartige Fristverlängerung stark, die der Gesetzgeber nun als Baustein des vierten Corona-Steuerhilfegesetzes auf den Weg gebracht hat.

BStBK-Präsident Prof. Dr. Hartmut Schwab begrüßt den Beschluss: „Wir freuen uns, dass die Bundesregierung die durch Zusatzarbeiten im Kontext der Corona-Pandemie enorm angestiegene Arbeitsbelastung in den Kanzleien anerkennt und unseren Berufsstand nun mit einer praxistauglichen Regelung entlastet. Ein notwendiger Schritt, der wichtige Planungs- und Rechtssicherheit für Berufsstand und Finanzverwaltung schafft.“

Neben der verlängerten Abgabefrist für die Steuererklärungen 2020 in beratenen Fällen bis zum 31. August 2022 weitet der Gesetzgeber auch für 2021 die Abgabefrist um sechs Monate bis zum 31. August 2023 aus. Hieran anknüpfend werden ebenfalls die Erklärungsfristen für 2022, 2023 und 2024 verlängert, jedoch mit einer sukzessiven Fristabschmelzung. „Die geplante Fristabschmelzung über mehrere Jahre ist dringend nötig, um den aktuellen Bearbeitungsrückstau in den Steuerberaterkanzleien abzubauen“, so Schwab.

Zudem stimmte der Bundesrat heute einer Anpassung der Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) zu, die durch die Grundsteuerreform notwendig wurde. Die Neuregelung ermöglicht es, für die unterschiedlichen Ländermodelle einfach und sachgerecht den Gegenstandswert zu ermitteln. „Uns freut es, dass an der bestehenden Regelungssystematik der StBVV festgehalten wird“, so Schwab.

Quelle: BStBK, Pressemitteilung vom 10.06.2022

Vermietung und Veräußerung von Containern im Rahmen eines Investments als gewerbliche Tätigkeit

Der 13. Senat des FG Düsseldorf hatte sich mit der steuerlichen Qualifizierung von Einkünften aus der Vermietung sowie Veräußerung von Containern auseinanderzusetzen.

Die Klägerin schloss dazu mehrere Kauf- und Verwaltungsverträge ab. Ausweislich dieser Verträge erwarb die Klägerin als „Investor“ eine bestimmte Anzahl von Containern und beauftragte die Verkäufer zugleich mit der Verwaltung der erworbenen Container zu einem garantierten Mietzins für die Dauer von fünf Jahren. Die Verkäufer sollten alle mit der Verwaltung zusammenhängenden Verträge eigenverantwortlich abschließen und garantierten dem Investor, dass bereits zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragungen ein Miet- oder Agenturverhältnis bestehe. Zugleich erklärten sie sich bereit bzw. behielten sich vor, ein Angebot zum Rückkauf der Container zu unterbreiten.

Das Finanzamt stufte die Einkünfte aus der Containervermietung als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG ein, da der Rahmen privater Vermögensverwaltung nicht überschritten sei. Der An- und Verkauf der Container folge keinem einheitlichen Konzept und die Betätigung der Klägerin erschöpfe sich in der Anschaffung und Finanzierung sowie der Vereinnahmung des vereinbarten Mietzinses. Ein Rückkauf der Container sei nicht fest vereinbart worden und es habe der Klägerin freigestanden, ein etwaiges Kaufangebot anzunehmen oder die Vermietung weiter zu betreiben.

Die Klägerin begehrte dagegen die Berücksichtigung der erklärten Verluste aus ihrer Tätigkeit als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Sie habe nachhaltig gehandelt, indem sie mit den Verkäufern insgesamt fünf Kauf- und Verwaltungsverträge abgeschlossen habe. Ihr wirtschaftliches Gesamtkonzept ergebe sich aus dem Anlageprospekt zum Investment, wonach der Veräußerungserlös der Container den wesentlichen Teil der prognostizierten Rendite ausmache.

In seinem Urteil vom 21.12.2021 stufte der 13. Senat die Vermietung und beabsichtigte Veräußerung der Container als gewerblich ein. Die Grenze privater Vermögensverwaltung sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Verklammerung überschritten. Denn bereits im Zeitpunkt der Investitionen der Klägerin habe festgestanden, dass sich das erwartete positive Gesamtergebnis nur unter Einbeziehung der Erlöse aus dem Verkauf der vermieteten Container erzielen lasse. Es sei kein alternatives Geschäftskonzept ersichtlich, dessen Prognose ein positives Gesamtergebnis ohne Einbeziehung eines Veräußerungserlöses in Aussicht stelle. Dabei sei unschädlich, dass die Rückveräußerungen tatsächlich nicht wie geplant erfolgt seien. Denn die Qualifikation der Einkunftsart sei nach der Sichtweise des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge vorzunehmen. Die zur Weiterveräußerung bestimmten Container stufte der Senat als Umlaufvermögen ein und versagte deshalb u. a. eine gewinnmindernde Berücksichtigung der geltend gemachten AfA.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat gegen das Urteil eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die unter dem Az. III B 9/22 beim Bundesfinanzhof anhängig ist.

Quelle: FG Düsseldorf, Mitteilung vom 13.06.2022 zum Urteil 13 K 2755/20 vom 21.12.2021 (nrkr – BFH-Az.: III B 9/22)

BGH entscheidet über die Gewährung von Restschadensersatz bei EU-Reimport im sog. Dieselskandal

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) hat am 13.06.2022 darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen Restschadensersatz bei EU-Reimporten im sogenannten Dieselskandal zu gewähren ist.

Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch. Er bestellte am 13. August 2014 bei einem deutschen Händler als EU-Reimport einen Neuwagen des Typs VW Tiguan zum Preis von 30.000 Euro. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 25. Oktober 2014 mit einer EG-Übereinstimmungsbescheinigung und einer Laufleistung von 0 km übergeben. Der deutsche Händler hatte das Fahrzeug zuvor von einem Händler in einem anderen EU-Mitgliedstaat erhalten, der es von der Beklagten erworben hatte.

Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Der Motor war mit einer Software ausgestattet, die hinsichtlich der Abgasrückführung zwischen Prüfstand und gewöhnlichem Fahrbetrieb unterschied, sodass die Emissionsgrenzwerte für Stickoxide nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) beanstandete die Software im Jahr 2015. Die Beklagte entwickelte ein Software-Update, das vom KBA zugelassen wurde. Die Beklagte informierte den Kläger im Februar 2016 über die Betroffenheit seines Fahrzeugs vom sogenannten Dieselskandal. Im November 2016 ließ der Kläger das Software-Update aufspielen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 30.000 Euro nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie zur Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers, mit der er die Höhe der anzurechnenden Nutzungsentschädigung etwas reduziert und hilfsweise beantragt hat, die Beklagte zur Zahlung von 7.500 Euro ohne Zug-um-Zug-Vorbehalt zu verurteilen, hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels gemäß dem Hilfsantrag ohne Zug-um-Zug-Vorbehalt verurteilt, 2.250 Euro an den Kläger zu zahlen. Dabei hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte sei dem Grunde nach gemäß §§ 826, 31 BGB zum Schadensersatz in Form der Rückgängigmachung des Kaufvertrags über das Fahrzeug verpflichtet. Dieser Anspruch sei jedoch verjährt. Die Beklagte habe allerdings gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB den auf Kosten des Klägers erlangten Kaufpreis herauszugeben, soweit er ihr nach Abzug der Herstellungskosten und der Händlermarge verblieben sei. Dass der Kläger das Fahrzeug nicht direkt von der Beklagten, sondern über einen Händler als reimportierten EU-Neuwagen erworben habe, schließe die Anwendung des § 852 Satz 1 BGB nicht aus. Auch wenn die Beklagte das Neufahrzeug zunächst in das EU-Ausland verkauft und den Kaufpreis unmittelbar von dem erwerbenden Händler erhalten habe, habe sie ihn doch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht auf dessen Kosten, sondern auf Kosten des Klägers erlangt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Klägers weiterverfolgt hat, hatte ebenso Erfolg wie die Anschlussrevision des Klägers, mit der er seine Berufungsanträge teilweise weiter geltend gemacht hat. Revision und Anschlussrevision führten im Umfang des Angriffs der Parteien in der Revisionsinstanz zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Dabei hielt die Annahme des Berufungsgerichts, der Anspruch aus §§ 826, 31 BGB sei verjährt, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen reichten aber nicht aus, um einen Anspruch des Klägers aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB zu bejahen.

Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils am 21. März 2022 (VIa ZR 275/21, WM 2022, 745) für den Erwerb von Neuwagen über einen Händler ohne Bezug zum EU-Ausland bereits entschieden hat, hängt die Frage, ob der Erwerber nach Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB einen Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB geltend machen kann, von den vom Tatrichter festzustellenden Umständen des Einzelfalls ab. Liegt danach dem Neuwagenkauf eines nach § 826 BGB durch den Fahrzeughersteller Geschädigten bei einem Händler die Bestellung des bereitzustellenden Fahrzeugs durch den Händler bei dem Fahrzeughersteller zugrunde und schließen der Fahrzeughersteller und der Händler einen Kaufvertrag über das Fahrzeug, aufgrund dessen der Fahrzeughersteller gegen den Händler einen Anspruch auf Zahlung des Händlereinkaufspreises erlangt, ist dem Grunde nach ein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegeben, weil der schadensauslösende Vertragsschluss zwischen dem Geschädigten und dem Händler einerseits und der Erwerb des Anspruchs auf Zahlung des Händlereinkaufspreises bzw. der Erwerb des Händlereinkaufspreises durch den Fahrzeughersteller andererseits auf derselben, wenn auch mittelbaren Vermögensverschiebung beruhen. Hat der Händler dagegen das streitgegenständliche Fahrzeug unabhängig von einer Bestellung des Geschädigten vor dem Weiterverkauf auf eigene Kosten und eigenes Absatzrisiko erworben, fehlt es an dem für §§ 826, 852 Satz 1 BGB erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Nach Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB besteht dann auch kein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB.

Mit der heutigen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass diese Grundsätze auch für den Erwerb im Wege des EU-Reimports gelten. Die Beteiligung eines weiteren, im EU-Ausland ansässigen Zwischenhändlers neben dem inländischen Händler und Verkäufer schließt eine Vermögensverschiebung vom geschädigten Erwerber zum Hersteller eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Dieselfahrzeugs im Sinne von §§ 826, 852 Satz 1 BGB nicht aus. Erforderlich ist jedoch auch hier, dass der Fahrzeugerwerb durch den geschädigten Erwerber zu einem korrespondierenden Vermögenszuwachs beim Hersteller geführt hat. Das ist nur dann der Fall, wenn weder der inländische Händler noch der ausländische Zwischenhändler das Fahrzeug zuvor unabhängig von der Bestellung des Geschädigten auf eigene Kosten und eigenes Absatzrisiko erworben haben.

Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung der Sache Gelegenheit haben, zu dieser entscheidungsrelevanten Frage weitere Feststellungen zu treffen. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB zu, wird es bei der Bemessung der Höhe des Anspruchs die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 21. Februar 2022 (VIa ZR 8/21, WM 2022, 731, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ, und VIa ZR 57/21, WM 2022, 742) zu beachten haben.

Quelle: BGH, Pressemitteilung vom 13.06.2022 zum Urteil VIa ZR 680/21 vom 13.06.2022

BGH entscheidet über die Zulässigkeit eines „Sammelklageninkassos“ für Schweizer Erwerber im sog. Dieselskandal

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) hat am 13.06.2022 entschieden, dass ein Inkassodienstleister sich wirksam Schadensersatzforderungen abtreten lassen kann, deren sich Schweizer Erwerber von Kraftfahrzeugen gegen die beklagte Volkswagen AG berühmen.

Sachverhalt:

Einer dieser Erwerber, ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz, kaufte – so im Revisionsverfahren zu unterstellen – im Februar 2015 in der Schweiz von einer Schweizer Vertragshändlerin der beklagten Fahrzeugherstellerin einen VW Tiguan mit Erstzulassung 2015. In das Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut. Der Motor war mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wurde. In diesem Fall schaltete sie vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in einen Stickoxid-optimierten Abgasrückführungsmodus 1 (Prüfstanderkennungssoftware). Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Das Kraftfahrt-Bundesamt bewertete diese Software als unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete für die betroffenen Fahrzeuge einen Rückruf an. In der Schweiz erließ das Bundesamt für Straßen (ASTRA) im Oktober 2015 ein vorläufiges Zulassungsverbot für bestimmte Fahrzeuge mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189, von dem das Fahrzeug des Zedenten nicht betroffen war. Der Erwerber ließ Ende 2016 ein Software-Update aufspielen.

Am 18. Dezember 2017 trat der Erwerber – so wiederum im Revisionsverfahren zu unterstellen – seine Forderungen gegen die Beklagte an die Klägerin, eine nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) registrierte Inkassodienstleisterin in der Rechtsform einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, treuhänderisch zur Einziehung ab. Die Klägerin sollte die Forderung zunächst außergerichtlich geltend machen. Im Falle des Scheiterns der außergerichtlichen Geltendmachung sollte die Klägerin die Ansprüche im eigenem Namen gerichtlich geltend machen, wobei ihr im Erfolgsfall eine Provision zukommen sollte. Der Erwerber sollte für etwaige Kosten der Rechtsverfolgung nicht aufkommen müssen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klägerin, die sich in über 2.000 Fällen in entsprechender Weise Forderungen von Schweizer Erwerbern treuhänderisch zur Einziehung hat abtreten lassen, hat bei dem Landgericht 2019 eine Klage erhoben, in der sie sämtliche Forderungen zum Gegenstand von Feststellungsbegehren gemacht hat. Das Landgericht hat das Verfahren die Ansprüche des einen Erwerbers betreffend abgetrennt. Auf richterlichen Hinweis hat die Klägerin sodann ihren Antrag umgestellt und die Beklagte auf Zahlung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrags, mindestens jedoch CHF 5.394 (15% des Kaufpreises als Minderwert) zuzüglich Zinsen ab Übergabe des Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin fehle für die Geltendmachung der Schadensersatzforderung des Erwerbers die Aktivlegitimation. Die Klägerin habe für die Geltendmachung der Forderung, die Schweizer Recht unterfalle, einer Erlaubnis nicht nur – wie vorhanden – nach § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, sondern nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedurft, über die sie nicht verfüge. Folge des Fehlens der Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG sei, dass die Klägerin durch ihr Tätigwerden gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen habe. Dieser Verstoß führe nicht nur zur Nichtigkeit des der Abtretung zugrundeliegenden schuldrechtlichen Dienstleistungsvertrags mit dem Zedenten, sondern auch zur Nichtigkeit der Forderungsabtretung.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat anhand einer am Wortlaut, an der Systematik und an Sinn und Zweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes sowie an der Gesetzgebungsgeschichte orientierten Auslegung klargestellt, dass ein nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierter Inkassodienstleister auch dann keiner weiteren Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedarf, wenn er eine ihm treuhänderisch übertragene und einem ausländischen Sachrecht unterfallende Forderung außergerichtlich geltend macht. Dabei hat der Bundesgerichtshof die Entscheidungen des VIII. Zivilsenats vom 27. November 2019 (VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89, vgl. Pressemitteilung Nr. 153/2019) und des II. Zivilsenats vom 13. Juli 2021 (II ZR 84/20, BGHZ 230, 255, vgl. Pressemitteilung Nr. 127/2021) berücksichtigt. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Abhängigmachen der Tätigkeit der Klägerin von einer zusätzlichen Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG zur Erreichung des Schutzzwecks des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht erforderlich ist.

Weil sich schon deshalb die Auffassung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft erwies, der Klägerin fehle wegen einer aus einem Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz folgenden Nichtigkeit der Abtretung die Aktivlegitimation, hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht wird sich nunmehr mit der inhaltlichen Berechtigung der Forderung des Zedenten zu befassen haben.

Quelle: BGH, Pressemitteilung vom 13.06.2022 zum Urteil VIa ZR 418/21 vom 13.06.2022

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland im Juni 2022

  • Die deutsche Wirtschaft hat sich nach dem Kriegs-Schock vorerst stabilisiert. Die Produktion verzeichnete wieder einen leichten Anstieg, wird aber weiterhin von den Kriegsfolgen gebremst. Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe waren erneut von Unsicherheit geprägt und gingen spürbar zurück. Die Stimmung in den Unternehmen hat sich allerdings aufgehellt. Vor allem die Beurteilung der aktuellen Lage war deutlich optimistischer, die Erwartungen blieben gedämpft.
  • Die Umsätze im Einzelhandel haben sich im April gegenüber dem Vormonat wieder deutlich verringert, nachdem sie im März gestiegen waren. Die Stimmung unter den Verbrauchern wird maßgeblich von der Unsicherheit aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der hohen Inflation getrübt, was sich nicht so schnell ändern dürfte.
  • Die Inflationsrate erhöhte sich von April auf Mai um 0,4 Prozentpunkte auf 7,8 % und lag damit auf einem Niveau wie zuletzt im Winter 1973/74 während der ersten Ölkrise. Die Preise für Energie trugen mit rund 4 Prozentpunkten am stärksten zur hohen Inflationsrate bei. Nahezu 1 Prozentpunkt kam von dem Preisanstieg für Nahrungsmitteln. Die Kernrate, bei der diese beiden volatilen Preiskomponenten herausgerechnet werden, blieb allerdings unverändert bei 3,8 %.
  • Der Arbeitsmarkt zeigt sich weiter stabil, auch wenn die Dynamik am aktuellen Rand etwas nachlässt. Im Mai ging die registrierte Arbeitslosigkeit saisonbereinigt erneut zurück und die Erwerbstätigkeit hat im April saisonbereinigt merklich zugenommen. Die Inanspruchnahme der Kurzarbeit lag im März mit rund 0,55 Mio. Personen deutlich niedriger als im Vormonat.

Die Deutsche Wirtschaft zeigt sich robust – Ausblick weiter von Unsicherheit geprägt

Die deutsche Wirtschaft hat sich nach der russischen Invasion der Ukraine vorerst stabilisiert. Die ersten verfügbaren Indikatoren für den Berichtsmonat April entwickelten sich nach dem ersten Kriegs-Schock im März uneinheitlich. Die Industrieproduktion war leicht aufwärtsgerichtet, auch der deutsche Außenhandel erholte sich. Dennoch ist die Unsicherheit seit Kriegsbeginn nach wie vor hoch. Dies zeigte sich vor allem in den rückläufigen Auftragseingängen im Verarbeitenden Gewerbe, aber auch die Einzelhandelsumsätze haben sich wieder deutlich verringert. Die hohe Inflation zehrt an der Kaufkraft und dämpft die Konsumstimmung, auch wenn sich die Rücknahme von Corona-Beschränkungen in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen – für sich genommen – positiv auswirkte. Die umfragebasierten Stimmungsindikatoren hellten sich im Mai auf, das ifo Geschäftsklima stieg merklich an. Dabei verbesserte sich vor allem die Beurteilung der aktuellen Lage. Die Erwartungen veränderten sich kaum.

Die Inflationsrate erhöhte sich im Mai nochmals und liegt nun mit 7,9 % auf einem Niveau wie zuletzt im Winter 1973/74 während der ersten Ölkrise. Nach wie vor sind es vor allem die Preise für Energie, die die allgemeine Teuerung treiben, aber auch die Preise für Nahrungsmittel nahmen im Mai merklich zu. Der Ausblick für die weitere wirtschaftliche Entwicklung steht damit weiter unter dem Vorzeichen der hohen Energiepreise, wobei der eingeführte Tankrabatt für eine Entlastung in den Sommermonaten sorgen dürfte. Die weitere Entwicklung ist jedoch auch von den Unsicherheiten aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine geprägt.

Weltwirtschaft entwickelt sich zurückhaltender

Die Weltwirtschaft wird weiterhin vom Krieg in der Ukraine beeinflusst.
Die weltweite Industrieproduktion war im März mit -1,0 % gegenüber Vormonat rückläufig. Auch der Welthandel verringerte sich gegenüber Februar, wenn auch nur leicht (-0,2 %). Der Stimmungsindikator von S&P Global (ehemals IHS Markit) spricht für eine leichte Erholung. Er stieg im Mai auf 51,50 Punkte und lag damit weiterhin über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Die ifo-Exporterwartungen waren ebenfalls etwas optimistischer als im Vormonat. Wegen der strikten Null-Covid-Politik in China mit ihren weitreichenden Schließungen ganzer Ballungsräume stehen im Hafen von Shanghai immer noch rund 3 % der weltweiten Containerfrachtkapazität im Stau. Zwar gab es in Shanghai zuletzt weitreichende Lockerungen, sollte es aber erneut zu Lockdowns solcher Größenordnungen in China kommen, dann wären verschärfte Lieferengpässe und eine weitere Verlangsamung des Welthandels nicht auszuschließen.

Deutscher Außenhandel auf Erholungskurs

Der deutsche Außenhandel hat sich im April von seinem kriegsbedingten Rückgang erholt. Die nominalen Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen sind im April saisonbereinigt um 3,2 % gegenüber dem Vormonat gewachsen. Die Ausfuhren haben damit einen Teil des Rückgangs im März (-4,5 %) wettgemacht. Im Zweimonatsvergleich ergibt sich ein leichtes Plus von 0,3 %. Die Exportpreise sind im April um 0,7 % gestiegen und dürften die Waren-Exporte in realer Rechnung leicht dämpfen.


Auch die Importe von Waren und Dienstleistungen legten im April nominal zu. Saisonbereinigt kam es zu einem Anstieg um 1,7 %. Im Zweimonatsvergleich ergibt sich ein kräftiges Plus von 8,3 %. Bei nochmals gestiegenen Importpreisen im April (+1,7 %) dürfte die reale Entwicklung schwächer ausgefallen sein.


Im Berichtsmonat April hat sich der deutsche Außenhandel mit Waren laut Statistischem Bundesamt insgesamt vom Effekt des Kriegs in der Ukraine erholt. Die erlassenen Sanktionen und Exportbeschränkungen sowie der freiwillige Rückzug aus dem Handel mit Russland hatten im Vormonat maßgeblich zum Einbruch der Ausfuhren beigetragen. Die Waren-Exporte nach Russland sanken aber auch im April nochmals deutlich um 10,0 %.

Auch bei den Waren-Importen aus Russland zeigt sich ein deutlicher Effekt: Sie brachen um 16,4 % ein. Im Gegensatz zu den Exporten waren die Importe aus Russland im Vormonat noch relativ stabil geblieben. Aus Russland importiert Deutschland vor allem Energiegüter wie Öl und Gas sowie Rohstoffe. Da diese Güter von den Sanktionen ausgenommen sind bzw. noch Übergangsfristen gelten wurde der Handel hier zunächst aufrechterhalten. Dass die Importe aus Russland nun so kräftig zurückgingen deutet darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft Importe aus Russland zunehmend ersetzt und unabhängiger von Russland wird.

Vorläufige Entspannung zeigte sich im April bei den Einfuhren aus China: Trotz langem Lockdown in Shanghai und der Schiff-Staus im dortigen Hafen sind die Importe aus der Volksrepublik China um 12,3 % gestiegen. Die deutschen Ausfuhren nach China sanken hingegen um 4,5 %. Die im April deutlich reduzierte Zahl an Container-Abfertigungen im Hafen von Shanghai konnte sich seit Mitte Mai wieder erholen und liegt nun etwa auf dem Stand von Anfang Januar. Trotz der Lockerungen in Shanghai von Ende Mai könnte es mit Verzögerung noch zu Engpässen in Deutschland kommen.

Containerdaten des IfW Kiel deuten darauf hin, dass sich die Ein- und Ausfuhren im Mai relativ stabil halten dürften. Die ifo-Exporterwartungen konnten auch im Mai nochmal zulegen (+4,5 Saldenpunkte). Der Ausblick für den deutschen Außenhandel in den kommenden Monaten fällt somit optimistischer aus als noch im Vormonat.

Produktion steigt – Weiterhin aber kriegsbedingt gedämpft

Im April stieg die Produktion im Produzierenden Gewerbe um 0,7 % gegenüber dem Vormonat. Während die Industrie ihren Ausstoß nur leicht anheben konnte (+0,3 %), erholte sich der Bereich Energie deutlicher von seinem Einbruch im März (+16,1 %). Im Baugewerbe wurde die Produktion hingegen gedrosselt (-2,1 %).
Die deutsche Industrieproduktion wird derzeit durch den russischen Angriffskrieg gedämpft. Zum einen ist Deutschland als exportorientiertes Land überproportional von den Handelssanktionen gegenüber Russland betroffen. Zum anderen ergibt sich durch gestörte Lieferketten ein Mangel bei wichtigen Vorleistungsgütern. Zu Beginn des Kriegs beeinträchtigten fehlende Kabelbäume den Kfz-Bereich, zuletzt erhöhte sich hier die Produktion im April nach sehr starkem Rückgang im März wieder um 6,8 %. Der gewichtige Maschinenbau reduzierte seine Produktion hingegen um 1,0 %. Generell verteuern die hohen Preise für Strom, Gas und Öl kurzfristig viele Produktionsprozesse. Im energieintensiven Bereich „Glas, Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden“ wurde die Produktion um 3,1 % gedrosselt. In der Metallerzeugung und -bearbeitung wurden die Einbußen aus dem Vormonat mit einer Steigerung um 2,3 % nur teilweise aufgeholt.
Der russische Krieg in der Ukraine sorgt nun neben der Steigerung von Energie- und Rohstoffpreisen für Knappheiten für die Produktionsprozesse wichtiger Inputs. Der Ausblick ist derzeit durch große Unsicherheit gekennzeichnet.

Vor diesem Hintergrund haben die Auftragseingänge im April gegenüber dem Vormonat um 2,7 % abgenommen. Dieser Rückgang markiert die dritte Abwärtsbewegung in Folge. Zuletzt lagen die Auftragseingänge arbeitstäglich bereinigt deutlich niedriger als ein Jahr zuvor (-6,2 %). Die Auftragslage ist allerdings nach wie vor außergewöhnlich gut. Das geringere Ordervolumen wurde vor allem von einer niedrigeren Nachfrage nach Investitionsgütern (-4,3 %), aber auch nach Konsumgütern (-2,6 %) getrieben. Die Bestellungen von Vorleistungsgütern verringerte sich indes nur leicht (-0,3 %). Geografisch schlägt ein spürbares Nachfrageminus aus dem Ausland von 4,0 % zu Buche (Euroraum -5,6 %, Nicht-Euroraum -3,0 %). Bei den Bestellungen aus dem Inland kam es zu einer Abnahme um 0,9 %. Im gewichtigen Automobilbereich ergab sich ein Orderrückgang um 8,6 %. Es gab allerdings auch einzelne Branchen, die zunehmende Auftragseingänge verzeichneten, wie der Maschinenbau (+3,8 %), die Bekleidungsindustrie (+7,7 %) und der Bereich Elektrischer Ausrüstungen (+1,3 %). Die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe hellte sich im Mai gegenüber dem Vormonat erneut merklich auf. Vor allem die Geschäftserwartungen fielen optimistischer aus, während sich die Einschätzung der aktuellen Lage nur leicht verbesserte.

Einzelhandelsumsatz geht zurück, Preise steigen weiter

Im Einzelhandel ohne Kfz haben sich die Umsätze im April gegenüber dem Vormonat um 5,4 % verringert, nachdem sie im März um 0,9 % zugenommen hatten. Die Umsätze lagen damit zuletzt um 0,3 % unter ihrem Niveau von einem Jahr zuvor. Dabei meldete der Handel Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren zwar ein Minus gegenüber dem Vormonat von 4,3 %, konnte allerdings gegenüber dem Vorjahresmonat ein hohes Plus von 123,4 % verbuchen. Der Internet- und Versandhandel erzielte im April gegenüber dem Vormonat einen Umsatzzuwachs von 5,4 %, während er im Vergleich zum Vorjahresmonat 9,6 % an Umsatz einbüßte. Bei den Neuzulassungen von Pkw durch private Halter kam es im Mai zu einer Zunahme um 6,4 %, nachdem im Vormonat ein spürbarer Rückgang von 11,2 % verzeichnet worden war.

Die Stimmung unter den Konsumenten wird maßgeblich durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die weiterhin hohe Inflation getrübt. Die beiden gängigen Frühindikatoren sprechen für eine massive Verunsicherung bei den privaten Verbrauchern: Das GfK Konsumklima dürfte sich nach seinem historischen Tiefststand im Mai nur geringfügig aufgehellt haben. Auch die ifo Geschäftserwartungen im Einzelhandel konnten im Mai per saldo nur leicht von einem sehr niedrigen Niveau aus wieder etwas zulegen.

Das Niveau der Verbraucherpreise hat sich im Mai gegenüber dem Vormonat voraussichtlich um 0,9 % und damit den sechsten Monat in Folge erhöht. Energie verteuerte sich zuletzt wieder (+2,8 %), nachdem sie sich im April verbilligte (-3,1 %). Die Preise für Nahrungsmittel nahmen im Mai spürbar zu (+2,1 %; April: +3,6 %). Die Inflationsrate, also die Entwicklung des Preisniveaus binnen Jahresfrist, legte im Mail spürbar um weitere 0,4 Prozentpunkte auf 7,9 % zu, während sie zu Beginn des Jahres noch unter 5 % gelegen hatte. Auf einem ähnlich hohen Niveau lag die Inflationsrate zuletzt während der ersten Ölkrise im Winter 1973/1974. Vor allem die Preise für Energie treiben die Inflation; sie haben sich im Zuge des russischen Kriegs in der Ukraine kräftig erhöht. So geht etwa die Hälfte der Inflationsrate auf das Konto der Energieträger zurück (rd. 4 Prozentpunkte); sie verteuerten sich gegenüber dem Vorjahresmonat um 38,3 %. Für den Berichtsmonat Juni ist u. a. aufgrund des Tankrabatts mit einem dämpfenden Effekt auf den Preisanstieg zu rechnen. Auch Nahrungsmittel trugen merklich zur hohen Inflationsrate mit bei (nahezu 1 Prozentpunkt); hier lag die jährliche Zuwachsrate bei 11,1 %. Die Kerninflationsrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) befand im Mai allerdings unverändert bei 3,8 %, zu Beginn des Jahres hatte sie jedoch noch unter 3 % gelegen. Eine rasche Entspannung des derzeit zu beobachtenden Inflationsdrucks ist angesichts der Unsicherheiten aufgrund des Kriegs Russlands in der Ukraine nicht absehbar.

Arbeitsmarkt bleibt stabil, Dynamik schwächt sich etwas ab

Der Arbeitsmarkt zeigt sich weiter stabil, auch wenn die Dynamik am aktuellen Rand etwas nachlässt. Die registrierte Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung gingen im Mai saisonbereinigt geringfügig zurück und verringerten sich um 4.000 bzw. 5.000 Personen. Damit hat sich die Abgangszahl etwas abgeschwächt. Weil im Winter weniger Arbeitslosigkeit aufgebaut wurde, fällt die Frühjahrsbelebung nun etwas schwächer aus. In Ursprungswerten verringerte sich die registrierte Arbeitslosigkeit um 50.000 auf 2,26 Mio. Personen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat waren 428.000 Personen weniger arbeitslos gemeldet. Auch bei Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung setzte sich der bisherige positive Verlauf weiter fort. Die Erwerbstätigkeit erhöhte sich im April saisonbereinigt um 55.000 Personen. In Ursprungswerten waren damit 45,4 Millionen Menschen erwerbstätig, 771.000 Personen mehr als im Vorjahresmonat. Auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wuchs im März merklich um 31.000 Personen gegenüber dem Vormonat. Die Inanspruchnahme der Kurzarbeit lag im März mit rund 0,55 Mio. Personen deutlich niedriger als im Vormonat. Die Anzeigen der Kurzarbeit waren auch im Mai rückläufig und deuten auf einen weiteren Abbau hin. Die Anzeigen konzentrieren sich nun wieder auf das Produzierende Gewerbe. In den konsumnahen Dienstleistungen spielt die Kurzarbeit nach den Lockerungen nur noch eine geringe Rolle. Die Frühindikatoren lassen eine weiterhin günstige Entwicklung des Arbeitsmarkts erwarten. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist weiter auf hohem Niveau. Im Juni könnte sich trotzdem ein leichter Anstieg bei der registrierten Arbeitslosigkeit zeigen. Dazu dürfte maßgeblich die Fluchtmigration der vergangenen Monate beitragen.

Quelle: BMWi, Pressemitteilung vom 13.06.2022

Schufa darf Daten eines Insolvenzschuldners nicht länger verarbeiten als sie im „Insolvenzbekanntmachungsportal“ veröffentlicht werden dürfen

Der 17. Zivilsenat des OLG Schleswig-Holstein hält daran fest, dass dem Insolvenzschuldner regelmäßig ein Löschungsanspruch gegen die Schufa Holding AG zusteht, wenn diese Daten aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal ohne gesetzliche Grundlage länger speichert und verarbeitet als in der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekVO) vorgesehen. Auch bei der Berechnung eines Score-Wertes darf die Schufa die Daten zum Insolvenzverfahren danach nicht mehr berücksichtigen. Das hat der 17. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 03.06.2022 entschieden.

Zum Sachverhalt: Über das Vermögen des Klägers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und am 25. März 2020 wurde das Verfahren durch Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben. Diese Information wurde im amtlichen Internetportal veröffentlicht. Die Schufa pflegte diese Daten von dort in ihren Datenbestand ein, um diese ihren Vertragspartnern bei laufenden Vertragsbeziehungen und Auskunftsanfragen zum Kläger mitzuteilen. Der Kläger begehrte Ende 2020 die Löschung der Daten von der Schufa, da die Verarbeitung zu erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Nachteilen bei ihm führe. Eine uneingeschränkte Teilhabe am Wirtschaftsleben sei ihm nicht möglich. Er könne u.a. nur noch gegen Vorkasse bestellen und keine neue Wohnung anmieten.

Die Schufa wies die Ansprüche des Klägers zurück und verwies darauf, dass sie die Daten entsprechend der Verhaltensregeln des Verbandes „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ erst drei Jahre nach Speicherung lösche. Die Daten seien bonitätsrelevante Informationen und daher für die Schufa und ihre Vertragspartner von berechtigtem Interesse. Das Landgericht Kiel hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger kann von der Schufa die Unterlassung der Verarbeitung der Informationen zu seinem Insolvenzverfahren sechs Monate nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens verlangen. Nach Ablauf dieser Frist überwiegen die Interessen und Grundrechte des Klägers gegenüber den berechtigten Interessen der Schufa und ihrer Vertragspartner an einer Verarbeitung, so dass sich die Verarbeitung nicht mehr als rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) Datenschutz-Grundverordnung darstellt.

Es ist eine konkrete Abwägung zwischen den Interessen der Schufa und ihrer Vertragspartner an der Verarbeitung der Daten und den durch die Verarbeitung berührten Grundrechten und Interessen des Klägers anzustellen. Der Kläger hat ein Interesse daran, möglichst ungehindert am wirtschaftlichen Leben teilnehmen zu können, nachdem die Informationen über sein Insolvenzverfahren aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal gelöscht worden sind. Dieses Interesse geht dem eigenen wirtschaftlichen Interesse der Schufa als Anbieterin von bonitätsrelevanten Informationen vor. Auch gegenüber typisierend zu betrachtenden Interessen der Vertragspartner sind die Interessen des Klägers vorrangig, da keine besonderen Umstände in der Person des Klägers oder seines Insolvenzverfahrens erkennbar sind, die eine Vorratsdatenspeicherung bei der Schufa über den Zeitraum der Veröffentlichung im Insolvenzbekanntmachungsportal hinaus rechtfertigen könnten.

Die Schufa kann sich nicht auf die in den Verhaltensregeln des Verbandes der Wirtschaftsauskunfteien genannte Speicherfrist von drei Jahren berufen. Diese Verhaltensregeln entfalten keine Rechtswirkung zulasten des Klägers. Sie vermögen auch keine Abwägung der Interessen vorzuzeichnen oder zu ersetzen.

Die Revision ist zugelassen.

Quelle: OLG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 07.06.2022 zum Urteil 17 U 5/22 vom 03.06.2022

Bundesrat stimmt weiteren Corona-Steuerhilfen zu

Der Bundesrat hat am 10. Juni 2022 zahlreichen steuerrechtlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise zugestimmt, die der Bundestag am 19. Mai beschlossen hatte. Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterschrift zugeleitet und anschließend im Bundesgesetzblatt verkündet.

In Kraft treten können dann erweitere Abschreibungsmöglichkeiten für Firmen, die verlängerte Homeoffice-Pauschale für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis Dezember 2022 und Vorschriften zur steuerfreien Auszahlung eines Pflege-Bonus.

Corona-Bonus bis zu 4.500 Euro

Corona-bedingte Sonderleistungen der Arbeitgeber sind künftig bis zu 4.500 Euro steuerfrei. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, dass die Zahlung des Bonus aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen erfolgt: Auch freiwillige Leistungen des Arbeitgebers sind nun bis zur Höchstgrenze steuerfrei. Diese Änderung hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum zugrundeliegenden Regierungsentwurf gefordert.

Das Gesetz weitet den begünstigten Personenkreis aus: Künftig gilt die Steuerfreiheit auch für Zahlungen an Beschäftigte in Einrichtungen für ambulantes Operieren, bestimmte Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Rettungsdienste.

Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld

Die Steuerbefreiung von Arbeitgeberzuschüssen zum Kurzarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld wird bis Ende Juni 2022 verlängert, die Homeoffice-Pauschale bis Ende des Jahres.

Längere Frist für Steuererklärung

Das Gesetz sieht erweiterte Möglichkeiten zur Inanspruchnahme der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und zur Verlustverrechnung über einen Zeitraum von zwei Jahren vor. Zudem verlängert es – wie schon in den Vorjahren – die Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen, um sowohl Steuerberaterinnen und Steuerberater als auch Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Auch damit greift der Bundestag eine Anregung des Bundesrates aus dessen Stellungnahme auf.

Bundesrat mahnt Unterstützung bei Flüchtlingsunterbringung an

In einer begleitenden Entschließung weist der Bundesrat nochmals darauf hin, dass die Bundesunterstützung an den – unabhängig vom Krieg in der Ukraine entstehenden – flüchtlingsbezogenen Kosten sowie den Aufwendungen der Länder und Kommunen für Unterkunft und Integration, die rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 gelten soll, angemessen fortgesetzt werden müsse. Um Planungssicherheit für die Gestaltung ihrer Haushalte zu erlangen, seien Länder und Kommunen auf eine schnellstmögliche Umsetzung angewiesen.

Unterstützung bei frühkindlicher Bildung

Der Bundesrat fordert, auch die Finanzmittel vor allem im Bereich der frühkindlichen Bildung zu verstetigen sowie die Regionalisierungsmittel für den öffentlichen Personennahverkehr wesentlich zu erhöhen.

Aufforderung zu künftigen Gesetzesvorhaben

Die Bundesregierung solle künftige Maßnahmen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen auf Länder und Kommunen zeitnah im Einvernehmen mit den Ländern klären und entsprechend höhere Finanzmittel für Länder und Kommunen gesetzlich regeln.

Bundesregierung am Zug

Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich mit den Forderungen des Bundesrates befasst. Feste Fristen gibt es hierfür nicht.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 10.06.2022

Anspruch auf Internetzugang: Bundesrat stimmt Verordnung zu

Der Bundesrat hat am 10. Juni 2022 einer Verordnung der Bundesnetzagentur zugestimmt, die Mindestanforderungen für den Internetzugang festlegt. Bürgerinnen und Bürger, die bislang keinen ausreichenden Zugang zu Internet- oder Sprachkommunikationsdiensten hatten, erhalten damit erstmals einen individuellen rechtlichen Anspruch. Ziel ist die wirtschaftliche und soziale Teilhabe für alle durch ein „digitales Auffangnetz“.

Parameter für Download, Upload und Latenz

Hintergrund ist eine EU-Richtlinie, die den Bund zur so genannten Universaldienstgewährleistung verpflichtet. Zu ihrer Umsetzung regelt die Verordnung Mindestanforderungen an Internetzugangs- sowie Sprachkommunikationsdienste: Die Unternehmen müssen Bandbreiten von mindestens 10,0 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) im Download beziehungsweise mindestens 1,7 Mbit/s im Upload leisten. Die Latenz – also Verzögerungszeit- darf höchstens 150,0 Millisekunden (ms) betragen.

Die Parameter der Verordnung orientieren sich – nach Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes – insbesondere an der von 80 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet genutzten Mindestbandbreite, Uploadrate und Latenz.

Erster Schritt zum 1. Juni 2022

Nach Angaben der Bundesnetzagentur ist die Verordnung nur der erste Schritt einer dynamischen Entwicklung, die sich an den künftigen Bedürfnissen orientiert. Sie soll rückwirkend zum 1. Juni 2022 in Kraft treten.

Bundesrat fordert weitere Verbesserungen

In einer begleitenden Entschließung kritisiert der Bundesrat, dass die Verordnung den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an „schnelles Internet“ nicht gerecht wird – davor hatte er schon im Februar 2021 in seiner Stellungnahme zum zugrundeliegenden Telekommunikationsgesetz gewarnt. Zur gleichberechtigten Teilhabe am digitalen Leben sei es unabdingbar, dass jedem Haushalt in Deutschland die bestmögliche Versorgung zuteil werde – auch im ländlichen Raum.

Rasche Weiterentwicklung nötig

Daher fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die Mindestversorgung vor dem Hintergrund der stetig steigenden technischen Anforderungen an Internetzugangs- und Sprachtelekommunikationsdienste zügig weiterzuentwickeln. Erforderlich seien strengere Parameter und ein strafferes Verfahren zur Verpflichtung für die Unternehmen.

Der Bundesrat bemängelt, dass vor allem in Mehrpersonenhaushalten die aktuellen Mindestversorgungsraten nicht ausreichen, um parallel aufkommende Bandbreitenbedarfe – zum Beispiel beim Home-Office oder bei der Nutzung digitaler Bildungsangebote zu decken.

Evaluation zu den Auswirkungen in der Praxis

Er bittet, eine Evaluation mit dem Ziel durchzuführen, die Umsetzungsprozesse, die Auswirkungen auf die gesamte Ausbaudynamik in Deutschland und die Geeignetheit der festgesetzten Leistungsanforderungen zu überprüfen. Eine Studie sollte ermitteln, wie viele Haushalte vom Recht auf Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen betroffen sind und wie viele Anschlüsse davon leitungsgebunden beziehungsweise mit drahtlosen Anschlusstechnologien realisiert werden können.

Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich mit den Forderungen des Bundesrates befasst. Feste Fristen gibt es hierfür nicht.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 10.06.2022

Bundesrat billigt Pflegebonus

Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen erhalten einen einmaligen Corona-Pflegebonus, um die besonderen Belastungen in der Corona-Zeit zu honorieren: Nach dem Bundestag hat am 10. Juni 2022 auch der Bundesrat das Pflegebonusgesetz gebilligt. Es kann daher über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt und anschließend im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es soll am Tag darauf in Kraft treten.

Bis zu 550 Euro pro Person

Die nach Qualifikation, Arbeitszeit und Nähe zur Versorgung gestaffelte Prämie kann bis zu 550 Euro betragen und ist steuer- sowie abgabenfrei. Den höchsten Bonus erhalten Personen, die Vollzeit in der unmittelbaren Patientenversorgung tätig sind. Bezugsberechtigt sind auch Auszubildende, Freiwilligendienstleistende, Helferinnen und Helfer im freiwilligen sozialen Jahr, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, DRK-Schwesternschaften, ebenso Beschäftigte von Servicegesellschaften – sowohl in Krankenhäusern als auch in der Alten- und Langzeitpflege. Insgesamt stehen für den Corona-Pflegebonus eine Milliarde Euro bereit.

Weitere Gesetzesänderungen im Bundestagsverfahren

Der ursprünglich von den Koalitionsfraktionen initiierte Gesetzentwurf wurde während der Bundestagsberatungen um Regelungen ergänzt, die nicht mit dem Bonus zusammenhängen – unter anderem die Verlängerung pandemiebedingter Sonderregelungen in der Pflege und die Einbeziehung der Apotheken in die Regelversorgung mit Grippeschutzimpfungen.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 10.06.2022