Drei Länder fordern Besteuerung von Übergewinnen

Bremen, Berlin und Thüringen setzen sich für die Besteuerung so genannter Übergewinne von Unternehmen infolge des Ukraine-Krieges ein. Am 10. Juni 2022 stellte Bürgermeister Andreas Bovenschulte den Entschließungsantrag im Bundesratsplenum vor. Wie geplant wurde die Vorlage zur weiteren Beratung in die Fachausschüsse überwiesen. Sie befassen sich ab dem 20. Juni 2022 damit.

Appell an die Bundesregierung

Nach Ansicht der drei Länder soll der Bundesrat die Bundesregierung bitten, einen Vorschlag für die befristete Erhebung einer Übergewinnsteuer für das Jahr 2022 vorzulegen, um krisenbedingte Übergewinne vor allem im Energiesektor einer Steuer bzw. Abgabe zu belegen. Diese soll zur Finanzierung staatlicher Entlastungsmaßnahmen dienen.

Preisanstieg belastet Bevölkerung und Unternehmen

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine führe – neben der verheerenden Lage der Bevölkerung in der Ukraine – zu gravierenden Verwerfungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten. Der damit einhergehende Preisanstieg bei Lebensmitteln und Energie mindere die private Kaufkraft und treffe vor allem sozial schwache Bevölkerungsgruppen sowie eine Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, heißt es in der Antragsbegründung.
Bund und Länder verfolgten das Ziel, die damit einhergehenden Belastungen durch umfangreiche Maßnahmen einzudämmen. Die Finanzierung dieser Entlastungsmaßnahmen belaste die öffentlichen Haushalte zu einem Zeitpunkt, in dem die Folgen der Corona-Krise noch nicht annähernd bewältigt sind, in einem hohen Maße.

Verwerfungen auf den Märkten

Zugleich sei zu beobachten, dass einzelne Branchen in einem hohen Maß ihre Gewinne auch gegenüber dem Vorkrisenniveau steigern konnten. Dabei seien diese Gewinnsteigerungen nicht Resultat verstärkten wirtschaftlichen Handelns oder von Investitionen, sondern resultierten allein aus den marktlichen Verwerfungen in Folge der Krise. Daher sei es gerechtfertigt, einen Teil der so erzielten Einnahmen zur Finanzierung staatlicher Stützungs- und Entlastungsmaßnahmen zu leisten.

Bremen, Berlin und Thüringen verweisen in ihrem Entschließungsantrag auf die branchenbezogene Solidaritätsabgabe in Italien und den Vorschlag der EU-Kommission zur befristeten außerordentlichen Gewinnbesteuerung.

Ausschussberatungen im Juni

Der Finanz- und der Wirtschaftsausschuss befassen sich ab dem 20. Juni 2022 mit dem Ländervorschlag. Sobald sie ihre Beratungen abgeschlossen haben, kommt die Vorlage wieder auf die Plenartagesordnung – dann zur Abstimmung, ob der Bundesrat die Entschließung fassen und der Bundesregierung zuleiten möchte.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 10.06.2022

Bundesrat billigt Rentenerhöhung

Eine Woche nach dem Bundestag hat am 10. Juni 2022 auch der Bundesrat die Erhöhung der Altersrenten und Verbesserungen für Erwerbsminderungsrenten gebilligt. Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und Verkündung im Bundesgesetzblatt kann es wie geplant in Kraft treten.

Anpassung zum 1. Juli

Das Gesetz, das auf einen Entwurf der Bundesregierung zurückgeht, hebt zum 1. Juli 2022 den aktuellen Rentenwert auf 36,02 Euro und den aktuellen Rentenwert (Ost) auf 35,52 Euro an. Damit steigen die Renten im Westen um 5,35 Prozent und im Osten um 6,12 Prozent.

Die Zahlen beruhen auf Daten zur Lohnentwicklung des Statistischen Bundesamts sowie den Daten für die Berechnung des Nachhaltigkeitsfaktors und zur Entwicklung der beitragspflichtigen Bruttolöhne und -gehälter von der Deutschen Rentenversicherung Bund.

Nachholfaktor gilt wieder

In diesem Jahr wurden dabei der so genannte Nachholfaktor reaktiviert: Dieser sorgt dafür, dass künftig wieder jede aufgrund der Rentengarantie unterbliebene Rentenkürzung bei einer darauffolgenden positiven Rentenanpassung verrechnet wird. In der Corona-Pandemie war der Nachholfaktor ausgesetzt worden.

Zuschlag für Erwerbsminderungsrente

Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner im Bestand, die von bisherigen Leistungsverbesserungen nicht erreicht wurden, profitieren ab 1. Juli 2024 von einem pauschalen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten. Die Zuschlagshöhe richtet sich danach, wann erstmalig eine Erwerbsminderungsrente bezogen wurde. Diese Änderung hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf ausdrücklich begrüßt.

Weitere Anpassungen

Zudem bestimmt das Gesetz für die Zeit ab 1. Juli 2022 die allgemeinen Rentenwerte in der landwirtschaftlichen Alterssicherung, die Mindest- und Höchstbeträge des Pflegegeldes der gesetzlichen Unfallversicherung sowie den Anpassungsfaktor für Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.

Zuschuss für Künstlersozialversicherung

Die Künstlersozialversicherung erhält nochmals einen staatlichen Stabilisierungszuschuss in Höhe von knapp 59 Millionen Euro, um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern und eine Steigerung der Künstlersozialabgabe zu dämpfen. Diese Ergänzung des ursprünglichen Gesetzentwurfs wurde erst im Lauf der Bundestagsberatungen beschlossen.

Schnelles Inkrafttreten geplant

Das Gesetz soll im Wesentlichen zum 1. Juli 2022 in Kraft treten.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 10.06.2022

Quellenbesteuerung von Renten kann sinnvoll sein

Eine Ausweitung der Quellensteuer auf Rentenzahlungen könnte perspektivisch einen sinnvollen Schritt hin zu einer Weiterentwicklung der Besteuerung von Rentnerinnen und Rentnern sein. Diese Ansicht äußert die Bundesregierung in der Antwort (20/2103) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/1820), die sich nach der Entlastung von Steuererklärungspflichten bei Rentnern erkundigt hatte. Ob ein Quellensteuerabzug auf Leibrenten und vielleicht auch auf andere Altersbezüge wie landwirtschaftlicher Alterskasse und berufsständischen Versorgungseinrichtungen einen signifikanten Vereinfachungs- und Entlastungseffekt mit sich bringen könnte, hänge von dem dazu gewählten Modell und der konkreten Ausgestaltung ab. Gegen die bisher und seit längerer Zeit diskutierten Vorstellungen, die unter anderem eine Anlehnung an den Lohnsteuereinbehalt oder einen einheitlichen Abzugsprozentsatz vorsehen, gebe es verschiedene Bedenken. Außerdem seien umfangreiche Vorarbeiten erforderlich. Derzeit beziehen in Deutschland 25,8 Millionen Personen Renten von der Deutschen Rentenversicherung.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 10.06.2022

Steuerbegünstigung für Landwirte ausgelaufen

Die steuerliche Begünstigung beim Einsatz von Biodiesel und Pflanzenöl in der Landwirtschaft war bis zum 31. Dezember 2021 befristet. Zu diesem Zeitpunkt habe die bisherige beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission geendet, berichtet die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/2097) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/1833). Die Regierung prüfe derzeit die beihilferechtliche Genehmigungsfähigkeit der Maßnahme insbesondere vor dem Hintergrund neuer EU-Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 10.06.2022

12 Euro Mindestlohn ab 1. Oktober

Zum 1. Oktober 2022 gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro brutto pro Stunde. Dies hat der Bundestag am 3. Juni 2022 beschlossen – der Bundesrat billigte am 10. Juni 2022 das Gesetz abschließend. Es wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet und kann anschließend in Kraft treten.

Ausnahme vom üblichen Vorgehen

Die gesetzliche Festlegung des Mindestlohns weicht vom üblichen Erhöhungsverfahren ab: Eigentlich schlägt die so genannte Mindestlohnkommission, in der Gewerkschaften und Arbeitgeber vertreten sind, regelmäßig Anpassungen am Mindestlohn vor, die dann durch Rechtsverordnung umgesetzt werden. Derzeit liegt der Mindestlohn bei 9,82 Euro, zum 1. Juli steigt er turnusmäßig auf 10,45 Euro. Einmalig zum Oktober 2022 wird er nun per Gesetz auf 12 Euro angehoben. Zukünftige Anpassungen werden dann wieder auf Vorschlag der Mindestlohnkommission erfolgen, heißt es in der amtlichen Begründung.

Auch Mini- und Midijob-Grenze steigen

Die Anhebung des Mindestlohns wirkt sich auch auf die geringfügig entlohnte Beschäftigung aus – die sogenannte Minijobs oder 450-Euro-Jobs. Damit eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zum Mindestlohn möglich ist, erhöht das Gesetz die Mini-Job-Grenze auf 520 Euro. Sie passt sich künftig gleitend an.

Die Höchstgrenze für so genannte Midi-Jobs im Übergangsbereich steigt von derzeit 1.300 Euro auf 1.600 Euro monatlich. Ziel ist es, sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mit geringem Arbeitsentgelt stärker als bisher zu entlasten und dafür zu sorgen, dass sich Mehrarbeit für die Beschäftigten lohnt.

Impuls für die wirtschaftliche Erholung

Die Erhöhung betrifft nach Angaben der Bundesregierung, die das Vorhaben ursprünglich auf den Weg gebracht hatte, mehr als sechs Millionen Menschen. Ziel ist es, die Kaufkraft zu stärken und einen Impuls zur wirtschaftlichen Erholung zu geben.

Rasches Inkrafttreten geplant

Das Gesetz soll noch im Juni 2022 in Kraft treten, damit sich Wirtschaft und Arbeitnehmervertretungen auf die Erhöhung einstellen können – u. a. auch bei Tarifvertragsverhandlungen.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 10.06.2022

Verfassungsbeschwerde zu einer Warnung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik vor Software nicht zur Entscheidung angenommen

Mit am 10.06.2022 veröffentlichten Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats die Verfassungsbeschwerde eines Herstellers eines Virenschutzprogramms nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hatte gegen die von der Beschwerdeführerin vertriebene Virenschutzsoftware am 15. März 2022 eine Warnung ausgesprochen. Den auf Unterlassung und Widerruf der Warnung gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Verwaltungsgericht ab. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Verfassungsbeschwerde, mit der ein Eilantrag verbunden ist.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, womit sich der Eilantrag erledigt. Die Darlegungen der Beschwerdeführerin genügen den gesetzlichen Anforderungen nicht. Es ist nicht ausgeführt, dass die Verwaltungsgerichte gerade durch die Art und Weise der Bearbeitung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Grundrechte verletzt haben. Zudem erscheint es der Beschwerdeführerin nach den Darlegungen nicht unzumutbar, eine Entscheidung in der Hauptsache vor den Verwaltungsgerichten abzuwarten. Daher ist die Verfassungsbeschwerde hier subsidiär. Erst die eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage durch die Fachgerichte versetzt das Bundesverfassungsgericht in die Lage, die grundrechtsrelevanten Fragen entscheiden zu können. Hier kommt es auf die tatsächlichen Umstände der Gewährleistung der Sicherheit in der Informationstechnik der von Beschwerdeführerin vertriebenen Virenschutzsoftware an, die fachgerichtlich aufgeklärt werden muss. Dass hier ausnahmsweise vorher zu entscheiden wäre, weil der Beschwerdeführerin bei Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren ein schwerer und unabwendbarer Nachteil droht, ist nicht hinreichend dargelegt.

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung vom 10.06.2022 zum Beschluss 1 BvR 1071/22 vom 02.06.2022

Kein Schadenersatz und Schmerzensgeld nach Sturz über Gullydeckel

Das Amtsgericht München wies am 16.11.2021 die Klage eines Münchners ab, der nach einem Unfall Schmerzensgeld und Schadenersatz in Höhe von insgesamt 4.928,43 Euro begehrte.

Der Kläger überquerte im Frühjahr 2020 an einem Fußgängerüberweg die Steinsdorfstraße im Lehel. Auf der Straße befand sich ein Gullydeckel, der in die Fahrbahnoberfläche eingelassen war. Der Höhenunterschied betrug etwa 2,5 cm. Der Kläger trat mit dem Fuß in den abgesenkten Gullydeckel, knickte um und erlitt eine schmerzhafte Basisfraktur, die eine längere orthopädische Behandlung nach sich zog.

Der Kläger meint, ihm stünden daher 4.000 Euro Schmerzensgeld zu. Er verklagte daher die für den Gullydeckel grundsätzlich verkehrssicherungspflichtige kommunale Versorgungsgesellschaft. Er war der Ansicht, bei Überquerung dieser viel befahrenen Straße müsse man damit rechnen, dass die Fußgänger ihren Blick eher auf das Verkehrsgeschehen richteten, um die Straße sicher zu überqueren, als auf den Boden. Es bestünden daher erhöhte Verkehrssicherungspflichten. Diesen sei die Beklagte nicht nachgekommen.

Die Beklagte war der Ansicht, wenn der Kläger die Straße bei Grün passiert habe, müsse er nicht mit Querverkehr rechnen und könne daher auf die Straßenbeschaffenheit achten. Zudem sei der Gullydeckel trotz Querverkehr gut sichtbar gewesen.

Das Gericht wies die Klage ab. Die zuständige Richterin führte in der Begründung aus:

„Die Beklagte hat die ihr für den streitgegenständlichen Bereich zukommende Pflicht, für einen verkehrssicheren Zustand der Straßen zu sorgen, nicht verletzt. (…)

Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass sich der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinzunehmen hat, wie sie sich ihm erkennbar darbietet (vgl. etwa OLG Brandenburg, Urteil vom 17.03.2009 – 2 U 29/08). Inhalt der Verkehrssicherungspflicht ist nur, was im Interesse des Verkehrs nach objektivem Maßstab billigerweise verlangt werden kann und zumutbar ist. Dabei ist der Verkehrssicherungspflichtige in der Regel gehalten, solche Gefahren zu beseitigen, auf die sich ein die normale Sorgfalt beachtender Fußgänger selbst nicht hinreichend einstellen und schützen kann. Dies gilt vor allem dann, wenn die Gefahr nicht rechtzeitig erkennbar ist. Geringe Höhenunterschiede im Belag eines Gehwegs hat ein Fußgänger jedoch nach ständiger Rechtsprechung hinzunehmen, wobei es eine feste Grenze hierfür nicht gibt. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist eine Differenz von 2 cm bis 2,5 cm noch hinzunehmen (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 17.03.2009 – 2 U 29/08, OLG Celle, Urteil vom 07.03.2001 – 9 U 218/00). Das OLG München nahm mit Urteil vom 03.11.2011 – 1 U 879/11 – sogar bei Vertiefungen von 3 – 4 cm im Bodenbelag eines Dorfplatzes noch keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht an und stellte sich auf den Standpunkt, dass ein Straßenbenutzer solche Höhendifferenzen hinzunehmen und sich auf derartige Unebenheiten einzustellen habe.

Entscheidend sind jedoch die Gesamtumstände der jeweiligen Örtlichkeit. Dass es sich vorliegend bei der Steinsdorfstraße um eine stark befahrene Straße handelt, ist unstreitig. Unstreitig ist ebenfalls, dass sich der abgesackte Gullydeckel in einem Bereich befand, der für die Fußgänger durch eine Ampel geregelt war. Das Gericht ist nach dem beiderseitigen Parteivortrag davon überzeugt, dass die Umgebung der Unfallstelle schon deswegen, weil es sich um eine stark befahrene Straße handelt, insgesamt von Fußgängern eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordert. Dass diese Aufmerksamkeit allein auf den Querverkehr gelenkt wäre, so dass man nicht mehr auf die Fahrbahnoberfläche achten könne, ist angesichts dessen nicht überzeugend, dass eine Verkehrsregelung durch eine Ampelschaltung vorhanden ist. Bei Grün breitet sich vor dem Fußgänger mithin die gesamte zu überquerende Fahrbahnoberfläche aus und überblickt er diese, wobei abbiegende Fahrzeuge den Fußgängern Vorrang zu gewähren haben. Eine unübersichtliche Verkehrssituation ist hier gerade nicht gegeben. Beim Überqueren der Straße bei grünem Ampelzeichen hat der Fußgänger grundsätzlich die Möglichkeit, sich auf den Überquervorgang zu konzentrieren. Anders wäre dies etwa in Fußgängerzonen, wo der Fußgänger durch Geschäfte und Schaufenster sowie durch eine große Anzahl von anderen Fußgängern von der Beschaffenheit des Bodenbelags abgelenkt wäre. Den klägerischen Lichtbildern, insbesondere dem als Anlage K1 vorgelegten, ist weiter zu entnehmen, dass sich der abgesackte Gullydeckel schon aufgrund seiner Größe von der restlichen Fahrbahnoberfläche deutlich abgehoben hat und damit auch für die Straße überquerende Fußgänger gut erkennbar war. Bei im Boden eingelassenen Deckeln muss ein sorgfältiger Fußgänger stets damit rechnen, dass an deren Rand Unebenheiten bestehen (vgl. Landgericht Coburg, Urteil vom 14. April 2011 – 21 O 321/10).

Auch die zwischenzeitlich erfolgte Einebnung des Gullydeckels ändert nichts an der fehlenden Verpflichtung der Beklagten zu früheren Maßnahmen.“

Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig.

Quelle: AG München, Pressemitteilung vom 10.06.2022 zum Urteil 182 C 8281/21 vom 21.12.2021 (rkr)

Steuerguide für Influencer

Der neue Steuerguide gibt einen Überblick darüber, welche Steuerarten für Influencerinnen und Influencer infrage kommen können und ob Betroffene ihre Tätigkeit beim Finanzamt anzeigen müssen.

In den sozialen Medien gibt es immer mehr Influencerinnen und Influencer. Sie bewerben – meistens gegen Geld – Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen. Auch diese Art von Marketing ist ein steuerpflichtiges Business. Das Finanzministerium gibt deshalb nun einen Steuerguide für Influencerinnen und Influencer heraus.

Influencer als etablierte Berufsgruppe


Finanzminister Dr. Danyal Bayaz: „Influencerinnen und Influencer sind in der digitalen Welt eine etablierte Berufsgruppe. Uns ist es wichtig, diese Berufsgruppe zu erreichen. Denn auch sie müssen unter bestimmten Umständen Steuern zahlen. Was sie dabei beachten müssen, zeigt ihnen der neue Steuerguide.“

Der Steuerguide gibt einen Überblick darüber, welche Steuerarten für Influencerinnen und Influencer infrage kommen können und ob Betroffene ihre Tätigkeit beim Finanzamt anzeigen müssen. Er ersetzt allerdings keine Fachberatung. Hier empfiehlt sich der Kontakt zu einer Steuerberaterin oder einem Steuerberater.

Quelle: FinMin Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 09.06.2022

BVerfG: Beratungshilfe darf nicht ohne weiteres als mutwillig abgelehnt werden

In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass Gerichte einen Antrag auf Beratungshilfe nicht wegen Mutwilligkeit zurückweisen und Betroffene auf die Beratung durch die Behörde verweisen können, gegen deren Bescheid sie sich wenden möchten (Az. 1 BvR 1370/21). Die grundgesetzlich verbürgte Rechtswahrnehmungsgleichheit sei sonst verletzt.

Den Hintergrund der jüngst veröffentlichten Entscheidung bildet eine sozialrechtliche Streitigkeit. Der Beschwerdeführer bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt nach dem SGB II. Er hatte vom Jobcenter einen Leistungsbescheid erhalten, in dem unter anderem eine Erstattungsforderung enthalten war; diese ergab sich aus einem Betriebskostenguthaben für ein vorangegangenes Jahr, welches das Jobcenter über sechs Monate leistungsmindernd anrechnete.

Um gegen den Bescheid vorzugehen, wollte der Beschwerdeführer anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen und beantragte hierfür beim Amtsgericht Beratungshilfe. Der Rechtspflegerin teilte er bei Antragstellung mit, weshalb der Bescheid aus seiner Sicht fehlerhaft sei, und verwies dabei unter anderem auf die leistungsmindernde Anrechnung des Betriebskostenguthabens über sechs Monate. Die Rechtspflegerin wies den Antrag wegen Mutwilligkeit zurück; ein Widerspruch sei ohne anwaltliche Hilfe zu fertigen.

Seiner hiergegen eingelegten Erinnerung half die Rechtspflegerin des Amtsgerichts nicht ab. Das Amtsgericht wies die Erinnerung wegen Mutwilligkeit zurück. Der Beschwerdeführer wolle Leistungsbescheide des Jobcenters pauschal auf ihre Richtigkeit überprüfen lassen. Er könne nicht konkret darlegen, welche Fehler in den Bescheiden vorlägen. Auch habe er nicht vorgetragen, dass er sich selbst schriftlich oder durch Vorsprache beim Jobcenter um eine Aufklärung des Sachverhalts bemüht habe.

Das BVerfG hielt die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Betroffenen für offensichtlich begründet. Die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts verletzen ihn in seinem durch Art. 3 I i.V.m. Art. 20 I und III GG verbürgten Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit.

Dieser Anspruch sei durch die Versagung von Beratungshilfe nicht verletzt, wenn Bemittelte wegen ausreichender Selbsthilfemöglichkeiten die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen würden. Maßgeblich dafür sei, ob der zugrundeliegende Sachverhalt schwierige Tatsachen- oder Rechtsfragen aufwirft und ob Rechtsuchende selbst über ausreichende Rechtskenntnisse verfügen. Keine zumutbare Selbsthilfemöglichkeit ist jedoch nach Ansicht des BVerfG die pauschale Verweisung auf die Beratungspflicht der den Bescheid erlassenden Behörde.

Dies sei jedoch hier nicht der Fall gewesen. Der Beschwerdeführer habe keine besonderen Rechtskenntnisse gehabt und es seien schwierige Tatsachen- und Rechtsfragen zu beantworten gewesen, insbesondere die leistungsmindernde Anrechnung des Betriebskostenguthabens über sechs Monate. Der Beschwerdeführer habe auch nicht an das Jobcenter als den Bescheid erlassende Behörde verwiesen werden dürfen.

Das BVerfG hält die Einschätzung des Amtsgerichts, das Beratungshilfebegehren sei mutwillig, für nicht nachvollziehbar. Denn der Beschwerdeführer habe dargelegt, an welchen Punkten er Zweifel an der Richtigkeit der Bescheide hatte. Insbesondere habe er dabei auf die Anrechnung des Betriebskostenguthabens über sechs Monate hingewiesen, die mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung tatsächlich nicht vereinbar sei.

Quelle: BRAK, Mitteilung vom 01.06.2022

Entwurf eines Einwegkunststofffondsgesetzes: Neue Prüfungsaufgaben für WP/vBP

Ab dem 1. Januar 2024 sollen unter anderem WP/vBP die jährlichen Mengenmeldungen der Hersteller über von ihnen in Verkehr gebrachte Einwegkunststoffprodukte überprüfen. Die Meldungen müssen beim Umweltbundesamt eingereicht werden.

Dies ergibt sich aus dem Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums eines Gesetzes zur Umsetzung bestimmter Regelungen der EU-Einwegkunststoffrichtlinie. Kern des Gesetzentwurfs bildet das Gesetz über den Einwegkunststofffonds (Einwegkunststofffondsgesetz – EWKFondsG).

Die neue Prüfungsaufgabe ist in § 10 Abs. 1 EWKFondsG-E zu finden und lautet wie folgt:

(1) Hersteller haben jährlich bis zum 15. Mai dem Umweltbundesamt aufgeschlüsselt nach jeweiliger Art und Masse, in Kilogramm, die von ihnen im vorangegangenen Kalenderjahr erstmals auf dem Markt bereitgestellten oder verkauften Einwegkunststoffprodukte nach Anlage 1 gemäß Satz 2 und 3 zu melden. Die Meldung bedarf der Prüfung und Bestätigung durch einen registrierten Sachverständigen im Sinne von § 3 Absatz 15 des Verpackungsgesetzes oder einen gemäß § 27 Absatz 2 des Verpackungsgesetzes registrierten Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder vereidigten Buchprüfer. Die Bestätigung ist mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäß § 2 des Signaturgesetzes zu versehen und vom Hersteller dem Umweltbundesamt zusammen mit der Datenmeldung und dem Prüfbericht elektronisch zu übermitteln.

Dies ähnelt der Prüfung nach § 11 des Verpackungsgesetzes (VerpackG). Neben WP/vBP können auch hier registrierte Sachverständige und Steuerberater die Prüfung durchführen. Nach § 10 Abs. 5 EWKFondsG-E muss das Umweltbundesamt – wie im Verpackungsrecht – sog. Prüfleitlinien entwickeln, die von den Prüfern zu beachten sind. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass diese inhaltlich an die Prüfleitlinien zu § 11 VerpackG angelehnt werden können.

§ 10 Abs. 4 EWKFondsG-E enthält einen Schwellenwert von 50 kg; unterhalb dieser Menge an Einwegkunststoffprodukten ist eine Prüfung entbehrlich. Dies würde bedeuten, dass auch Kleinst-Inverkehrbringer prüfungspflichtig wären. Es bleibt abzuwarten, ob hier im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Anpassungen erfolgen.

Artikel 2 des Gesetzentwurfs sieht Änderungen des Verpackungsgesetzes insoweit vor, als zwischen dem Umweltbundesamt und der Zentralen Stelle Verpackungsregister registerrelevante Informationen ausgetauscht werden (§ 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 29a, 30-neu und 31-neu; § 27 Abs. 4 VerpackG-E). Auf diesem Weg erhält die Zentrale Stelle etwa auch Informationen zu Verstößen gegen die Prüfleitlinien nach § 10 Abs. 5 EWKFondsG-E. Das bedeutet, dass Prüfer auch dann aus dem Prüferregister der Zentralen Stelle entfernt werden können, wenn sie im Rahmen ihrer Prüfung nach § 10 Abs. 1 EWKFondsG-E gegen die Prüfleitlinien nach § 10 Abs. 5 EWKFondsG-E verstoßen haben. Sie könnten in der Folge auch keine Prüfungen nach § 11 VerpackG mehr durchführen.

Quelle: WPK, Mitteilung vom 09.06.2022