„Idyllisches Wohnen“ entpuppt sich als Täuschung: Maklerin muss Courtage zurückzahlen

Der Käufer eines Grundstücks kann den Kaufvertrag wegen Täuschung anfechten, wenn ihm der Verkäufer in wesentlichen Punkten falsche Versprechungen gemacht hat. In diesem Fall verliert auch die Immobilienmaklerin ihren Anspruch auf die Maklercourtage, und zwar auch dann, wenn sie nichts von der Täuschung wusste. Den bereits gezahlten Maklerlohn muss sie wieder zurückzahlen. Das entschied die 4. Zivilkammer des Landgericht Frankenthal in einem aktuellen Verfahren.

Ein Ehepaar aus Baden erwarb Ende 2016 eine Immobilie im Außenbereich einer kleinen Gemeinde im Landkreis Germersheim. Im Exposé der Maklerin wurde das Objekt beworben mit: „Idyllisches Wohnen in ruhiger sonniger Alleinlage“. Allerdings hatte der Verkäufer noch vor dem Verkauf von der Baubehörde erfahren, dass das Außenbereichsgelände nur in Kombination mit einem landwirtschaftlichen Betrieb zu Wohnzwecken genutzt werden dürfe. Den Käufern, die somit dort nicht wohnen durften, teilte er dies jedoch nicht mit. Auch die Maklerin hatte davon keine Kenntnis.

Als das Ehepaar im Laufe des Jahres 2017 erfuhr, dass die erworbene Immobilie für sie nicht als Wohnhaus nutzbar war, erklärten sie die Anfechtung des Kaufvertrags, mit der Folge, dass dieser rückwirkend unwirksam wurde. Damit war auch dem Anspruch der Maklerin auf die Vermittlungsprovision der Rechtsgrund entzogen, so die 4. Zivilkammer in ihrem Urteil. Der Anspruch bestehe nur bei wirksamem Abschluss eines Kaufvertrags; das Risiko, dass diese Wirksamkeit wieder wegfalle, trage die Maklerin.

Der Anspruch auf Rückzahlung der Maklerprovision sei auch noch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist betrage in diesen Fällen drei Jahre ab Kenntnis der Gründe für die Rückforderung. Diese Kenntnis erlangten die Käufer zwar bereits im Jahr 2017, als sie von der arglistigen Täuschung durch den Verkäufer erfuhren. Folglich wären in diesem Zusammenhang stehende Ansprüche normalerweise mit Ablauf des Jahres 2020 verjährt. Jedoch hatten die Eheleute bereits im Dezember 2020 einen Mahnbescheid beantragt, sodass der Lauf der Verjährung ab diesem Zeitpunkt gehemmt war.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: LG Frankenthal, Pressemitteilung vom 31.05.2022 zum Urteil 4 O 208/21 vom 06.04.2022 (rkr)

Lohnsteuerliche Behandlung von Zuschüssen des Arbeitgebers zu Aufwendungen des Arbeitnehmers für den öffentlichen Personennahverkehr während der Gültigkeitsdauer des sog. 9-Euro-Tickets

Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten für die lohnsteuerliche Behandlung von Zuschüssen des Arbeitgebers zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für den öffentlichen Personennahverkehr während der Gültigkeitsdauer des sog. 9-Euro-Tickets die folgenden Grundsätze:

Steuerbefreiung nach § 3 Nummer 15 Einkommensteuergesetz (EStG)

Zuschüsse, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu deren Aufwendungen für Tickets für öffentliche Verkehrsmittel gewähren, sind hinsichtlich der Steuerbefreiung nach § 3 Nummer 15 EStG auf die Höhe der Aufwendungen des Arbeitnehmers beschränkt.

Für die Monate Juni, Juli und August 2022 wird es für die Anwendung des § 3 Nummer 15 EStG aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, wenn Zuschüsse des Arbeitgebers die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Tickets für öffentliche Verkehrsmittel im Kalendermonat übersteigen, soweit die Zuschüsse die Aufwendungen bezogen auf das Kalenderjahr 2022 insgesamt nicht übersteigen (Jahresbetrachtung).

Werden bezogen auf das Kalenderjahr 2022 insgesamt höhere Zuschüsse gezahlt, als der Arbeitnehmer Aufwendungen hatte, ist der Differenzbetrag als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln.

Arbeitgeberbescheinigung nach § 41b Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 EStG

Die nach § 3 Nummer 15 EStG steuerfreien Arbeitgeberleistungen mindern den nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 EStG als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag und sind vom Arbeitgeber zu bescheinigen (§ 41b Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 EStG). Bescheinigt werden müssen die gesamten nach § 3 Nummer 15 EStG steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse im Kalenderjahr.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 5 – S-2351 / 19 / 10002 :007 vom 30.05.2022

Zuschuss zu den Personalkosten eines Kindergartens nur bei tarifgerechter Eingruppierung der Beschäftigten

Voraussetzung eines Rechtsanspruchs des Trägers einer Kindertagesstätte gegen den Träger der Jugendhilfe auf einen Zuschuss zu den ungedeckten Personalkosten ist, dass es sich um Personalkosten für tarifgerecht besetzte Stellen handelt, die Beschäftigten also entsprechend den Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) eingruppiert worden sind. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in zwei Berufungsverfahren.

In dem einen Fall erkannte der beklagte Landkreis Bad Kreuznach als Träger der Jugendhilfe die von der Ortsgemeinde Langenlonsheim geltend gemachten Personalkosten ihrer Kindertagesstätte für das Jahr 2016 insoweit nicht an, als eine Mitarbeiterin in die Entgeltgruppe S 8a des TVöD eingruppiert worden war. Denn die Mitarbeiterin verfüge nicht über eine Ausbildung zur Erzieherin, sondern sei Kinderpflegerin und dürfe daher maximal in die Entgeltgruppe S 4 eingruppiert werden. In dem anderen Fall erkannte der beklagte Landkreis Mayen-Koblenz die von der Verbandsgemeinde Weißenthurm geltend gemachten Personalkosten des Jahres 2017 für eine in die Entgeltgruppe S 4 eingruppierte Mitarbeiterin ihrer Kindertagestätte nicht an, weil diese Mitarbeiterin als ausgebildete Sozialassistentin in die Entgeltgruppe S 3 einzugruppieren sei. Eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe S 4 sei nach dem TVöD nur möglich, wenn sie mit schwierigen fachlichen Tätigkeiten betraut sei, was hier nicht dargelegt worden sei. In beiden Fälle erhoben die Gemeinden als Träger der Kindertagesstätte Klage mit dem Ziel, den jeweiligen Landkreis zur Gewährung eines höheren Zuschusses zu ihren Personalkosten zu verpflichten. Das Verwaltungsgericht Koblenz gab beiden Klagen statt. Auf die Berufung des beigeladenen Landes Rheinland-Pfalz – hier vertreten durch das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung – hob das Oberverwaltungsgericht im ersten Fall das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage der Ortsgemeinde Langenlonsheim ab. Im zweiten Fall der Verbandsgemeinde Weißenthurm wies es hingegen die Berufung des Landes gegen die stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zurück.

Nach dem für die hier in Rede stehenden Jahre 2016 bzw. 2017 geltenden rheinland-pfälzischen Kindertagesstättengesetz in der Fassung vom 12. Juni 2007 sei Voraussetzung eines Rechtsanspruchs der Kläger als Träger einer Kindertagesstätte gegen den jeweiligen Landkreis als Träger der Jugendhilfe auf einen weitergehenden Zuschuss zu den ungedeckten Personalkosten in der geltend gemachten Höhe, dass es sich bei diesen Personalkosten um „angemessene Aufwendungen“ handele. Angemessene Aufwendungen seien Personalkosten für solche Stellen, die im Rahmen der Bedarfsplanung ausgewiesen seien und tarifgerecht besetzt würden. Letzteres hänge davon ab, ob die Eingruppierung der Beschäftigten nach den Regelungen des TVöD fehlerfrei erfolgt sei. Außerdem finde die Ausgleichspflicht des Jugendamtsträgers gegenüber den Einrichtungsträgern für die ungedeckten Personalkosten dort ihre Grenze, wo auch eine Landeszuwendung entfalle. Daher seien nur solche Aufwendungen angemessen, für die dem Träger des Jugendamtes seinerseits Zuweisungen vom Land gewährt werden können. Eine Begrenzung erfolge mithin über die Förderkriterien des Landes, die in der Landesverordnung zur Ausführung des Kindertagesstättengesetzes vom 31. März 1998 (LVO KitaG) und in der Fachkräftevereinbarung für Kindertagesstätten Rheinland-Pfalz vom 1. August 2013 näher ausgestaltet seien.

Hiervon ausgehend sei im ersten Fall der Ortsgemeinde Langenlonsheim die Eingruppierung der betroffenen Mitarbeiterin in die Entgeltgruppe S 8a entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht tarifgerecht erfolgt, sodass die Personalkosten, soweit sie die der vom beklagten Landkreis anerkannten Entgeltgruppe S 4 überstiegen, nicht angemessen seien und der Klägerin daher kein Anspruch auf einen höheren Zuschuss des Beklagten zustehe. In die Entgeltgruppe S 8a würde eine Erzieherin mit staatlicher Anerkennung eingruppiert oder eine sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausübe. Das Merkmal der „gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen“ setze nach der hier zu berücksichtigenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass der sonstige Angestellte über Fähigkeiten verfüge, die denen, die in der jeweiligen Ausbildung vermittelt würden, gleichwertig seien. Dabei werde zwar nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin vermittelt werde, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechenden umfangreichen Wissensgebietes, wobei Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet erzieherischer Tätigkeiten nicht ausreichend seien. Es sei nicht erkennbar, dass die hier in Rede stehende Mitarbeiterin mit der Ausbildung einer Kinderpflegerin aufgrund ihrer Berufserfahrung und der besuchten Fortbildungsveranstaltungen eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechenden umfangreichen Wissensgebietes wie eine Erzieherin aufweise. Die von ihr ausgeübte und beschriebene Tätigkeit in dem Kindergarten der Klägerin belege nur gleichartige Kenntnisse und Erfahrungen auf einem begrenzten Teilgebiet der Aufgabenfelder einer Erzieherin, nämlich zusammen mit einer Gruppenleiterin Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schulalter zu betreuen. Sie belege nicht, dass sie Fähigkeiten und Erfahrungen auf andersartigen Aufgabenfeldern – etwa im außerschulischen Bereich oder auf der Ebene der Krippe – besitze, auf denen die in der Regel zu einer Tätigkeit in allen Bereichen ausgebildete Erzieherin einsetzbar sei. Aber auch im Bereich des Kindergartens sei nicht geltend gemacht, dass sie – mit einer in Ausnahmefällen möglichen Zustimmung des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung zur Leitung einer Gruppe, die nach der Fachkräftevereinbarung grundsätzlich Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und Absolventen bestimmter Studiengänge vorbehalten sei – in diesem Bereich eigenständig leitend und nicht nur mitwirkend in der Gruppe eingesetzt worden wäre.

Im zweiten Fall der Verbandsgemeinde Weißenthurm habe das Verwaltungsgericht hingegen zu Recht ihrer auf einen höheren Zuschuss gerichteten Klage stattgegeben zu den geltend gemachten Personalkosten für eine in die Entgeltgruppe S 4 eingruppierte Mitarbeiterin ihrer Kindertagestätte. Diese als Sozialassistentin ausgebildete Mitarbeiterin erfülle allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die Voraussetzungen der Fallgruppe 1 der Entgeltgruppe S 4, weil es sich bei der von ihr auszuübenden Tätigkeit nicht um „schwierige fachliche Tätigkeiten“ handele, sondern um Aufgaben, die jede pädagogische Fachkraft in einer Kindergartengruppe im Alltag auszufüllen habe. Sie erfülle jedoch die Tätigkeitsmerkmale der Fallgruppe 3 der Entgeltgruppe S 4 als Beschäftigte „in der Tätigkeit von Erzieherinnen“. Zwar entspreche nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Tätigkeit einer Zweitkraft in einer Kindergartengruppe regelmäßig nicht derjenigen einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung, wenn nach dem einschlägigen Regelwerk wesentliche Unterschiede zwischen den der Gruppenleitung einerseits und den Zweitkräften in den Gruppen andererseits übertragenen Aufgaben bestünden. Eine solche Trennung der Aufgaben der Erziehungstätigkeit (Erstkraft) von der Tätigkeit einer Zweitkraft sei hier jedoch von der Klägerin nicht vorgenommen worden, sodass insoweit die Aufgaben der Mitarbeiterin, auch wenn sie nicht die Erstkraft der Gruppe darstelle, als Tätigkeiten einer Erzieherin anzusehen seien. Die Vertreterin des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung habe bestätigt, dass auch abseits der Gruppenleitung erzieherische Aufgaben für die Zweitkräfte anfielen.

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen stünden weder die Regelungen der LVO KitaG noch die der Fachkräftevereinbarung einer Eingruppierung der genannten Mitarbeiterin in die Entgeltgruppe S 4 Fallgruppe 3 bzw. der Zuschussfähigkeit entgegen. Diesen könne nicht eine Aussage des Inhalts entnommen werden, dass Gruppenmitarbeitern i. S. d. Fachkräftevereinbarung, die nicht die Ausbildung einer Erzieherin besitzen, die Tätigkeiten einer Erzieherin grundsätzlich nicht übertragen werden dürften. Schließlich führe auch der Verweis des Beigeladenen auf Aussagen des Landesrechnungshofes im Kommunalbericht 2017 zu keiner anderen Wertung, in dem sich lediglich Ausführungen zu der – hier nicht maßgeblichen – Entgeltgruppe S 4 Fallgruppe 1 fänden.

Quelle: OVG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 30.05.2022 zu den Urteilen 7 A 10582/21.OVG und 7 A 10583/21.OVG vom 13.05.2022

Inflationsrate im Mai 2022 voraussichtlich +7,9 %

Verbraucherpreisindex, Mai 2022:
+7,9 % zum Vorjahresmonat (vorläufig)
+0,9 % zum Vormonat (vorläufig)

Harmonisierter Verbraucherpreisindex, Mai 2022:
+8,7 % zum Vorjahresmonat (vorläufig)
+1,1 % zum Vormonat (vorläufig)

Die Inflationsrate in Deutschland wird im Mai 2022 voraussichtlich +7,9 % betragen. Gemessen wird sie als Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) zum Vorjahresmonat. Im April 2022 hatte die Inflationsrate bei +7,4 % gelegen. Wie das Statistische Bundesamt nach bisher vorliegenden Ergebnissen weiter mitteilt, steigen die Verbraucherpreise gegenüber April 2022 voraussichtlich um 0,9 %.

Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine sind insbesondere die Preise für Energie merklich angestiegen und beeinflussen die hohe Inflationsrate erheblich. So stiegen die Energiepreise im Mai 2022 um 38,3 % gegenüber dem Vorjahresmonat. Auch die Preise für Nahrungsmittel stiegen mit +11,1 % überdurchschnittlich. Deutliche Preisanstiege auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen wirken sich dabei preiserhöhend aus. Hinzu kommen die preistreibenden Effekte unterbrochener Lieferketten infolge der Corona-Pandemie. Ähnlich hoch wie im Mai 2022 war die Inflationsrate in Deutschland zuletzt im Winter 1973/1974, als infolge der ersten Ölkrise die Mineralölpreise ebenfalls stark gestiegen waren.

Die endgültigen Ergebnisse für Mai 2022 werden am 14. Juni 2022 veröffentlicht.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 30.05.2022

Vorsteuerabzug einer Kurortgemeinde aus den Kosten für die Errichtung und Unterhaltung von öffentlichen Kureinrichtungen

Mit BMF-Schreiben vom 18. Januar 2021, BStBl I S. 121, sind die Anpassungen der Verwaltungsauffassung aufgrund des BFH-Urteils vom 3. August 2017, V R 62/16, BStBl II 2021 S. 109, in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass aufgenommen worden. Die dargestellten Regelungen sollten danach in allen offenen Fällen angewandt werden.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird das BMF-Schreiben dahingehend geändert, dass die Regelungen erst für Leistungen anzuwenden sind, die nach dem 31. Dezember 2017 bezogen worden sind. Für Leistungen, die bis zum 31. Dezember 2017 bezogen worden sind, ist der UStAE in der bis zum 17. Januar 2021 geltenden Fassung anzuwenden.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 2 – S-7300 / 19 / 10002 :002 vom 25.05.2022

Wohnungszuweisung zwischen zwei querschnittsgelähmten Ehegatten nach Scheidung

Die Beteiligten heirateten 2005 und sind seit einem Jahr rechtskräftig geschieden. Die Ehe blieb kinderlos. Sie streiten um die Überlassung der in ihrem Miteigentum befindlichen Ehewohnung anlässlich ihrer Scheidung. Die Wohnung befindet sich im Elternhaus des Antragstellers. Die 130 qm große Wohnung verfügt über ein Wohn- und ein Schlafzimmer, eine Küche, einen Flur, einen Anbau und zwei behindertengerechte Bäder. Gegenwärtig nutzt der Antragsteller das Schlafzimmer und ein Bad und die Antragsgegnerin das Wohnzimmer und ein Bad.

Der Antragsteller ist seit 1984 querschnittsgelähmt und auf tägliche Pflege in Form der Unterstützung bei der An- und Entkleidung sowie beim Toilettengang angewiesen. Seine seit 2018 beschäftigte Pflegekraft ist mittlerweile seine Lebensgefährtin.

Die Antragsgegnerin ist seit 1976 querschnittsgelähmt und ebenfalls, wenn auch nicht im selben Umfang, auf eine Pflegekraft angewiesen. Sie benötigt keine Hilfe beim Toilettengang.

Das Amtsgericht hatte die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller die Wohnung ab dem 01.07.2022 zur alleinigen Nutzung zu überlassen. Das OLG verlängerte die Frist bis zum 01.11.2022 und wies im Übrigen die Beschwerde der Antragsgegnerin zurück. Ein Ehegatte könne die Überlassung der Ehewohnung anlässlich der Scheidung u. a. dann verlangen, wenn er auf deren Nutzung in stärkerem Maße angewiesen sei als der andere oder wenn die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspreche. Dabei seien alle die Lebensverhältnisse der Ehegatten bestimmenden Umstände in eine Gesamtabwägung einzustellen. Hier sei der Antragsteller insbesondere wegen der erforderlichen Anwesenheit einer Pflegeperson auf eine größere Wohnung angewiesen als die Antragsgegnerin. Der Pflegebedarf des Antragstellers übersteige den der Antragsgegnerin. Der Antragsteller habe zudem bereits vor Einzug der Antragsgegnerin in der Wohnung gewohnt und sei in dem Ort, an dem er seit 1987 lebe, sozial verwurzelt. Sein Bruder wohne ebenfalls im Haus. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Antragsteller eine in seiner Nähe wohnende Lebensgefährten habe. Trotz seiner besseren wirtschaftlichen Verhältnisse sei er damit stärker auf die Nutzung der Ehewohnung angewiesen als die Antragsgegnerin, die insbesondere nicht über vergleichbar intensive Bindungen im Ort verfüge.

Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Billigkeitsabwägung auch dem schützenswerten Interesse des Antragstellers, im elterlichen Haus wohnen zu bleiben, erhebliches Gewicht zukomme. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin an der Finanzierung des Wohnungskaufes beteiligt gewesen sei, könne den höheren sozialen Bezug des Antragstellers zur bewohnten Wohnung nicht mindern.

Die Überlassungsfrist sei jedoch wegen der erheblichen Schwierigkeiten der Antragsgegnerin, angesichts ihrer körperlichen Einschränkungen angemessenen Ersatzwohnraum zu finden, bis November zu verlängern.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Erläuterungen

§ 1568 a BGB Ehewohnung

Ein Ehegatte kann verlangen, dass ihm der andere Ehegatte anlässlich der Scheidung die Ehewohnung überlässt, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere Ehegatte oder die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht.

Quelle: OLG Frankfurt, Pressemitteilung vom 30.05.2022 zum Beschluss 6 UF 42/22 vom 18.5.2022

Kündigungsgrund gefälschter Genesenennachweis

Die Vorlage eines gefälschten Genesenennachweises anstelle eines erforderlichen tagesaktuellen Corona-Tests oder Impfnachweises kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden und eine Kündigungsschutzklage abgewiesen.

Nach § 28b Absatz 1 Infektionsschutzgesetz in der vom 24.11.2021 bis 19.03.2022 gültigen Fassung durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur nach Vorlage eines Impfnachweises, eines Genesenennachweises oder eines tagesaktuellen Tests im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung betreten. Der als Justizbeschäftigter bei einem Gericht tätige Kläger legte einen Genesenennachweis vor, obwohl bei ihm keine Corona-Erkrankung festgestellt worden war und erhielt so Zutritt zum Gericht ohne Vorlage eines aktuellen Tests oder Impfnachweises. Nachdem festgestellt wurde, dass es sich bei dem Genesenennachweis um eine Fälschung handelte, erklärte das Land Berlin als Arbeitgeber nach Anhörung des Justizbeschäftigten die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Kündigung ist nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts wirksam, der erforderliche wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung liege vor. Der Arbeitgeber habe einen Zutritt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 28b Absatz 1 Infektionsschutzgesetz gewähren dürfen. Den hier geregelten Nachweispflichten komme auch im Hinblick auf den angestrebten Gesundheitsschutz für alle Menschen im Gericht eine erhebliche Bedeutung zu. Deshalb sei die Verwendung eines gefälschten Genesenennachweises zur Umgehung dieser geltenden Nachweispflichten eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Eine vorherige Abmahnung dieses Sachverhaltes sei nicht erforderlich. Es sei für den Kläger als Justizbeschäftigten ohne weiteres erkennbar gewesen, dass ein solches Verhalten nicht hingenommen werde. Auch im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses von drei Jahren überwiege das arbeitgeberseitige Interesse an einer sofortigen Beendigung.

Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Quelle: ArbG Berlin, Pressemitteilung vom 30.05.2022 zum Urteil 58 Ca 12302/21 vom 26.04.2022

Lkw-Maut soll steigen

Die Lkw-Maut in Deutschland soll Anfang 2023 steigen. Der Bund rechnet mit Mehreinnahmen in Höhe von 41,5 Milliarden Euro in den kommenden fünf Jahren, die der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur dienen. Das Kabinett hat dazu eine Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes auf den Weg gebracht.

Die wichtigsten Fragen und Antworten

Warum steigen die Mautsätze?

Hintergrund für die Erhöhung sind EU-Vorgaben und das neue Wegekostengutachten. Nach Eurovignetten-Richtlinie muss sich die Lkw-Maut an den Kosten für Bau, Betrieb, Erhalt und Ausbau der Verkehrswege orientieren – nebst der tatsächlich verursachten Kosten für Luftverschmutzung und Lärmbelastung, die seit 2022 mitberechnet werden dürfen.

Die jeweils geltenden Mautsätze werden durch wissenschaftlich fundierte Wegekostengutachten ermittelt und in der Regel für eine fünfjährige Kalkulationsperiode bestimmt. Das neue Wegekostengutachten für Deutschland deckt den Zeitraum von 2023 bis 2027 ab und wird mit der Anpassung der Mautsätze zum 1. Januar 2023 umgesetzt.

Die Lkw-Maut ist eine Straßenbenutzungsgebühr, die in Deutschland seit 2005 erhoben wird. Sie wurde in mehreren Stufen auf alle Bundesautobahnen und Bundesstraßen sowie Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht ab 7,5 Tonnen ausgeweitet. Gesetzliche Grundlage für die Erhebung der Lkw-Maut ist das Bundesfernstraßenmautgesetz.

Was bringen die höheren Mautsätze?

Die Mauteinnahmen sollen laut Bundesverkehrsministerium in den Jahren 2023 bis 2027 im Durchschnitt rund 8,3 Milliarden Euro betragen – nach 7,6 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Damit würden sich die Einnahmen in den kommenden fünf Jahren auf insgesamt 41,5 Milliarden Euro summieren.

Die Lkw-Maut dient der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Zusätzlich zur Straßennutzung stellt sie den Verursachern die Kosten für Lärm und Luftverschmutzung in Rechnung. Damit bietet sie einen Anreiz, möglichst emissionsarme Nutzfahrzeuge einzusetzen und Transporte auf Schiene oder Wasserstraße zu verlagern.

…und was bringen sie nicht?

Die Finanzierung der Bundesfernstraßen bleibt mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes weiterhin gesichert – allerdings dürfte, so der Gesetzentwurf, „der Verlagerungseffekt auf andere Verkehrsträger eher gering sein“.

Die Lkw-Maut betrifft Unternehmen des Güterkraftverkehrs. Das Bundesverkehrsministerium schließt deshalb nicht aus, dass „die Weitergabe der gestiegenen Transportkosten zu höheren Preisen für die transportierten Waren führen“ kann. Auswirkungen auf das Verbraucherpreisniveau seien jedoch nicht zu erwarten.

Wo bleibt die CO2-Differenzierung?

Maßnahmen zur CO2-Differenzierung benötigen, so der Gesetzentwurf, einen längeren zeitlichen Vorlauf zur technischen und organisatorischen Umsetzung und sollen daher mit einem separaten Änderungsgesetz geregelt werden.

Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Wir werden 2023 eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut vornehmen, den gewerblichen Güterkraftverkehr ab 3,5 Tonnen einbeziehen und einen CO2-Zuschlag einführen, unter der Bedingung, eine Doppelbelastung durch den CO2-Preis auszuschließen.“

Hinweis

Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Die neuen Mautsätze bei der Lkw-Maut sollen zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Quelle: Bundesregierung, Mitteilung vom 25.05.2022

Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes tritt in Kraft

Mehr Transparenz und Rechtssicherheit im Onlinehandel, für Influencer und bei Kaffeefahren

Das vom Bundesministerium der Justiz vorgelegte und im Sommer 2021 vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht (GSVWG) tritt am Samstag, den 28. Mai 2022, in Kraft.

Das Gesetz soll insbesondere die Transparenz auf Online-Marktplätzen verbessern, für Transparenz und Rechtssicherheit im Hinblick auf das Influencer-Marketing sorgen und vor unlauteren Geschäftspraktiken bei Kaffeefahrten schützen.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:

„Immer öfter erledigen wir unsere Einkäufe per Mausklick oder in der App. Das ist bequem und einfach. Doch neben den neuen Möglichkeiten birgt der zunehmende Online-Handel auch Risiken. Mit dem nun in Kraft getretenen Gesetz stellen wir sicher, dass Verbraucherinnen und Verbraucher auf Online-Marktplätzen und Vergleichsplattformen besser vor gefälschten, fiktiven oder irreführenden Bewertungen von Waren und Dienstleistungen geschützt werden. Auch müssen sie fortan darüber informiert werden, nach welchen Kriterien das Ranking der Angebote erfolgt. Halten die Anbieter die neuen Regeln schuldhaft nicht ein, setzen sie sich Schadensersatzansprüchen aus.

Auch in Bezug auf das Influencer-Marketing erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher künftig mehr Transparenz und Klarheit. Influencerinnen und Influencer müssen ein Posting dann als Werbung ausweisen, wenn sie dafür bezahlt werden oder sonstige wirtschaftliche Vorteile erhalten.“

Darüber hinaus sind auch Kaffeefahrten immer noch Schauplatz halbseidener Geschäftsmethoden. Deshalb schützt das neue Gesetz insbesondere Seniorinnen und Senioren zukünftig noch besser vor missbräuchlichen Praktiken, dies auch bei Fahrten ins Ausland. Hierzu werden die Anzeige- und Informationspflichten der Veranstalter verschärft und der Bußgeldrahmen deutlich erhöht. Außerdem ist ab sofort der Vertrieb von Finanzanlagen, Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln bei solchen Fahrten verboten.

Mit dem Gesetz werden in erster Linie die lauterkeitsrechtlichen Regelungen der Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften im Rahmen des „New Deal for Consumers“ umgesetzt. Die Umsetzung der Richtlinie erfolgt durch entsprechende Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Zur Umsetzung der Regelungen zu Kaffeefahrten werden auch Vorschriften der Gewerbeordnung (GewO) angepasst.

Neue Informations- und Auskunftspflichten

Im Einzelnen enthält das Gesetz die folgenden Kernpunkte:

  • Rankings und Verbraucherbewertungen auf Online-Marktplätzen:
    Betreiber von Online-Marktplätzen müssen darüber informieren, ob es sich bei den Anbietern, die über ihre Plattform Waren und Dienstleistungen vertreiben, um Unternehmer handelt. Ermöglichen Vergleichs- und andere Vermittlungsplattformen Verbraucherinnen und Verbrauchern die Suche nach Waren oder Dienstleistungen verschiedener Anbieter, müssen sie die Hauptparameter ihres Rankings und die Gewichtung dieser Parameter offenlegen. Machen Plattformen, Webshops oder andere Unternehmer Verbraucherbewertungen öffentlich zugänglich, müssen sie darüber informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass die Bewertungen tatsächlich von Verbraucherinnen und Verbrauchern stammen.
  • Individuelle Rechtsbehelfe:
    Verbraucherinnen und Verbraucher, die durch schuldhafte unlautere geschäftliche Handlungen geschädigt worden sind, erhalten einen Anspruch auf Schadensersatz. Bestimmte grenzüberschreitende Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften in der Europäischen Union stellen in Zukunft eine Ordnungswidrigkeit dar, um diese Verstöße einheitlicher sanktionieren zu können.
  • Verbot der Vermarktung wesentlich unterschiedlicher Waren als identisch („Dual Quality“):
    Identisch gekennzeichnete und vermarktete Waren können in unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten eine unterschiedliche Beschaffenheit oder Rezeptur haben. Zukünftig ist vorgesehen, dass die Vermarktung einer Ware als identisch zu einer in anderen Mitgliedstaaten auf dem Markt bereitgestellten Ware unzulässig ist, wenn sich die Waren im Hinblick auf ihre Zusammensetzung und Merkmale wesentlich unterscheiden.
  • Kaffeefahrten:
    Das Gesetz erweitert die Anzeigepflicht der Veranstalterinnen und Veranstalter gegenüber der zuständigen Behörde auch bei ins Ausland führenden Kaffeefahrten und verschärft die Informationspflichten bei der Bewerbung solcher Veranstaltungen. Der Vertrieb von Finanzanlagen, Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln auf Kaffeefahrten wird verboten und der Bußgeldrahmen von 1.000 Euro auf 10.000 Euro erhöht.
  • Kennzeichnung kommerzieller Kommunikation:
    Der Gesetzentwurf stellt zudem klar, in welchen Fällen Inhalte als kommerzielle Kommunikation gekennzeichnet werden müssen. Dies hat vor allem Bedeutung für die Frage, wann Influencer oder Blogger von ihnen abgegebene Empfehlungen als Werbung kennzeichnen müssen.

Quelle: BMJ, Pressemitteilung vom 27.05.2022

DStV setzt sich im Hearing für Nullzins bei der Vollverzinsung ein

Die Reform der Vollverzinsung schreitet voran. Die geplante Zinshöhe sieht der DStV kritisch. Er erläuterte seine Vorschläge u. a. im Hearing des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags.

Dass 6 %-Erstattungs- und Nachzahlungszinsen im noch anhaltenden Niedrigzinsumfeld aus der Reihe tanzen, ist offensichtlich. Dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) diesen Zinssatz letztes Jahr als realitätsfern und mithin verfassungswidrig eingestuft hatte, überraschte kaum (BVerfG, Beschluss v. 08.07.2021, 1 BvR 2237/14). Derzeit arbeitet die Bundesregierung, wie vom BVerfG beauftragt, an einer Neuregelung für die Jahre ab 2019 (BR-Drs. 157/22).

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) warb zuletzt in der Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags für Nachbesserungen. Zuvor hat er seine Position den Mitgliedern des Finanzausschusses in seiner Stellungnahme S 09/22 übermittelt.

Absenken des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen im Niedrigzinsumfeld auf 0 %

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht ab 2019 eine jährliche Verzinsung von 1,8 % vor. Aus Sicht des DStV ist dies nicht sachgerecht. Deutschland befand sich 2019 und befindet sich auch heute noch in einem Niedrigzinsumfeld. Insofern plädierte der DStV im Rahmen der Zinsreform für eine deutlich niedrigere Zinshöhe. In Zeiten, in denen Banken sogar Negativzinsen erheben, wäre aus Sicht des DStV ein Zinssatz in Höhe von 0 % angemessen. Im Ergebnis wird diese Ansicht auch vom BVerfG gestützt. Schließlich führte es aus, dass in Zeiten, in denen verstärkt Negativzinsen von Banken erhoben werden, der Gesetzgeber auch gänzlich auf die Vollverzinsung verzichten könnte.

Anpassungsautomatismus für nachhaltige Reform

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht für künftige Anpassungen (lediglich) regelmäßige Evaluationen der Zinshöhe vor. Damit verpasst er aus Sicht des DStV die Chance auf eine langfristig haltbare Regelung. Der Gesetzgeber wäre besser mit einem Anpassungsautomatismus beraten. Durch klare Parameter hätte der Gesetzgeber die Chance, eine transparente und belastbare Gesetzesnorm zu schaffen.

DStV befürwortet Anknüpfen an Basiszinssatz

Die jetzige Gesetzesbegründung lässt viele Fragen bezüglich der Ermittlung der Zinshöhe offen. Zwar nennt die Gesetzesbegründung Eckwerte, die der Ermittlung zugrunde liegen sollen. Einfach Nachrechnen lässt sich der Zinssatz i. H. v. 1,8 % p. a. jedoch nicht. Der DStV sprach sich daher für ein Anknüpfen an den Basiszinssatz aus. Dieser ist geeignet, Zinsschwankungen in hinreichendem Maß abzubilden. Ferner hat er sich als anerkannter Bezugspunkt diverser Rechtsvorschriften bereits etabliert. Und zu guter Letzt handelt es sich um einen amtlich im Bundesanzeiger bekanntgemachten Marktzins. Mehr Transparenz geht nicht.

Bedauerlicherweise hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 20.05.2022 keine Einwände gegen den Gesetzesentwurf erhoben.

Der DStV war in der genannten öffentlichen Anhörung vertreten durch RAin/StBin Sylvia Mein (DStV-Geschäftsführerin) sowie Daniela Ebert, LL.M. (DStV-Referatsleiterin für Steuerrecht).

Quelle: DStV, Mitteilung vom 25.05.2022