Wenn die Motorhaube plötzlich hochklappt

OLG Oldenburg spricht Schadensersatz zu

Was für ein Schreck! Als die beiden Frauen mit dem Auto auf die Oldenburger Stadtautobahn auffuhren, klappte auf einmal die Motorhaube hoch und die Sicht war versperrt. Geistesgegenwärtig konnten die beiden auf den Seitenstreifen fahren. Personenschaden gab es keinen. Aber der Renault Clio hatte einen Totalschaden.

Kurz zuvor war der Ehemann der Fahrerin beim „TÜV“ gewesen und hatte die orangene Plakette erhalten. Er verklagte das Land Niedersachsen vor dem Landgericht Oldenburg auf Schadensersatz. Zunächst ohne Erfolg. Das Landgericht wies die Klage ab und argumentierte, ein Verschulden des TÜV-Prüfers stehe nicht fest. Der Prüfer hatte vor Gericht ausgesagt, er kontrolliere nach der Prüfung des Motors stets standardmäßig, dass die Motorhaube wieder ordnungsgemäß einraste. Warum die Motorhaube letztlich hochgeklappt sei, könne nicht mehr festgestellt werden, so das Landgericht.

Der Kläger hatte mit seiner Berufung gegen dieses Urteil beim Oberlandesgericht jetzt Erfolg. Nach den Ausführungen des gerichtlich hinzugezogenen Sachverständigen stehe fest, dass die Motorhaube nicht ordnungsgemäß verriegelt gewesen sei, so die Richter des 6. Zivilsenats. Der ganze Schließmechanismus sei entfettet und trocken gewesen, was dazu geführt habe, dass das Schloss nicht richtig arretiert habe. Offenbar habe der Prüfer die Arretierung der Motorhaube nicht sichergestellt. Eine andere Schadensursache komme nicht in Frage. Insbesondere könne ausgeschlossen werden, dass der Kläger oder seine Frau die Motorhaube nach der TÜV-Untersuchung geöffnet und sodann nicht wieder richtig verschlossen hätten. Für sie hätte so kurz nach dem TÜV auch keine Verpflichtung bestanden, das Auto noch einmal zu kontrollieren. Der Kläger müsse sich daher auch kein Mitverschulden anrechnen lassen.

Der Kläger erhält nach dem Richterspruch Ersatz für den Totalschaden. Außerdem muss das Land Niedersachsen ihm die Rechtsanwaltskosten ersetzen.

Quelle: OLG Oldenburg, Pressemitteilung vom 22.06.2022 zum Urteil 6 U 31/22 vom 03.06.2022

Finanzamtszinssatz künftig bei 1,8 Prozent

Der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Steuerzahler gemäß Paragraph 233a der Abgabenordnung soll in Zukunft 0,15 Prozent pro Monat betragen. Der Finanzausschuss stimmte am 22.06.2022 in seiner vom Vorsitzenden Alois Rainer (CSU) geleiteten Sitzung dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (20/1633) zu. Der Zinssatz betrug bisher sechs Prozent im Jahr. Mit der Neuregelung wird den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen, den Zinssatz für diese Zinsen ab 1. Januar 2019 rückwirkend verfassungskonform auszugestalten.

Für den zuvor mit zwei Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen geänderten Entwurf stimmten die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Die CDU/CSU und die AfD-Fraktion lehnten den Entwurf ab, die Fraktion Die Linke enthielt sich.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 22.06.2022

Neue Vergütungsregeln zur Grundsteuererklärung in Kraft

Zur Ermittlung der Vergütung der Feststellungserklärungen für Grundsteuerzwecke ist eine neue spezielle Abrechnungsnorm in Kraft getreten. Mit § 24 Abs. 1 Nr. 11a Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) besteht ab sofort eine einheitliche Berechnungsgrundlage, welche unabhängig vom konkreten Ländermodell bundesweit anwendbar ist. Steuerberater erhalten danach für die Anfertigung der Erklärung zur Feststellung oder Festsetzung für Zwecke der Grundsteuer im Rahmen des ab dem Jahr 2025 anzuwendenden Grundsteuerrechts 1/20 bis 9/20 einer vollen Gebühr nach Tabelle A zur StBVV.

Im Einzelnen gilt: Für alle Bundesländer, in denen nach dem Bewertungsgesetz oder den jeweiligen Landesgesetzen ein Grundsteuerwert festgestellt wird, wird als Gegenstandswert der Grundsteuerwert, mindestens jedoch ein Betrag von 25.000 Euro zugrunde gelegt. Dies betrifft derzeit die Länder Baden-Württemberg (sog. modifiziertes Bodenwertmodell), Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen sowie das Saarland und Sachsen (mit jeweils abweichender Steuermesszahl).

Für alle Länder, in denen abweichend vom Bundesmodell auf Grundlage der dortigen Grundsteuergesetze kein entsprechender Grundsteuerwert vorliegt, wird ein entsprechender fiktiver Grundsteuerwert für die Berechnung der Gebühr zugrunde gelegt. Auch hier sind mindestens 25.000 Euro anzusetzen. Zur Ermittlung des fiktiven Grundsteuerwerts ist der Grundsteuermessbetrag durch die jeweils geltende Grundsteuermesszahl nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Grundsteuergesetz (GrStG) zu dividieren. Dies betrifft derzeit die Länder Bayern (sog. Flächenmodell), Hamburg (sog. Wohnlagenmodell), Hessen (sog. Flächen-Faktor-Modell) und Niedersachsen (sog. Flächen-Lage-Modell).

Die neue Abrechnungsnorm ist Teil der Vierten Verordnung zur Änderung der Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV). Sie wurde nach Zustimmung durch den Bundesrat am 17.06.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2022, S. 877) und ist am Folgetag in Kraft getreten. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) begrüßt die rechtzeitige Schaffung einer konkreten Berechnungsgrundlage. Er hatte sich angesichts des engen Zeitrahmens zur Einreichung der Erklärungen von Anfang Juli bis Ende Oktober 2022 für eine schnelle Anpassung der StBVV ausgesprochen.

Abweichend von der speziellen Abrechnungsnorm des § 24 Abs. 1 Nr. 11a StBVV können Steuerberater mit ihren Mandanten auch eine gesonderte Vergütungsvereinbarung treffen. Dies setzt allerdings nach § 4 StBVV unter anderem eine entsprechende Erklärung des Auftraggebers in Textform voraus. Vereinbart werden kann so etwa auch eine Abrechnung nach Zeitgebühr oder eine pauschale Vergütung.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 22.06.2022

Beschleunigter Ausbau von Windkraftanlagen an Land

Die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben einen Gesetzentwurf zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land vorgelegt (20/2355). Die Bundesregierung hat die Ausbauziele für erneuerbare Energien deutlich angehoben. Um die Ziele zu erreichen, seien flankierende Maßnahmen erforderlich, die mit diesem Gesetz getroffen werden, heißt es in dem Entwurf. Sie sollen die wesentlichen Hemmnisse für den Ausbau der Windenergie an Land beseitigen und diesen dadurch deutlich beschleunigen.

Für den Ausbau der Windenergie an Land ist laut Entwurf dem Mangel an verfügbarer Fläche Abhilfe zu schaffen. Zur Erreichung der Ausbauziele müssen zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen werden. Dies erfordert mehr als eine Verdoppelung der aktuell ausgewiesenen Fläche. Derzeit sind nur rund 0,8 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen, tatsächlich verfügbar sind lediglich 0,5 Prozent. Zudem sind die Flächenausweisungen für Windenergieanlagen im Bundesgebiet sehr ungleich verteilt. Mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) sollen den Ländern verbindliche Flächenziele (sogenannte Flächenbeitragswerte) vorgegeben werden. Das Gesamtziel von zwei Prozent der Bundesfläche soll durch einen Verteilungsschlüssel sachgerecht und transparent zwischen den Ländern verteilt und dabei die vorhandenen Flächenpotenziale für den Ausbau der Windenergie an Land in den Ländern berücksichtigt werden. Die Planungsmethodik und ihre gerichtliche Kontrolle werde vereinfacht, die Planung beschleunigt und die Rechtssicherheit erhöht. Die verbindlichen Flächenziele nach dem WindBG sollen hierzu in die Systematik des Bauplanungsrechts des Baugesetzbuchs integriert werden. Der planerischen Steuerung durch die Ausweisung von Windenergiegebieten soll im Ergebnis nur noch dann Ausschlusswirkung zukommen, wenn die Flächenziele erreicht werden. Andernfalls sollen Windenergieanlagen im gesamten Planungsraum privilegiert zulässig sein. Hierdurch werde sichergestellt, dass für den Windenergieausbau in jedem Fall Flächen im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen. Landesrechtliche Mindestabstandsregelungen auf der Grundlage der sogenannten Länderöffnungsklausel des BauGB sollen weiterhin möglich sein. Sie sollen aber an die Erfüllung der Pflichten nach dem WindBG gekoppelt werden, insbesondere müssen die Flächenziele erreicht werden. Die Länder sollen verpflichtet werden, zu regeln, dass die Mindestabstände nicht für Flächen gelten, die planerisch für Windenergieanlagen ausgewiesen sind.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 22.06.2022

Erzieherin erstreitet höheres Übergangsgeld

Der staatlich anerkannte Abschluss einer Erzieherin an einer Fachschule gilt für die Berechnung der Höhe von Übergangsgeld als Fachschulabschluss und nicht lediglich als abgeschlossene Ausbildung.

Der 7. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts gab am 20.06.2022 einer Erzieherin Recht, die gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund auf ein höheres Übergangsgeld geklagt hatte (Az. L 7 R 55/21).

Die 57-jährige Klägerin hatte in jungen Jahren ihre Ausbildung an der Fachschule für Sozialpädagogik in Hamburg absolviert und dort den Abschluss staatlich anerkannte Erzieherin erworben. Nach über 20 Jahren in ihrem Beruf erkrankte sie und konnte nicht mehr als Erzieherin arbeiten. Die Rentenversicherung bewilligte ihr im Jahr 2019 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer beruflichen Integrationsmaßnahme beim Berufsförderungswerk Hamburg. Um ihren Lebensunterhalt in dieser Zeit sicherzustellen, erhielt sie von der Rentenversicherung ein sog. Übergangsgeld. Streitig war vor Gericht die Höhe dieses Übergangsgeldes.

Zum Hintergrund: Wer an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme teilnimmt, kann zur Sicherung seines Lebensunterhalts Übergangsgeld von der Rentenversicherung erhalten. Die Höhe des Übergangsgeldes wird durch das zuvor erzielte Einkommen bestimmt. Wurde – wie hier – in den letzten drei Jahren vor der Maßnahme kein Einkommen erzielt, wird ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt. Das Übergangsgeld wird dann in Höhe von 65 % dieses fiktiven Einkommens gezahlt. Wie hoch das fiktive Einkommen ist, bestimmt sich nach der beruflichen Qualifikation. § 68 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) stellt hierfür auf den Berufsabschluss ab und differenziert in vier Stufen danach, ob ein Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluss (1. Stufe) oder ein Fachschulabschluss (2. Stufe) erworben wurde, eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf vorliegt (3. Stufe) oder aber keine Ausbildung (4. Stufe).

Obwohl die Klägerin im vorliegenden Fall ihren Abschluss als Erzieherin an einer Fachschule für Sozialpädagogik erworben hatte, ging die Deutsche Rentenversicherung Bund davon aus, dass sie damit lediglich so zu stellen wäre, als hätte sie eine abgeschlossene Ausbildung absolviert. Die Klägerin war hingegen der Auffassung, dass ein Fachschulabschluss im Sinne der 2. Stufe vorliege. Die Rentenversicherung argumentierte damit, dass bei den in § 68 Abs. 2 SGB IX beschriebenen Qualifikationsgruppen jeweils unterschiedliche Fertigkeiten und Befähigungen erworben würden. Die 3. Stufe, die sie hier anwenden wollte, setze eine grundständige Ausbildung voraus. Die 2. Stufe, die den Abschluss an einer Fachschule erfordere, setze eine solche Ausbildung voraus und fordere darüber hinaus den Erwerb weitergehender Fertigkeiten und Berechtigungen, insbesondere Führungsfähigkeiten, im Sinne einer Weiterbildung. Diese Voraussetzungen hätten bei der Ausbildung der Klägerin nicht vorgelegen.

Dies sahen das Sozialgericht Lübeck in 1. Instanz und nun auch das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht, das die Berufung der Rentenversicherung zurückwies, anders. Der Wortlaut des Gesetzes, der lediglich auf den Abschluss an einer Fachschule und nicht auf den Erwerb zusätzlicher Fertigkeiten und Berechtigungen abstelle, sei hier eindeutig. Nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz könne die Ausbildung im Fachbereich Sozialwesen über eine Fachschule angeboten werden. Hierfür habe sich die Hansestadt Hamburg entschieden. Diese habe hierfür entsprechende Ausbildung- und Prüfungsregelungen erlassen. Es gebe keinen Grund, hier eine den Wortlaut erweiternde Auslegung vorzunehmen. Die Klägerin erhält nun ein um etwa 380 Euro monatlich höheres Übergangsgeld für die Zeit der Maßnahme.

Mit diesem Urteil wertet der Senat die sozialen Berufe, in denen überproportional viele Frauen tätig sind, bei der Bemessung des Übergangsgeldes auf.“, kommentiert die Pressesprecherin des Landessozialgerichts Katrin Gebhardt die Entscheidung.

Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Quelle: LSG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 21.06.2022 zum Urteil L 7 R 55/21 vom 20.06.2022

Naturschutzgesetzesnovelle für schnelleren Windkraftausbau

Die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis90/Grüne und FDP haben einen Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vorgelegt (20/2354), um bis spätestens 2045 in Deutschland Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen. Angesichts der Klimakrise und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bestehe eine doppelte Dringlichkeit, für einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien und dabei insbesondere auch der Windenergie an Land zu sorgen, heißt es im Entwurf. Der Entwurf beinhaltet Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Durch eine Ergänzung des § 26 BNatSchG wird rechtlich sichergestellt, dass auch Landschaftsschutzgebiete in angemessenem Umfang in die Suche nach Flächen für den Windenergieausbau einbezogen werden können.

Um Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen an Land zu vereinfachen und zu beschleunigen, sieht der vorliegende Entwurf weiterhin bundeseinheitliche Standards für die in diesem Zusammenhang durchzuführende artenschutzrechtliche Prüfung vor. Zusätzliche artenschutzbezogene Erleichterungen sind vorgesehen für den Fall des Repowerings von Windenergieanlagen an Land (neuer § 45c BNatSchG). Zugleich soll zum dauerhaften Schutz insbesondere der durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien betroffenen Arten das Bundesamt für Naturschutz mit der Aufgabe betraut werden, nationale Artenhilfsprogramme aufzustellen und die zu deren Umsetzung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, wobei zu deren Finanzierung auch Anlagenbetreiber beitragen sollen, die aufgrund der neuen Vorschriften in den Genuss einer artenschutzrechtlichen Ausnahme gelangen.

Der Gesetzentwurf sei mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar, heißt es. Für die Verwaltung auf Bundesebene entstehen durch den Gesetzentwurf zusätzliche Kosten beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Höhe von 1,4 Millionen Euro Sachaufwand 2022, 14 Millionen Euro 2023, 17 Millionen 2024 und 25 Millionen Euro ab 2025.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 22.06.2022

Neue Finanzierungsmodelle für Investitionen in Energieeffizienz und ökologischeres Wohnen

EU-Zuschüsse und -Darlehen sollen zu günstigen Bedingungen kombiniert werden können, um Investitionen in die Energieeffizienz und in regionale Projekte des Neuen Europäischen Bauhaus zu begünstigen. Dafür haben die Europäische Kommission und die Europäische Investitionsbank zwei neue Modelle für Finanzierungsinstrumente vorgestellt.

Auf Grundlage dieser Modelle und mit Hilfe von praktischen Leitfäden können Behörden, die EU-Mittel verwalten, sowie Banken konkrete Finanzierungsinstrumente entwickeln. Eines der Modelle soll Investitionen in die Energieeffizienz im Rahmen von RepowerEU fördern. Das zweite Modell unterstützt Projekte der Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“. EU-Kohäsionskommissarin Elisa Ferreira sagte, „die Modelle sind ein weiteres Beispiel dafür, wie die Kohäsionspolitik den europäischen Grünen Deal fördert und die Abhängigkeit Europas von fossilen Brennstoffen aus Russland verringert.“

Private Investitionen steigern

Laut Ferreira muss es mehr private Investitionen geben, damit die EU ihre Klima- und Energieeffizienzziele erreichen kann. „Durch die Kombination von Zuschüssen und Darlehen können Investitionen mobilisiert und Renovierungen sowie eine nachhaltigere Entwicklung gefördert werden. Ich fordere die Mitgliedstaaten und die Verwaltungsbehörden auf, diese Modelle zu nutzen“. EIB-Vizepräsidentin Lilyana Pavlova fügte hinzu: „Die EIB ist entschlossen, ihre Unterstützung für den europäischen Energiesektor durch ihre Darlehens-, Fondsverwaltungs- und Beratungstätigkeiten zu verstärken.“ Die Modelle bieten den lokalen Behörden einen Anreiz, den Einsatz von Finanzinstrumenten zu unterstützen, um die Ziele des Grünen Deals zu erreichen. Durch die Kombination von EU-Mitteln und anderen öffentlichen Mitteln mit Darlehensfinanzierung durch die EIB und andere Finanzintermediäre wie Banken werden mehr Finanzmittel für grüne Projekte zur Verfügung gestellt.

Die Musterfinanzinstrumente wurden gemeinsam im Rahmen von fi-Compass entwickelt, einem Beratungsauftrag, der von den Beratungsdiensten der EIB und der Europäischen Kommission verwaltet wird. Finanzierungsinstrumente verfügen über eine lange Erfolgsbilanz bei der Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen sowohl in öffentlichen Gebäuden als auch in Privatwohnungen in ganz Europa sowie bei der Unterstützung der städtischen und territorialen Entwicklung. Sie können dazu beitragen, Investitionen in die Gebäuderenovierung zu fördern, um die Treibhausgasemissionen zu verringern, die Lebensqualität zu verbessern und Energiearmut zu bekämpfen.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 21.06.2022

Unterlassungs- und Entschädigungsanspruch einer Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat mit am 21.06.2022 verkündeter Entscheidung die Vertriebstochter des größten deutschen Eisenbahnkonzerns verpflichtet, es ab dem 01.01.2023 zu unterlassen, die klagende Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit dadurch zu diskriminieren, dass diese bei der Nutzung von Angeboten des Unternehmens zwingend eine Anrede als „Herr“ oder „Frau“ angeben muss. Bezüglich der Ausstellung von Fahrkarten, Schreiben des Kundenservice, Werbung und gespeicherter personenbezogener Daten gilt das Unterlassungsgebot ohne Umstellungsfrist sofort. Zudem hat das Unternehmen an die klagende Person eine Entschädigung i. H. v. 1.000 Euro zu zahlen.

Die Beklagte ist Vertriebstochter des größten deutschen Eisenbahnkonzerns. Die klagende Person besitzt eine nicht-binäre Geschlechtsidentität. Die Person ist Inhaberin einer BahnCard und wird in diesbezüglichen Schreiben sowie Newslettern der Beklagten mit der unzutreffenden Bezeichnung „Herr“ adressiert. Auch beim Online-Fahrkartenverkauf der Beklagten ist es zwingend erforderlich, zwischen einer Anrede als „Frau“ oder „Herr“ auszuwählen. Die klagende Person ist der Ansicht, ihr stünden Unterlassungsansprüche sowie ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 5.000 Euro gegen die Beklagte zu, da deren Verhalten diskriminierend sei.

Das Landgericht hatte den Unterlassungsansprüchen der klagenden Person stattgegeben und Entschädigungsansprüche abgewiesen.

Auf die Berufungen der Parteien hin hat das OLG die Unterlassungsansprüche der klagenden Person bestätigt, dabei allerdings der Beklagten hinsichtlich des Unterlassungsgebots bezüglich der Nutzung von Angeboten der Beklagten eine Umstellungsfrist bis zum Jahresende eingeräumt. Zudem hat es eine Entschädigung i. H. v. 1.000 Euro zugesprochen. Die klagende Person könne wegen einer unmittelbaren Benachteiligung im Sinne der §§ 3, 19 AGG aus Gründen des Geschlechts und der sexuellen Identität bei der Begründung und Durchführung von zivilrechtlichen Schuldverhältnissen im Massenverkehr Unterlassung verlangen, begründete das OLG seine Entscheidung. Das Merkmal der Begründung eines Schuldverhältnisses sei dabei weit auszulegen und nicht nur auf konkrete Vertragsanbahnungen zu beziehen. Es umfasse auch die Verhinderung geschäftlicher Kontakte, wenn Menschen mit nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit gezwungen würden, für einen Online-Vertragsschluss zwingend die Anrede „Herr“ oder „Frau“ auszuwählen.

Allerdings hat das OLG der Beklagten eine Umstellungsfrist bis zum Jahresende von gut sechs Monaten eingeräumt. Dies bezieht sich insbesondere auf die Nutzung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten allgemeinen Buchungssystems für Online-Fahrkarten, das sich nicht nur an die klagende Person richtet. Das OLG hat die gewährte Umstellungsfrist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit im Hinblick auf den für die Anpassung erforderlichen erheblichen Aufwand bemessen.

Keine Umstellungsfrist hat das OLG der Beklagten dagegen gewährt, soweit sich der Unterlassungsanspruch der klagenden Person auf die Ausstellung von Fahrkarten, Schreiben des Kundenservice, Werbung und gespeicherte personenbezogene Daten bezieht. In der diesbezüglichen individuellen Kommunikation sei es für die Beklagte technisch realisierbar und auch im Hinblick auf den finanziellen und personellen Aufwand zumutbar, dem Unterlassungsanspruch ohne Übergangsfrist zu entsprechen.

Das OLG hat der klagenden Person zudem wegen der Verletzung des Benachteiligungsverbots eine Geldentschädigung in Höhe von 1.000 Euro zugesprochen. Die klagende Person habe infolge der Verletzung des Benachteiligungsverbots einen immateriellen Schaden erlitten, begründet das OLG. Sie erlebe „die Zuschreibung von Männlichkeit“ seitens der Beklagten als Angriff auf die eigene Person, welche zu deutlichen psychischen Belastungen führe. Die Entschädigung in Geld sei angemessen, da sie der klagenden Person Genugtuung für die durch die Benachteiligung zugefügte Herabsetzung und Zurücksetzung verschaffe. Abzuwägen seien dabei die Bedeutung und Tragweite der Benachteiligung für die klagende Person einerseits und die Beweggründe der Beklagten andererseits. Die Benachteiligungen für die klagende Person sei hier als so massiv zu bewerten, dass sie nicht auf andere Weise als durch Geldzahlung befriedigend ausgeglichen werden könnten. Zu Gunsten der Beklagten sei aber zu berücksichtigen, dass keine individuell gegen die Beklagte gerichteten Benachteiligungshandlungen erfolgt seien. Zudem handele es sich bei der Frage der Anerkennung der Persönlichkeitsrechte von Menschen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität um eine neuere gesellschaftliche Entwicklung, welche selbst in der Gleichbehandlungsrichtlinie aus dem Jahr 2004 (RL 2004/11/EG) noch keinen Niederschlag gefunden habe. So sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei Einführung ihrer Software in Bezug auf den Online-Ticketkauf bewusst oder absichtlich zur Benachteiligung nicht-binärer Personen eine geschlechtsneutrale Erwerbsoption ausgespart habe. Allerdings habe die Beklagte ihre IT-Systeme im Unterschied zu anderen großen Unternehmen bislang nicht angepasst. Zudem sei ihr vorzuhalten, dass sie gerade in der individuellen Kommunikation mit der klagenden Person – so etwa hinsichtlich der BahnCard – nach wie vor eine unzutreffende männliche Anrede verwende.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Erläuterungen

Das OLG hat den Anspruch unmittelbar aus dem AGG hergeleitet, sodass es – anders als die angefochtene Entscheidung – keines Rückgriffs auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Ab. 1 S. 2 BGB i. V. m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bedurfte.

§ 3 AGG Begriffsbestimmungen

(1) 1Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § AGG § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. 2Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § AGG § 2 Abs. AGG § 2 Absatz 1 Nr. AGG § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis AGG § 2 Absatz 1 Nummer 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § AGG § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

§ 19 AGG Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot

(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die

  1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder
  2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,

ist unzulässig.

§ 21 AGG Ansprüche

(1) 1Der Benachteiligte kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot unbeschadet weiterer Ansprüche die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. 2Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen.

(2) 1Bei einer Verletzung des Benachteiligungsverbots ist der Benachteiligende verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. 2Dies gilt nicht, wenn der Benachteiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. 3Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Benachteiligte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

(3) Ansprüche aus unerlaubter Handlung bleiben unberührt.

Quelle: OLG Frankfurt, Pressemitteilung vom 21.06.2022 zum Urteil 9 U 92/20 vom 21.06.2022

FAQ-Katalog zur Energiepreispauschale veröffentlicht: Unterstützung für die Praxis

Das BMF hat FAQs zur Energiepreispauschale in einem umfangreichen Fragenkatalog bekannt gegeben. Der DStV begrüßt, dass seine Anregungen und Praxishinweise berücksichtigt wurden.

Jüngst hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den FAQ-Katalog zur Energiepreispauschale auf seiner Homepage veröffentlicht. Weiterhin hat das BMF ein PDF-Dokument bereitgestellt (vgl. FAQs „Energiepreispauschale (EPP)“ Stand 17.06.2022).

Gute Hilfestellung für die Praxis

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) begrüßt die zeitnahe Veröffentlichung sehr, da in der Praxis viele Fragen zur Umsetzung der Energiepreispauschale bestehen. Die vom DStV in seiner Stellungnahme S 10/22 an das BMF adressierten Praxishinweise wurden in den FAQs berücksichtigt. Insbesondere zu folgenden Punkten hat das BMF in dem Fragenkatalog sehr ausführlich und klarstellend geantwortet:

  • Anspruchsberechtigte,
  • Auszahlungsmodalitäten und Festsetzung im Veranlagungsverfahren,
  • Minijob-Arbeitsverhältnisse,
  • Steuer- und Sozialversicherungspflicht.

Nach Einschätzung des DStV erhalten die steuerberatende Praxis sowie die Steuerpflichtigen mit diesem Fragenkatalog eine gute Hilfestellung sowie Rechtsklarheit zu vielen bisher unklaren Aspekten.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 21.06.2022

Corona-Pandemie: „Dezemberhilfe“ nicht für jedes Unternehmen

Ein Unternehmen, das von der coronabedingten Schließungsanordnung für den Einzelhandel ab dem 16. Dezember 2020 betroffen war, hat keinen Anspruch auf die sog. Dezemberhilfe. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Die Klägerin betreibt Schuhfilialen in mehreren Bundesländern. Aufgrund der ansteigenden Corona-Infektionszahlen im Herbst 2020 beschlossen die Regierungschefs von Bund und Ländern Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Während der Groß- und Einzelhandel darunter auch die Schuhfilialen der Klägerin zunächst unter bestimmten Beschränkungen geöffnet blieben, mussten Institutionen und Einrichtungen der Freizeitgestaltung, etwa Theater, Kinos, Bordelle, Bäder und Fitnessstudios, ab November 2020 schließen. Diese Betriebe konnten für November und Dezember 2020 eine außerordentliche Wirtschaftsbeihilfe beantragen, die bis zu 75 % des Umsatzes im Vorjahresmonat betrug (sog. November-/Dezemberhilfe). Zum 16. Dezember 2020 musste sodann der gesamte Einzelhandel mit Ausnahme bestimmter zur Versorgung der Bevölkerung dringend nötiger Sparten schließen. Für die nun auch betroffenen Unternehmen war (nur) eine Überbrückungshilfe III vorgesehen, die in Abhängigkeit von der Höhe des Umsatzeinbruchs anteilig förderfähige Fixkosten decken sollte. Die Klägerin sieht sich dadurch in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung verletzt und beantragte die Gewährung einer Dezemberhilfe.

Die 26. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die Klage abgewiesen. Die unterschiedliche Behandlung der bereits ab November 2020 geschlossenen Unternehmen und der erst ab Mitte Dezember 2020 betroffenen Klägerin sei nicht zu beanstanden. Die Erbringung von Dienstleistungen unterscheide sich grundlegend vom Verkauf von Waren. Während die Besuche etwa im Kosmetikstudio, Theater oder Restaurant regelmäßig nicht alle nachgeholt würden, lasse sich die Deckung des Bedarfs an Sachgütern aufschieben bzw. online erledigen. Hinzu komme, dass die seit November 2020 Betroffenen sechs Wochen länger geschlossen gewesen seien und die Kundenbindung in Abhängigkeit von der Schließungsdauer abnehme. Nicht jedem von den wirtschaftlichen Wirkungen der Betriebsschließungen betroffenen Unternehmen sei daher eine außerordentliche Wirtschaftsbeihilfe zu gewähren gewesen.

Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg möglich.

Quelle: VG Berlin, Pressemitteilung vom 21.06.2022 zum Urteil 26 K 129/21 vom 03.06.2022