BFH: Umsatzsteuerbefreiung für Museumsführer

Mit Beschluss vom 15.02.2022 – XI R 30/21 (XI R 37/18) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Leistungen eines staatlich anerkannten Gästeführers in einem staatlich anerkannten Museum unter bestimmten Voraussetzungen umsatzsteuerfrei sind.

Der Kläger ist als Gästeführer in einem Museum tätig, das ausschließlich über Gruppenführungen begehbar ist. Auftraggeber des Klägers ist eine gemeinnützige Stiftung, die das Museum betreibt und steuerfreie Umsätze an die Museumsbesucher erbringt.

Die zuständige Bezirksregierung hat dem Kläger bescheinigt, dass er als Museumsführer die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt wie vergleichbare Einrichtungen in öffentlichrechtlicher Trägerschaft.
Während das Finanzamt davon ausging, dass die Umsätze des Klägers trotz dieser Bescheinigung umsatzsteuerpflichtig seien, entschied das Finanzgericht (FG), dass die Umsätze des Klägers steuerfrei sind.

Der BFH bestätigte das Urteil des FG. Dieses habe zu Recht angenommen, dass die Umsätze nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG steuerfrei seien. Nach dieser Vorschrift seien die Umsätze der staatlichen Museen sowie „gleichartiger Einrichtungen“ anderer Unternehmer steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde – wie im Streitfall – sowohl dem Museum als auch dem Museumsführer bescheinigt habe, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die staatlichen Museen erfüllen. Steuerfrei seien die typischen Museumsleistungen, zu denen (zumindest beim Museum der Stiftung) auch die Führung der Gäste gehöre. Das Museum, mit dem der Leistende seine Museumsleistung erbringt, dürfe auch das Museum einer dritten Person (hier: der Stiftung) sein. Dass der Kläger mit Gewinnerzielungsabsicht handele, sei für die Steuerbefreiung unschädlich.

Klargestellt hat der BFH dabei allerdings auch, dass die Leistungen anderer selbständiger Subunternehmer des Museums, die über keine entsprechende Bescheinigung verfügen, weil sie nicht selbst kulturelle Leistungen erbringen (z. B. Sicherheits-, Reinigungs- oder Hausmeisterdienst des Museums), nicht umsatzsteuerfrei sind.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 23/22 vom 09.06.2022 zum Beschluss XI R 30/21 (XI R 37/18) vom 15.02.2022

BFH: Stromsteuerentlastung für Unternehmen in Schwierigkeiten als unzulässige Beihilfe

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19.01.2022 – VII R 28/19 erstmals entschieden, dass Unternehmen in Schwierigkeiten keine stromsteuerliche Entlastung gewährt werden kann.

Im Streitfall wies die Klägerin in ihrer Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Ihre Anträge auf Stromsteuerentlastung nach § 9b und § 10 StromStG lehnte das HZA mit der Begründung ab, dass die Klägerin ein sogenanntes Unternehmen in Schwierigkeiten sei und daher nach Maßgabe des unionsrechtlichen Beihilferechts die beantragten Entlastungen nicht gewährt werden dürften. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der BFH entschied, dass die Steuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG aufgrund ihrer selektiven Wirkung staatliche Beihilfen sind und als solche dem Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV unterliegen. Die Einstufung als grundsätzlich unzulässige Beihilfen ergibt sich auch daraus, dass das in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehene Prüfungsverfahren nicht beachtet wurde und keine Ausnahmen nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c oder Art. 108 Abs. 4 AEUV vorliegen. Im Kern ging es im Streitfall um die Frage, ob ein Unternehmen auch dann in Schwierigkeiten im Sinne des Art. 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) ist, wenn zwar mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen ist, jedoch wegen der Einbindung des Unternehmens in einen Konzern eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann.

Hierzu traf der BFH zwei wesentliche Aussagen: Erstens stellt die AGVO bei der Definition eines Unternehmens in Schwierigkeiten in Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO konkret auf die einzelne GmbH ab, welche die Beihilfe beansprucht. Dieser auf bestimmte Gesellschaftsformen bezogene Unternehmensbegriff umfasst deshalb nicht einen Zusammenschluss mehrerer Unternehmen in einem Konzernverbund. Zweitens kommt es auf eine positive Fortführungsprognose nicht an, weil eine solche Einschränkung nach dem Wortlaut des Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO nicht vorgesehen ist. Dem Unionsgesetzgeber kam es gerade darauf an, dass keine detaillierte Untersuchung der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers notwendig ist.

Quelle: BFH, Pressemitteilung 24/22 vom 09.06.2022 zum Urteil VII R 28/19 vom 19.01.2022

BFH zur Steuerpflicht einer Vergütung für die Tätigkeit eines tageweise beim Europarat beschäftigten Dolmetschers

Leitsatz

  1. Eine Vergütung, die ein in Deutschland ansässiger Dolmetscher für seine tageweise Beschäftigung beim Europarat erhält, ist nicht nach dem Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates vom 02.09.1949 (BGBl II 1954, 494) steuerbefreit (Anschluss an BFH-Urteil vom 06.08.1998 – IV R 75/97, BFHE 186, 410, BStBl II 1998, 732).
  2. Einer Verfügung des Generalsekretärs des Europarates, die hinsichtlich einer solchen Vergütung Steuerfreiheit gewährt, kommt keine Bindungswirkung zu Lasten des nationalen Besteuerungsrechts zu.

Quelle: BFH, Urteil VIII R 33/19 vom 16.03.2022

BFH zum Vertrauensschutz im Steuerrecht bei unecht rückwirkenden Gesetzen

Leitsatz

  1. Bei bilanzierenden Steuerpflichtigen ist Vertrauensschutz gegenüber unecht rückwirkenden Gesetzen nicht über mindestens zwei Veranlagungszeitraumwechsel hinweg zu gewähren. Der BVerfG-Beschluss Rückwirkung im Steuerrecht III vom 07.07.2010 – 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06 (BVerfGE 127, 31, BGBl I 2010, 925 ‑ Entscheidungsformel ‑) ist nicht nur auf Arbeitnehmerabfindungen zugeschnitten.
  2. Die BVerfG-Beschlüsse Rückwirkung im Steuerrecht I vom 07.07.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05 (BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 ‑‑Entscheidungsformel‑‑) und Rückwirkung im Steuerrecht II vom 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 (BVerfGE 127, 61, BStBl II 2011, 86 ‑ Entscheidungsformel ‑) sind wegen des Dualismus der Einkunftsarten auf Vermögenszuwächse im Gewerbebetrieb nicht übertragbar.

Quelle: BFH, Urteil III R 9/20 vom 24. Februar 2022

BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung eines bei Überlassung von elektronischen Zahlungskarten erhobenen Kartenpfandes

Leitsatz

Bei dem im Rahmen eines bargeldlosen Zahlungssystems für die Überlassung elektronischer Zahlungskarten in Stadien erhobenen Kartenpfand handelt es sich nicht um pauschalierten (durch die Kartenrückgabe auflösend bedingten) Schadensersatz, sondern um eine steuerbare sonstige Leistung, die nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG als Umsatz im Zahlungs- und Überweisungsverkehr steuerfrei ist, wenn der leistende Unternehmer selbst die Übertragung von Geldern vornimmt.

Quelle: BFH, Urteil XI R 19/19 (XI R 12/17) vom 26.01.2022

BFH zum Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines Pkw bei der Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags und einer Sonderabschreibung nach § 7g EStG

Leitsatz

Ein Steuerpflichtiger kann die Anteile der betrieblichen und der außerbetrieblichen Nutzung eines Pkw, für den er einen Investitionsabzugsbetrag und eine Sonderabschreibung nach § 7g EStG in Anspruch genommen hat, nicht nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch, sondern auch durch andere Beweismittel nachweisen (Anschluss an BFH-Urteil III R 62/19 vom 15.07.2020, BFHE 271, 71).

Quelle: BFH, Urteil VIII R 24/19 vom 16.03.2022

BFH: Freibeträge bei Zusammentreffen mehrerer Nacherbschaften

Leitsatz

  1. Haben mehrere Erblasser denselben Vorerben und nach dessen Tod denselben Nacherben eingesetzt, steht dem Nacherben auf Antrag für alle der Nacherbfolge unterliegenden Erbmassen insgesamt lediglich ein Freibetrag zu.
  2. Der Nacherbe muss in seinem Antrag angeben, welches Verhältnis zu welchem ursprünglichen Erblasser der Versteuerung zugrunde gelegt werden soll. Danach richten sich der Freibetrag und die Steuerklasse für das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen.

Quelle: BFH, Urteil II R 1/20 vom 01.12.2021

BFH: Steuerentstehung bei Vermittlungsleistungen

Leitsatz

  1. Die Vereinbarung einer Ratenzahlung begründet keine Uneinbringlichkeit i. S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG.
  2. Die Steuerentstehung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG ist nicht auf bereits fällige Entgeltansprüche beschränkt.
  3. Eine Teilleistung i. S. von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG, bei der für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird, erfordert eine Leistung mit kontinuierlichem oder wiederkehrendem Charakter.

Hinweis

Das Verfahren V R 16/19 war durch Beschluss vom 07.05.2020 bis zur Entscheidung des EuGH in dem Verfahren C-324/20 ausgesetzt. Das Verfahren wurde wieder aufgenommen.

Quelle: BFH, Urteil V R 37/21 (V R 16/19) vom 01.02.2022

BFH zur Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG in den Fällen des § 13b UStG a. F.

Leitsatz

  1. Die Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG setzt einen ursprünglichen Vorsteuerabzug voraus.
  2. Der ursprüngliche Vorsteuerabzug kann sich in den Fällen des § 13b UStG a. F. aus der Saldierung der Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG a. F. mit dem Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG ergeben.

Quelle: BFH, Urteil V R 33/18 vom 01.02.2022

BFH zur Aufteilung von Alterseinkünften eines Ruhestandsbeamten des EPA

Leitsatz

  1. Die Grundversorgung des Ruhegehalts eines ehemaligen Bediensteten des EPA ist in Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG (Versorgungsbezüge) und sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG (Leibrente) aufzuteilen, sofern der Bedienstete von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, eine zuvor aufgebaute Anwartschaft bei der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung auf das Versorgungssystem des EPA zu übertragen und diese Übertragung vor dem 01.01.2011 erfolgt ist.
  2. Die Aufteilung des Ruhegehalts ist nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zu schätzen. Hierfür kann das Verhältnis der jeweiligen ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten zueinander einen sachgerechten Maßstab bieten.
  3. Soweit das Ruhegehalt als Leibrente zu besteuern ist, ist es für Veranlagungszeiträume ab 2005 der Basisversorgung zuzuordnen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG).

Quelle: BFH, Urteil X R 2/20 vom 15.12.2021